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Der weiße Raum oder Das Ludwiczak-Syndrom

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15.09.2002
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Der weiße Raum oder Das Ludwiczak-Syndrom

Der weiße Raum

- I -


Vorsicht!

Sie sind gerade dabei den weißen Raum zu betreten.

Ich bin dazu verpflichtet Sie darauf hin zu weisen, denn wohl möglich haben Sie keine Ahnung worauf Sie sich da einlassen.

Noch haben Sie die Möglichkeit sich wieder um zu drehen, einen Schritt zurück zu gehen und Ihr bisheriges Leben einfach fort zu führen. So werden Sie sich in Sicherheit wiegen, in Ihren gewohnten und geregelten Bahnen weiter leben können und sich keine Gedanken darüber machen müssen ob das Leben, welches Sie führen, nicht einfach eine kleine wunderbare Illusion ist, die Ihnen Ihr geniales menschliches Gehirn vorsetzt. Und da es sich auch bei Ihnen nur um ein menschliches Individuum handelt, werden Sie diese hübsche kleine Trugwelt doch nicht verlassen wollen.
Was für ein Unheil könnte Sie schließlich dort draußen hinter Ihren großen Mauern erwarten?

Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einer wunderschönen großen Villa am Waldesrand. Lassen Sie uns dieses kleine Paradies betrachten, in welchem Sie dort leben.
Ein steinernder Weg führt von der sonnigen Terrasse hinein in Ihren liebevoll angelegten Garten und schlängelt sich an den großen alten Bäumen entlang, auf denen zahlreiche Vögel sitzen und ihr Lied trällern. Kunterbunten Wiesen begegnet unser Blick, da überall auf Ihrem Grundstück die verschiedensten und schönsten Blumen sprießen. Neben den gepflegten Rosenbeeten wachsen wild auf den Wiesen auch Korn- und Mohnblumen, Butterblumen, Gänseblümchen. Wir hören das Summen der Bienen, die fleißig den allersüßesten Nektar für ihren Honig sammeln. Das Laub raschelt und ein Igel fällt in unseren Blick. Der Weg führt uns weiter durch einen Rosengang, vor uns liegt ein herrlicher Springbrunnen, um den mehrere weiße Parkbänke angeordnet sind. Etwas weiter hinten stoßen wir auf den von Ihnen heiß geliebten Lagerfeuerplatz, an dem man Abends zusammen sitzt, Wein trinkt und Lieder zur Gitarrenmusik singt und sich Geschichten erzählt. Eichhörnchen, Schafe und Rehe kreuzen unseren Weg, der uns weiter leitet zu einem kleinen erfrischenden Füße – kühlenden Bach, der plätschernd in den Teich übergeht, in dem sich Ihre unzähligen in allen Farben schimmernden Goldfischen und Karpfen tummeln. Der Duft des Kräutergartens regt den Appetit an, Petersilie, Dill, Schnittlauch, Basilikum, Thymian.
Der Weg endet auf einer kleinen Anhöhe, von welcher aus man einen weitläufigen Überblick über das Anwesen gewinnt. Es strahlt uns das freundlich gelbe Gebäude entgegen, daß fast ein bißchen aussieht, wie eine Eierlikörtorte mit seinen weißen Säulen an der Front.
Eine hübsch geschnittene Hecke schirmt das Grundstück zur Außenwelt hin ab.
Auf das Grundstück gelangen tatsächlich nur diejenigen Menschen die dort auch willkommen sind. Keinem Bösewicht wird es jemals gelingen auf dieses Grundstück zu gelangen.

Jaja, das klingt ein wenig unwahrscheinlich, aber dies soll eben auch nur eine Vorstellung sein, damit ich Ihnen erklären kann, worum es hier geht. Also machen Sie entweder mit und versuchen mir zu folgen oder Sie lassen es eben sein und erklären mich für verrückt und sich können Sie dann sagen wie normal Sie sind.

Soso.
Sie sind also doch noch hier. Wunderbar, bei Ihnen handelt es sich also um einen interessierten normalen Menschen, der nicht ignorant ist. Wir können jetzt also fort fahren? Dankeschön.

Dort auf Ihrem Grundstück leben alle Ihre Freunde und Verwandten mit Ihnen. Sie besitzen alles, was Sie eben so brauchen und mögen. Sie betreiben Eigenproduktion und einige Dinge läßt man sich von der Außenwelt zur Villa bringen.

Sicherlich ein bequemes Leben. Eine Art Schlaraffenland. Weshalb sollten Sie daher hinter die große Hecke schauen?

Dahinter befindet sich wie gesagt ein Wald - und wer weiß schon, welch böses Ungeheuer sich in diesem herum treibt?
Besser Sie denken gar nicht darüber nach, denn Sie müssen sich ja nicht von Ihrem Grundstück ent-fernen, da Sie schließlich alles dort haben, was Sie für ein zufriedenes Leben, wie Sie es kennen, brauchen.

Also können wir den Gedanken an das böse Ungeheuer lieber ganz schnell in die hinterste Schublade unseres Gehirns verfrachten, diese dann abschließen, und zu guter letzt verdrängen wir die Tatsache, das sie überhaupt existiert..
Gratuliere!!!

Aber es ist immerhin auch sehr menschlich neugierig zu sein, nicht wahr? Denn wer kann schon mit Bestimmtheit sagen, daß es sich unbedingt um etwas Böses handelt, was Sie erblicken könnten, wenn Sie sich nur einmal trauen würden hinter die Fassade Ihrer selbst erbauten Welt zu blicken? Könnte es sich nicht vielleicht auch um etwas Großartiges handeln, dessen Sie sich gerade versperren? Etwas wunderschönes, daß Sie verpassen, nur weil Sie nicht einmal rechts oder links Ihres Weges schauen?

Stellen Sie sich vor, Sie haben soeben entschlossen spazieren zu gehen. Das ist sehr schön für Sie. Sie laufen also los.

Und dann? Schauen Sie nur stur auf den Weg der da vor Ihnen liegt?
Das ist schade. Um nicht zu sagen, das ist sehr schade! Denn was können Sie dann schon erblicken, außer ein paar grauen Kieselsteinen und ein paar Gewächsen die man mißachtungsvoll betrachtet und sich über sie (oder die Menschen, die es wieder einmal versäumt haben sie zu entfernen) ärgert.
Nein, nein, verstehen Sie mich nicht falsch. Auch die Kieselsteine und das Kraut (ich möchte mich nicht dazu herablassen, es als Unkraut zu bezeichnen, denn sicherlich hat es einen guten Sinn und Zweck, daß es eben auch dieses Kraut gibt), sind es wert angesehen zu werden. Doch während eines Spazierganges nur diese zu betrachten, ist nun wirklich sehr eintönig.

Ach so, Sie sagen, sie nutzen den Spaziergang zum Nachdenken. Auch gut. Dann könnten Sie ebenso in Ihrem Wohnzimmer sitzen bleiben und die Wand betrachten, meinen Sie nicht? Ihr Gehirn bekäme wahrscheinlich fast genauso viele Informationen und Eindrücke gesendet, als ob Sie während des Spazierengehens nur Ihren Gedanken und den Kieselsteinen nachhingen.

