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Noch so ein ziemlicher Grobschnitt. Wird sich wahrscheinlich noch stark verändern.
Der Wolkenprinz
Der Wolkenprinz
Trotz der abendlichen Stunde zeigt der Radiowecker Mittag an. Das ist nicht früh genug, findet Max, deshalb stellt er die Zeit zum Morgen zurück. Aber auch das ist zu spät. Konzentriert arbeitet er sich weiter in die Vergangenheit zurück. Er macht die letzte Woche ungeschehen, löscht die Ereignisse und holt sich seine Großmutter zurück. Aber die Sonne scheint nicht mitarbeiten zu wollen, stoisch bleibt sie am Horizont und erleuchtet alles in ihrem feurigen Licht. Es klopft, der Vater schiebt seinen Kopf durch die Tür, ein fragiles Lächeln zeichnet sich auf seinem verweinten Gesicht ab: „Bettzeit, mein großer. Morgen ist Schule.“ Er tritt ein und stellt den Wecker, als er die abweichende Uhrzeit bemerkt, stutzt er: „Hast du mit dem Wecker rumgespielt?“ „Ja.“, Max schaut Schuld bewusst: „Ich wollte Oma zurück haben.“ Sein Vater macht ein bedrücktes Gesicht und setzt sich neben seinen Sohn auf’s Bett: „Oma fehlt uns allen, weißt du? Sie ist jetzt aber weg. Wir können sie nicht mehr zurückholen. Alles was wir noch machen können, ist uns an sie erinnern und sie in unserem Herzen tragen. Ich weiß es klingt grausam, aber wir lassen sie nicht im Stich nur weil wir weiterleben. Wäre sie noch unter uns würde sie auch nicht wollen das du Aufgibst. Aber das macht es nicht einfacher, oder?“, seine Stimme bricht ab. „Warum, musste Oma eigentlich sterben, hatte Sie was schlechtes gemacht?“ Der Vater lacht kurz und freudlos auf: „Nein, Sie hat nichts schlechtes gemacht. Es ist nur so, dass jeder eines Tages sterben muss. Ich, Du, Oma, einfach alle. Ihre Zeit war abgelaufen. Sie hatte alles von der Welt gesehen und da hat sie Gott zu sich hoch geholt. Jetzt ist sie oben im Himmel, schaut auf uns herab und behütet uns vor Gefahren. Sie ist nicht verschwunden, sie wartet oben auf uns und eines Tages werden wir sie wieder sehen.“ „Oma, wartet auf uns? Oma ist nicht wirklich weg? “ Der Vater beißt sich gezwungen auf die Lippe: „Es ist etwas komplizierter als das. Aber ja, Oma ist noch irgendwo da draussen, ob im Himmel oder sonst wo. Ganz bestimmt. Aber jetzt ist es wirklich Schlafenszeit. Gute Nacht.“, er küsst Max auf die Stirn, und bekommt eine Umarmung zurück. Dann macht er das Licht aus und lässt seinen Jungen in der Dunkelheit zurück.
