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Der weisse Traum
Der weisse Traum
„Lebst du noch?“, fragte Lisa Tim, der bewegungslos unter dem qualmenden Wagen lag.“
„Totaler Mist.“, dachte sich Nikolas und löschte den letzten Satz wieder. Gerade nach dem das „Lebst“ vom Bildschirm seines Computers verschwunden war, rief ihm Winona aus der Küche zu:
„Das willst du allen ernstes veröffentlichen?“
Plötzlich stand sie auch schon hinter Nikolas im Schlafzimmer und wedelte mit dem 200seitigen Manuskript herum.
„Das will niemand lesen.“, doppelte sie nach.
Nikolas nahm seinen Blick vom Bildschirm und drehte sich zu seiner Geliebten. Wie gut sie in diesem offenen Morgenmantel aussieht, wenn sie nichts darunter trägt, dachte er.
„Hast du gehört? Ich finde, dein Manuskript ist Müll!“, rief sie ihm zu.
Nikolas lächelte müde und antwortete dann: „Hör zu, Schatz. Dieses Buch in deinen Händen ist fix und fertig,. Nichts werde ich mehr daran ändern. Ich bin jetzt an einer neuen Geschichte, ich will momentan nichts mehr von diesem Relikt“, er deutete auf das Manuskript in ihren Händen, „mehr hören. Ist das soweit klar?“
Er stand auf, tänzelte elegant zu ihr hin und küsste sie zärtlich au f den Mund. Dann verschwand er in die Küche.
Winona trat an den verlassenen Computerbildschirm heran, um die ersten Worte des neuesten Nikolas Bierbaum-Romanes zu lesen. Doch sobald sie eine beliebige Taste gedrückt hatte um den Bildschirmschoner verschwinden zu lassen, tauchte nur eine Passwortabfrage vor ihren Augen auf, die ihr den Weg zur Lüftung des grossen Geheimnisses versperrte. Enttäuscht liess sie das Manuskript fallen und folgte Nikolas in die Küche.
„Wenn ich jetzt auf der Stelle mit dir schlafe, lässt du es mich dann lesen?“, fragte sie, nach dem sie sich mit lasziv gespreizten Beinen auf den Rand des Küchentisches gesetzt hatte.
Nikolas drehte sich mit der Tasse schwarzen Kaffe in der Hand zu ihr. Ohne seinen Blick von ihrem Gesicht abzuwenden antwortete er: „Du weisst, ich kriege es sowieso, wenn ich es will.“
„Ach ja?“, fragte sie in ungläubigen Ton lächelnd.
„Aber jetzt,“, er nahm einen Schluck seines Kaffes. „bin ich in einer künstlerischen Phase, deswegen ich dieses Angebot ausschlagen muss.“
Winona hüpfte vom Tisch und begab sich ins Bad einen Moment später konnte man das Badewasser in die Wanne laufen hören.
In diesem Moment sass Nikolas schon wieder grübelnd vor dem Computer und redete laut irgendwelche Satzanfänge vor sich in die Luft.
Das ganze Badezimmer war in zwischen vom dicken Dampf des heissen Wassers gefüllt. Wie es Winona liebte an einem freien Samstagmorgen, mit geschlossenen Augen im heissen Wasser zu liegen und sich und alles andere einfach zu vergessen. Doch an diesem Morgen fiel es ihr schwerer sich einfach fallen zu lassen. Einen Geruch glaubte sie wahrzunehmen, der ihr merkwürdig in der Nase lag und irgend etwas glaubte ihr Körper bei sich in der Wanne zu spüren. Doch sie hielt die Augen geschlossen und nahm sich fest vor ihre kleinen Marotten, die wahrscheinlich vom zu weit ausgedehnten Saufgelage der letzten Nacht her stammte, zu ignorieren und sich zu entspannen. Sie atmete tief ein und aus. Der merkwürdige Geruch, wollte aber nicht verschwinden und wurde immer übler, währenddessen schien das merkwürdige, imaginäre Ding bei ihr in der Wanne sich menschlich anzufühlen. Hatte sich Nikolas etwa klammheimlich zu ihr in die Wanne geschlichen, war das etwa sein linker Fuss, der sie zart liebkoste? Langsam, genüsslich lächelnd öffnete sie ihre Augen.
Ein lautes Gekreische, riss Nikolas aus seinen Gedanken, als er gerade dabei war, seinen Hauptcharakter in die Story einzuführen. Beim zweiten lauten Schrei sprang er auf und stürmte zum Badezimmer, woher er die panischen Geräusche zu hören glaubte. Er schlug die Tür auf und fand Winona zusammengekauert am hinteren Rand der Wanne, die angezogenen Beine umklammernd, zitternd und leichenblass sitzen. Ihre Augen standen ihr aus dem Gesicht und ihre Stimme gackerte leise vor sich hin. Erschrocken rannte Nik zu ihr hin und versuchte ihr aufzuhelfen, als er sie jedoch berührte, schrie sie wieder los und schlug hysterisch auf ihn ein, bis sie plötzlich inne hielt und ihn ungläubig anstarrte.
„Es ist alles ok.“, flüsterte ihr Nik leise zu.
Langsam führte Winona ihren Blick über das Wasser der Wanne und dann sprang sie, wie von einer Biene gestochen aus dem Wasser und Nik um die Arme. Sie grub ihren Kopf fest in seinen Pullover und begann leise zu weinen. Mit bedächtigen Schritten führte Nik sie aus dem Bad ins Wohnzimmer, wo sie sich umschlungen, auf dem Sofa niederliessen.
Als sie sich langsam wieder von ihm löste und wieder zu sich zu kommen schien, fragte er mit möglichst liebevoller Stimme: „Was war da eben los?“
Unsicher, noch immer etwas ängstlich musterte sie sein Gesicht, bevor sie mit zitternder Stimme versuchte eine Antwort zu formulieren.
„Da, eben in der Wanne. Da war ein totes Kind bei mir in der Wanne, alles war Blut überströmt. Es war von oben bis unten aufgeschlitzt. Es war nicht älter als sieben oder acht. Es lag bei mir in der Wanne. Ich badete in seinem Blut.“
Sie erzählte stockend, doch mit überzeugter Stimme.
„Du hast geträumt, Liebling. Du bist nur eingenickt.“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Ich weiss,“, antwortete sie mit dem Kopf nickend, „doch es wirkte alles so echt.“ Er legte wieder seinen Arm um sie und zog sie an sich heran. So sassen sie da, sie nackt und nass in seinen Armen.
Nach einer Weile stand er auf und brachte sie ins Schlafzimmer, da sie immer noch kreide bleich war, bat er sie sich etwas ins Bett zu legen. Als er sie zugedeckt hatte, meinte sie noch: „Ich glaube, es war nicht unsere Wanne.“ Besorgt strich sich Nikolas mit der rechten Handfläche übers Gesicht.
Es war nicht ihr erster Alptraum gewesen, der sie so verwirrt zurückliess. Vor ein paar Wochen begann es wie ein leichter Lufthauch, doch nun wurde es immer mehr zu einem Sturm. Nikolas machte sich grosse Sorgen. Er hatte Angst, wusste aber nicht, woher dies alles kam.
„Hey, du Wichser.“, rief sie wütend dem Wagen zu, der vor ihr gerade ohne das Stopschild zu beachten in die Strasse gebogen war. Wütend fuchtelte sie mit der Zigarette herum, mit deren Hand sie ihm schlussendlich den Mittelfinger entgegenhielt, wobei der Fahrer davon wahrscheinlich nichts mitkriegte.
Auf dem Nebensitz lag Niks Manuskript „die Dornenäpfel“. Der Titel stand in Anlehnung an die Fernsehreihe „die Dornenvögel“; welche Nik tief verachtete.
