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Der Wurstzipfel

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20.12.2021
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Der Wurstzipfel

Hänger drehte auf. Das Herdloch vergrößerte sich. Normalerweise musste er sich dazu bemühen die Hitze des Feuers niedriger zu Regeln. Er wollte nicht schon wieder verbrannte Pfannkuchen essen. Doch heute war es anders. Die Hitze blieb aus. Er konnte alle vier Finger an den Herdrand legen und dabei an Eiswürfel denken.
Das Feuerloch. Irgendetwas war mit dem Feuerloch los.
Er schaute sich auf dem Schrottplatz um. Konservendosen, Fahrräder und Silberlöffel. Berge und Ebenen aus Chrom, Schrott, Eisen und Blech. Er goss den Teig aus der Pfanne zurück in eine Schüssel mit Loch und trottete damit um die Ecke.
Niemals hatte er sich gefragt, woher das Feuer kam. Das Feuer war immer da gewesen. Leuchtend und heiß.

Vor einem umgekipptem Kühlschrank machte er halt. Er stellte ihn wieder auf und dann die Schüssel rein. Etwas bewegte sich in seinem Magen.
Das trat immer auf, wenn er Hunger hatte. Für ihn pupste dann immer sein Magen, denn es fühlte sich tatsächlich so an, als würde jemand kurz in seine Bauchadern pupsen.

Essen. Er würde sich auf die Suche nach dem Feuer machen müssen. Denn von kaltem Essen bekam er immer schlechte Träume. Als er sich umdrehte versperrte ihm ein hoher Wall aus Autokennzeichen den Weg. Manchmal stellte er sich vor, der Schrottplatz würde leben und immer wenn er nicht hinsah, würde sich ein Haufen an einen neuen Platz bewegen.
In Wahrheit war aber nur wieder ein weiterer Haufen in sich zusammengefallen. Er hatte erst einmal gesehen, wie so etwas passierte. Sonst kam er immer zu spät. Wie auch jetzt. Er wünschte sich manchmal er würde es irgendwie merken, irgendwie mitbekommen, wenn sich etwas bewegte, um den Gegenständen dabei zusehen zu können. Aber hier bekam man nur mit, was man gerade spürte oder zufällig sah.
Und sah man etwas Verändertes, das gerade noch nicht da war, war es immer schon zu spät.
Wieso konnte der Prozess des Veränderns in seiner Umgebung sich nicht auch irgendwie bemerkbar machen, so wie all das, was sich in seinem Blickfeld bewegte und somit die Aufmerksamkeit auf sich zog.

Um die andere Seite des Hügels herum erreichte er wieder seinen Herdofen. Es war mehr ein hohler Schrank mit einem Loch statt einer Herdplatte, dass sich mit einem Rad verkleinern und vergrößern ließ. An anderen Tagen glühte es von tief unten herauf und Hitze versengte alles, was sich zu lange über dem Loch aufhielt. Doch heute nicht. Er setzte sich. Sein Magen pupste schon wieder.

Da sah er etwas. Etwas weißes Längliches. Es steckte unter dem etwas zu kurzem Ofenfuß im Schrott. Eine säuberlich verpackte Stangensalami. Hänger atmete ein. Wurst ließ sich auch ohne Alpträume kalt essen. Doch sie war verpackt. Am herausstehenden Ende zierte ein rotes Band die weiße Hülle.
Hänger griff nach dem Zipfel. Die Wurst steckte fest. Er wischte sich alle Finger am Fell ab und versuchte es noch einmal. Beim zweiten mal zuckte die Salami am Ofenfuß und ein paar Blechteile drumherum. Und beim dritten Mal riss der Zipfel in seiner Hand ab.
Der Rest der Stangensalami sank - und der Boden aus Blech mit ihr. Alles fiel nach Innen und unten, als wenn jemand den Stützbalken in der unteren Etage herausgezogen hätte.
Ein sich kreisendes Loch aus Blech entstand. Hänger hängte mittendrin. Blech überholte ihn auf dem Weg zur Mitte. Schließlich traf ihn ein Autoradio seitlich am Kopf und alles verdunkelte sich.

Stille. Hänger fühlte sich nicht ganz Anwesend. Es dauerte eine ganze Weile bis er auf die Idee kam seine Augen zu öffnen. Oben Schrott, unten Schrott. Links und rechts auch. Aber vor allem dunkel war es.
Was war geschehen?
Er starrte auf seine rechten Finger: Verkrampft umklammerten sie einen weißen abgerissenen Wurstzipfel. Hänger konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wie er hier hergekommen war.
Er schaute auf seinen Bauch. Irgendetwas zog seine Aufmerksamkeit darauf. Dann begann sein Bauch zu Pupsen. Erschrocken zuckte er zusammen.
Er konnte ihn sehen den Prozess. Sehen dass sein Bauch vor Hunger pupste - nur sah er das irgendwie nicht mit seinen Augen. Oder nicht nur.
Denn er hatte gewusst, dass dort etwas passiert. Er hatte schon kurz vorher hingeschaut, weil er es wahrgenommen hatte.
Doch wie…?