„Oma ist nicht weg.“
Max schläft schnell ein. Sein kleiner Körper wird vom Mondlicht beleuchtet. Seine ruhige Atmung hebt und senkt die Decke. Aber mitten in dieser schwarz weißen Landschaft, verliert er etwas, seine Seele befreit sich von seinem schweren Körper und entkommt durch seinen halb offenen Mund. Auf der Suche nach der Verstorbenen fliegt er gen Himmel. Max steigt auf, sieht die Erde kleiner werden und die Wolken sich zu riesigen Schlössern auftürmen. Er fröstelt. Dann kommt er auf den Wolken auf, die sich entgegen seinen Erwartungen als überaschend solide entpuppen. Über ihm befindet sich die Erde, mit ihren Wäldern, Städten und Bergen, die von hier oben wie aus einem Kinderzimmer gefallen erscheinen, unter ihm sind die Wolken, die die Landschaft mit ihren gigantischen, chaotischen Formen prägen. Aus der Ferne erklingt eine leise Melodie, der Max von seiner Neugier getrieben folgt. Er wandert in der Dunkelheit, manchmal springt er über eine kleine Lücke zwischen den Wolken und erhascht einen Blick auf die Sterne die zu seinen Füßen um die Wette funkeln. Der sanfte Walzer wird immer lauter und als Max um eine Ecke huscht, stolpert er in einen Bal hinein. Opulent gekleidete Gestalten bewegen sich hier in einer perfekten, lautlosen Choreographie. Die Musik kommt von einem kleinem Orchester, dessen Spieler wie alle anwesenden auch, ihre Gesichter hinter venezianischen Masken verbergen. „Hallo? Ich suche jemanden. Könnten Sie mir vielleicht helfen?“, spricht Max die Tänzer schüchtern an. Doch die Wolkenmenschen, die ihm mit jeder Sekunde weniger menschlich vorkommen, beachten ihn nicht, sondern fahren unbeirrt mit ihrem seltsamen Ball fort. Frustriert und entschlossen sich Gehör zu verschaffen zieht er am Ärmel einer vorbeiziehenden Dame, aber da ist nichts zu ziehen, seine Finger gleiten einfach durch den Arm der Frau hindurch als wäre sie Rauch. Zumindest dreht sie sich nun zu ihm um, ihr augenloses Gesicht schaut auf ihm herab, die sichtbare Hälfte ihres Gesichtes drückt eine melancholische Gleichkültigkeit aus. „Ich suche meine Großmutter Madame, haben sie vielleicht eine Idee wo sie zu finden ist?“ Das scheinen nicht die Worte zu sein, die sie hören wollte. Die Tänzerin glätet die Falten ihres Kleides und ohne Max auch nur einen zweiten Blick zuzuwerfen dreht sie sich um, auf der Suche nach einen anderen Kavalier. Aber Max gibt noch nicht auf: „ Wissen Sie wo meine Großmutter ist?“ Keine Antwort, „Hören Sie mir überhaupt zu? Sagen Sie doch etwas, irgendetwas!“ Die Dame, die einen Partner gefunden hat nimmt ihren Platz im Walzer wieder ein und zieht ungerührt Kreise. „Lassen Sie mich nicht aleine! Ich brauche Sie doch! Es ist nicht fair. Ich brauche meine Oma zurück. Ich brauche...“ Die maskierten Gestalten, verhöhnen ihn in ihrer Gleichkültigkeit, lachen ihn aus… sie wollen ihm seine Großmutter nicht zurückgeben, lassen ihn alleine in dieser unfähren Welt zurück. Seine Wut explodiert, reißt ein Leck in sein Herz und bahnt sich seinen Weg zu seiner Faust die er ohne Hemmungen in die blöden Masken krachen lässt.