Sie mochte das Manuskript nicht, sie war sogar der Meinung, dass es eines der Schlechtesten war, die Nik je geschrieben hatte. Noch schlechter war vielleicht „Der Glitzernde Bruder“ gewesen. Das Manuskript, durch welches sich Winona und Nik vor fünf Jahren kennengelernt hatten. Sie hatte damals neu beim Verlag angefangen, welcher bisher Nikolas Bücher veröffentlichte. Sie durfte sich damals in ihrer ersten Amtshandlung Niks Manuskript annehmen und ihre Schlussfolgerung war niederschmetternd. Sie sagte es ihm ins Gesicht, dass sie es für solch einen Schund hielte, dass sie es nicht einmal ihrem Hund zu fressen geben würde, da sie Angst hätte, er könnte durch die Dümme und Naivität des Inhalts sterben.
So eine Ehrlichkeit war Nik sich nicht gewohnt gewesen und ein fürchterlicher Zwist brach zwischen den Beiden aus, wo jeder den anderen als ahnungslosen Banausen zu entlarven versuchte, bis sie schlussendlich gemeinsam im Bett landeten. Der Zwist war zwar dadurch nicht beendet worden, doch parallel dazu war eine tiefe Liebe zum Vorschein gekommen.
Sie parkierte ihren Wagen vor dem Verlagsgebäude und begab sich zu Freds Büros. Er war der Verlagsleiter und langjähriger Freund von Nikolas und Winona. Ohne an zu klopfen trat sie durch die Tür und liess vor dem verblüfften Fred der gerade am Telefon sass, das 200seitige Manuskript auf seinen modern geschmückten Schreibtisch fallen.
Der etwas festere Fred grinste sie breit an und versuchte mit Müh und Not die Person an der anderen Leitung des Telefons ab zu wimmeln.
„Ein Möchtegern-Schriftsteller:“, dachte sich Winona und setzte sich auf den breiten Sessel vis-a-vis von Fred und beobachtete, wie er wild zu gestikulieren begann. Er war ein grosser, molliger Mann. Die dick umrahmte Brille hielt er fest in seiner rechten Hand.
Es dauerte noch eine Weile bis er endlich, nach den Worten „Tut mir wirklich leid.“, den Hörer in die Gabel knallte und laut seufzte. Er setzte sich die Brille auf und blickte auf das Manuskript.
„Schund.“, platzte Winona heraus.
Fred hob seinen Blick an und betrachtete die Geliebte des Schriftstellers und lächelte.
„Warst du nicht die Person, die mir sagte, ich hätte mit Nik einen zukünftigen Pulitzerpreisträger vor mir?“
„Ja, deshalb sollten wir diesen Blindgänger schnell hinter uns bringen.“, antwortete sie pfiffig.
Er sah ihr lange nachdenklich in die Augen, bevor er sagte:...
„Du wirst verlegt!“, rief Winona jubelnd, als sie am Abend in die Wohnung kam.
Mit ungläubigen Augen, kam Nik aus dem Schlafzimmer. Mit der Zigarette im Mundwinkel meinte er: „Du sagtest doch, es wäre schlecht.“
„Ja, aber wer hört schon auf mich.“, antwortete sie lachend und mit verschränkten Armen hinter dem Rücken.
„Was hast du da?“, fragte Nik.
„Champagner.“ antwortete sie, als sie die Arme nach vorne holte und den Anblick auf die riesige Flasche preisgab.
„Ha!“, rief Nik triumphierend und umarmte Winona. „Feiern wir!“
Die Nachbarn wussten bereits was geschehen war, wenn sie die laute Musik und noch lauteren Jubelrufe aus der Wohnung neben an hörten und duldeten es inzwischen. Es kam ja nicht so oft vor, dass Nik ein Manuskript beendete. Und wie immer bei einem solchen Anlass stieg das Finale der Feier im gemeinsamen Aufsuchen des Bettes. Nackt versteht sich. Bis in die tiefe Nacht und noch tiefere Erschöpfung hinein.
Ein lautes Hämmern riss sie aus ihrem Schlaf. Mit dröhnendem Kopf tastete Winona nach dem Morgenmantel, fand ihn aber nicht. Das Hämmern wurde noch lauter.
„Verdammt, hör auf damit.“, schrie sie genervt und mit heiserer Stimme.
Doch das Hämmern ging weiter. Zornig lief sie splitternackt dem Geräusch nach. Ihr schien nicht bewusst zu werden, dass dies nicht die Räume ihrer Wohnung waren. Es war ein fremder Ort.
Sie lief an den Zimmern vorbei, als ob sie schon immer hier gelebt hätte, bis zur Küche, dort stand Er. Sie blieb abrupt stehen. Ein Kinds Körper lag auf den Knien vor dem Waschtrog. Den Kopf hielt Er am Genick über den Trog hinein und schlug voller Kraft mit dem Hammer auf den Schädel ein. Blut bespritzte Sein Gesicht während jedes neuen Schlages. Der Körper des Kindes baumelte leblos hinunter. Langsam wurden Seine Schläge bedächtiger, bis sie ganz verstummten. Er wendete seinen Kopf und sah der erstarrten Winona tief in die Augen. Er liess den toten Kindskörper los, der sofort zu Boden sackte, Der zermatschte, unkenntliche Kopf knallte vor ihren Augen zu Boden. Er kam indes langsam auf sie zu gelaufen. Er streckte seinen rechten Arm aus und zeigte mit dem Hammer auf sie. Ein breites, fürchterliches Grinsen formte sich in Seinem blutverschmierten Gesicht. Ihr Blick war noch immer auf das verunstaltete Kind gerichtet, das wie ein Fleck am Boden lag. Sie sah nicht, wie Er sich vor ihr aufbaute und den Hammer in die Höhe zog, doch sie spürte den Lufthauch, blickte zu Ihm und sah den Hammer auf sich zu schnellen-
„Hey.“ Die Stimme klang von weit entfernt. Langsam öffnete Winona ihre schmerzenden Augenlieder und blickte in das besorgte Gesicht Niks, der nun aufhörte ihren Körper zu schütteln. Winona lag schweissgebadet und zitternd im Bett.
„Wieder diese Träume?“, fragte er mit aufgerissenen Augen.
Sie blickte sich verwirrt um und schlang sich dann stumm um seinen Hals.
„Das können keine Träume sein.“, meinte sie ihm ins Ohr flüsternd.
Völlig verwirrt fasste sie sich immer wieder an den Kopf, nicht glauben wollend, dass sie unversehrt war.
„Ich habe gespürt, wie er meinen Schädel zerschmetterte.“, sagte sie den Tränen nahe.
„Ich weiss nicht mehr weiter. Ich weiss nicht, wie ich ihr helfen kann.“
Nik nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette. Er sass in Freds Büro. Fred sass hinter seinem Tisch, mit der Brille in der Hand und musterte Nik mit mitfühlendem Blick.
„Verstehst du, sie träumt von diesen toten Kindern, der toten Frau, dem mordenden Mann. Ich schaffe es kaum, sie wieder in die Realität zurück zu holen, ihr klar zu machen, dass sie nur geträumt hat. In Wahrheit bin ich mir nicht einmal mehr sicher, ob es mir überhaupt noch gelingt sie zu überzeugen.“
Fred setzte sich die Brille auf und seufzte tief, dann meinte er: „Habt ihr schon einmal an Psychotherapie gedacht?“
„Wenn ich nur schon mit so etwas anfange, wird sie wütend, weil sie glaubt, ich halte sie für verrückt. Doch das tue ich nicht. Ich habe Angst sie wird verrückt.“
Die Tür ging hinter den Beiden auf und Winona trat charmant lächelnd ein.