Und obwohl Sie fleißig damit beschäftigt sind, nach zu denken, fällt Ihnen plötzlich auf, wie fad Ihnen dieser Weg erscheint. Fangen Sie jetzt bloß nicht an die Steine zu zählen, das könnte den gleichen Effekt haben wie „Schäfchen zählen“ und Sie wollen doch nicht einschlafen, da Sie doch gerade nachdenken wollten während Ihres Spaziergangs!

Auf den Gedanken, einfach mal den Kopf zu heben und eine erstaunliche Entdeckung zu machen, kommen Sie vor lauter Grübeleien über Ihre ach so schwerwiegenden Alltagssorgen vermutlich gar nicht.
Und selbst wenn Sie aufschauten. Würden Sie eine solche Entdeckung überhaupt machen:

Ist Ihnen eigentlich mal aufgefallen was man alles gar nicht mehr beachtet? Wann haben Sie sich das letzte Mal die Zeit genommen, sich über die Kleinen Dinge dieser Welt zu wundern und zu freuen?
Ist Ihnen im Frühling aufgefallen, wann die Bäume zu sprießen begannen?
Ich rede dabei nicht von diesem Aha – Effekt mit dem man mit einem Mal morgens aufwacht und feststellt, daß die Bäume plötzlich grün sind und man sich fragt wo eigentlich die Zeit bleibt...(Sie rennt Ihnen öfters einfach so davon und Sie können mit Ihr nicht einhalten, nicht wahr?) Es geht hier darum, ob Sie bemerken, das die Knospen größer und größer werden, sich langsam öffnen, kleine grüne Blätter zeigen, die man kaum wahrnimmt und schließlich wachsen und wachsen.
Nehmen Sie sich die Zeit dazu mal einen Schmetterling zu betrachten wie er fast schwerelos durch die Lüfte gleitet, oder zu sehen wie der Wind die Grashalme zum Tanzen bringt?
Wann haben Sie sich zum letzten Mal Fragen der Art gestellt wie „Was passiert mit einem Mohrenkopf in der Mikrowelle“.
Natürlich wissen Sie was passiert, dies soll kein persönlicher Angriff an Ihre Intelligenz sein, aber hinterfragen Sie noch die Kleinsten Dinge der Welt? Oder nehmen Sie alles schon so hin, weil Sie für die meisten Dinge im Laufe Ihres Lebens die Erklärungen gelernt haben?
Haben Sie im Laufe Ihres Erwachsenen Daseins einen Stein aufgehoben und sich gefreut wie schön er aussah, fast wie verzaubert?
Können Sie sich über die bunten Blätter im Herbst freuen oder ärgern Sie sich dann nur, weil nun wieder die Zeit schlechten Wetters angesagt ist? Bekommen Sie durch schlechtes Wetter einfach nur Depressionen oder laufen Sie auch mal gerne durch den Regen?
Können Sie sich noch wie ein kleines Kind über diese ganzen Kleinigkeiten freuen, oder haben Sie das schon verlernt?

Sie haben es nicht verlernt, sondern haben für so nichtige Dinge einfach gar keine Zeit?
Damit liegen Sie vermutlich aber sehr falsch. Sie haben vielleicht nur den Blick dafür verloren.
Ach, Sie denken den Blick für das Wesentliche zu besitzen?
Meinen Sie das wirklich?
Ich wage es zu bezweifeln.


Ach, und überhaupt, was heißt schon neugierig sein? Denn im Endeffekt sind wir uns doch alle sicher, daß wir uns nichts vormachen. Wir leben schließlich in der nüchternen Wirklichkeit. Die Generation der Realisten, die für alles und jeden eine Erklärung kennen.
Illusionen können nicht einmal mehr diese großen Persönlichkeiten wie Copperfield in uns hervor rufen. Denn während der ganzen unglaublichen Vorstellung, die uns dort präsentiert wird, rufen wir uns fort während ins Gedächtnis, daß das ja alles nur Tricks sind, die wir dort geboten bekommen.
Tja, ist das nicht phantastisch, daß wir uns eben nicht täuschen lassen und immer ganz schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen landen?

Sehen Sie, ich hatte Recht. Sie haben keine Ahnung , worauf Sie sich einlassen würden, wenn Sie den weißen Raum betreten würden.

Bei Ihnen gibt es zwei Möglichkeiten: Mit Ihrer Einstellung werden Sie es nicht für nötig halten, den weißen Raum zu betreten, denn Sie „wissen“ ja bereits jetzt schon, daß das alles nur Unfug ist. Früher oder später, da bin ich mir aber sicher, werden Sie doch neugierig genug sein, um einmal – nur ganz kurz - nachschauen zu wollen. Sie werden den Drang haben, mir beweisen zu wollen, was ich eigentlich für ein naiver Spinner bin und werden überzeugt davon sein, mir ein plausible Erklärung für das, was dort drinnen passiert, liefern zu können.
Und es ist schließlich ein schönes Gefühl heutzutage noch einer derjenigen Menschen zu sein, die eines der wenig übrig gebliebenen Geheimnisse gelüftet zu haben.

Ihre Kinder und Kindeskinder werden im Schulunterricht von Ihrem Abenteuer zu hören bekommen, sie werden die Münder vor Staunen nicht mehr schließen können: es wird zur Allgemeinbildung gehören, Ihre Erklärung für das Becker-, Meier-, Müller-, Schulz-, Schröder-, Schneider- oder eben für das Ludwiczak – Syndrom des weißen Raumes zu kennen. Was weiß denn ich, wie Sie dieses Phänomen benennen wollen, wenn Sie es erst einmal aufgeklärt haben?

Verzeihen Sie mir, wenn ich dem Syndrom nun also eigenhändig einen Namen verpassen werde. Doch vorläufig, bis Sie mir Ihre Theorie zu dem „Problem“ dargelegt haben und die ganze Welt den Namen kennt, den Sie ihr verpassen werden, müssen wir einen gemeinsamen Nenner finden. Ein Vokabular, um miteinander kommunizieren zu können. Ich kann ja schlecht ständig nur von dem „Ding“ reden.
Bis Sie mich also eines Besseren belehren, werde ich hier einfach von dem Ludwiczak – Syndrom reden. Wenn Sie nichts dagegen haben.

Ob Sie aber Ihrer Neugierde nachgeben oder ihr als vernünftiger Mensch standhalten (weil Sie es ja eigentlich doch besser wissen), ist allerdings fraglich.

Spekulationen über Spekulationen. Etwas, was die heutige Generation auch sehr gerne betreibt, sei es in dem einen oder in dem anderen Sinne. Nicht wahr?

Sind Sie sich nun endlich im Klaren darüber, ob Sie den weißen Raum betreten wollen oder nicht? Ich rede mir sonst ja noch den Mund fusselig.
Da könnte ja jeder daher kommen...Schauen Sie mal hinter sich, da stehen noch mehr Leute hinter Ihnen in der Reihe.

Vielleicht sollte ich mir angewöhnen, Massenauf-klärung zu betreiben.
Aber wohl möglich fühlen die Menschen sich dann auch noch durch die so induzierte Gemeinschaft gestärkt. Zwangsläufig würde sich in dieser Mehrheit der Drang entwickeln, mir gegenüber Überlegenheit beweisen zu wollen.
So würde ich alle diese Menschen auf eine falsche Fährte locken, denn gestärkt durch ihren ausgeprägten Gemeinschaftssinn, werden Sie nicht verstehen können und wollen, daß Sie hinter der Schwelle zum weißen Raum ganz allein auf sich gestellt sein werden. Sie werden für einen kurzen Moment so einsam sein wie nie zuvor in Ihrem Leben. Doch mit der falschen Einstellung könnte dieser Moment ihnen wie eine Ewigkeit erscheinen und sie könnten daran zerbrechen.
Und glauben Sie mir, der Gemeinschaftsgeist der mir durch eine aufgebrachte Menge zuvor zugerufen hätte "Wir werden es Dir schon beweisen“ wird diese Menschen ganz schnell verlassen, wenn Sie nicht mehr durch die Extase und den Enthusiasmus der Menge mitgeschliffen würden und sich dadurch gestärkt fühlten.

