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Der Wolf

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10.12.2021
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Der Wolf

Plötzlich stand er da. Kurz hinter dem Hochsitz, als der Wanderweg einen Schwenk nach links machte.
Der Wolf.
Schaute uns an, ohne die geringste Bewegung zu zeigen. Nur der Bachlauf und läppische achtzig Meter trennten uns von ihm. Noch!

Dabei war die Drei-Täler-Wanderung bislang so heiter und angenehm verlaufen. Wir hatten, wie immer am Anfang, viel Zeit mit Fotografieren vertrödelt. Danach kommt normalerweise eine etwas ruhigere Phase. Aber Norbert war heute sehr gesprächig und machte immer wieder ein neues Thema auf. Wir merkten kaum, dass wir nur noch drei, vier Kilometer bis zum Zielpunkt vor uns hatten. Und dann hier, an der wildesten und einsamsten Stelle der ganzen Wanderung, der Wolf.

Norbert flüsterte nur: „Ruhig bleiben, Jungs!“. Nicht, dass das wirklich notwendig gewesen wäre. Uwe und ich hielten schon von selbst den Atem an.

Der Wolf machte zwei, drei zögernde Schritte in unsere Richtung. Dann blieb er wieder so bewegungslos wie zuvor stehen. Starrte uns an. Wir rückten unwillkürlich enger zusammen. Vor einer halben Stunde hatten wir genau das Thema. Uwe behauptete, dass der Wolf jetzt auch die Eifel erreicht hätte. Irgendeiner hätte einen gesehen. Außerdem seien zwei, drei Schafe gerissen worden.

Der Wolf bewegte sich wieder. Diesmal die zwei, drei Schritte von eben wieder zurück. Wir machten es ihm nach, in Zeitlupe. Ich spürte zwar den starken Impuls, nach hinten wegzurennen. Aber Norbert flüsterte erneut: „Ruhig bleiben, Jungs!“ Dabei ging mir die Muffe hoch drei. Und ausgerechnet ich hatte unterwegs noch behauptet, wir sollten uns alle freuen, dass der Wolf wieder heimisch wird. Es gäbe schon genug Verdrängung von Wildtieren. Man beachte nur das Bienensterben. Uwe meinte dazu: „Klar, nur dass Bienen keine Kleinkinder fressen!“. Ich konterte: „Wieviel Kleinkinder laufen denn heutzutage alleine durch den Wald? Genau, keine!“

Der Wolf blieb bewegungslos und starrte uns an.

„Ausgerechnet heute haben wir unsere Wanderstöcke nicht dabei. Typisch!“, meinte Uwe. Dabei hatte er eben noch erzählt, dass man gegen einen angreifenden Wolf keine Chance hätte. Auch nicht mit Wanderstöcken. Wölfe hätten fünfmal mehr Kräfte als ein ausgewachsener Mann.

Der Wolf wartete. Worauf wartete er? Vermutlich auf eine falsche Bewegung von uns. „Ruhig bleiben, Jungs!“, flüsterte Norbert.

Wir gingen jetzt rückwärts, in ganz kleinen vorsichtigen Schritten. Der Abstand stieg auf vielleicht 85 Meter.

Dann, wie aus heiterem Himmel, ein knarrendes Geräusch, kurz hinter uns. Aber noch ehe wir uns umschauen konnten, erstarrten wir erstmal zu Salzsäulen. Denn durch den Wolf ging plötzlich ein Ruck. Er kam in rasendem Tempo auf uns zugestürzt. Unsere Formation löste sich ins Nichts auf. Norbert zog nach links in die Böschung weg, Uwe verschwand in Richtung Bach, und nur ich blieb weiterhin auf dem Weg, Bewegungsunfähig ergab ich mich meinem Schicksal. Wahrscheinlich habe ich um Hilfe geschrieen, vielleicht waren es aber auch die heiseren und ängstlichen Töne der beiden anderen .