„Hey, da bin ich. Toll, dass du mich abholst.“
Mit bemüht überzeugendem Lächeln stand Nik auf und gab ihr einen Kuss. Sie verabschiedeten sich von Fred und gingen zum Wagen.
Als Nik den Motor startete, fragte ihn Winona ernst: „Über was habt ihr eben geredet?“
„Das Buch.“, antwortete Nikolas ausdruckslos.
„Du weisst, dass ihn meine Probleme nichts angehen.“
Nikolas nickte verhalten und fuhr los. Sie redeten nicht. Beide blickten nachdenklich vor sich auf die Strassen.
Sie fuhren an diesem Tag nicht nach Hause, sondern zu einem Mann, der in einem Zeitungsinserat einen Gebrauchtwagen zu einem idealen Preis anbot. Und die beiden wollte schon lange einen Zweitwagen haben.
„Halt an!“, stiess Winona plötzlich hervor.
Nik bog überrascht ab und hielt den Wagen.
„Was ist los?“
Winona stand auf und verliess den Wagen ohne zu antworten. Nik folgte ihr. Entsetzt starrte sie draussen vom Wagen aus auf ein altes Haus auf der gegenüberliegenden Strassenseite.
„Was ist?“, fragte er erneut.
„Ich kenne das Haus. Aus meinen Träumen.“, antwortete Winona abwesend.
Nik trat erzürnt zu ihr und griff nach ihrer Hand.
„Das sind Träume. Nicht die Realität. Du warst vielleicht mal hier und irgendwie hat dich dieses Haus beeindruckt.“
Heftig schüttelte sie den Kopf und stiess ihn weg.
„Ich weiss, was ich sage.“ Meinte sie wütend.
„Na gut.“, antwortete Nik, packte sie erneut am Arm und zog sie mit sich über die Strasse.
„Was tust du?“, rief sie überrascht und versuchte sich los zu reissen, doch Nik liess nicht von ihrem Arm ab und zog sie mit sich bis zu dem Haus.
„ich sagte nicht, dass ich da rein will.“, sagte sie sauer.
„Aber ich. Wenn dieses Haus in deinen Träumen vor kam und es tatsächlich mit irgend etwas Übernatürlichem zu tun hat, müssten wir ja wohl hier drin den Schlüssel zur Lösung des Rätsels finden.“
Nik klingelte, während Winona nervös neben ihm herum zappelte.
Niemand reagierte. Nik versuchte durch ein Fenster einen Blick ins Innere des Hauses zu erhaschen.
„Es ist leer, verlassen.“, folgerte er.
„Was tust du da?“, fragte Winona fassungslos, als sich Nik gegen die Tür stemmte und sie plötzlich aufbrach.
„Komm!“ Mit einem kräftigen Griff zog er sie in das Hausinnere.
Das Haus war völlig leer geräumt. Es war alt und dem Verfall nahe. Ein grosses Wohnzimmer und daneben eine grosse Küche. Eine Treppe führte vom Wohnzimmer aus in die obere Etage.
Winona sah sich still um.
„Und?“, fragte Nik ungeduldig.
„Ich weiss nicht.“, flüsterte sie nachdenklich. „in meinen Träumen, war alles möbliert. Es könnten diese Räume sein, aber so leer...“ Sie trat an den Waschtrog in der Küche. Sah in Gedanken das tote Kind mit dem zerschmetterten Kopf vor sich.
„Lass uns gehen.“, meinte sie überzeugt und ging Richtung Türe, doch Nik stellte sich ihr entgegen.
„Erst wenn du zugibst, dass dies nicht das Haus aus deinen Alpträumen ist.“
Nervös versuchte Winona an ihm vorbei zu kommen, doch er gab ihr keine Chance.
„Lass mich hinaus.“, wiederholte sie und begann am ganzen Körper zu zittern.
„Das sind nur Träume.“, rief er mit gereizter Stimme. Doch Winona war längst nicht mehr ansprechbar. Sie sah die Bilder aus ihren Visionen zurückkehren, sah die Blutspuren und die Leichenteile, hörte Schreie, die Hammerschläge und sah die toten Körper vor sich.
„Lass mich vorbei!“, kreischte sie. Erschrocken ging ihr Nik aus dem Weg, worauf sie panisch aus dem Haus auf die offene Strasse stürzte. Die Autoreifen der Wagen quietschten, die vor der plötzlich auftauchenden Frau bremsen mussten. Nik lief ihr hinter her und zog sie von der Strasse. Die Blässe war wieder die Selbe, die sie hatte, wenn sie in ihren Träumen gefangen war. Er brachte sie zum Wagen und sie fuhren stumm nach Hause. Nik hatte panische Angst eben einen grossen Fehler gemacht zu haben.
„Du musst schlafen.“ Es war tiefste Nacht. Nik stand an der Schlafzimmertüre und starrte zu Winona die am Tisch sass an ihrer schwarzen Kaffebrühe nippend und eine Zigarette nach der anderen rauchend.
„Ich werde nicht mehr schlafen.“ Ihre Stimme war kalt, frustriert und müde.
„Du kannst nicht immer hier sitzen und Kaffe trinken.“ Ein hilfloses Lächeln huschte über Niks Gesicht.
„Ich werde mir das nicht mehr antun.“, sagte sie, „das sind nicht nur Träume, es ist viel mehr. Du kannst das nicht verstehen.“
Ungebündelter Zorn stieg in Nik auf. Er stürzte zu Winona rüber, zog sie vom Stuhl hoch und schüttelte sie mit aller Kraft, während er auf sie einsprach: „Du hast geträumt. Nichts mehr. Das hier, hier ist die Realität. Mein Gott, das waren nur Träume.“
Tränen liefen ihm übers Gesicht, seine Wut verwandelte sich in eine Mischung aus Trauer, Angst und Mitleid, er schloss sie in die Arme und drückte sie an sich.
„Ich weiss nicht, wie ich dir helfen kann.“
Sie schmiegte sich an ihn, doch plötzlich stiess sie ihn weg und schrie:
„Du verstehst mich nicht, ich bin nicht verrückt!“
Sie rannte zur Tür und wollte die Wohnung verlassen, doch Nik stellte sich ihr in den Weg und schloss die Tür mit seinem Schlüssel.
„Was soll das?“ Entsetzt sah sie ihn an. Er entgegnete ihren Blick stumm.
Wütend ging sie ins Schlafzimmer um ihre Schlüssel zu suchen, doch sie fand sie nicht.
„Wo sind meine Schlüssel?“, rief sie erregt.
„Ich habe sie.“, antwortete Nik mit bemühter Ruhe. „Ich lasse dich nicht gehen.“
Irgendwo zwischen Panik und Wut stürzte sich Winona zur Tür und begann zu riegeln und auf die Tür einzuschlagen und einzutreten. Nik nahm den Telefonhörer und wählte.
„Sie haben sie abgeholt. Sie schrie und schlug um sich. Sie verfluchte mich und weinte.“
Nik musste darum kämpfen seine Stimme nicht zu verlieren.
„Und ich sah zu. Wie sie sie wegbrachten.“
„Du konntest nichts anderes tun.“, antwortete Fred bedächtig. „Ich glaube, du tatest das einzig Richtige. Sie können ihr dort helfen.“
Nik strich sich übers Gesicht und flüsterte: „Ich weiss nicht, ich weiss nicht.“
„Schreib etwas.“, meinte Fred, „in solchen Zeiten wurden die besten Werke geschrieben.“
„Bist du verrückt.“, Wut spiegelte sich in Niks Reaktion. „Verschwinde damit, ich werde die Situation ganz bestimmt nicht zum Schreiben nutzen, meinen und ihren Schmerz für meine Arbeit missbrauchen. Sie ist in der Psychiatrie, mein Gott.“
Er verstummte. Fred sah ihn müde an, meinte als letztes: „Tut mir leid.“
„Ich rede von einer neuen revolutionären Methode des Gefangenenvollzugs.“, stellte der Mann im blauen Anzug mit der maskenartigen Brille klar.