Instinktiv fasste er sich an sein Ohr, wo ihn wohl etwas getroffen haben musste.
„Aah“
Er hielt Inne. Da hatte Jemand „Aah“ gesagt und gleichzeitig hatte beim Berühren sein Ohr wehgetan. Vielleicht hatte Jemand „Aah“ gesagt, weil sein Ohr wehgetan hatte.
Doch wer konnte „Ah“ gesagt haben? Er sah sich nach demjenigen um.
Es schepperte.
Als er Innehielt stoppte das Scheppern auch.
Ganz allmählich begriff er, was hier passierte: Indem er sich bewegte entstanden neue Prozesse, die neue Aufmerksamkeiten auf sich lenkten, die man wahrnehmen konnte: Und nicht weil er sie zufällig sah, sondern, weil er sie wahrnahm und wusste, dass dort etwas passierte: Umdrehen erzeugte Scheppern, das Knurren kam, wenn sein Bauch pupste und wenn er sich an sein verletztes Ohr fasste, sagte Jemand „Aah“.

Hänger bekam richtig Spaß daran Prozesse in Gang zu setzen und dabei zu erkennen, wie man ihre Aufmerksamkeit dabei wahrnehmen konnte. Eifrig wühlte er sich durch Blech und Chrom. Immer neue Prozesse machten neue Aufmerksamkeiten.
Wenn Sie nahe an seinem Ohr passierten, waren sie sogar noch stärker wahrzunehmen.
Da stieß er mit ein paar seitlich weggeschobenen Toastern ein Loch ins Freie. An der Kante hielt er Inne.
Ein dunkler Raum erstreckte sich vor ihm fast bis ins Unendliche, aus dessen einer Schrottwand er mittendrin hervorschaute. An der Decke konnte er ab und zu helle, kreisrunde Flecken sehen. Sie erinnerten ihn ein bisschen, an sein Ofenloch.

Doch das Interessanteste waren kleine Männchen, die auf dem Boden weit unter den Lichtkreisen herumwuselten. Er hatte sie ab und zu mal kurz auf der Müllkippe gesehen.
Was taten sie da? Sie hatten kleine Stöckchen, mit denen sie kurz an Schachteln schnitzten. Dann tauchte daran ein Feuer auf, wie er es von seinem Ofen kannte, nur viel kleiner. Die Männchen hielten es immer an einen Haufen mit noch viel größeren Hölzern, größer noch als Hänger selbst. Doch immer kurz bevor ein kleines Feuer die großen Hölzer berührte, ging es aus.
Genau wie sein Ofen, fiel ihm jetzt ein.

Die kleinen Männchen mussten immer neue Hölzchen nehmen, die sie alle aus der Schachtel selbst herausschieben konnten. Keines funktionierte.
Hänger blickte seine Schrottwand hinunter. Da sah er direkt unter sich einen großen Berg dieser Schachteln. Er wollte danach greifen, doch da sackte eine weitere Last Schrott auf seinen Körper und er konnte sich nicht mehr bewegen.
Kurz hatten die Männchen aufgeschaut, und ihr Werk dann erfolglos fortgesetzt.
Hängers Kopf und seine Arme ragten nun aus 3 nebeneinanderliegenden Löchern aus der Schrottwand heraus. Er konnte sich nicht einmal mehr kratzen.
Er musste hier raus. Brauchte Hilfe.

Wenn er sich nur etwas mehr bewegen könnte, um die anderen durch seine Prozesse auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht konnten die das auch wahrnehmen - so wie er - und würden sich dann umdrehen. – Nicht weil sie zufällig zu ihm sahen, sondern weil sie es wussten sich und deswegen zu ihm umdrehten.
Doch er konnte sich nicht bewegen. Und die Männchen sahen nicht noch einmal zu ihm hin.
Die vielen kleinen Schachteln mit den Feuerhölzchen unter ihm reichten fast bis zum Boden. Hänger war sich fast sicher, dass diese Hölzchen besser funktionierten, als die der Männchen.
Wenn er Ihnen das nur sagen könnte. Wenn er Ihnen nur sagen könnte, dass er gerade hier oben feststeckte. Aber wie sollte man sich äußern, ohne Hände und Körper dabei zu bewegen. Und der Aah-Sager äußerte sich nur wenn er an sein Ohr reichte - doch es war zu weit weg.
Er starrte auf den Wurstzipfel, den er immer noch in seiner Hand hielt. Ein kleines Stück Salami hing noch in der Spitze. Er spürte seinen Magen und seufzte.
Irgendwann würden sie schon noch kommen.