„Ich brauche meine Oma zurück.“
Die Maske fällt zu Boden und enthüllt ein todesblasses Gesicht. Ihre Züge zeugen einer längst vergangenen Schönheit, die von ihrem schäbigen Aussehen vertrieben wurde. Ihre Haare fallen ihr ungekämmt ins Gesicht, ihre tiefen Augenringe unterstreichen die abgrundlose Traurigkeit ihrer Augen nur. Es heißt die Augen seien die Fenster der Seele, wenn das so ist, dann besitzt diese Frau keine. Die Musik stoppt und alle Tänzer drehen sich zu Max, der erschrocken zurück tritt: „Bitte, helfen sie mir…“ Ohne ein Wort, ohne auch nur einen Ausdruck von Menschlichkeit, dreht sich die Frau um und zeigt in die Richtung des Mondes, der die gesamte Szene in seinem blassen Licht taucht. Als Max einen letzten Blick zurückwirft, sieht er das die Musik wieder eingesetzt hat, aber die Maskenlose bleibt aleine in der Mitte zurück. Sie schaut verloren und beginnt sich unter Max’s erstaunten Blick aufzulösen. Ein erschaudernder Schrei verlässt ihre sterbenden Lippen. Ihr Körper verliert seine Festigkeit und wird von der Leere unter ihren Füßen angezogen. Einige Sekunden später ist nicht weiteres übrig, als ein silberner Dunst der sich mit den Wolken vereinigt. Traurig geht Max seiner Wege. Er kommt an weiteren maskierten vorbei, die sich auf diverse Art und Weise Vergnügen, aber was alle miteinander verbindet ist diese Schwere, diese Melancholie. Die Gestalten scheinen gleichzeitig hier und abwesend zu sein, lebendig in einem Traum gefangen. Max hält überall nach seiner Großmutter ausschau, aber kann ihre vertraute Gestalt nirgendwo entdecken. Am Ende des Weges sieht er einen großen Palast der sich, beim näherkommen aus den Wolken herauskristalisiert. Das Dach besteht aus einer mit Pflanzen zugewachsener Glaskuppel, gemeißelte Bögen verbinden zierliche Balkons und Filigrane Türme leuchten silbern im angesichts des Mondes. Das gewaltige Eichenportal schwingt auf, um Max durchzulassen. Er findet sich in einem Dschungel gleichen botanischen Garten wieder, erstaunt betrachtet er die exotischen Pflanzen die den Weg mancherorts überwuchern, als er einen alten Mann um die Ecke biegen sieht. Auf seinen Gehstock gestützt und einem breiten Lächeln im Gesicht läuft er entschlossen auf ihn zu: „Willkommen!“ sagt er mit einer rauen, aber aufgeregten Stimme, „Willkommen, im Himmel. Wir bekommen hier nicht oft Besuch. Wie heißt du den mein kleiner?“ Der Greis studiert sein Gesicht, gierig auf eine Antwort. „Ähhh, Max? Und Sie? “ „Was bringt dich in mein bescheidenes Haus, werter Max?“ , ihm auf die Schulter tippend lädt er den Jungen ein, ihn bei seinem Spaziergang zu begleiten. „Ich suche jemanden.“ Ein Schatten huscht über sein von Falten zerfurchtes Gesicht: „Tut das nicht jeder ? Die Zeit zerstörrt einem auch alles. Aber weißt du was? Heute ist dein Glückstag, wir werden deinen ‚jemanden’ ganz sicher wieder finden“ Max start hoffnungsvoll zu ihm auf: „Wirklich?“ Der alte Mann lächelt zu versichtlich: „Wirklich! Du musst dafür nur einen kleinen Handel mit mir eingehen“ Max schaut skeptisch: „Was wäre das für ein Handel?“ „Das ist ganz einfach. Ich hole deine Großmutter und du versprichst mir deine Seele als Gegenstück.“, als er Max schockiertes Gesicht sieht lacht er auf: „Es ist nicht so schlimm wie du denkst, du verlierst deine Seele natürlich nicht wirklich, du verspricht nur nach dem Tod hier bei mir zu bleiben, es ist eine reine Formsache.“ Max überlegt angestrengt, aber so oder so ist er bereit alles für seine Großmutter zu machen. „Geht klar.“ Der alte Herr holt Papier und einen goldenen Stift aus seiner Tasche heraus und überreicht Sie ihm. Sie gelangen zu einer Tür, die scheinbar aus Wolken besteht. Der Großvater drückt die Tür auf, aber bevor Max sehen kann was dahinter vor sich geht, hält ihn dessen Arm zurück: „Ich komme gleich zurück, ich hole nur schnell deine Großmutter. Setz du dich währenddessen einfach auf die Bank dort und lass dir mein Angebot noch einmal durch den Kopf gehen“ Er zeigt auf eine ein paar Meter entfernt gelegene Parkbank. Er möchte gerade verschwinden, da ruft ihm Max hinterher: „Sie haben mir immer noch nicht verraten, wie Sie heißen?“ Der alte Greis grinst schelmisch: „Ist es nicht offensichtlich? Ich bin Gott!“ Und weg ist er.