Nik konnte früher nicht genug von der „Tim Mayers-Show“ bekommen, doch an diesem Abend liess ihn das Geschwafel des Fernsehers kalt.
„Wir konfrontieren den Täter immer und immer wieder mit seiner eigenen Tat. Während seines ganzen Vollzuges muss er den Horror seiner Tat...“ - Nik hatte den Fernseher ausgeschaltet und legte sich aufs Bett. Ausdruckslos starrte er zur Decke hoch und dachte an Winona.
„Wie es ihr wohl geht?“, fragte er sich.
„Ahhhh!!“ Schreie drangen durch die Korridore der geschlossenen Anstalt. Winonas Träume wurden immer schlimmer. Trotz Psychopharmaka blieb der Horror um sie herum präsent, er verschlimmerte sich sogar von Minute zu Minute.
Nik, der indessen hoffte, sie würde genesen, lag jetzt tief in die Decke des Bettes gehüllt. Ein merkwürdiges Wohlgefühl liess ihn für einen Moment all seine Sorgen vergessen. Ein fremdartiges Wohlgefühl, dem er versuchte entgegen zu treten, doch die Versuchung für einen Moment all die Sorgen und Ängste zu vergessen, war zu gross.
Die Tür des Schlafzimmers ging plötzlich von aussen auf.
„Dad!“, rief Nik freudig.
Der grosse, stämmige Mann trat den Lichtschein entlang, welcher nun von aussen ins Zimmer drang, an Niks Bett. Seine Hände waren hinter seinem Rücken vor Niks Blicken versteckt.
„Du hast ein Geschenk für mich, nicht?“, rief Nik aufgeregt und voller Erwartungen.
Der Vater nickte bedächtig. Er kam Schritt für Schritt näher und mit jedem Schritt wuchs in Nik dieses wohlige Gefühl von Sicherheit und Wärme mehr an, das alles andere bereits verdrängt hatte.
„Was ist es, was ist es?“, rief er aufgeregt. Nur mit Mühe schaffte es Nik brav liegen zu bleiben. Nun stand der Vater endlich über ihm und legte seine Hand sanft auf Niks Kopf. Langsam kam sein Vater mit seinem Gesicht näher an Nik heran, bis der Lichtstrahl sein Gesicht erhellte. Und Nik erkannte das Grinsen in seinem Gesicht, das über dem sonst so warmen Gesicht herrschte und es in eine Grimasse des Wahnsinns verwandelt. Die versteckte Hand kamen hinter dem Rücken hervor, die Klinge des Küchenmessers blitzte im Lichtstrahl und Nik spürte, wie sein Leib vom Brustkorb nach unten entlang aufgeschnitten wurde, er spürte wie das Blut ihm entlief und spürte die Hand des noch immer grinsenden Vaters in seine Innereien greifen. Dies sah er alles aus den Augen eines toten, fremden Kindes......
Auf den Knien sass er am Boden und erbrach seit einer halben Stunde ununterbrochen. Schmerzen durchfuhren seinen leeren Magen. Die Bilder des Traumes noch immer so wach wie zuvor.
Nik weinte, er weinte wie ein kleines Kind. Er konnte dieses Gefühl der Angst nicht vergessen. Eine solche Reinheit von Angst hatte er noch nie gespürt, noch wäre er je in der Lage gewesen sich so etwas vor zu stellen.
Das Haus war noch immer leer und eben so verlassen, wie vor ein paar Tagen, als er sich mit Winona Zugriff in das Innere verschaffte. Die Tür war noch gleich, wie sie sie hinterlassen hatten.
Seit einer Stunde sass Nik schon mit dem Blick auf das Haus in dem Wagen auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Das Zittern seiner Hände, hat seit der Nacht und seiner Vision, er wehrte sich gegen den Ausdruck „Traum“, nicht nachgelassen. Noch immer flatterten sie unkoordiniert hin und her.
Er nahm all seinen Mut zusammen, nahm einen letzten tiefen Zug von seiner Camel, schnippte sie weg auf die Strasse und verliess den Wagen, überquerte die Strasse und ohne einen Moment zu zögern betrat er das dunkle Gebäude. Stille umgab ihn. Dass es noch immer dasselbe Gebäude wie die paar Tage zuvor war, beruhigte ihn. Es schien keine Hexenmagie im Spiel zu sein. Er betrat wieder die selben Räume und stiess auf die selbe Leere, doch nun ging er auch die Treppen ins Obergeschoss hoch. Der dritte Absatz quietschte und das Geländer wackelte. Dann fand er sich auf dem Korridor wieder. Er ging ganz nach hinten, zum verstecktesten Zimmer und öffnete die Tür. Da sah er es in Gedanken vor sich, das Bett des Jungen. Er lief hin zu der Stelle, wo es stand und legte sich auf den harten Boden und blickte zur Tür. Wie von Geisterhand glaubte er am Boden festgehalten zu werden, alles wurde finster und der Vater trat ein. Nik versuchte aufzustehen, doch er konnte sich nicht bewegen.
„ich will nicht, ich will nicht.“ wiederholte er immer wieder von neuem. Doch die Gestalt kam näher dem Lichtstein entlang.
„Ich will sein Lachen nicht sehen.“
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
„Nein!“, schrie er und sprang, schweissgebadet auf und fand sich im leeren Zimmer wieder, verlassen. Zitternd wischte er sich über die Stirn und verliess langsam das Zimmer. Nur mit Mühe konnte er sich aufrecht halten, seine Knie zitterten nun ebenso wie seine Hände.
Die nächsten Räume die er betrat, liessen ihn so kalt, wie die Räume der unteren Etage. Im letzten, im grössten Zimmer blieb er stehen. Ein Spiegelkasten stand mitten im sonst leer geräumten Raum. Er trat an das Möbelstück heran, begutachtete seine bleiche, faltige und zitternde Gestalt einen Moment im Spiegel und öffnete dann das erste Fach. Es war leer, das Zweite –leer und dann das Dritte und Letzte, es war verschlossen. Mit Gewalt versuchte er es zu öffnen, brachte es aber nicht auf. Nirgends im leeren Raum konnte er einen Schlüssel, oder irgend etwas finden, das ihm beim Öffnen hätte helfen könne. Doch Moment. Ein Funkeln hinter dem Spiegel. Er tastete die Rückwand ab und zog einen silbernen Schlüssel hervor. Er passte in das Schloss des dritten Fachs. Es klemmte, nur mit Mühe schaffte es Nik, das Fach zu öffnen. Auf den ersten Blick schien es leer zu sein, doch als er das Fach abtastete, fand er ganz hinten im Schatten ein kleines Büchlein. Neugierig und angespannt blätterte er es durch. Die meisten Seiten waren raus gerissen worden, erst weiter hinten fand er die von Hand geschriebenen Tagebucheinträge, doch er wagte es nicht sie zu lesen. Wollte er denn wirklich erfahren, was da stand? Wollte er damit konfrontiert werden? Hatte er ein Wahl? Nein.
„Heute war der Tag. Der 23., ich habe es getan.“
Vom Papier aufgesogene und eingetrocknete Bluttropfen fanden sich auf einigen Stellen der Seiten wieder.
