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Thema des Monats Der Weihnachtswunsch

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26.07.2008
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Der Weihnachtswunsch

„Mir ist so langweilig“, dachte die kleine Lokomotive und drehte wie üblich ihre Runden über die Holz-Acht. Immer am Erbsensteiner Bahnhof vorbei, über die Brücke, hinab ins Igeltal und unter der Brücke hindurch zum Erbsensteiner Bahnhof zurück – tagein, tagaus. Die einzige Abwechslung, die sich der Spielzeuglok bot, war die ständig wechselnde Auslage des Spielwarenladens und die Menschen, die ins Schaufenster sahen. Die sprechenden Babypuppen und ferngesteuerten Autos verließen immer ganz schnell das Geschäft, aber die Holzlok und ihre drei Waggons wollte niemand haben. Das machte die kleine Eisenbahn sehr traurig und so träumte sie nachts, wenn im Laden alles still war, davon, einmal etwas Besonderes zu erleben.
Eines Tages stellten die Spielsachen im Schaufenster fest, dass auf dem Platz vor dem Geschäft plötzlich Buden aufgestellt und Lichterketten aufgehängt wurden. Es waren auf einmal viele Menschen in der Stadt unterwegs und die Kinder drückten sich noch öfter als sonst die Nase am Schaufenster platt.
„Ja, ja, es naht Weihnachten“, brummte das dicke Märchenbuch aus der hintersten Ecke.
„Was ist denn Weihnachten?“, wollte die Holzeisenbahn wissen, aber das Märchenbuch antwortete nicht.
So drehte die Spielzeuglokomotive weiter ihre Runden auf der Acht und grübelte darüber nach, warum Weihnachten wohl so etwas Besonderes sei.
In der Nacht, als das Schaufenster nur noch von einem einzelnen Weihnachtsstern beleuchtet wurde, wandte sich die kleine Lok flüsternd an das Märchenbuch: „Du? Was ist Weihnachten?“
Müde klappte das dicke Buch seinen Deckel auf und murmelte im Halbschlaf: „An Weihnachten kommt das Christkind und beschenkt die Menschen!“
Die Eisenbahn wollte noch etwas fragen, aber das Buch hatte den Deckel schon wieder zu geklappt und schnarchte leise von sich hin. Die Lok überlegte noch, wer wohl das Christkind sei, als sich mit einem leisen Pling die Spieluhr vom Regal meldete.
„Hallo, kleine Lok, ich habe mal gehört, dass das, was man sich am Heiligen Abend wünscht, in Erfüllung geht. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt“, wisperte die Spieluhr und drehte der Spielzeugeisenbahn mit einem dumpfen Plong den Rücken zu.
Die kleine Holzlok fieberte aufgeregt dem heiligen Abend entgegen, denn sie wusste, was sie sich in dieser Nacht wünschen würde.
Als endlich der Weihnachtsabend da und die Hektik des Tages einer feierlichen Stimmung gewichen war, dachte die Spielzeuglok ganz fest an ihren Wunsch.
„Ich möchte das Christkind sehen!“, murmelte sie immer wieder leise vor sich hin und bemühte sich, wach zu bleiben, um auch ja nichts zu verpassen.
Spät am Abend, als die Menschen schon längst in der Christmette waren, nickte die kleine Eisenbahn ein. Sie erschrak sehr, als sie durch eine silbrig-helle Stimme geweckt wurde und wusste zuerst nicht, wo sie war. Dann erkannte die Lok, dass sie noch immer auf ihrer Holz-Acht im Schaufenster stand und draußen glitzernde Schneeflocken fielen. Vor dem Fenster stand ein Kind und sah herein. Die kleine Eisenbahn wunderte sich noch über das seltsame Kind, welches so spät und nur mit einem langen Gewand bekleidet unterwegs war, als das Kind zu sprechen begann: „Hallo kleine Holzlok, schön, dass ich wenigstens deinen Wunsch erfüllen kann!“
„Du…, du bist das Christkind?“, stammelte die kleine Lok überrascht.
Das Kind nickte.
„Toll, dass du die Menschen beschenkst!“, plapperte die Eisenbahn aufgeregt los, doch dann bemerkte sie, dass das Christkind sehr traurig aussah.
„Geht es dir nicht gut?“, fragte die Spielzeuglok besorgt.
Das Christkind wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Dieses Jahr gibt es keine Geschenke. Schneeflocke, mein Schimmel, hat einen Schnupfen und kann den Schlitten nicht ziehen.“
Plötzlich huschte ein Lächeln über das Gesicht des Kindes.
„Möchtest DU meinen Schlitten ziehen?“, fragte es die Holzeisenbahn.
„Aber ich kann doch nur auf Schienen fahren“, antwortete die kleine Lokomotive betrübt.
„Kein Problem!“
Das Christkind kramte zwischen den Falten seines Gewandes und holte ein Beutelchen hervor.
„Sternenstaub!“, bemerkte es augenzwinkernd und pustete eine dicke Wolke davon über die Holzlok.
Diese bekam einen Hustenanfall und als sich erholt hatte, stellte sie fest, dass sie ein ganz kleines bisschen über ihren Schienen schwebte.
Das ungewöhnliche Kind stieg ins Führerhaus und dann ging es erst einmal hinauf in den Himmel, um den Geschenkeschlitten zu holen. Danach verteilten sie gemeinsam die zahlreichen Päckchen. Die Spielzeugeisenbahn war stolz, dass sie so ein tolles Abenteuer erleben durfte, doch als sie im Morgengrauen wieder im Laden ankam, war sie völlig erschöpft. Ganz langsam fuhr sie in den Erbsensteiner Bahnhof und schlief direkt ein. Später erzählte sie dem Märchenbuch und der Spieluhr von der spannenden Reise mit dem Christkind, aber die glaubten der kleinen Holzlok nicht. So drehte die Eisenbahn weiter – tagein, tagaus – ihre Runden über die Holz-Acht. Nur hin und wieder sah man ein Körnchen Sternenstaub im Führerhaus funkeln.

 

Hallo Glückskäfer,

deine Weihnachtsgeschichte hat mir gut gefallen.
Ich kann mir schon vorstellen, dass es der Lok langweilig wurde, immer nur in einer Acht zu fahren. Da war das schon ein schönes Abenteuer mit dem Christkind.
Sehr gerne gelesen.
Viele Grüße
bambu

 

Hallo bambu,

vielen Dank für dein Lob, hat mich sehr gefreut.
Und diesmal gabs ja auch keine Rute für Wiederholungen. :D

Schöne Grüße
Glückskäfer

 

Hallo Glückskäfer,

na, da siehst du mal, dass man hier auf kg.de immer etwas dazulernen kann. ;)

Viele Grüße
bambu

 

Hallo bambu,

deswegen schreibe ich ja auch hier, um zu lernen.
Auch wenn die Kritik hier manchmal schon frustrierend ist.
Aber ich nehme es mir zu Herzen und versuche, daran zu arbeiten.
Und es trägt ja auch Früchte!

Grüßkes vom
Käfer

 

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