Natürlich hielt der Wolf auf mich zu. Mein Herz raste, und endlich versuchte ich, wegzulaufen. Aber der Wolf war schneller - und fegte an mir vorbei. Wahrscheinlich würde es doch zuerst Uwe oder Norbert treffen.

Der alte Jäger kletterte in aller Ruhe vom Hochsitz hinter uns herab: „Brutus, komm zum Herrchen.“
Und zu uns: „Keine Sorge, der sieht nur gefährlich aus. Tut aber keinem was!“

Norbert, aus dem Gebüsch kletternd, fing sich als erster. Er fragte den Jäger: „Weiß der Brutus das auch?“

Uwe stand da mit seinen nassen Füßen und kraulte sogar das Vieh, das jetzt an der Leine war. „Na Brutus, bist ein Guter. Bist ein Lieber. Ei, ei, ei.“

Ich war immer noch fix und fertig. Ich fragte keuchend den Alten: „Und? Haben sie auch schon den Wolf in ihrem Revier?“

 
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Hallo @frinka,

und herzlich Willkommen bei den Wortkriegern. Du erzählst hier die Geschichte von drei Männern (dem Prota, Uwe und Norbert), die einem Wolf begegnen. Kurz vorher wurde noch darüber diskutiert, ob es gut sei, dass Wölfe wieder zurück in die Wälder kommen, das bereut der Ich-Erzähler aber schnell. Denn der Wolf stürzt sich auf ihn zu, doch dann stellt sich heraus, dass er ein gezähmter Wolf des Jägers ist, der sich wohl einen Spaß erlaubt hat?

Insgesamt kam mir das nicht so glaubwürdig vor, wieso hat der Jäger einen Wolf gezähmt, wie genau ist das passiert und wieso hat er nicht einfach einen Hund? Da hätte ich mir mehr Hintergründe gewünscht, um das zu kaufen. Ansonsten ist mir aufgefallen, dass du mit den Zeiten hin- und herspringst: Es geht los mit der Vergangenheitsform, dann fällst du ins Präsenz und am Ende ist es wieder die Vergangenheitsform.
Was mir gut gefallen hat, war die Idee des Konflikts. Ich wollte schon wissen, wie das ausgeht und da war Zug drin; allerdings kam mir das noch nicht so richtig ausgearbeitet vor und ich hätte mir zunächst noch eine besser Charakterzeichnung gewünscht. So bleiben die Figuren relativ blass und so richtig mitfühlen kann ich leider nicht.

Plötzlich stand er da. Kurz hinter dem Hochsitz, als der Wanderweg einen Schwenk nach links machte.
Der Wolf.
Vielleicht könntest du hier noch etwas mit meinen Erwartungen als Leser spielen und erst nach und nach offenbaren, dass es ein Wolf ist?

Schaute uns an, ohne die geringste Bewegung zu zeigen.
Das hat mich gewundert und ich habe mich auch gefragt, wieso der Wolf allein ist; ich hatte sofort das Bild im Kopf, dass Wölfe in Rudeln unterwegs sind.

Dabei war die Drei-Täler-Wanderung bislang so heiter und angenehm verlaufen. Wir hatten, wie immer am Anfang, viel Zeit mit Fotografieren vertrödelt. Danach kommt normalerweise eine etwas ruhigere Phase.
Hier rutscht du dann ins Präsenz, das hat mich als Leser stolpern lassen.

Denn durch den Wolf ging plötzlich ein Ruck. Er kam in rasendem Tempo auf uns zugestürzt.
Diesen Ruck konnte ich nicht nachvollziehen. Müsste der Jäger da nicht wenigstens ein Zeichen geben?

Der alte Jäger kletterte in aller Ruhe vom Hochsitz hinter uns herab: „Brutus, komm zum Herrchen.“
Das war für mich etwas zu einfach und der Jäger war in der Geschichte auch nicht angelegt. Vielleicht kannst du da schon im Vorfeld eine Spur auslegen, damit es für mich als Leser glaubwürdiger wird.