„Ich habe mit ihm angefangen. Marius stand plötzlich in der Küche vor mir. Er trug noch immer seinen knallgrünen Pyjama von Grossmutter. Als ich ihn nicht begrüsste, kam er zu mir und riss an meinem Hemd, er wollte, dass ich rede. Doch ich blieb stumm. Ich hatte nichts zu sagen. Doch konnte er mich in Ruhe lassen? NEIN. Er machte weiter und nervte mich mit seinem widerlichen Gequengel. Ich stand auf und lief durch die Küche, um ihm aus dem Weg zu gehen. Doch er lief mir nach und zog an meinen Kleidern. PAPI PAPI PAPI. Rief er die ganze Zeit. Da sah ich den Hammer von gestern Abend da liegen. Und dann wieder PAPI PAPI PAPI Ich griff nach dem Hammer und schlug zu. Ich schlug dem Balg den Hammer direkt ins Gesicht. Er fiel zu Boden und schlug so elend laut auf, dass er alle im Haus hätte wecken können. Ich riss ihn hoch und hielt seinen Kopf über den Waschtrog PAPI PAPI PAPI und schlug auf ihn ein, ich ....
Plötzlich stand sie hinter mir. Sie starrte mich an. DIESE SCHLAMPE. Öffnete und schloss wieder ihren Mund, aber kein Ton kam dabei raus. Es war so, als würde sie einem imaginären Typen den Schwanz blasen. Ich liess den Balg fallen und ging auf sie zu.
-Oh wie schön sie war. Wie schön ihr Kopf war.-
DER SICH IN ALLE HIMMELSRICHTUNGEN VERTEILTE EIN SCHLAG UND...
Ja dir werd ich s gleich besorgen. „PAPI GESCHENK PAPI ÜBERRASCHUNG“ JA DU KRIEGST DEINE ÜBERRASCHUNG. BLEIB LIEGEN KLEINER, ICH KOMME JA SCHON...
Ich warf ihre Körper in die Badewanne. Alles ist so schmutzig. Alles voller Blut. Ich will das nicht wegmachen. Ich bin viel zu müde. Ich will..“
Draussen wurde es schon langsam dunkel. Nikolas sass im Büro des Chefarztes der Klinik, in die Winona eingewiesen wurde. Gerade drückte er seine dritte Zigarette im Aschenbecher des grossen Schreibtisches aus, als die Tür aufging und der Chefarzt eintrat. Er war ein gross gewachsener Mann. Er ging steif aufrecht, bemüht Haltung zu bewahren, während Nik müde und schlaff im Sessel lag.
„Wie kann ich ihnen helfen?“, während er auf die Antwort wartete, strich sich der Chefarzt immer wieder über seinen dicken, fransigen Schnurrbart.
„Ich will meine Freundin holen.“, antwortete Nik in überzeugtem Ton.
„Das ist nicht möglich. Tut mir leid.“, antwortete Niks Gegenüber ohne zu zögern.
„Aber..“, nervös stand Nik von seinem Stuhl auf. „ich muss zumindest mit ihr sprechen.“
„Das ist völlig unmöglich.“, antwortete der Arzt mit seinem strengen Blick Nik musternd, „Sie ist schwer verwirrt, sie muss zuerst wieder zu Kräften kommen, bevor sie wieder mit der Aussenwelt in Kontakt treten kann.“
Nikolas wischte sich den Schweiss aus dem Gesicht und blickte aufgeregt um sich.
„Aber es muss einen Weg geben, es ist dringend.“
„Reden sie mit mir.“, schlug der Arzt vor.
Misstrauisch musterte Nik den Mann und schüttelte dann den Kopf.
„Nein.“, sagte er und lief wütend aus dem Büro und verliess die Klink. Als er in seinem Wagen sass und den Motor schon anlassen wollte, hielt er plötzlich inne.
„Ich muss sie da raus holen.“, sagte er zu sich und blickte auf den Beifahrersitz, auf dem das Tagebuch, des Fremden lag.
Als Winona ihre Augen öffnete fand sie sich in einem weissen Klinikraum mit Lederriemen ans Bett gefesselt wieder. Ihr Kopf war mit dem Blick zur Decke fixiert. Seit langer Zeit zum ersten Mal beherrschte sie nicht pure Angst nach dem Aufwachen. Sie fühlte sich sogar richtig entspannt. Selbst die merkwürdige Situation des „Gefesselt seins“ stiess sie nicht ab. Sie fühlte sich sicher.
Sie hörte wie eine Tür leise knirschend aufging und sich ihr Schritte näherten.
„Wie geht es ihnen?“, hörte sie eine Männerstimme fragen.
„Gu..“, sie bemerkte, dass es ihr schwer fiel zu sprechen.
„Gut.“, stammelte sie dann unsicher.
„Das ist schön. Beruhigend zu wissen, dass wir ihnen helfen können.“, die Stimme des Mannes wirkte freundlich und liebevoll.
„Lassen sie uns ein paar Tests machen.“, fuhr er fort.
Plötzlich hielt er ein Foto über Winonas Gesicht.
„Was sehen sie darauf?“, fragte er.
Zuerst konnte sie nur einen undeutlichen Klecks erkennen, doch dann nach und nach begannen sich die Konturen der Formen auf dem Foto heraus zu kristallisieren.
Sie erkannte das Bild eines modernen Gebäudes. Sie wusste, es war eine Art Gefängnis. Woher sie dies jedoch wusste, war ihr nicht bewusst. Der moderne, beinahe schon futuristisch wirkende Gebäudekomplex liess rein von dem Bild her nicht darauf schliessen, zu welchem Zweck er da stand und doch antwortete sie, wie aus der Pistole geschossen, auf die Frage des Mannes: „Ein Gefängnis.“
„Gut.“, antwortete die Männerstimme zufrieden und zog das Foto aus ihrem beschränkten Blickfeld.
„Was sehen sie hier?“ er zeigte ihr ein neues Bild.
„SCHULD“, stand in grossen schwarzen Lettern vor einem weissen Hintergrund, sie las das Wort laut ab.
Ohne eine weitere Antwort verschwand das Bild wieder vor ihren Augen und der Mann hielt ihr das Nächste hin.
„MANIPULATION“, las sie vor und das nächste Bild folgte, kaum hatte sie das Wort ausgesprochen.
„WACH AUF“, sagte sie gelangweilt.
„Sie machen das toll.“, bekräftigte sie die Männerstimme freundlich.
Sie starrte auf das nächste Bild.
„ICH WERDE DICH TÖTEN!“ Eine blitzende Klinge riss sich durch das Bild von oben auf ihr Gesicht nieder und plötzlich fand sich Winona inmitten eines weissen sich unendlich lang erstreckenden Korridors wieder. Ihr Körper wurde von einem weissen Klinikkittel bedeckt gehalten und ihre nackten Füsse lagen auf den kalten Keramikfliesen.
„Lauf, wenn dir dein Leben lieb ist!“, hörte sie die Männerstimme rufen. Langsam begann sie den Korridor entlang zu laufen. Zuerst war ihr Gang noch zitternd, doch mit jedem weiteren Schritt fand sie ihre Kraft wieder und wurde immer schneller und rannte gerade aus, doch keine Ende kam in Sichtweite. Obwohl sie, wenn sie nach hinten blickte, niemanden erkennen konnte, so hörte sie die Schritte deutlich immer näher kommen. Abrupt blieb sie stehen. In der sauber polierten Fläche der weissen Korridorwände spiegelte sich vor ihr, hinter ihr und neben ihr, das verhasste Bild des Mannes wieder, der sie ein ums andere Mal in ihren Alpträumen heimsuchte, aus den Spiegelbildern heraus kicherte er ihr entgegen mit dem langen Küchenmesser in der rechten Hand. Sein kariertes Hemd war blutverschmiert und die Haare klebeten ihm auf der schweissnassen Stirn. Er hob die linke Hand und winkte mit dem Zeigefinger.
„Komm, komm.“, meinten die Abbilder des Monstrums lächelnd.