„Er ist bereit alles für seine Großmutter zu machen.“
Max wartet. Die Zeit zieht sich in die Länge und mit jeder Sekunde die vergeht verblasst das Funkeln aus Max’s Augen. Aleine mit sich selbst, kehren seine Gedanken zu seiner verlorenen Großmutter zurück. Er sieht ihre leeren Augen die aus dem Sarg zu ihm aufblicken, in ihrem tiefblauen Kleid und dem Make-up das sie nie trug. Seine vorherige Wut und Entschlossenheit scheinen wie weggeblasen von dieser Leere die sich in ihm breit macht, ihn von innen verzehrt. Tränen verschleiern seine Sicht, jegliches Glücksgefühl scheint wie weggesaugt, übrig bleibt nur dieser Verlust und die damit einhergehende Trauer. Er weiß nicht wie lange er schon hier wartet, alles was er weiß ist das sein Körper sich so bleiern anfühlt und ihn die Last seiner Gedanken schwer in die Bank drückt. Lustlos lässt er den goldenen Fühler über das in verschnörkelter Schrift beschriebene Blatt kreisen, soll er unterschreiben? Ist Gott im Endeffekt, doch nur ein Hochstapler? Aber was hat er den für eine Wahl, ist ein Leben ohne seine Oma es überhaupt wert? Max kippelt nahe an einem Abgrund, ständig in der Gefahr beim leichtesten Windstoß ins nichts zu Kippen. Er schraubt den Deckel des Fühlers ab, senkt ihn hinab auf den Vertrag. „Neiiiiiiiin“, ein hauchen hallt durch den Wintergarten. Max schaut auf der Suche nach dem Ursprung dieser Stimme erschrocken auf. Eine waage menschliche Gestalt, komplett aus Wolken bestehend, schwebt vor ihm. Aus seiner Gleichgültigkeit gerissen, betrachtet Max die Figur. Diese scheint sich in der feuchten Hitze des Wintergartens nicht besonders wohl zu fühlen und entfernt sich von ihm in Richtung Ausgang. „Warte!“, Ruft Max ihr hinterher, aber sie bleibt nicht stehen. Max wirft einen letzten Blick auf die weiterhin verschlossene Tür und heftet sich an ihre Spuren. Der Wolkengeist levitiert nicht wie erwartet auf die bereits bekannte Tür zu, sondern führt Max zu einem Nebenausgang. Der Geist schwebt einfach durch die Tür durch während sich Max damit benügen muss das schwere Tor auf zu stemmen. Draußen schneidet ihm die blisternde Kälte ins Fleisch, sie befinden sich auf einem Metallgeländer der einmal um den ganzen Palast herumführt. Aber es bleibt keine Zeit zu verschnaufen die immaterielle Gestalt eilt schon weiter und zieht Max hinter ihr her. Nach einem 10 Minütigen Marsch an einer nackten Wand entlang, bleiben die beiden vor einer großen Fensterfront stehen, im Inneren kann Max ein reichlich ausgestatetes Büro ausmachen und hinter dem Schreibstisch sitzt Gott, der unsicher an seinen Nägeln kaut. Max hört ihn durch das dünne Glas murmeln: „ Glaubst du es ist eine gute Idee den Kleinen aleine vor der Tür schmoren zu lassen?“ Max schaut sich auf der Suche nach einem Gesprächspartner um, aber außer Gott ist niemand da. Anstatt dessen antwortet der sich einfach selber: „ Ja. Wir müssen ihn von uns abhängig machen. Ihm vor Augen führen wie aleine er ist. Wir müssen ihn in den Abgrund treiben. Er muss seinen Grund zu existieren verlieren, nur so haben wir eine Chance ihn bei uns zu behalten.“ Innerhalb einer Sekunde hat sich Gott’s Gesichtsausdruck komplett verändert, nun entstellt eine manische Gier seine ehrwürdigen Züge, „ Oder willst du zurück, willst du wieder aleine sein?“ „Nein natürlich nicht. Nicht nach all dem warten. Ich hatte alle Hoffnung aufgegeben jemals wieder einer Menschenseele zu begegnen. Aber was ist, wenn er abhaut, wenn er uns aleine zurücklässt?