Folglich werde ich also nicht darum herum kommen, jedem einzelnen von ihnen wieder das gleiche Lied zu singen. Denn die Menschen, die es überhaupt bis hierhin geschafft haben (wobei sicherlich gerade Mal die Hälfte von Ihnen bewußt Ihren Weg hier her gesucht haben) sollen schließlich nicht gleich allesamt in Ihr Verderben geschickt werden.
Vielmehr sollen sie selber über Verderben oder ein paradiesisches Leben entscheiden.

Sollten Sie von hier aus weiter gehen, wünsche ich Ihnen viel – ja was eigentlich? Glück können Sie im weißen Raum vergessen. Dort herrschen andere Gesetzesmäßigkeiten.
Erfolg -, wieso sollte ich Ihnen Erfolg wünschen, da Sie sich Ihrer doch so sicher sind, daß Sie in ein, zwei Stunden hier heraus spaziert kommen werden, mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht, daß mir sagen soll „Sehen Sie, ich wußte ja, daß es eine ganz einfache Erklärung geben wird!“ Für dieses Phänomen, eben das Ludwizcak – Syndrom gibt es aber keine einfache Erklärung.
Nein. Das, was ich Ihnen wünsche ist Selbstvertrauen und die Kraft mit einer völlig unbekannten Situation wie dieser klar zu kommen, ohne daran zu zerbrechen. Hierzu wünsche ich Ihnen, daß Sie sich nicht vor sich selber verschließen werden. Das wäre der fatalste Fehler Ihres Lebens - das dürfen Sie mir glauben - auch wenn Sie mich für einen naiven Spinner halten, den Sie belehren wollen.

- II -

Schau an, schau an.
Sie sind tatsächlich noch hier. Liege ich richtig in der Annahme, daß Sie sich entschlossen haben, den Weißen Raum zu betreten? Sie wollen tatsächlich dem Ludwiczak – Syndrom gegenüber treten?
Respekt. Das wagen nicht viele.

Sagen Sie mir aber hinterher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!

Und sollten wir uns nicht wieder sehen, nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich mich wie ein kleines Kind freue, getrost den Triumph in der Hand halten werde und Ihnen zufrieden und glücklich lachend hinterher rufe, „ Da sehen Sie ´ s!“
Denn ich wußte schon vorher, das es sich nicht um Humbug handelt.
Aber mir will ja niemand glauben.

Hochachtung schenke ich Ihnen so oder so. Denn immerhin versuchen Sie wenigstens das zu erkennen, was die meisten Menschen irgendwie ihr ganzes Leben erfolgreich verdrängen. Wie sie es schaffen ist mir zwar ein Rätsel - . Aber das ist wohl ein anderes Thema.

Gehen Sie nun also den Pfad entlang bis zu der großen Tür dort vorne. Sie können sie gar nicht verfehlen, Schauen Sie, schon von hier aus sieht man das strahlende Licht durch die Tür hindurch scheinen. Sie werden dann in den Weißen Raum eintreten.
Ich bitte Sie, die Tür offen zu lassen, denn
Sie wird sich automatisch schließen, wenn Sie bereit für Ihr Abenteuer sind.
Am Besten gehen Sie in die Mitte des Raumes und schauen Sie sich dann erst einmal um: es ist ein großer quadratischer Raum in dem Sie sich dann befinden werden und er wird leer sein. Sie werden nichts außer den strahlend weißen Wänden sehen, vermutlich werden Sie sich fragen ob es sich um eine Art Aprilscherz handelt.
Doch Ihr Abenteuer wird nicht lange auf sich warten lassen, Sie werden nicht danach suchen müssen. Es wird wahrscheinlich schneller vor Ihnen stehen als Ihnen hinterher recht ist.
Alles weitere müssen Sie dann mit sich selber aus machen.

Lassen Sie alles in Ruhe auf sich zu kommen.

Haben Sie keine Angst, was immer Sie erleben werden.

Versuchen Sie nicht, sich gegen das zu wehren, was geschehen wird.

Verschließen Sie sich nicht vor sich selber.

Beharren Sie nicht auf Ihrem Verstand und der Wirklichkeit, die Sie zu kennen meinen.

Lassen Sie alle Gedanken und Emotionen zu.

Mehr Ratschläge kann auch ich Ihnen nicht mit auf den Weg geben.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise in Ihr eigenes Ich.

- III -

Merkwürdiger alter Mann!
Aber ihn als sonderbar und mich als normal zu bezeichnen, würde mir im Traum nicht einfallen. Schließlich habe ich vor langer Zeit mit mir ausgemacht, daß ich wohl ein wenig merkwürdig sein mußte, denn immerhin konnte kaum die ganze Welt - abgesehen von mir - „komisch“ sein. Es gibt so viele Dinge, so viele Handlungen die ich weder verstehen noch nachvollziehen kann. Doch anscheinend ist der Rest der Bevölkerung sich in diesen Dingen einig. Folglich muß ich diejenige sein, die „anders“ ist.
Eher als verwirrt würde ich ihn bezeichnen. Wobei hier wiederum ich die Verwirrte bin, denn ich habe wirklich keine Ahnung was dieser Mensch versucht hat mir zu sagen!

Außerdem beschäftigt mich etwas anderes vielmehr, als darüber nachzudenken wer hier der Normale ist. Denn seit dieser Mann mich aus meinen Gedanken gerissen hat ist mir aufgefallen, daß ich mich an einem Ort befinde, von dem ich leider noch nicht einmal weiß, wie ich dorthin geraten bin!
Vor ein paar Tagen bin ich los marschiert, einfach so. Daran kann ich mich wohl noch erinnern. Tatsächlich hatte der Alte vorhin Recht, als er von diesem komischen Spaziergang faselte: Denn als ich so lief, dachte ich nach. Über die Verrücktesten Dinge; so zu sagen über Gott und die Welt; über mich; über das was in letzter Zeit – ach was rede ich, über das was überhaupt alles geschehen ist. Während ich so nachdachte und grübelte, ist anscheinend wirklich alles andere an mir vorbei gegangen, denn wie gesagt, ich habe keine Ahnung wie ich überhaupt hier her gekommen bin.
Völlig in Gedanken versunken war ich wohl.

Als der Alte dann vorhin laut Hals „Vorsicht!“ schrie –, weil ich ihn fast umgerannt hätte (der stand halt einfach plötzlich da im Weg, ich hab ihn wirklich nicht gesehen!), da hab ich doch fast einen Herzinfarkt bekommen!
Mensch ehrlich! Ist ja verständlich das so einer ein Mitteilungsbedürfnis hat, denn wenn ich mich hier mal umschaue; – hier ist nichts! Rein gar nichts. Aber muß der mich gleich so unsanft aus meinen Gedanken heraus brüllen? Ich hätte mich sicherlich auch so auf ein Kaffee – Pläuschchen eingelassen.