Winona wendete sich hin und zurück, doch ausser dieser Spiegelbilder, war keine reale Gestalt zu erkennen. Langsam in schleichendem Schritt trat sie weiter, während sich die Hände von den Wänden lösten und begannen nach ihr zu greifen und an ihr zu ziehen. Sie rannte los, versuchte sich durch die Horden von Armen zu kämpfen, bis sich nun auch die Messer von ihren Spiegelbildern lösten und von links und rechts her geschossen kamen und sie von oben und unten durchbohrten. Um Erlösung flehend brach die junge Frau zusammen umzingelt von den Händen der Abbilder ihres Mörders, der sich den unendlich weiten Korridor entlang über sie hermachte.
„WACH AUF!“
Müde und ängstlich öffnete Winona ihre Augen. Als sie Nikolas erblickte, wich die Angst in ihren Augen einem kalten Schauer. Langsam richtete sie sich im Bett auf und sah sich in ihrem Schlafzimmer um.
„Ich bin wieder zu Hause. War das alles nur ein Traum. War ich gar nicht in der Klinik?“
Zärtlich strich ihr Nikolas übers Gesicht.
„Doch.“; meinte er, „ich habe einen Fehler gemacht. Nun bist du wieder zu Hause.“
„Wie hast du mich da raus geholt?“
Für einen Moment blieb Nikolas sprachlos. Wie hatte er sie dort raus geholt? Sie wollten sie nicht gehen lassen, doch nun war sie hier. Wie hatte er das getan? Verwirrt fasste er sich an die Stirn, es war ihm entfallen.
Er stand auf, verliess sie für einen Moment und lief ins Bad. Beim Waschtrog liess er das kalte Wasser laufen und bespritzte damit sein Gesicht. Die letzten Stunden waren wie aus seinem Gedächtnis entrissen. Er hielt den Kopf unter das Wasser, drehte es ab und ging zurück zu Winona, die ihn misstrauisch beäugte.
Er setzte sich wieder zu ihr ans Bett und sagte: „Wichtig ist, dass du nun hier bist. Du hattest recht. Es sind mehr als nur Träume. Ich hatte selbst eine Vision. Daraufhin fuhr ich zurück zu dem Haus und fand das hier.“
Er legte das Tagebuch vor Winona auf das Bett.
Mit ihrer linken Hand fuhr sie über die Kanten des Buchumschlages und fragte: „Was ist das?“
„Das Tagebuch von Milosch Johann. Vor acht Jahren hat er seine Familie, seine Frau und seine beiden Söhne brutal umgebracht. Alles steht in diesem Buch.“
Vorsichtig hob es Winona auf und wiegte es in ihrer Hand, dann schmetterte sie es wütend zu Boden.
„Ich will nichts damit zu tun haben!“, rief sie entsetzt.
„Hör mir zu.“, Nikolas umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und sah ihr in die Augen. „Ein einziger Schrank, war in dem Raum und in diesem Schrank lag dieses Buch. Die Polizei, hätte es niemals übersehen können und doch war es dort, als würde es auf mich warten.“ Er liess sie los, seine angespannte Stimme erschlaffte, „Irgend etwas merkwürdiges geht hier vor.“
Müde rieb sich Winona die Augen und meinte dann:
„In der Klinik. Meine Träume. Sie haben sich verändert.“ Mit gespanntem Blick horchte Nikolas ihren Worten. „Ich träumte nicht mehr von den Morden an seinen Familienmitgliedern. Diesmal jagte er mich. Mich persönlich. Er lauerte mir auf und jagte mich. Mich.“ Ihre Stimme wurde lauter und sie krallte sich in Nikolas Arm. „Verstehst du, er jagte mich, mich, die ich hier liege. Nicht seine Frau, nicht seine Kinder, er jagte und tötete mich!“
Nikolas riss seinen Arm los.
„Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Er griff nach einem Zeitungsartikel und legte ihn vor Winona auf die Bettdecke. Der untere Text war unlesbar, doch die Überschrift war deutlich genug, es stand da: „Familienmörder hängt sich in Untersuchungszelle auf.“
„Ich war in der Pressestelle.“, erklärte Nikolas. „Das habe ich gefunden.“ Er wies auf den Artikel und fuhr fort: „ER IST TOT.“
Stöhnend liess sich Winona ins Kissen zurück fallen.
„Er kann uns nichts tun.“, fuhr Nikolas fort, „Wir müssen herausfinden, was diese Visionen zu bedeuten haben. Bei meinen Recherchen habe ich die Namen zweier mit dem Fall vertrauten Personen gefunden. Der damalige Polizeichef lebt ausserhalb der Stadt. Er hat damals Milosch verhaftet und dann ist da noch Miloschs erster Sohn.“
Überrascht setzte sich Winona mit weit aufgerissenen Augen wieder auf und Nikolas fuhr fort:
„Seine Mutter und Milosch waren nie zusammen gewesen. Sie zog den Jungen selbst gross. Er ist der letzte Verwandte von Milosch.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich schlage vor, dass ich mit dem Sohn rede, während du dich mit dem Polizeichef unterhältst.“
„Nein.“, widersprach ihm Winona, „ich will mit seinem Sohn reden. Wie spät ist es?“
„Nachmittag.“, antwortete Nik, „aber du musst erst wieder zu Kräften kommen.“
„Ich bin bei Kräften.“, antwortete Winona mit überzeugter Stimme. „Gib mir seine Adresse.“
Miloschs Sohn David bewohnte eine kleine Wohnung mitten in der Innenstadt. Das Appartmenthaus stand direkt an der Strasse, wo der Verkehr nur so tobte. Winona ging mit langsamen Schritten dem Haus entgegen. Sie war noch leicht benommen, liess es sich aber nichts anmerken. Das Appartment Davids lag im zweiten Obergeschoss des Hauses, sie klingelte. Es dauerte eine Weile bis sie Schritte vernahm und dann kurz darauf die Tür von einem jungen Mann geöffnet wurde.
„Sind sie David Leibert?“
Der bleiche junge Mann sah sie mit weit geöffneten Augen an. Er trug ein ärmelloses Shirt, das seinen dürren Oberkörper betonte. „Ja, das bin ich.“, antwortete er leise, „Und wer sind sie?“
Winona stellte sich ihm vor und bat darum mit ihm über seinen Vater sprechen zu dürfen.
„Ich weiss, dass das kein erfreuliches Thema für ist, aber...“, begann sie.
„Nein, ist schon gut, kommen sie rein.“ Ein einladendes Lächeln zeichnete sich auf Davids Lippen, der die Tür auf zog und Winona eintreten liess. Sie setzten sich im Wohnzimmer hin. Auf dem Tisch lagen noch die dreckigen Teller mit den Essensresten vom Mittag und der Raum und die Möbel stanken nach Zigarettenrauch.
Indessen hatte Nikolas das Haus des inzwischen pensionierten Polizeichefs Herbert Knippe erreicht. Er hatte den Mann bereits telefonisch nach einem Treffen gefragt, nur widerwillig hatte dieser sein Einverständnis gegeben.
Es war ein schönes Häuschen, das direkt an einem Bach lag, der durch den Wald verlief.
Herbert Knippe wirkte müde, als er Nikolas entgegen kam. Er war eine kräftige Person mit einer zierlichen Brille im runden, massigen Gesicht. Er lief bucklig und zog das rechte Bein nach.
„Sie müssen der Schriftsteller sein.“
„Ja, der bin ich. Vielen dank, dass sie mich empfangen.“
Der Expolizist lächelte verhalten.
Sie setzten sich draussen an einen Tisch, der direkt am Lauf des Baches aufgestellt war. Man roch die Natur in ihrer ganzen Fülle und Nicolas begann mit seinen Fragen.
