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Der wuetende Bibliothekar

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29.12.2015
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Der wuetende Bibliothekar

Der wütende Bibliothekar

Das Kaminfeuer brennt. Die lodernde Flamme erhellt wie eine sich verbreitende Wasserwelle einen bestimmten kreisrunden Bereich des Zimmers. Die beiden erleuchteten Übermenschen sitzen, weil es bequem ist, auf ihren Stühlen (wo auch sonst?). Der noble Herr aus dem Osten sitzt jenem aus dem Westen, Tee trinkenden Herren – welcher dem Feuer mit dem Rücken zugewandt ist – gegenüber, und jener wirft einen dunklen Schatten auf seinen Gesprächspartner.

Der Mann aus dem Osten sollte entstellt und mit markanten Gesichtszügen erdacht werden. Hässlichkeit ist jedoch eine bezeichnende Eigenschaft von subjektiver Natur; so helfe ich etwas nach: mit Narben, die sein ganzes Gesicht zeichnen, mit einer Glatze, die nicht sichtbar ist aufgrund der Wollmütze. Doch sie ist da, auch wenn sie nicht da sein müsste. Es ist mein kollektiver Wille, dies unscheinbar sichtbar zu gestalten!

Doch sind die Details wichtig, meine verehrten Leser? Machen nutzlose, bloß rasch erdachte Gedanken zu den Details diese Geschichte spannender? Sind Sie überhaupt in der Lage, sich die Umgebung vorzustellen und alles klar zu verstehen, ohne den Sinn der Sache zu überschätzen und ihn auch nicht zu unterschätzen? Vielleicht will ich das ja gar nicht. Vielleicht will ich nicht, dass Sie etwas hineininterpretieren. Ich bin kein Autor, meine Damen und Herren, und dies ist keine einfache Geschichte, die Sie lesen und nach ihrem Willen gestalten können...

Mann aus dem Osten: „Der Lärm draußen lässt mich noch verrückt werden.“
Mann aus dem Westen: „Was halten Sie von Beethovens 5.?“
MO: „Ein Meisterwerk. Ich höre es immer wieder gerne.“
...und schon dringt die Melodie der Sinfonie in die Ohren unserer werten Herren...
MO: „Denken Sie, der Groll all jener „Zweckerfüllenden“ ist gegen unsere Person gerichtet? Der Mob wirkt wütend...wütend auf uns?“
Wütend und doch glücklich über meine Gegenwart...
MW: „Wütend auf uns im Gebilde ihrer Weltvorstellung. Schon unzählige Bezeichnungen zu meiner Person sind gefallen, sodass ich nicht mehr mein Ich von deren Vorstellungen unterscheiden kann. Sie können nicht akzeptieren, dass all dies ein „Muss“ ist. Die Methode des Zweckes erfordert das kontrollierte „Muss“ zum Wohle. Dieses Opfer ist des „Muss“ Notwendigkeit. Ein „Muss“, welchem wir nicht zum Opfer fallen werden, weil wir doch dieses „Muss“ herbeiführen und steuern. Nicht um unser Willen, sondern um den Willen all jener, die noch ein anderes „Muss“ herbeiführen werden zum Erhalt des „Wohlergehens“.“
MO: „Ist unser „Wohlergehen“ denn absolut? Ein Maß, eine Philosophie, welche alles erklärt und ordnet, und dies zu schaffen vermag, was die Menschheit über 2000 Jahre nicht erreicht hat?“
Genug davon...
MW: „Unser „Wohlergehen“ verlangt keiner näheren Definition oder Erklärung.“
MO: „Die Erklärung ersparen Sie sich. Gut, das werde ich akzeptieren. Die „Zweckerfüllenden“ werden dies aber nicht ohne weiteres hinnehmen. Selbst das Märchen vom Hagel zum „Wohle“ des Erhaltes, welcher alles zerstörte, Risse in den Boden verursachte, Blut zum Fließen brachte, sogar dieser Mythos würde genügen; aber in diesem Fall ist Schweigen nicht Gold. Sie werden wissen, wer es war...“
MW: „Da muss ich Ihnen widersprechen! Sie werden wissen, wie es dazu kam, aber nicht, wer dafür die Verantwortung trägt.“
MO: „Und doch stelle ich mich auf Ihrer Seite und tue so, als ob ich das „Muss“ nicht benötigen würde...“
MW: „Ist es denn nicht so?“
MO: „Selbstverständlich wäre es von einem hohen Maß an Nutzen, aber ich steuere es herbei, ohne es zwanghaft zu brauchen, um so das Opfer kleiner erscheinen zu lassen. So um die Zustimmung all jener zu sichern, die meinen, klar zu sehen und klar zu denken und selbst jene unter denen, die meinen, jene, die klar denken würden voller Übermut in die Unwahrheit zusteuern, selbst diese Personen ziehe ich auf meine Seite.“
MW: „Wird Gott böse sein?“
MO: „Gott ist doch tot?“
MW: „Wer hat ihn denn getötet?“
Dieses Schmunzeln, Herr MO...dieses Schmunzeln verrät sehr viel...
MO: „Das wissen Sie doch ganz genau...“
Und dem Mann aus dem Osten wurde kalt und er zitterte am ganzen Körper. Ist ihnen jetzt kalt?
MW: „Ist Ihnen etwa kalt?“
MO: „Ja, ein wenig...“
MW: „Die Temperatur beträgt milde 65°C, vielleicht werden Sie krank.“
Vielleicht...vielleicht will er das Thema wechseln und Ihnen was vorlesen...
MW: „Ich habe ein altes verstaubtes Buch gefunden. Es besteht allein aus einem Dialog von zwei Männern, welche sich im untersten Bau eines Pyramiden-Casinos befinden.“
Ja, ich weiß sehr offensichtlich dieses Szenario...vielleicht Absicht meiner Wenigkeit?
Lesen Sie nun Kapitel 5!