Na hoppala! Da bleibt mir doch fast der Mund offen stehen: So was gibt es doch gar nicht! Hier ist wirklich NICHTS!!!
Schau sich das jemand mal an: Ich laufe eine Weg entlang, der mit rotem Sand angelegt ist und durch weiße Steine begrenzt wird. Sieht eigentlich ganz hübsch aus.

Ah, weiße Steine, hm? Na, da war einer ja ganz clever – „die weißen Steine führen zu dem Weißen Raum“. Um was auch immer es sich dabei handeln mag.
Doch, psychologisch echt nicht unkorrekt. Ob das allerdings alle Menschen kapieren würden? Wow, immer hin hab ich es geschnallt!
Okay. Es ist ja fraglich, ob der Mensch, der diesen Mist hier fabriziert hat, tatsächlich überhaupt so eine versteckte Intention hatte. Vermutlich nicht. Wahrscheinlich kombiniere ich mal wieder viel zu viel. Schon in der Schule habe ich zuviel interpretiert; so jedenfalls meinten die Lehrer, nicht ich.
Dabei fand ich das immer alles sehr plausibel und konnte auch alles belegen was ich da so heraus fand. An den Aufsätzen standen dann immer Bemerkungen wie „Guter Gedanke, geht hier aber zu weit“. Und warum ging es zu weit? Weil ein Schüler so weit nicht denken durfte? Oder weil die Lehrer keine Lust auf zusätzliche Arbeit hatten, weil diese Interpretationen vom Lehrplan abwichen?
So hatten wir einmal in einer Musik – Klausur auf dem Gymnasium meiner kleinen idyllischen Heimatstadt, die Melodie als auch den Text eines Liedes zu interpretieren. Der Text erzählte von einem Mann, der einen Pakt mit dem Teufel schließen soll. Der Teufel bietet diesem Mann Wein an, um ihn so leichter zu der Unterschrift seines Vertrages zu bewegen.
Und so weiter und so fort. Nachdem ich die übliche Interpretation (– der dramatische Teil der Melodie blablabla – ) vollendet hatte, widmete ich mich der fortgehenden Interpretation des Textes. Schließlich wird Wein, d.h. Alkohol oft als Fluchtmittel benutzt, um Sorgen und Probleme zu verdrängen. Dies konnte man meiner Meinung nach eindeutig auf den Teufel beziehen, denn auch er bot dem Mann scheinbare Hilfe aus seinen Problemen an, wenn er doch nur seine Seele verkaufen würde. Ich war also der festen Überzeugung, man könne hier nun Teufel und Wein miteinander vergleichen, denn zwar hat man durch die Flucht in den Alkohol als auch durch den Pakt mit dem Teufel vielleicht zunächst die Chance seine Sorgen zu vergessen, doch letzten Endes kommen noch mehr Probleme auf einen zu als vorher.
Der Schein trügt in beiden Fällen, obwohl einem Menschen, der Klar und bei Verstand ist bewußt sein sollte, daß es sich um Selbstbetrug handelt. Einleuchtend oder was? Und eine Textinterpretation. Aber anscheinend nicht geeignet für das 11 Schuljahr.

Ach, was ärgere ich mich überhaupt.

Aber mal abgesehen von dem roten Sand mit den weißen Steinen, scheint hier die Welt einfach zu Ende zu sein. Denn rechts und links von diesem Weg ist nichts. Da ist nur eine tiefe schwarze Leere.
Meine Güte, mal ganz ehrlich! Wie bin ich bloß in diese Gegend geraten? Wie lange wohne ich schon hier? Und dieser Teil der Landschaft hat es tatsächlich geschafft sich die ganze Zeit über zu verstecken? Ich war der Ansicht, alles erkundet zu haben – alles zu kennen. Vielleicht ist das ja so eine Art Top – Secret -Armee – Gelände und die haben mich bloß noch nicht entdeckt. Und der weiße Raum ist bloß ein Deckname für das neueste und geheimste Spezialprojekt in einem special secret Labor.
Und der Alte von vorhin ist nur dafür da - und ich habe durch Zufall den richtigen Geheimcode verwendet, den man für den Zugang in das Labor benötigt.
Oh baby, welch blühende Phantasie.

Ob das wohl schwarzer Boden ist, oder ob es da einen Abgrund hinunter geht? Hm, soll ich wirklich mal nachschauen? Und was ist, wenn ich mit einem Mal herunter falle? Ach, was. Ich kann ja mal mit einem Finger-;
Na, wer sagt es denn!!! Natürlich ist das Boden! Anscheinend so eine Art Lavasand wie er auch auf Lanzarotes Stränden zu finden ist.
Wie bescheuert mußte man auch sein zu denken, hier würde beiderseits ein Abgrund herunter führen?
Und wahrscheinlich ist unten das brodelnde Fegefeuer,

...Sicherlich, alles klar, wie verwirrt sind wir eigentlich?

Aha! Ich hab´s !! Ich bin eingeschlafen und dies hier ist einer dieser Psycho – Träume, die, wenn man sie am nächsten Morgen deutet, einem sagen wollen, „Sie befinden sich in einer schwierigen Situation und müssen den Ausweg finden“.
Ach was, wie niedlich, dankeschön für den Hinweis. Wirklich.
Vielen Dank an mein Unterbewußtsein- , aber das hab ich auch schon vorher gewußt.
Also bitte. AUFWACHEN!!

AUA. Das tat weh. Auch das berühmte Zwicken in den Unterarm hilft also nichts. Gut, dann bin ich eben wach. Was soll´s. Ich wunder mich sowieso über nichts mehr. Nein, quasi überhaupt nicht...

Und wieso überhaupt krabbel ich jetzt eigentlich diesen dämlichen Berg hier hinauf?
Vielleicht hatte der Alte Recht und ich bin neugierig darauf zu erfahren, was denn sein ganzer Aufstand um diesen ominösen Weißen Raum zu bedeuteten hat. Vor allen Dingen möchte ich wissen was es damit auf sich hat, weil ich wirklich noch nie etwas davon gehört habe. Dabei dachte ich über ein ganz gutes Allgemeinwissen zu verfügen.
„Oder“, sagte er, „man wolle das Geheimnis lüften“. Ja, wie soll ich denn den Drang haben so etwas tun zu wollen, ohne wirklich zu wissen worum es hier geht?

Ehrlich gesagt habe ich genug Probleme, für die ich noch keine zufriedenstellenden Antworten gefunden habe; muß ich mir da jetzt auch noch so einen Senf antun?

Was soll´s - ein bißchen Ablenkung von meinen wirren Gedanken tut vielleicht mal ganz gut.
Das ist ein guter Gedanke. Ablenkung. In letzter Zeit hat nichts und niemand es geschafft mich von diesen blöden Gedanken abzulenken. Es wird wirklich langsam mal Zeit den Kopf klar und frei zu bekommen!!!
Es würde mich nicht wundern, wenn ich dann mit einem Mal – wenn ich nicht mehr drüber nachdenke - die Lösungen für alle meine Probleme direkt vor mir liegen sehen würde.

Momentan renne ich jedoch die ganze Zeit daran vorbei, weil ich den berühmten Wald vor lauter Bäumen nicht finden kann.