„Sie haben Milosch festgenommen, nicht wahr?“
„Ja, eine Nachbarin rief uns an. Sie sah ihn durch ihr Fenster und glaubte, er sei verletzt und blute stark. Es war jedoch das Blut seiner ganzen Familie, das an seinem Körper, seinen Kleidern haftete.“
„Wie war es? Ich meine, als sie ihn fanden, versuchte er zu fliehen, oder..“
„Nein.“, widersprach Knippe energisch, „er sass ruhig auf der WC-Schüssel neben der Badewanne, wo seine Opfer gestapelt lagen. Er sagte kein Wort und widersetzte sich uns in keinster Weise.“
„Haben sie mit ihm gesprochen?“
„Ja, ich verhörte ihn auf dem Polizeirevier. Er war müde, phantasierte herum. Es war schwierig ihn auf einen Punkt hin an zu sprechen. Ich bin mir sicher, er stand unter Drogen. Aber aus irgend einem Grund unterliessen wir es, ihn zu untersuchen. Ich meine, wir waren nicht an solche Verbrechen gewohnt. Wir alle standen unter Schock.
David drehte sich sorgfältig einen Joint, während er Winona von seinem Vater erzählte.
„Wir hatten immer einen guten Kontakt zu einander. Wir waren Freunde. Ich hielt ihn immer für einen guten Vater, wenn ich ihn mit seiner Familie sah. Manchmal war ich neidisch nicht Sohn, sondern vielmehr Kumpel zu sein. Wenn sie mich fragen, ich weiss nicht, was der Auslöser war. Er begann sich schon einige Zeit zuvor merkwürdig zu verhalten. Er misstraute seiner Frau. Er redete in meiner Anwesenheit oft davon, dass sie ihn betrüge. Er hatte aber keine Beweise, nicht einmal Gründe dazu, das zu denken. Doch er war nicht davon los zu bringen. Er trank viel zu der Zeit und begann mit Drogen zu experimentieren. Es war so eine Art Midlifecrisis.
Doch tat er alles hinter dem Rücken seiner Familie. Bei ihnen verhielt er sich weiterhin, wie der perfekte Vater. Nur, wenn er mit mir zusammen war, liess er seiner Wut freien Lauf. Wut über seine Frau, seine Kinder, über sein Leben. Er muss unter gewaltigen Drogen gestanden haben, als er das getan hat. Er war kein schlechter Mensch.“
Winona nickte sachte, als David hilfesuchend zu ihr aufsah.
Knippe nahm einen tiefen Schluck aus seinem Schnapsglas.
„Wo hat man seine Leiche begraben?“, fragte Nikolas.
Der Expolizist sah ihn entsetzt an.
„Seine Leiche?“
„Ja, seine Leiche. Er hat sich erhängt.“
„Er hat versucht.“, korrigierte ihn Knippe und Nikolas zuckte zusammen, „Er überlebte. Ihm wurde der Prozess gemacht und nun ist er in einer geschlossenen Anstalt eingesperrt, für immer.“
Nikolas sprang entsetzt auf.
„Wo ist diese Anstalt?“
Nikolas trat das Gaspedal ganz durch. Auf dem Handy wählte er Winonas Nummer, doch er erreichte sie nicht.
Er raste die Strassen hinauf. Die Klinik hatte ihren Sitz auf einem Berg. Verlassen von jeglicher Zivilisation. Nikolas rauchte auf der Fahrt eine Kippe nach der anderen.
Bei der Klinik angekommen rannte er zur Rezeption. Ein junger Mann stand dort und hörte mit Kopfhörern auf dem Kopf Musik.
„hey“, Nikolas stiess ihn heftig.
Der junge Mann nahm die Kopfhörer ab und sah Nikolas genervt an.
„Ich muss zu Milosch Johann.“
„Das geht nicht.“, meinte der Junge spöttisch.
Nikolas holte seine Brieftasche und nahm ein Bündel Geldscheine heraus.
„Ich will nicht mit ihm sprechen, ich will ihn nur sehen.“
Der Junge lächelte, nahm das Geld an sich und führte Nikolas die Treppen hoch. Sie liefen durch die weissen Korridore, an den Stationen vorbei, wo ein paar Insassen sich frei bewegen durften und im obersten Stockwerk ganz hinten kamen sie an eine verriegelte Tür. Der Junge öffnete die Luke an der Tür und blickt in den Raum, kreide bleich torkelte er plötzlich zurück.
„Was?“, rief Nikolas entsetzt und sah durch die Luke. Der Raum war leer und verlassen. Ohne auf eine Reaktion des Jungen zu warten rannte er zurück zu seinem Wagen und fuhr los. Wieder versuchte er Winona zu erreichen, zwecklos, nur ein Band kam, auf dem er eine Nachricht hinterlassen konnte.
„Winona, hör zu. Milosch lebt und er ist frei. Wir haben uns geirrt. Du bist in Gefahr. Geh zu Fred, zur Polizei oder irgendwohin, wo es von Menschen wimmelt. Ich fahre zu Miloschs Sohn, vielleicht treffe ich dich ja da.“, Nik beendete das Gespräch. Nervös schaltete er das Radio ein.
„Koma und Alpträume, das ist alles. Und es ist billiger, als das bisherige Verfahren...“, Nik wechselte auf einen Musikkanal. Countrymusik füllte jetzt den Wagen, während er in Richtung Stadt raste.
David stand draussen vor dem Haus und rauchte seinen Joint, als Nikolas aus dem Wagen stieg und ihm entgegen rannte.
„Nikolas.“, begrüsste ihn David.
„Woher? Hat Winona ihnen gesagt, dass ich komme?“
„Nicht wichtig.“, antwortete David ruhig lächlend.
„Wo ist sie?“, Niks Stimme klang misstrauisch.
„Ich kann sie zu ihr bringen. Kommen sie, ich fahre.“
Nik folgte David in seinen kleinen VW Käfer. Sie redeten die Fahrt über kein Wort. Zu entsetzt war Nikolas von dem Weg den sie entlang fuhren. Er kannte ihn. Nur zu gut kannte er ihn. Sie hielten auf der gegenüberliegenden Strassenseite des verlassenen Hauses. David stieg gefolgt von Nik aus dem Wagen.
„Sie ist im Haus?“, Niks Stimme zitterte.
„Ja, folgen sie ihr.“
Gerade als Nikolas los laufen wollte, rief David. „Nik!“, er kam auf ihn zu, „alles wird gut.“ Sanft küsste er Nikolas auf den Mund. Verwirrt lief dieser über die Strasse und betrat das Haus.
Die Räume wirkten noch immer ebenso verlassen wie eh und je. Nik ging langsam und vorsichtig die Treppen nach oben.
„Winona?“, rief er, doch es kam keine Antwort.
Als er endlich die zweite Etage erreichte, stand am Ende des Korridors Winona. Ein Messer lag vor ihrer Kehle, das von einem grossen Mann gehalten wurde, der sie von hinten umschlang. Es war ein muskulöser Mann. Mit einem kantigen Kopf und einem faltigen Gesicht. Sein dünner Mund lag ganz nahe an Winonas rechtem Ohr.
„Sie sind Milosch.“, flüsterte Nik, der sich langsam den Beiden näherte.
Winona zitterte am ganzen Körper und ihr Blick richtete sich starr auf Nikolas. Sie sagte kein Wort. Milosch blieb ebenfalls stumm.
„Bitte lassen sie sie gehen.“, seine Stimme klang heiser, seine Schritte wurden immer kleiner.
„Winona, bist du unverletzt?“, sie antwortete nicht und Nik blieb stehen. Er war nur knapp drei Meter von den Beiden entfernt. Wie erstarrt standen sie noch immer in der selben Stellung.
„Was wollen sie?“, sagte er zu Milosch.
Dieser antwortete mit tiefer, hohler Stimme: „Ich will aufwachen.“ Er riss den Kopf von Winona an den Haaren nach hinten und durchschnitt ihre Kehle. Schreiend sprang Nik auf ihn und sie brachen durch die Tür, welche hinter ihnen war und stürzten Treppen hinab in eine tiefe Finsternis.