 

Hallo @Jonathan Türknauf ,
herzlich Willkommen bei den Wortkriegern. Ich wollte Dir so gerne einen schönen Kommentar zu Deinem Einstieg hier dalassen, aber ich gestehe, ich tue mich sehr schwer.

Doch Du bist hier am richtigen Ort, wir arbeiten an unseren Texten, geben uns gegenseitig Tipps und Hilfestellungen und wenn es endlich gelingt, auch das verdiente Lob. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung sagen, das Schreiben ein Handwerk ist und man in diesen ja nur durch Übung wirklich besser wird. Also nicht die Flinte ins Korn werfen, wenn es jetzt keine Lobeshymne gibt.

Ich greife mal ein paar Dinge heraus, ist die Reaktion der Schreibwilligen hier recht unterschiedlich. Gerne schaue ich aber bei Interesse noch einmal vorbei.

Du hast Alltag und Seltsam getagtet, schon eine lustige Kombi (ist das wirklich möglich), Märchen dazu lockt mich an. Aber gerade für letzteres fehlt mir die Sprache, der märchenhafte Ton. Manchmal klingt er an, aber da ist noch Luft nach oben. Ich ahne hinter dem Text eine Geschichte, aber wenn ich ehrlich bin, kriege ich nicht heraus, was Du erzählen möchtest.
Du hast einen interessanten Ort gewählt (Schrottplatz), der denke ich mehr verkörpern soll. Wer oder was der gute Hänger ist? Leider keine Ahnung, der Hinweis mit dem Fell hat mich über Hund, Katz oder Ratte nachdenken lassen - passt aber alles nicht in die späteren Bilder.
Da ist viel Fantasie drin, aber ich kann die Bilder nicht verstehen. Generell würde ich jetzt erstmal annehmen, ich sei die falsche Leserin, aber vielleicht hat dies auch einigen andere Kommentatoren abgehalten.
Für mich bräuchte es einen roten Faden, etwas was mich durch die Geschichte bringt. Derzeit hat der Gute kein Feuer zum Kochen, philosophiert ein bisschen über Veränderung, spielt mit dem Schrot und einem schrägen Weltbild und verfängt sich dann in selbigem.

Hier noch an ein paar Beispielen, wo es für mich hakelt.

Hänger drehte auf. Das Herdloch vergrößerte sich. Normalerweise musste er sich dazu bemühen die Hitze des Feuers niedriger zu Regeln.
Mitten rein in die Geschichte ist genau richtig. Aber hier ist es doch recht viel, was ich einordnen muss. Ein sehr seltsamer Name, ohne zu wissen, was oder wer es ist. Ein Herdloch? Okay, lange her?
Ich kriege es auch nicht immer hin, aber generell ist eine Vorstellung des Prots, eine Verortung und zeitliche Einordnung in den ersten Sätzen sinnvoll. Oder halt richtig neugierig machen - das bin ich noch!

Vor einem umgekipptem Kühlschrank machte er halt. Er stellte ihn wieder auf und dann die Schüssel rein. Etwas bewegte sich in seinem Magen.
Der erste Teil war mir zu verschwurbelt, hier handelt er. Und die Idee mit dem Kühlschrank auf dem Schrottplatz ist witzig.

Das trat immer auf, wenn er Hunger hatte. Für ihn pupste dann immer sein Magen, denn es fühlte sich tatsächlich so an, als würde jemand kurz in seine Bauchadern pupsen.
Auch das Bauchpupsen geht für mich in Ordnung. Nur du strapazierst es ziemlich. Ich habe auch gerade ziemlichen Klamauk geschrieben und merke gerade, wie schwer das ist.

Manchmal stellte er sich vor, der Schrottplatz würde leben und immer wenn er nicht hinsah, würde sich ein Haufen an einen neuen Platz bewegen.
In Wahrheit war aber nur wieder ein weiterer Haufen in sich zusammengefallen. Er hatte erst einmal gesehen, wie so etwas passierte. Sonst kam er immer zu spät. Wie auch jetzt. Er wünschte sich manchmal er würde es irgendwie merken, irgendwie mitbekommen, wenn sich etwas bewegte, um den Gegenständen dabei zusehen zu können. Aber hier bekam man nur mit, was man gerade spürte oder zufällig sah.
Und sah man etwas Verändertes, das gerade noch nicht da war, war es immer schon zu spät.
Wieso konnte der Prozess des Veränderns in seiner Umgebung sich nicht auch irgendwie bemerkbar machen, so wie all das, was sich in seinem Blickfeld bewegte und somit die Aufmerksamkeit auf sich zog.
Boa! Echt jetzt! Das ist gefühlt sechsmal das gleiche! Traue dem Leser. Ich bin gespannt darauf, ob jemand dahinter kommt, was Du sagen willst.