- IV –

Puh, das wäre geschafft. Wie lange ich wohl unterwegs gewesen bin, um hier diesen Gipfel zu erklimmen?
Klasse, ich verfüge noch nicht einmal mehr über ein gesundes Zeitgefühl. Den Sonnenstand zu deuten, brauche ich gar nicht erst zu versuchen. Ich könnte noch nicht einmal die ungefähre Himmelsrichtung hier angeben. Das ist alles irgendwie in der Schule an mir vorbei gezogen. Noch nicht einmal in das rechte Ohr haben es diese Schallwellen, die aus des Lehrers Mund kamen, geschafft. Oh je, Herr Gerhard in der Orientierungsstufe, der Mann war echt fähig. Nur leider hab ich damals meine Antennen für den Unterrichtsstoff nicht wirklich ausgefahren. Ich weiß noch wie wir über im Erdkundeunterricht über den Landkarten hockten, mit Kompaß. Wie wir draußen standen und die Himmelsrichtungen herausfinden sollten. Alles was das bei mir im Kopf hervorrief war ein großes Fragezeichen – und große Bewunderung für Menschen wie Pfadfinder, die so etwas checkten. Meine Stärken lagen offensichtlich überall anders , aber nicht in einem ausgeprägten Orientierungssinn.

Ach herrje. Der Aufstieg ist wirklich ganz schön kräfteraubend. Eine kleine Pause habe ich mir verdient. Einfach mal die Beine ausstrecken und die Seele baumeln lassen.


Na prima. Das mit dem Seele baumeln lassen war wohl ein Fehler. Dadurch schaffe ich nur wieder genügend Platz für meine Grübelei. Und was habe ich davon? Nur Ärger.
Alles geht an mir vorbei, alles, nur wegen diesem ganzen Blödsinn. Den ganzen Tag. Die ganze Woche. Schon Monate lang.
Ach was rede ich.
Schließlich war dieser Mist beim Arzt nur der Auslöser. Nicht aber die Ursache.

Es sind Jahre.
Jahre über Jahre die gleichen Fragen. Die gleichen Ängste. Die gleichen Sorgen. Das gleiche Ungewisse.
Und es läßt sich nicht abstellen.

Wenn es mir bloß nicht ständig im Kopf herumgeistern würde.

Komm wieder mal auf den Teppich und guck wenigstens nach, wo Du hier bist!

Ob Berg oder nicht – eine bessere Aussicht hat man von hier oben jedenfalls auch nicht. Irgendwie habe ich im Stillen ja doch gehofft, von hier aus wenigstens im Groben einordnen zu können, wo ich mich hier eigentlich befinde. Aber auch bei diesem Gedanken handelt es sich mal wieder um eine große Fehlanzeige. Aber so ist das im Moment eben bei mir.
Was erwarte ich überhaupt noch große Wunder? Das ist die reinste Selbstverarschung, je öfter man mal hier mal da ein wenig Hoffnung zeigt, desto öfter wird man dann doch wieder enttäuscht, und so weiter und so fort. Habe ich also in 23 Jahren auf dieser ominösen Welt und in meinem unsinnigen Dasein immer noch nichts dazu gelernt. Nichts kapiert. Nothing. Nada.

Trotz allem habe ich das Hoffen nicht verlernt. Im Gegenteil, ich scheine geradezu erwarten zu wollen, daß man auch irgendwann mal Glück in dieser Hinsicht haben muß.
Eines Tages werde ich nicht mehr mit diesen Gedanken leben müssen. So oder so. Oder aber ich werde in der Klapsmühle landen.
Was für tolle Aussichten. Die letzte Möglichkeit, die ich für mich sehe ist, so abgebrüht zu werden, daß mich dieser Mist auch nicht mehr juckt.

Holla!! Da ist doch tatsächlich eine Tür!
Immerhin weiß ich noch WARUM ich überhaupt hier herauf gekrochen bin, also funktioniert wenigstens noch ein kleiner Teil meines Hirns.
Wow, die ist nicht von schlechten Eltern. Bin ich geschrumpft auf dem Weg hier herauf, oder handelt es sich bei dieser Tür einfach nur um ein Riesen - Teil? Eine Wucht von Größe hat sie! Mindestens dreimal so hoch und ewig mal so breit wie ich scheint sie zu sein. Tief blau angestrichenes Holz ist das, umrandet und verschnörkelt mit silbernen Ornamenten und Verzierungen. Wunder-, wunderschön. Und durch die Ritzen strahlt ein grelles Licht.
Was sich nun wohl wirklich hinter dieser Tür befindet? Dieses helle Licht von dort drinnen assoziiere ich jedenfalls mit einer Sonnenbank. Klingt nicht übel, wo es doch in letzter Zeit ständig regnet. Aber es wird sicherlich keine Sonnenbank sein. Und wenn, dann ist es eine für Riesen.
Verlockend. Der Gedanke heraus zu bekommen, was dahinter steckt.
Was soll mir schon passieren?

Und dich bin ich wenigstens – wenn auch nur für ein paar Gedanken lang - los.

- V -

Die Türklinke ist angenehm warm. Immerhin ist diese auf meiner Höhe angebracht. Also doch nichts von wegen Riesen. Schade eigentlich. Sonst wär ich vielleicht in einer Art Märchenland gelandet. So wie Alice in Wonderland, in dieser Geschichte von Lewis Carrol.
Meine Herren, ich hätte doch mal wieder ein wenig mehr Sport betreiben sollen, dieses Mordsteil hier ist nämlich super schwer zu öffnen. Was die wohl wiegen mag? Richtig dagegen stemmen muß ich mich.

Himmel, das wäre geschafft. Ich werde auch nicht gerade jünger! Das man sich jetzt schon beim Türen öffnen anstrengen muß, gibt mir zu denken. So weit ist es also schon gekommen... :o)

Und nun?
Tja, ich will ja nicht hier nur dumm als Meckerpott rum stehen. Aber draußen wie drinnen:
Hier ist doch nichts? Sogar das Licht was man von draußen durch die Türschlitze hat fallen sehen, sieht man von hier drinnen aus nicht.
Was soll ich denn dann bitte schön hier großartiges machen, geschweige denn entdecken? Sollte ich nicht eine gewaltige Neuentdeckung machen? Dieses, was war das? Dieses - ach, Lundzen? Ludwig? Ludwiczak - Dingsda Phänomen. Kann ja nicht so was weltbewegendes sein.
Was hatte der Alte gesagt, das Abenteuer wird auf mich zu kommen, schneller als mir lieb ist. Na denn, wenn er meint. Wirklich, nach großen Abenteuern sieht das hier nicht aus.

Setze ich mich eben hier hin und warte auf das galaktische Etwas, das mich hier erwarten soll. Meine Füße tun sowie so weh und müde bin ich auch schon seit einer Ewigkeit. Soll mich das Abenteuer doch wecken, wenn es meint entdeckt werden zu wollen.
Wahrscheinlich steht hier irgendwo auch noch die Versteckte Kamera und alle freuen sich darüber, daß ich, treu doof wie man manchmal sein kann, auch noch los gelaufen bin, in der Erwartung irgend etwas Spannendes hier zu finden.


Wo bin ich eigentlich?
Da bin ich doch tatsächlich eingeschlafen!?
Ach herrje, stimmt ja, da war dieser Kleine alte Mann und der rote Weg, der den Berg herauf führte und-.

