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Der Wind ist eine Maschine
Als sie zum ersten Mal mit Hahit im Bett lag, wusste Roswitha: Was bisher war, waren Experimente. Und das hier war richtiger Sex. Nach kindischen Schweinereien endlich the real thing. Nicht 14 verschiedene Stellungen, nur noch diese eine, die richtige. Statt Lachen oder Lecken oder Überlegen, welche Lautstärke die richtige ist, nur noch sanfte Konzentration und eins werden mit ihm. Hahits Aufgabe, dass es schön und erfüllend ist. Alles, was Roswitha tun muss, ist es zuzulassen.
Kein Schnullen am Sack, kein Anpissen, kein Ziehen an den Haaren, kein Zwicken in die Brustwarzen, kein Blick in den Spiegel, kein Sperma outside, das man sich vom Gesicht wischen muss, keine Zunge zwischen ihren Beinen, keine Tätowierungen, kein Sexspielzeug, kein Pipifax-SM, das nicht wehtun darf, kein sich-scheinbar-Verweigern, kein dramatisches Innehalten, kein sich selbst von außen zusehen, kein kritischer oder narzisstischer Blick auf den eigenen Körper, kein Kampf.
Kein Spontanfick tagsüber auf der Waschmaschine, sondern immer abends im Bett. Keine Vermischung, keine erotische Aufladung des Alltags, kein ständiger Mind-Fuck, sondern zwei getrennte Welten, die sich ergänzen und in Ruhe lassen.
Die Liebe, das Vertrauen. Der Sex, der jeden Abend auf einen wartet. Der abgeschlossene Bereich, der einen verlässlich tröstet.
Vor vier Wochen hat sich Roswitha als sexuelles Wesen aus dem öffentlichen Raum verabschiedet. Es waren die besten Wochen ihres Lebens.
Sie sieht ja gut aus, trotz Kopftuch, eine schöne, junge Frau, das kann jeder sehen. Aber sie sendet keine sexuellen Signale aus. Ihre Schönheit, so empfindet es Roswitha, ist jetzt etwas Bescheidenes, Zurückhaltendes, Demütiges, Gutes. Und nichts, was man als Waffe einsetzt, um andere zu besiegen. Es ist die Einstellung aller Kampfhandlungen. Die bösen Blicke haben keine Macht mehr, und die guten Blicke werden mehr. Wer sie sieht und nicht das Kopftuch als Symbol, sieht eine Frau, von der keine Bedrohung ausgeht. Sondern Liebe.
Roswitha zieht sich nicht zurück. Hahit ist kein Macho, er unterdrückt sie nicht, aber er will auch nicht mit ihr kämpfen. Tagsüber macht er Seines (Mitarbeiter einer Gebäudeschutzfirma) und sie Ihres (Studium der Biologie). Der muslimische Glauben und die Regeln der Gemeinde sind ein Thema, aber kein großes. Sie halten sich an Regeln, aber längst nicht an alle.