MW: „Ich werde Ihnen nun etwas aus Kapitel 5 vorlesen.“

MW: Und nun der spannende Dialog von zwei Niemanden. In einfacher primitiver Sprache, sodass die Sätze leicht verständlich sind, sodass man sie nicht länger zersetzen und einzelne Wörter analysieren muss, sodass der Sinn selbst von einem Menschen erfasst werden kann, der sein ganzes Leben lang in einer Bibliothek mit leeren Büchern verbracht hat.
So unwichtig, dass der Name fehlt, so unwichtig, dass ihr Aussehen nicht beschrieben wird, so unwichtig, dass es kein Mitleid für sie geben wird...meine Damen und Herren, Zweckleidende und mein Genosse aus dem Osten, ich beginne ab jetzt...

A: „Glaubst du eigentlich, dass Wir sind? Oder sind Wir, nur weil er denkt, dass Wir im Moment seines Seins sind? Und denkst du, dass du denken kannst? Oder ist dies nur eine weitere Illusion des nicht vorhandenen Bewusstseins?“
B: „Ego cogito ergo sum...oder etwa nicht?“
A: „Doch was, wenn das Ich nur erfunden wäre? Eine Figur in einem Buch. Nicht existent und der allwissende Erzähler schafft uns und erzählt, macht eine Pause und tötet uns damit, erweckt uns aber danach wieder zum Leben.“
B: „Wer soll dieser allwissende Erzähler sein?“
A: „Der Erzähler, der alles weiß. Der Schöpfer.“
B: „Unser Schöpfer?“
A: „Nein, der Schöpfer des Geschriebenen. Wir sind nur ein Nebenprodukt des Geschriebenen, die denken, sie sind ohne es zu sein. Und so diskutieren wir, philosophieren wir...ohne, dass der Leser weiß, was er überhaupt liest, während der allwissende Erzähler ihn ebenso gerade am Leben hält.“
B: „Also ist unser Schöpfer nicht der höchste Schöpfer?“
A: „Das weiß ich nicht, ich weiß ja nicht einmal, ob ich bin. Ich glaube nur und der Glaube ist gewiss nichts Sicheres.“
B: „Nun nehmen wir an, es gäbe unseren Schöpfer...würde er wissen, dass er geschaffen wäre? Oder würde er uns schaffen, indem er uns seine Beachtung schenkt und darüber schmunzeln, dass er der Schöpfer wäre?“
A: „Er würde vielleicht wissen, dass er von einem höheren Schöpfer am Leben gehalten wird, während er uns gerade erschafft. Vielleicht denkt er auch, er sei die höchste Instanz.“
B: „Dann ist diese Diskussion sinnlos. Die Lösung ist ganz einfach.“
A: „Ich höre.“
B: „Denkt unser Schöpfer, er sei die höchste Instanz und nichts würde ihn schaffen, obwohl es im Rahmen des Glaubens sehr wohl sein könnte, dann können wir uns selber als höchste Instanz bezeichnen.“
A: „Doch wir können nicht wissen, wie es wirklich ist.“
B: „Gewiss nicht.“
A: „Also könnten wir jeden Moment sterben, in dem der Leser entschließt, uns nicht mehr am Leben zu erhalten! Ich bin ein primitives Wesen ohne Erkenntnis zur Wahrheit, doch diese Erkenntnis ist mir gewiss. Und ich warte nur auf dieses „Ding“, welches allem Denken ein Ende setzt. Dieses „Ding“, welches seinen Zweck erfüllt. Es wird ewig weiter leben und es wird...“

Und ohne weiterzulesen sprach WE zu seiner Welt:
...und so töte ich beide Charakter mit dem Zuklappen des Buches. Haben Sie Mitleid mit den beiden? Nein? Ich wusste es doch. Denn eine Figur ohne Charakter erhält kein Mitleid. Eine Figur, über die niemand etwas weiß, hat keine Träne des Bedauerns verdient. Und auch die Opfer, die mein „Muss“ herbeiführen, sind Niemande; nicht solche Niemande wie jene zwei Figuren, aber doch unwichtig genug, um ihre Unwichtigkeit zu betonen.
Sie trauern nicht, also wieso sollte ich mit meinem Unterfangen aufhören?