Uwe stand da mit seinen nassen Füßen und kraulte sogar das Vieh, das jetzt an der Leine war. „Na Brutus, bist ein Guter. Bist ein Lieber. Ei, ei, ei.“
Das fand ich auch nicht glaubwürdig; eben noch total geschockt und in Panik und dann krault er den Wolf?

Wünsche dir viel Spaß hier bei den Wortkriegern und ein schönes Wochenende.


Beste Grüße
MRG

 

Ich finde Ansicht deine Geschichte sehr schön. Man kann der Handlung sehr gut folgen , auch wenn du etwas in der Zeit hin und her Springst. Es ist eine schöne Geschichte für zwischendurch die einfach zu lesen ist und deshalb Spaß macht. Allerdings stelle ich mir nun die Frage ist Brutus wirklich ein Wolf der vom Jäger gezähmt wurde oder handelt es sich am Ende um eine Hunderasse die markante Ähnlichkeiten mit dem Wolf hatten und die Hauptcharaktere nur der Täuschung verfallen sind?

 

Hallo @frinka,

willkommen bei den Wortkriegern (:innen). Einen schönen Einstand hast Du hier mitgebracht.

Hier gibt es so ein paar Gewohnheiten und es ist für Dich vielleicht hilfreich, sie zu kennen. Mir ging es jedenfalls so, dass ich mir leichter tat, als ich das verstanden hatte.

Du wirst ein einige konkrete Rückmeldungen zu Deinem Text bekommen. Oft wird es dann so gehandhabt, dass wir die eine oder andere Änderung direkt im Post oben verändern, so dass sich der Text entwickeln kann. Du könntest zum Beispiel die angesprochen Zeitformen direkt verändern.

Es ist oft spannend, wie ein Text langsam besser wird.

Nach dieser Vorrede würde mich interessieren, ob Du den "Wolf" in seinem Verhalten für realistisch hältst, oder sozusagen mit den Gedanken der Protagonistin schon vorgibst, dass sie eigentlich wenig Ahnung hat und es am Ende ja auch kein Wolf ist?

Viele Grüße,
Gerald

 
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„Klar, nur dass Bienen keine Kleinkinder fressen!“

„Weiß der Brutus das auch?“

Gute Frage, aber ich bezweifel, dass sich je ein Wolf zähmen lässt wie etwa ähnlich gebaute Schäferhunde, wobei ein wesentlicher Unterschied weniger am Schwanz zu erkennen ist, als in der Länge der „Kindheit“ zwischen Hund und Wolf: Wird der Wolfswelpe mindestens 13 Wochen und oft ein halbes Jahr im Herkunftsrudel betreut und aufs Leben vorbereitet (Rüden als potentielle Konkurrenten des Leitwolfes werden auf mehr oder weniger ruppige Weise in die weite Welt „geschickt“, genauer verjagt werden), wird der Hundewelpe nach sechs bis acht Wochen vom Muttertier getrennt und ist eigentlich noch hilflos dann seinem/seinen neuen „Herrchen“ ausgesetzt (besonders intensiv unter Weihnachtsbäumen …), was zu der Redewendung vom „dummen“ Hund führt, der aber bewusst relativ unselbständig bleiben soll.

Gleichwohl, wir betreiben hier schöne Literatur, da darf es auch mal utopisch zugehen – und was mir gleich zu Anfang auffällt, ist eine angenehme Erzählstimme, dass ich überzeugt bin, dass da was angenehmes heranwachsen wird.
Natürlich muss dann auch Grammatik und insbesondere Rechtschreibung gelingen. Aber das wird auch werden – die paar Flusen gleich sind kein Weltuntergang. Und ich bin auch nicht unfehlbar ...

Und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts,

liebe frinka!