Meine Güte! Hat hier irgend jemand das Licht angeknipst während ich geschlafen habe?
Dieser Raum macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Er ist schlicht und ergreifend weiß. Wobei „weiß“ nicht gerade gebührend das beschreibt, was meine Augen hier zu Gesicht bekommen.
Reines Weiß. Baby Weiß. Strahlendes Weiß.
Keine Ahnung wie man diesen Anblick treffend beschreiben soll.
Die Wände strahlen in einem gleißenden Licht, tatsächlich fast so wie das Licht unter der Sonnenbank, nur nicht so blendend. Einfach nur schön.
Erinnert mich irgendwie an diese ganzen Berichte von Leuten die Grenzerfahrungen mit dem Tod gemacht haben. Die erzählen oft, sie hätten ein helles Licht gesehen, das sie förmlich angezogen hätte. So ein Gefühl muß das sein. Das Licht scheint in einen hinein zu strahlen - um dann aus einem heraus zu strahlen um einen dann schließlich einfach nur zu erfüllen. Macht total glücklich und zufrieden, läßt mich geborgen fühlen.

Mensch Maier!!! Was soll das denn nun?!

Herzinfarkt Nummer zwei, den ich binnen (– ja wievielen Stunden eigentlich wirklich ? – ),na so 2, 3 Stunden in dieser komischen Umgebung bekommen habe.

Warum bitte schön fällt denn auch diese bekloppte Tür mit so einem Knall in das Schloß? Warum fällt sie überhaupt zu? Oder steckt da doch jemand irgendwo und erlaubt sich einen Spaß mit mir?

HALLO?

Och nö. Auch das hatte der Alte gesagt. Warum höre ich eigentlich immer nur mit einem Ohr hin, wenn man mir etwas sagt. Wobei das auch nicht so ganz stimmt, denn ich höre ja zu. Aber ich vergesse so schnell wieder.

Weshalb habe ich überhaupt das Bedürfnis mich immer recht fertigen zu müssen. Dabei geht das doch allen Menschen gleich und das liegt nicht einmal an ihrem Unwillen!
Es ist halt einfach mal so, daß das menschliche Gehirn nur 7 +/- 2 Informations – Chunks im Kurzzeitgedächtnis gleichzeitig aufnehmen kann. Hat doch mein Professor in der Psychologischen Einführung an der Uni erwähnt.
Wie war das noch genau? Sämtliche Reize, die so auf den Menschen einwirken, werden von den sensorischen Registern aufgenommen. Ein solches Register gibt es für jeden menschlichen Sinn. Na dann mal gucken ob ich das noch zusammen bekomme: Die menschlichen Sinne das waren: klar, die optischen; die gustatorischen, nämlich die Geschmacksreize; die olfaktorischen, die Geruchsreize; dann haben wir noch den Tastsinn und die Ohren dienen für die Aufnahme von akustischen Reizen.
In diesen sensorischen Registern findet eine kurze Zwischenspeicherung neuer Informationen statt, sie verbleiben dort dann, so glaube ich mich zu erinnern, maximal 2 Minuten. Danach zerfällt die Information dann langsam bis sie schließlich ganz und auf nimmer Wiedersehen verschwindet – es sei denn sie gelangt zunächst in das Kurzzeitgedächtnis.
Tja, aber da unsere tollen schlauen Köpfe nicht so geniale Speicherkraft haben wie mein wunderbarer Computer daheim an meinem Schreibtisch, muß irgend etwas passieren, um Platz für neue Informationen herstellen zu können.
Natürlich schaffen nicht alle Reize, die wir so aufnehmen, den Weg in unser Gedächtnis. Gut hier in diesem ulkigen Raum ist es anscheinend nicht allzu schwierig, wirklich alles wahrzunehmen, denn hier ist ja nichts, außer diesem bezaubernden Licht. Aber wenn ich so an mein Zimmer daheim denke? Wenn man das ganze Chaos für eine halbe Minute betrachtet und dann die Augen schließt um zu reflektieren was man alles gesehen hat – da kommt man nicht sehr weit. Und wenn man nicht einmal das ganze Zimmer sondern nur den Schreibtisch betrachten würde, hätte man kaum mehr Erfolg. Ich, die ich meinen Schreibtisch jeden Tag stundenlang betrachte, kann noch nicht mal alles erwähnen was sich da so tummelt. Klar, da ist mein heiß und innig geliebter Computer. Das ich mich an ihn erinnere liegt wahrscheinlich daran, daß ich täglich Stunden davor verbringe. Dann liegt da noch eine große Schreibunterlage. Wie die genau aussieht? Keine Ahnung, wirklich, beim besten willen nicht. Dort steht noch eine Kiste mit lauter Krimskrams auf dem Tisch. Eine Schachtel mit Stiften. Eine Uhr, die nicht geht. Weiß ich auch nur, eben weil sie stehen geblieben ist und ich mich täglich über mich selbst und meine Faulheit ärgere, weil eigentlich nur die Batterie leer ist. Da hört meine schöne Auflistung aber auch schon auf. Obwohl ich ganz genau weiß, daß dort auf meinem Schreibtisch unendlich viele Kleinigkeiten herum liegen. Und zwar so viele, daß man von dem Schreibtisch an sich gar nichts sieht. Befände sich nur das auf ihm was mir da grad so einfiel, dann wäre er wunderbar leer. IST ER ABER NICHT! Ich erinnere nur nicht alles.
Der Grund dafür liegt aber ganz klar auf der Hand: Das Gedächtnis hat nun mal eine begrenzte Kapazität und diese Tatsache bezieht sich gücklicherweise nicht nur auf das meinige Hirn.
Durch selektive Wahrnehmung, nämlich Aufmerksamkeit für bestimmte Dinge, wird das wichtige schon aus der Fülle der Reize, die im sensorischen Register ankommen, heraus gefiltert. Das sind dann diese ominösen 7+/- 2 Chunks (lustiges Wort, das ließ mich immer grinsen, wann immer der Herr Westenhöfer es aussprach), die im Kurzzeitspeicher landen. Dort bleiben diese Informationen dann für ca. 20 Minuten.
Falls nicht durch intensive Beschäftigung, reges Interesse oder Wiederholung etwas passiert, so werden diese Informationen nach für nach durch andere, neue Informationen ersetzt. Eben weil das Hirn so begrenzt ist. Oder sollte ich lieber sagen, weil es beschränkt ist. So wie manche seiner Besitzer. :o)
Tja, und um auch noch im Langzeitgedächtnis Platz einnehmen zu dürfen, muß so eine Information entweder öfter wiederholt werden, große Bedeutung haben oder in einem Sinnzusammenhang stehen.
Auch wenn ich manchmal der Meinung bin irgend etwas vergessen zu haben, dann stimmt das eigentlich gar nicht. Denn so eine Information bleibt eigentlich erst einmal im Langzeitgedächtnis, wenn sie denn erst so weit gekommen ist. Das Problem ist nur, daß ich, wie die meisten anderen Menschen auch, damit Probleme habe, den Weg zur Information wieder zu finden. Der Zugang zu abgespeicherten Informationen ist manchmal gar nicht so logisch. Schließlich werden Informationen in einer Art Netzwerk abgespeichert und sind dann zum Beispiel über Emotionen oder über ganz bestimmte andere Stichwörter erreichbar.

Habe ich doch tatsächlich etwas aus der Vorlesung mitgenommen. War mir gar nicht so richtig bewußt. Ein schönes Gefühl.