Es vergingen einige Minuten bis langsam und gequält Nik aus dem Kellerschacht zurück nach oben gestiegen kam. Vor ihm lag Winona, unter ihr eine tiefe Blutlache. Nikolas strich sich mit der Hand übers Gesicht und spürte, dass auch er im Gesicht verletzt war. Benommen und von Übelkeit gequält ging er durch den Korridor, bis er zur Toilette kam, er öffnete die Tür und trat ans Waschbecken heran. Er liess das Wasser laufen und hielt seinen Kopf darunter. Er drehte den Hahn ab und blickte in den Spiegel.
„NEIN, NEIN, NEIN“, schrie er, torkelte nach hinten und knallte in die Blut getränkte Wanne.
„NEIN, NEIN“, das Blut füllte seinen Mund und seine Nase........
Wieviel Zeit war vergangen, fragte er sich, als er auf dem Bett aufwachte. Er riss die Schläuche von sich, befreite sich von den Drähten und stand auf. Er nahm nichts um sich herum war. Bis auf das Bett neben ihm. Er trat heran und erkannte das Gesicht Winonas unter all den Schläuchen und Drähten versteckt.
„Du lebst.“, flüsterte er erleichtert. Als plötzlich zwei kräftige, junge Männer ihn von hinten griffen. Erschrocken drehte sich Nik zu ihnen.
„Was?“
„Ruhig.“, antwortete der eine. „Es ist alles in Ordnung. Kommen sie.“
Sie führten Nik hinaus und brachten ihn in ein Büro, wo er sich auf einen der Stühle gegenüber des Schreibtisches hinsetzen sollte und warten musste. Es dauerte eine Weile bis ein gross gewachsener gutaussehender, älterer Arzt ins Büro trat und hinter dem Schreibtisch Platz nahm. Die beiden Männer von vorhin sassen ganz hinten im Raum und beobachteten das Schauspiel.
Lächelnd blickte der Arzt auf Nik und dann wieder auf die Akten vor sich auf dem Schreibtisch.
„Schlussendlich wandte er sich an Nikolas und meinte: „An was können sie sich noch erinnern.“
Nikolas kratzte sich die Stirn, dachte einen Moment nach und versuchte dann zu erklären.
„Es ist alles so verschwommen und verrückt. Meine Freundin hatte diese Alpträume von dem Typen, der seine ganze Familie niedergemetzelt hat. Milosch, Milosch Johann. Sie kam in die Klinik, weil wir dachten, sie sei krank. Doch dann bekam auch ich diese Alpträume. Fand das Tagebuch Milsoschs und. .“ Niks Stimme war hastig und aufgeregt. „Er lebte haben wir erfahren, das wussten wir nicht. Na ja und in dem Haus in dem sie uns gefunden haben, traf ich auf Milosch, der meine Freundin mit einem Messer bedrohte. Übrigens sein Sohn wusste es, er hat mich dorthin gebracht.“, Niks Stimme war so hastig, dass sie sich überschlug und kaum noch zu verstehen war, was er sagte. Lächelnd beobachtete ihn der Arzt.
„Dann hat er sie getötet, nun ich dachte, sie sei tot. Wir kämpften und fielen die Treppen zum Keller hinunter. Ich kam wieder zu Bewusstsein und Milosch lag neben mir. Ist er tot, er ist doch tot?“
Der Arzt sagte sanft: „Reden sie erst weiter, wir werden nachher ihnen antworten.“
„Na gut. Also ging ich hoch. Da lag Winona, ich dachte, sie sei auch tot.“
„Winona?“, fragte der Arzt plötzlich.
„Ja, meine Freundin. Sie liegt drüben. Direkt neben meinem Bett, sie hat überlebt.“, er lächelte verwirrt und plötzlich meinte einer der Männer von hinten: „Es gibt doch diese Hollywoodschauspielerin, diese Winona hm“
„Ryder.“, fuhr der zweite Mann fort.
Der Arzt notierte alles gründlich und fragte dann Nik: „kennen sie die Schauspielerin Winona Ryder?“
„Was? Was soll das? Hier geht es um Mord, um.... Was reden sie da? Was?“
„Ok, das reicht.“, meinte der Arzt und stand auf. „Bringt ihn zurück.“ Er hielt einen Moment inne und meinte noch zu Nik:
„Vielen Dank. Meine Assistentin wird sich nun um sie kümmern, Mr. Johann.“
Nik spürte wie sein Körper erstarrte. Plötzlich rissen ihn die beiden Männer rauh auf.
„Nein, ich bin Nikolas Bierb. Bi., ich bin Nik J. Jo,, ich bin Schriftsteller. Was reden sie da, ich bin nicht Milosch.“, er schrie und versuchte sich gegen die beiden Männer zu wehren, die ihn zu seinem Bett zurück schleppten. Erst jetzt sah er. Dass es eine riesige Halle war. Es mussten hunderte von Bettern sein, auf denen Menschen numeriert lagen und sie alle waren durch Schläuche und Drähte mit riesigen Computern verbunden.
Die beiden Männer drückten ihn auf das Bett und fixierten ihn mit dicken Lederriemen. Nik war wie erstarrt, als die junge hübsche Frau zu ihm kam. Sie hatte eine Spritze in der Hand. Sie war wunderschön und lächelte Nik breit an.
„Ich bin Milosch.“, flüsterte er und die schöne Frau nickte sanft und strich ihm zärtlich über den nackten Unterarm.
„Keine Angst,“, ihre Stimme, war weich und liebevoll. „Sie werden gleich schlafen.“ Sie setzte die Spritze an.
„Ich will nicht schlafen.“, meinte er plötzlich. „Bitte, schicken sie mich nicht zurück. Bitte, ich will nicht schlafen.“
Sie zog die Spritze hinaus und verliess Miloschs Bett.
Er hielt krampfhaft seine Augen offen.
„Ich werde nicht schlafen. Ich bleibe wach...“, sagte er immer wieder zu sich selbst.
„Ich werde nicht schlafen.“- „WUAHHHHHHHHHHHHH“, erschrocken öffnete sie ihre Augen.
„ihr Strolche!“, rief sie den beiden Jungs zu, die sie geweckt hatten. Müde rieb sie sich die Augen und ging mit den Beiden in die Küche.
„Mami, ich bin krank, ich sollte nicht zur Schule.“, meinte Michi plötzlich. Sie sah ihn lächelnd an.
„Ach ja, dann sollten wir sofort zum Doktor. Der muss dir ein paar Spritzen geben.“
Entsetzt sah sie ihr Jüngster an.
„Nein, „ stotterte er. „Mir, mir geht es schon viel besser.“ sofort rannte er in sein Zimmer.
Amüsiert setzte sie sich an den gedeckten Tisch, das Radio rauschte vor sich hin.
„Wo ist dein Vater?“, fragte sie Julian, der sich gerade ein Schokoladenbrot in den Mund schob.
„Der war wütend und sagte, wir täten ihn nerven und ist früher arbeiten gegangen.“, antwortete er seiner Mutter kauend.
„Was hat er nur“, dachte sie, „warum ist er letzter Zeit immer so gereizt?“
Der Empfang des Radios auf dem Esstisch wurde besser, die Stimmen langsam verständlich: „Er leidet, das ist das Ziel. Der Täter soll diese Qualen leiden, die seine Opfer gelitten haben. Immer und immer wieder.
Es ist eine äusserst humane Form des Strafvollzuges, es wird keine Gewalt angewendet. Es gibt keine Misshandlungen Im Gegenteil gesundheitlich, wird der Täter bei bester Form gehalten. Ich denke, dass es in Zukunft keine bessere Form des Vollzugs geben wird.........