Der Zuckerstengel
„Will mich eigentlich niemand?“, fragt sich eine junge Frau und schlendert langsam in Richtung Tramhaltestelle. Sie kommt von einem Bewerbungsgespräch, wo sie eine Absage erhalten hat. Ihr Tram fährt vor, unüberlegt eilt sie über die Strasse. Ein Auto hupt. Der alte Mann am Strassenrand schüttelt nur den Kopf. Auf einen der letzten freien Plätzen lässt sie sich schliesslich fallen. Draussen beginnt es zu regnen. Ihr wird kalt.
Eine alte, schwarzgekleidete Dame besteigt das Tram. „ Steht man nicht mehr auf, wenn jemand Älteres keinen Sitzplatz mehr hat?“, schnauzt sie die junge Frau an. Ohne Antwort zu geben verzieht sich die genervte, junge Frau auf einen Sitz weiter hinten, der frei ist.
In ihren Gedanken versunken verpasst sie fast ihre Haltestelle. Sie springt auf und geht mit schnellen Schritten zum Tram hinaus. Ein unfreundlicher Geschäftsmann mit Krawatte wird beinahe von ihr in der Türe überrannt. Er schreit ihr nach:“ Passen sie gefälligst besser ...“ Den Rest hört sie schon nicht mehr, er wird vom Stadtlärm übertönt.
Ein Auto prescht an ihr vorbei. Mit einem Taschentuch wischt sie das vom Auto angespritzte Wasser aus dem Gesicht. Sie spannt den Regenschirm auf und überquert die Strasse. Im Kiosk angekommen sucht sie ihr Lieblingsmagazin. Erst nach Minuten findet sie es zwischen zwei dicken, dunkelblauen Katalogen. Sie ist am Bezahlen. Ein Klimpern, ein Zweifrankenstück ist zu Boden gefallen. Verärgert hebt sie das Geldstück auf und bezahlt das Magazin.
Vom Regen nass, obwohl sie einen Regenschirm dabei hat, erreicht sie die Bushaltestelle. Nach kurzem Warten kommt der grüne Bus mit der Nummer 42 angefahren.
Auf den erst besten Platz sitzt sie ab. Ein kleiner Junge in einem Kinderwagen lutscht vergnügt an seinem roten Zuckerstengel. Ein Lächeln geht über sein Gesicht.
Ihr wird warm.