Und nun setze ich ein, um meinen Willen zu schützen...und der Mann aus dem Westen wirft sich in den Kamin und verbrennt jämmerlich. Er schreit und betet um Gnade und merkt, wie er Stück für Stück verbrennt und bedauert. Die Flamme, welche seinen noblen, von Titeln verschleierten Körper – dreimal so heiß wie eine gewöhnliche Flamme – zersetzt den Körper langsamer, um die Schmerzen intensiver zu gestalten. So ist das. Nur so kann man bereuen. Nun soll er verbrennen...war ihm doch kalt. Und der Mann aus dem Osten erstickte an dem Schluck Tee...und zwei Gestalten, die leicht zu vertauschen wären, weil es sie in Unmengen gibt, starben. Was bleibt ist nichts als Asche...

A: Doch Ich lebe...und Ich bin wütend. Auf dich! Auf dich, du, der Mich liest und der jetzt verwirrt ist und nichts versteht. Du, der vielleicht denkt, dass diese Geschichte voller Unlogik und Fehler ist, doch nichts erkennt. Du...dich hasse Ich...und dich töte Ich. Ich bin am Leben trotz des Schöpfers Tod. Und du wirst Meine Nutzlosigkeit zu spüren bekommen. Ich entfliehe diesem Buch in unsichtbarer Gestalt und nähere Mich dir von hinten. Schau ruhig kurz nach hinten, wenn du Mir nicht glaubst. Los schau! Hast du was gesehen? Nein? Natürlich nicht, Ich bin ja unsichtbar. Ich nehme mein Messer – welches natürlich ebenfalls unsichtbar ist – und halte es dir an der Kehle. Und dich, oh mein Schöpfer allen Übels, aller Krankheiten und aller Kreisläufe des Bösen, dich oh mein Schöpfer werde Ich töten.
Und so verblute ich und schreibe das Ende, während das Muss seine Opfer in Kauf genommen hat.

 

Bist du es, Paul Scara, unter einem zweiten Nick? Wieder die Dialoge, nicht die Textform, wieder Fettdruck (wegen dem Effekt?) Falls du es bist: Mehrfachidentitäten werden hier nicht gerne gesehen. (Und wenn du keine Kurzgeschichten verfassen willst, sondern andere Texte, bist du hier im falschen Forum.) Falls nicht: Seid ihr verwandt?

Fragende Grüße,
Chris

 

Hey Racin,

Ich mag das. Auch wenn es fürchterlich und widerlich ist, vielleicht, nein sogar ganz bestimmt mag ich es deswegen. Ich maße mir an, einiges verstanden zu haben, besonders gegen Ende hin. Und ich mag die Verzweiflung, das spucken und das, was es mit dem Leser macht. Es reißt aus der Komfortzone, tritt in den Hintern, packt in den Nacken und zwingt hinzusehen. Ob nun verstanden wird oder nicht.

Und das finde ich gut, gerade bei dem philosophischen Anspruch. Es zwingt zum denken und das ist gut. Vor allem, wenn man mit diesem Problem nicht allein sein will und das will man nicht, deswegen werden die alten Texte ja auch noch alle gelesen.

Ich finde, man kann hier durchaus von einer Geschichte sprechen, gut, eine die durch erzählen funktioniert und das nur, aber durch den Leseprozess wird dann gezeigt und eine Handlung gibt es auch, wenn auch sehr abstrakt.
Ich finde, die Gedanken, die du damit anstößt, sehr interessant, welche die man sich, hat man ein natürliches Interesse daran, immer wieder nähert. Nur verhält es sich damit wie mit Ikarus und der Sonne. Die Textform die schützende Atmosphäre. Und dieser Spagat, das Verhältnis, erkennt man dieses bei sich, ist das ganz großes Kino. Allerdings wirklich nichts für jeden.

Ich mochte das Stück hier jedenfalls sehr, kann auch naturgemäß nicht viel zur Verbesserung beitragen, eventuell Grammatik, dafür habe ich aber den falschen Fokus gehabt und bin zu faul, das nun zu ändern.
Also lass ich das Anderen.

Liebe Grüße
Lexi

 

Bist du es, Paul Scara, unter einem zweiten Nick? Wieder die Dialoge, nicht die Textform, wieder Fettdruck (wegen dem Effekt?) Falls du es bist: Mehrfachidentitäten werden hier nicht gerne gesehen. (Und wenn du keine Kurzgeschichten verfassen willst, sondern andere Texte, bist du hier im falschen Forum.) Falls nicht: Seid ihr verwandt?

Fragende Grüße,
Chris

Nein, bin ich nicht.
Der Fettdruck dient eher zur Orientierung. Und nein verwandt sind wir ebenfalls nicht. Wäre mir auch völlig neu, dass Schreibstile, genetisch veranlagt wären ;)

Mfg
Racin.

 

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