“, beim Ausprechen dieser Worte fängt er an am ganzen Körper zu zucken und zu wimmern, als ob allein das Bestehen dieser Möglichkeit schon eine Katastrophe wäre. „Reiß dich zusammen“, die härte seiner Stimme scheint Gott zu beruhigen. „Sollten wir es nicht mindestens versuchen? Seine Großmutter zurückzubringen, wir können den armen doch nicht ins Gesicht Lügen, oder?“ „Armselig. Weißt du noch, wie es dir ohne mir, ohne dem Jungen ging? Jeden Tag hast du versucht dich auf eine andere Art und Weise umzubringen. Mal bist von den Wolken gesprungen, mal hast du Steine auf deinen bloßen Körper stürzen lassen. Und jetzt willst du deine, unsere Chance einfach verstreichen lassen, weil du den Jungen nicht belügen möchtest?“ Sobald diese Worte seinen Mund verlassen, metamorphosiert sich die hasserfüllte Fratze in das Gesicht eines gebrochenen, verzweifelten Greises. „Aber versuchen würde doch nichts kosten. “ „Idiot. Du weißt sehr wohl, das der Wunsch des Jungen unerfüllbar ist, seine Großmutter ist aufgestiegen. Nichts und niemand kann sie zurück holen“, und der Teufel spuckt auf den Boden. „Wir könnten die Zeit zurückdrehen, oder? Wir müssten sie nur fragen.“ „Wir müssten sie nur fragen“, giftet der Teufel ihm nach, „ Sie wird nie einstimmen. Du weißt doch das ihr ihre heilige Mission wichtiger ist, als alles andere. Sie lebt ein schönes Leben dort unten. Sie behält die ganzen Seelen für sich, strengt sich nicht an und genießt ihre Zeit, während wir uns hier oben den Arsch abarbeiten sollen. Sie ist für all unsere Probleme verantwortlich. Ohne die Zeit würde niemand sterben, niemand leiden, es wäre eine perfekte Welt. Aber sie dreht sich immer weiter und weiter, unaufhaltsam drängt sie die Leute in den Tod. Und wer einmal Tod ist, der kommt nicht zurück.“ Erschrocken weicht Max zurück, das Gesagte lässt ihm Kälte das Rückenmark hochkriechen. Er möchte das Selbstgespräch vergessen, aber die Worte des Teufels, brennen sich unablässig in sein Gehirnschädel hinein. Obwohl alles in ihm dagegen Schreit, weiß ein kleiner Teil seiner selbst das der Teufel Recht hat. Seine Augen brennen, er atmet schwer. Er weiß nicht weiter, planlos steht er da, einzig und alein auf das Loch, was der Verlust seiner Großmutter in ihn hineingerissen hat fokalisiert. Die Leere kricht davon heraus, nistet sich in seinen Gehirnzellen ein, befällt seinen Geist und löscht jegliche Zukunft aus. Alles was zurück bleibt ist der jetzige, vom Pein geprägte Moment. Er fühlt sich aleine und verlassen. Ein frösteln wandert über seinen Körper. Aus der Ferne hört Max einen leisen Gesang, eine Melodie, fremd aber dennoch irgendwie vertraut. Ein Lied was Trost und Heimat verspricht. Er blickt auf und durch seine mit Tränen verklebten Augen erkennt er fremde Kreaturen, die gemächlich auf ihn zu schweben. Ungefähr 10 dieser seltsamen, wahlähnlichen Kreaturen, teilen das Wolkenmeer mit ihren langen, schnitigen Körpern. Schwarze, mysteriöse Zeichen winden sich um ihren gesamten Körper und bilden eine starken Kontrast zu ihrer milchig weißen Haut, die hell im Mondlicht leuchtet. Aus der Dunkelheit seines Geistes entspringt eine Idee. Max schüttelt den Kopf, versucht der Versuchung zu wiederstehen, aber die Idee findet in seiner erschüterten Gedankenwelt einen fruchtbaren Boden. Die Augenlosen Kraturen sind jetzt ganz nah, sie öffnen ihren Mund und fangen an die Wolken in sich aufzusaugen. Max geht einen Schritt näher an die Kante, er kippelt nahe am Abgrund. Er wirft einen letzten Blick auf diese Welt, zögert und lässt sich fallen. Sein kleiner Körper stürzt von der Schwerkraft nach unten gezogen, die Zeit scheint für einen moment stillzustehen. Dann wird Max von einem Wolkenwahl aufgesogen.