Da sah er etwas. Etwas weißes Längliches. Es steckte unter dem etwas zu kurzem Ofenfuß im Schrott. Eine säuberlich verpackte Stangensalami. Hänger atmete ein. Wurst ließ sich auch ohne Alpträume kalt essen. Doch sie war verpackt. Am herausstehenden Ende zierte ein rotes Band die weiße Hülle.
Eine Wortwiederholung kann ein stilistisches Mittel sein. So würde ich das zweite "etwas" werten. Aber das dritte ist da über. Das "doch sie war verpackt" ist ein Beispiel für die fehlende Märchensprache, das ist einfach Umgangssprache.

Er wischte sich alle Finger am Fell ab und versuchte es noch einmal.
Wie gesagt, keine Idee!

Danach sehe ich keine Sinn mehr, aber ich lasse mich gerne von einer Interpretation überraschen.

Zum Abschluss noch eine kurze Erklärung. Wir leben hier vom Geben und nehmen, sprich, alle Autoren warten auf Kommentare zu ihren Geschichten. Aber viel wichtiger finde ich, dass man wirklich viel lernt, wenn man ohne die "Betriebsblindheit" bei eigenen Texten eine Geschichte liest Probiere es mal aus.
Ich bin gespannt, was Du aus diesem Text machst, es ist wundervoll hier mitzuverfolgen, wie aus einer Idee und einem ambitionierten Autoren eine richtig gute Geschichte entsteht.

Frohe Weihnachten
witch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Jonathan Türknauf ,

Mann, was immer du geraucht hast: Gib mir was davon ab! ;)

Tja. Ist das Kunst - oder kann das weg? :D
Ich dreh es einmal ins Positive und bringe einen Vergleich mit Kafkas "Der Bau" ins Spiel - nein, du bist nicht Kafka, du hast noch eine lange Reise vor dir^^: Im Bau geht es um ein nicht näher klassifiziertes Tier, vielleicht ein Dachs, vielleicht ein Riesenmaulwurf, vielleicht auch etwas obszön-verzerrt Menschenähnliches, das sich unter der Erde einen Schutztraum gräbt. Der Text ist eine einzige Projektionsfläche, an der sich die Literaturwissenschaft die Klauen wundwetzt: Erster Weltkrieg? Garten-Umgestaltung? Alles möglich! :D
So auch dein Text. Wenn ich ihn als meine(!) Projektionsfläche nehme, auf der mein(!) Film abläuft, würde ich - als alter Science-Fiction-Knecht - von einem post-apokalyptischen Szenario ausgehen: Die Suche nach Nahrung hat Vorrang, ebenso der Verzehr: Feuer machen! Eben die Grundbedürfnisse stillen.

Hier gibt es also den „Hänger“ – und es gibt die „kleinen Männchen“, die ich jetzt erst einmal als Menschen klassifizieren möchte; die, die mit Zündhölzern ihr Feuer entfachen wollen – und scheitern; vielleicht, weil es gerade regnet oder so. Der Hänger ist also größer als diese, und das geht eigentlich nur, wenn es a) ein Cyborg im Fellgewand oder b) ein Außerirdischer mit vier Fingern ist. Wobei beide Varianten wackeln, weil der Hänger sich zu gut mit dem Schrottplatz auskennt, weiß, was was ist. Aber gut, kann ja sein^^.
Auf der Haben-Seite versucht der Hänger analytisch seine Situation – und die allgemeinen Prozesse – zu ergründen: Ursache und Wirkung: Wenn ich mich am Ohr berühre, tut es weh! Nur, wenn er so groß ist, warum jagt er dann einem ordinären Wurstzipfel hinterher? Apropos „ordinär“: Diese ganze Gepupse, allein die Wortwahl, zieht das Niveau ganz gut nach unten. Mit dem Titel bin ich auch nicht sehr glücklich.
Es gibt diverse Rechtschreibfehler, die sich allerdings nicht derart häufen, dass dieser Text ins Korrektur-Center müsste ... denke dich.
Joah.
So viel von mir. :)

Weitermachen & Frohe Festtage.

Der Dante

 

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