Da scheint sich gleich der ganze Raum an meiner Freude über mich selbst zu beteiligen. Er sieht doch glatt noch ein bißchen strahlender aus. Wenn das überhaupt möglich ist.
Wie sich doch die Sichtweise gleich ändert, wenn man ein kleines bißchen Freude, Glücklichsein und Zufriedenheit zuläßt!

Und man kann sich im Grunde über so viele Dinge freuen. Kleine Dinge. Aber man übersieht sie so leicht im Alltag.
Huups, auch das hab ich heute doch schon mal gehört. Recht hat er, der Gute:

Man sieht das Leben wie es ist.
Das Leben ist wie man es sieht.

Eines der Sprichwörter, die ich mir vorhalten sollte, wenn es mir schlecht geht.
Wie oft habe ich vor lauter Gedanken und Sorgen und Kummer, oder einfach vor lauter Streß, mir die Welt so traurig gemacht. Sie schien in vielen Momenten gerade zu mit mir zu weinen. Keine Blume, kein Lächeln, keinen Schmetterling, keine Märchenwolke sehe ich in solchen Zeiten. Nur den grauen Asphalt, Mauern, Schrott, traurige und gestreßte Gesichter.
Hingegen wenn ich einfach nur fröhlich bin, erscheint mir die Welt immer gleich um Lichtjahre freundlicher. Selbst ein heftiger Regen ist dann etwas wundervolles, weil schließlich auch die Blumen mal Durst haben.
Oder bin ich nur besser gelaunt, wenn auch in der Umgebung alles im Lot ist?
Nein. Nein, ich denke wirklich, daß es eher etwas mit der eigenen Sichtweise zu tun. Wenn in mir drinnen die Sonne scheint, kann der Regen von draußen ihr nichts anhaben. Im Gegenteil, die innere Sonne vermag dann so sehr zu strahlen, daß die Umwelt gar kein trauriges Bild mehr abgeben kann.
Wär doch prima, wenn man sich diese Sonne immer bewahren könnte.
Doch wenn immer nur die Sonne scheinen würde, wüßten wir sie doch gar nicht zu schätzen oder? Es bedarf glaube ich schon des Regens, um die Sonne genießen zu können. Und diesen schlauen Gedanken kann man wahrscheinlich auf alles andere im Leben auch beziehen.
Wenn ich nicht auch mal traurig sein kann, dann ist das glücklichsein doch nichts besonderes mehr.
Wenn ich nicht ab und zu mal einen Abschied nehmen muß, kann ich mich doch schlecht auf ein Wiedersehen freuen.
Ist doch klar oder?

Obwohl gerade das Abschied nehmen ist es ja, was mir so derbe Kopfschmerzen verursacht.

Nicht dran denken.
Verlier´ um alles in der Welt nicht diese gute Laune. Nicht jetzt!

Ich ticke jetzt wohl vollkommen aus. Hatte ich doch gerade das Gefühl, daß jemand eine Hand auf meine Schulter legt, ich hab es ganz genau gespürt, aber da ist niemand!
Vielleicht bin ich doch reif für die Klapse. Oder einfach nur völlig übernächtigt.

Da! Schon wieder. Definitiv ist da jemand, auch wenn ich nichts sehe.

-Hab keine Angst-

Okay, okay, das ist eine Nummer zu viel für mich. Ich fühle Hände, ich höre Stimmen -.
War echt schön hier, aber auf solche Späßchen hab ich keine Lust. Wirklich. Der weiße Raum, soll das vielleicht eine schlechte Geisterbahn sein, oder was?
Schlechter Witz!

Verdammt, warum geht diese bekloppte Tür nicht auf?
Was geht hier vor sich?

-Sch! Beruhige dich.-

Denke ich das oder höre ich es?
Ich habe wirklich keinen Schimmer mehr.

-


Fühlt sich gut an, als ob mich jemand umarmt und mir von seiner Energie abgibt.
So war es damals, als ich noch klein war und der festen Überzeugung war einen Schutzengel zu haben. Sky Be hieß der. Er verließ mich, das heißt, ich verließ ihn, als man uns Kindern erklärte, so etwas gäbe es nicht. Wir wurden erwachsen und fingen an rational zu denken, anstatt auf unsere Herzen zu hören. Ich hatte ab und zu versucht wieder Zugang zu Sky Be zu bekommen, aber es gelang mir nicht. Vielleicht, weil ich insgeheim doch daran zweifelte.
Als ich dreizehn war kam Sky Be trotzdem noch mal in mein Bewußtsein, aber nur, um sich höflichst von mir zu verabschieden. Er hätte seine Aufgabe erfüllt und nun einen neuen Auftrag bekommen, ein Kind das ihn sehr dringend benötigt und er würde nun von einem Anderen abgelöst. Der wäre immer bei mir und ich sollte mich anstrengen ihn zu fühlen, ihn zu hören ,- so wie ich es einst bei Sky Be konnte.

Es gelang mir aber nie.
Nicht einmal den Namen meines neuen Begleiters bekam ich heraus. Vielleicht wollte ich es auch gar nicht. Schließlich war ich erwachsen.
Außerdem hatte ich das Gefühl, Sky Be wäre abberufen worden, weil es eh keinen Sinn hatte einen Schutzengel für mich zu verschwenden, weil ich mich so oft bewußt in Schwierigkeiten brachte. Warum sonst war er zu jemand anderem berufen worden und ich bekam einen neuen? Der andere hätte doch gleich zu dem anderen Kind gehen können. Aber vermutlich war Sky Be für Problemfälle da. Und ich war so einer, bei dem selbst er nicht mehr weiter wußte. Und dann konnte er doch seine Zeit nicht mehr mit mir verschwenden.
Vielleicht aber hatte er doch Erfolg bei mir gehabt und ich war so weit, daß auch ein „normaler“ Schutzengel mit mir klar kam. Und irgendwo saß ein Kind, zu dem eben nur dem eben nur der gute Sky Be vordringen konnte?

- Laß es raus –

Was soll ich raus lassen? Ich bin hier doch diejenige, die in einem weißen Raum sitzt, dessen Tür sich nicht mehr öffnen läßt!
Wenn schon denn schon sollte jawohl vielmehr ich raus gelassen werden, oder?

- Befreie dich –

Schön-, fein-, gute Idee! Habe ich auch schon drüber nachgedacht!
Es GEHT BLOß NICHT!

- Solange du Angst davor hast, wird es dich nicht loslassen.

Prima. Was für weise Sprüche. Unterhalte ich mich gerade mit meinem schlauen Unterbewußten oder was? Und womit soll ich bitte schön anfangen? Und wo soll ich aufhören?

- Tu es einfach und laß es raus.

Da sitze ich ja noch zu Weihnachten 2012 hier herum, nur um mal wieder vergeblich zu versuchen, was mir in 5 Jahren nicht gelungen ist.
Reine Zeitverschwendung die mir noch dazu schlecht Laune verleiht.
Vielen Dank auch.
Kein Verlangen.
Auf so etwas habe ich echt keine Lust.

- Und genau das ist dein Problem.

Was soll diese ganze schlaue Faselei? Das kann einem ja direkt auf den Wecker gehen! Wer ist da?
Ich rede nicht mit mir selbst, das geht anders, hab ich schon oft genug gemacht.
Hallo?
Warum krieg ich denn jetzt keine Reaktion mehr?