„Die Leere kriecht aus dem Loch und löscht jegliche Zukunft aus.“
Das erste was Max auffällt ist die unerträgliche Hitze. Sein Körper scheint regelrecht zu zerfließen, in der trockenen Schwüle. Das nächste ist der Lärm, ein kreischendes Ziehgeräusch hallt unablässig von den Wänden dieses Ortes zurück. Max gesamter Körper schmerzt. Bei der kleinsten Bewegung durchzuckt ihn der Pein. Sein Schädel dröhnt und fühlt sich an, als ob Zwerge darin Minenarbeit verichten würden. Vorsichtig öffnet er seine Augen einen Spaltbreit und erblickt in den Schatten der spärlich beleuchteten Höhle gehüllt eine gewaltige, 4 Meter hohe Gestalt. Max rappelt sich auf, nimmt kaum Notiz vom Wolkengeist der ihm hierher gefolgt ist, sondern läuft Zielstrebig auf die Riesin zu. Diese stemmt sich unentwegt, im Kreis laufend gegen ein Rad, als ob sie einen imaginären Anker hochziehen würde. Die Riesin besitzt grobe, von Ruß verdreckte Züge, die eine innere Anspannung und eine äußere Anstrengung ausdrücken. Sie trägt einen ebenso dreckigen, wie zerschlissenen Overall und scheint keine Notiz von Max zu nehmen. Der zu ihr hochruft: „Bin ich Tod?“ Die Riesin zuckt, ohne auch nur hinzusehen mit den Schultern: „Woher soll ich das wissen? Solltest du da nicht besser durchblicken?“ „Vielleicht.“, Max schaut sich noch einmal genauer um, die Hölle erhebt sich Kathedralartig in die Höhe, die Wände aus bloßen, dunklen Stein sind so hoch, dass man den Himmel nicht einmal erahnen kann. Das einzige Licht, kommt von, rot glühenden Lava Bächen, die gemächlich zu den Füßen der Riesin fließen. „Wo sind wir hier?“ Die Riesin lässt sich einige Sekunden Zeit bevor sie antwortet: „Im Erdkern.“ „Aha, wie heißen Sie eigentlich?“ „Ich bin die Zeit, ist das nicht offensichtlich?“, als sie diese Worte ausspricht legt sich ein trauriges Lächeln auf ihre Lippen. Sie bleibt stehen, der ganze Raum erzittert und die sich dahinschlängelnde Lava Massen frieren ein, die ganze Welt steht still, nur die Zeit und der kleine Junge vor ihr leben weiter. Sie schaut Max zum ersten mal seit er angekommen ist ins Gesicht: „Und was suchen sie hier unten, junger Mann?“ Max schaut zum Boden: „ Ich suche meine Oma. Aber sie ist weg, hat der Teufel gesagt.“ Ihr ohnehin schon grumpiges Gesicht verfinstert sich noch ein ganzes Stück mehr: „Du bist also Gott begegnet? Und was hat er gemacht? Hat er dich zum Tee eingeladen, mit dir einen Spaziergang im Park unternommen? Hat er wieder einmal über sein Ach so hartes Schicksal gejammert?“, ein durchdringende Bitterkeit hat sich in die Wörter der Riesin geschlichen, die ihre Schieberei wieder aufnimmt. „Nein. Er hat mich an der Nase herum geführt, er meinte er würde meine Großmutter holen, dabei wollte er mich nur für sich behalten.“ Als sie diese Worte hört zieht die Zeit ein fast Mitleidiges Gesicht: „ Mein Bruder ist Geistesgestört und Größenwahnsinnig, denen deren Weg er kreuzt bringt er nichts als Leid. Aber wir brauchen ihn, er hält diese Welt zusammen, er erschafft Glauben mit seinen Lügen, die er selbst Geschichten nennt.“ Eine Weile bleibt alles still, die Zeit ist wortwörtlich stehen geblieben, alles wartend, bis Max die Stille unterbricht: „Fr. Zeit? Könnten sie… Könnten sie sich zurückdrehen, damit ich meine Oma zurückbekomme?