Auf den Gezeitenwechsel wurde schon hingewiesen. Den kannstu Du hier allerdings elegant durch den Konjunktiv ersetzen, die zudem das „normalerweise“ erspart

Dabei war die Drei-Täler-Wanderung bislang so heiter und angenehm verlaufen. Wir hatten, wie immer am Anfang, viel Zeit mit Fotografieren vertrödelt. Danach käme normalerweise eine etwas ruhigere Phase.
(alternativ und wahrscheinlicher für Dich gebräuchlicher „wäre eine etwas ruhigere Phase gekommen“)

„Ruhig bleiben, Jungs!“[...] Nicht, …

Uwe behauptete, dass der Wolf jetzt auch die Eifel erreicht hätte.
Bestehen Zweifel – wegen des Konjunktivs statt Indikativs – an Uwes Behauptung? Neutraler wäre da Konj.I, „erreicht habe“, das „dass“ erlaubt sogar den Indikativ ...

Hier

Irgendeiner hätte einen gesehen. Außerdem seien zwei, drei Schafe gerissen worden.
solltestu entweder Konj. I (habe, seien) oder bei zweifelhafter Aussage Konj. II (hätte, wären) verwenden

„Wie[...]viel Kleinkinder laufen denn heutzutage alleine durch den Wald?

Aber noch ehe wir uns umschauen konnten, erstarrten wir erst[...]mal zu Salzsäulen.
(auseinander, weil eigentlich ein verkürztes „erst einmal“

..., und nur ich blieb weiterhin auf dem Weg, bewegungsunfähig ergab ich mich meinem Schicksal.

Wahrscheinlich habe ich um Hilfe geschrien, vielleicht …

Jetzt kommt quasi Zeichensetzung der schwierigsten Art
Mein Herz raste, und endlich versuchte ich, wegzulaufen.
denn das Komma zerschlägt das zweistellige Prädikat „wegzulaufen versuchen“ – also weg mit dem Komma!

Haben Sie auch schon den Wolf in ihrem Revier?“

Die Leute wollen doch untereinander höflich bleiben ...

Wie dem auch wird, gern gelesen vom

Friedel,

der noch einen angenehmen Advent wünscht!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @frinka,

deine Geschichte war flüssig geschrieben, mMn gut erzählt. Was ich nicht so originell fand, war das Thema. Diese Hund-Wolf- Verwechselungsgeschichten habe ich schon oft gelesen.
Bei deiner musste ich lachen, dafür danke.

Plötzlich stand er da.
Eine Geschichte mit „plötzlich“ zu beginnen, ein Adjektiv das man vermeiden kann.(zumal es sehr verbraucht ist) Vorschlag : Er stand da.
(Kurz) hinter dem Hochsitz, als der Wanderweg einen Schwenk nach links machte.
mMn verwendest du zu viel Füllwörter
(Nur) der Bachlauf und läppische achtzig Meter trennten uns von ihm. Noch!

Der Wolf machte zwei, drei zögernde Schritte in unsere Richtung. Dann blieb er (wieder so) bewegungslos wie zuvor stehen.
Was zwei oder drei Schritte? Oder einfach kam in unsere Richtung.

Vielleicht schaust du deinen Text diesbezüglich nochmals durch.
Ich habe in deinem Profil gelesen, dass du Feedback möchtest.
Hier ist es ein Geben und Nehmen.
Es ist schön, möglichst zeitnah den Text zu überarbeiten oder zu antworten.
Bin auf deine nächste Geschichte gespannt.

Ich wünsche dir noch einen schönen Adventssonntag.
Liebe Grüße CoK

 

Hallo @frinka,

danke für die Geschichte – ich finde sie super! Sehr kurzweilig, humorvoll und sogar spannend, was bei der Kürze nicht selbstverständlich und erst recht nicht einfach ist. Finde ich sehr gelungen!

Zwei kleine Dinge, die rein gar nichts mit dem Inhalt zu tun haben:

fünfmal mehr Kräfte
Die fünffache Kraft, fünf Mal so viel Kraft, irgendwie so, wenn ich mich nicht täusche.
„Wieviel Kleinkinder laufen denn heutzutage alleine durch den Wald? Genau, keine!“
Das "Genau, keine!" brauchst du gar nicht, finde ich – ist eh klar, was er meint.
geschrieen
Ein e zu viel :)

Liebe Grüße,
didolin

 

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