“ Die Zeit schließt ihre Augen, seufzt und geht runter auf die Knie. Ihr gewaltiger Körper senkt sich herab, sie nimmt Max’s Gesicht in ihre Teller große Hände und schaut ihm tief in die Augen: „Das geht nicht, mein kleiner.“ Traurig schüttelt sie den Kopf, als sie die großen Tränen in Max’s Augen sieht. „Warum?“, wispert er. „Ich kann nicht, weil die Welt weiter leben muss. Wenn ich das Rad der Welt drehe, ticken die Uhren im selben Rhythmus, meine Anstrengung bringt das Leben, ich hauche den Neugeborenen das Leben ein, ich schiebe die Kinder auf den Weg zur Schule, ich treibe die Paare die sich im Park Küssen an, ich bin der Motor der Welt.“ „Aber warum müssen die Menschen sterben? Warum bringst du uns so viel Unglück?“, die Zeit wischt eine Träne von seiner Wange: „ Der Tod gehört zum Leben dazu. Wenn ich stehenbleibe, dann holt der Tod die Menschen zwar nicht mehr, aber leben tun sie auch nicht. Ist das Leben es nicht wert, zu sterben? Habe keine Angst vor mir, ich bringe vielleicht die schrecklichsten Sachen, aber vor allem die aller schönsten. Deine Oma ist weg, ich werde sie nicht zurückbringen. Aber wenn du stirbst verschwindest du auch nicht komplett, deine Seele verschwindet zwar, zurückbleibt…“ Max hört nicht mehr zu. Er blickt zur Zeit auf, seine Augen schreien einen stummen Vorwurf , er fühlt sich, wieder einmal verlassen. Alle Leute scheinen, ihn betrügen zu wollen. Erst seine Oma die ihn einfach so zurücklässt, dann Gott der ihn hinterging und jetzt die Zeit die sich auch gegen ihn verbündet. Trotzig, springt er auf und läuft Weg vor der Zeit, die ihm hinterherruft: „Max! Komm zurück, Lass mich nicht aleine.“ Aber er hört nicht hin und biegt in einen Gang, der zu klein für die Zeit ist, ein. Er sprintet, läuft sich seine Seele aus dem Leib, schaut nicht zurück, möchte all das hier hinter sich lassen. Der leicht steigende Durchgang mündet in einer anderen, kleineren Hölle. Über die ganze Hölle verteilte Magma Becken erhellen den Raum, in dessen Mitte sich eine grobbehauene, steinerne Säule erhebt. Die Erde setzt sich mit einem lauten Knirschen wieder in Bewegung, die Zeit vergeht wieder. Max spürt die Kraft der Bewegung, die durch seinen ganzen Körper pulsiert, die Drehkraft drückt ihn leicht vom Boden. Er fühlt sich beinahe Schwerelos. Die zuvor Glatten Magmabecken, kochen jetzt Förmlich. Kugeln von glühenden Stein, trennen sich immer wieder vom Rest, schweben nach oben durch den Raum, leicht rötlich strahlend sammeln sie sich an der Decke. Max’s fasziniertes betrachten, wird vom Wolkengeist unterbochen, der still die Hölle betritt. Er war die ganze Zeit da. Der stumme Begleiter, der Max’s Verzweifelung im angesicht Gottes und Max’s Hoffnungen in Anwesendheit der Zeit gespürt hat. Die wolkige Gestalt, tritt einen Schritt in den Raum, sie scheint ein bisschen verloren bis sie Max erblickt und sie zielstrebig auf ihn zu levitiert. Max weiß er sollte Angst haben, sich vor dieser Silhouette fürchten, aber ihm ist etwas offensichtliches entgangen. Es war die ganze unter seiner Nase, zum Greifen nahe und er hatte es nicht bemerkt. Die Gestalt seiner Großmutter geht einen weiteren Schritt auf ihn zu und verschmilzt mit der Silhouette ihres Enkelsohnes.
Und auf einmal errinert Max sich.
Max spürrt die warme Liebkosung der Sonne auf seiner Haut, er lehnt sich zurück und göhnt seinem vollem Magen eine Pause. Ihm Gegenüber sitzt seine Großmutter summt leise vor sich hin, wie sie es immer nach einer herzhaften Mahlzeit tut: „Max?“, ihr Gesicht ist ungewöhnliche Ernshaft, „Wir müssen reden.“ Max setzt sich auf, denn wenn ein Erwachsener „mit einem reden will“ dann nur, wenn man etwas angestehlt hat. „Du weißt, dass ich nicht mehr die Jüngste bin.“, sie lacht kurz, „ Bald werde ich weg sein, ich werde bald sterben Max.“, sie beißt sich auf die Lippe, so wie Papa wenn er nervös ist. Aber der Max der Errinerung scheint gar nicht zu hören zu wollen, er schaut den Schmetterlingen hinterher. „Ich weiß, das du jetzt alt genug bist um solche Geschichten zu verstehen. Es ist vielleicht nicht, was man hören will, aber es ist mir wichtig, das du Bescheid weißt. Wir zwei hatten Spaß zusammen, oder?“ Max antwortet nicht, sondern schiebt sich unruhig auf seinem Stuhl hin und her: „Darf ich jetzt spielen gehen, oma?“ Sie seufzt fährt dann aber unbeirrt fort: „ Wenn ich dann im Himmel, in der Hölle oder sonst wo bin ist es wichtig, dass du weiterlebst. Hör nicht auf eine wunderbare Person zu sein. Ich bin bald weg, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht immer bei dir sein werde. Siehst du,“ aber Max ist schon nicht mehr bei der Sache, „ ich werde immer da sein.“ Sie tippt, ihrem genervten Enkel an die Stirn, „Ich werde dich immer, in der hintersten Ecke deiner Erinerung begleiten. Du wirst so viele tolle Sachen erleben, so vielen Leuten helfen, du wirst lieben und geliebt werden. Die Mädchen werden dir zu Füßen liegen“, die alte Dame zwinkert verschmitzt, „Dein Leben ist vor dir, meins ist hinter mir. Habe keine Angst vor der Veränderung. Ich weiß, dass du es schaffen wirst.“ „Darf ich jetzt endlich aufstehen“, nörgelt Max. Die Großmutter lächelt gut mütig: „Natürlich darfst du Schatz.“
„Dein Leben ist vor dir.“
Der Wecker klingelt. Max öfnet seine verschlafenen Augen und lächelt. Einige Minuten vergehen, dann springt Max auf. Ein Blick auf den Wecker, halb 10? Perfekt, der ganze Tag liegt noch vor ihm. Dann stürmt er aus dem Zimmer, bereit sein Leben zu leben. Aber er ist nicht allein, war es nie und wird es niemals sein.