Gott, ich fühle mich so einsam.

- VI -

Engel!
Ob Du mich wohl hörst, wenn ich nur laut genug rufe? Manchmal habe ich das Gefühl, Du seiest mir ganz nah. Und doch bist Du so unerreichbar fern.
Als Du damals vor fünf Jahren einfach fort gegangen bist, kamen mir tausend Gedichte in den Sinn. Einige davon habe ich auch aufgeschrieben. Andere davon existieren nur in meinem Kopf.

Eine Sternschnuppe
Fiel vom Himmel.
Ihr Strahlen
Erlosch
und
lebt nur noch
in demjenigen weiter
der es gesehen hat.

Und weil ich das Leuchten gesehen hab, trage ich eine große Sehnsucht in mir, es noch mal erblicken zu dürfen. Nur ein einziges Mal, nur für einige Sekunden. Wenn es sein muß auch nur aus der Ferne.
Und diese Sehnsucht läßt nicht locker, auch wenn es keinen Zweifel daran gibt, das keine Chance dafür besteht. Never.

Es gibt da so ein wunderschönes altes chinesisches Sprichwort, das besagt:
Wenn der Blütenschimmer auf den Hügeln länger währte als nur ein paar Tage – wir würden ihn nicht so innig lieben.

Manchen Menschen wird dies durch irgendwelche Ereignisse in ihrem Leben klar – andere verschließen ihr Leben lang die Augen und versuchen diese Erkenntnis zu verdrängen.
Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob es nicht vielleicht sogar besser ist, sich der Aussage dieses Sprichwortes nie bewußt zu werden.

Wenn der Mensch erkennen muß, daß das Schöne, das Wichtige, das Besondere im Leben nicht von Dauer ist – ja, wenn er zudem mit einem Mal mit der brutalen Wahrheit konfrontiert wird, daß das Leben selbst nämlich zu diesen kurzlebigen Dingen gehört,- so kann diesem Menschen der Boden unter den Füßen entgleiten. Ängstlich sieht er schon dem schmerzenden Aufprall auf dem harten Untergrund entgegen, – doch diese Erwartung wird nicht erfüllt.
Schlimmer als jeder Aufprall, denn dieser würde ihn ja in die Realität zurück stoßen - es wird sich ein großes schwarzes Loch unter ihm auf tun und der Erleuchtete wird stürzen und fallen, immer weiter und immer tiefer – ein Sturz in die Unendlichkeit, die kein menschliches Gehirn ermessen kann. Dabei wird er erkennen, daß es noch einen dunkleren Farbton als Schwarz - und das es Tiefen gibt, die mit unseren üblichen Maßstäben gar nicht mehr erfaßbar sind.

Vor lauter Dunkelheit ist der Blick dann zumeist schon so getrübt, daß diese Menschen gar nicht kapieren, wo sie „gelandet“ sind (Entschuldigung, das ist wohl der falsche Begriff, denn würden sie landen, so hätten sie die Chance aufzustehen und den Weg aus der Dunkelheit zu finden. Doch diese Menschen, über die ich hier gerade sinnwandele, werden ewig weiter stürzen...).
Andere realisieren zwar, wo sie sich befinden, doch ohne den geringsten Lichtschimmer für einen Ausweg, werden sie sich nicht orientieren können.

Und wieder andere ziehen sich selbst sogar noch tiefer als sie ohnehin schon fallen.
Manchmal frage ich mich, ob ich nicht auch zu diesen Psychopathen gehöre. Nein, ich frage es mich nicht ernsthaft.

– Ich weiß es.

Und alle Macken die ich besitze, rühren einzig und allein daher. Wie labil muß ein Mensch sein, um das zu zu lassen?

Das Menschen leben und dann anschließend irgendwann das Zeitliche segnen, ist eigentlich schon Kindern bekannt. Also warum so einen großen Hehl daraus machen?

Würde den ganzen Tag ein Regenbogen am Himmel zu sehen sein, so wäre er nichts mehr Besonderes, sondern etwas Alltägliches, das man – wie alle alltäglich gewordenen Sachen leider- einfach übersieht und nicht mehr zu schätzen weiß.
Flögen Sternschnuppen jede Nacht am Firmament entlang, würde man sich nichts mehr dabei wünschen – denn es wäre keine besondere Gegebenheit mehr.

Sobald wir uns einer Sache sicher sind, übersehen wir leider oft das Wunderbare, das Geheimnisvolle daran. Das gilt ja sogar für zwischenmenschliche Beziehungen.
Umgekehrt ist es in der Regel so, daß Dinge, die wir selten oder nur für kurze Zeit erleben, den Status des Besonderen inne halten.
Außerdem wird uns das Besondere oft erst dann bewußt, wenn wir es verloren haben und es nie wieder zurück erlangen können.
Wären wir unsterblich, so würden wir das Leben nicht als etwas besonderes betrachten, denn wir würden schließlich nicht Gefahr laufen, es zu verlieren. Nicht einmal darüber nachdenken würden wir. Aber auch Menschen, die entweder nicht über den Wert des Lebens nachdenken oder die diese Fragen einfach nur zu verdrängen versuchen, übersehen schnell seine Wertigkeit.
Doch auch wenn mir dies alles bewußt ist, komme ich nicht mit der Tatsache klar, das es so ist.
Eigentlich sollte ich gelernt haben, jeden Tag den Menschen die mir am Herzen liegen das auch zu sagen, oder Dinge die unklar sind sofort ins rechte Licht zu rücken. Denn keiner kann mir garantieren, daß die Menschen die ich liebe morgen noch da sind.
Vielleicht aber bin auch ich schon morgen nicht mehr da, um es ihnen zu sagen, und dies scheint gar nicht mehr so abwägig, der Gedanke wurde mir näher gerückt, als mir lieb ist.

Mit jedem Gedanken
An dich
Fließen die Tränen wieder.

Mit jedem Gedanken
An dich
Rückt die Wahrheit etwas näher.

Mit jedem Gedanken
An dich
Wird das Unfaßbare klarer.

Mit jedem Gedanken
An dich
Frißt der Schmerz sich tiefer.

Mit jedem Gedanken
Nur bei dir.


Nun also hat mich meine kleine Realität von draußen doch auch in diesem herrlichen Raum eingeholt.

Der „Engel“, von dem in dem Gedicht die Rede ist, ist vor fünf Jahren gestorben. Einfach so. Ohne Vorwarnung.
Ich hatte keine Zeit mehr, ihm zu sagen, wie sehr ich ihn mochte, was er mir bedeutete.
Das war der Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich aufgewacht bin, kapiert habe, das nichts von Dauer ist.
Damals habe ich meinen Glauben verloren. Weil ich es nicht verstehen konnte, warum Gott so etwas zu ließ. Wie gut, daß ich damals noch nicht wußte, wie oft er es noch zu lassen würde. Irgendwann tröstete ich mich mit dem Gedanken, der Engel wäre so ein guter Mensch gewesen, daß er sich eben schon seinen Platz im Himmel verdient hatte und auf der Erde keine Prüfungen mehr zu bestehen hatte.
Trotzdem vermisse ich ihn. Jeden Tag.
Und bis heute habe ich noch nicht wirklich los gelassen.
Statt dessen habe ich eine Todesangst, um meine Freunde, - und auch um mich. Es gibt Nächte, in denen ich nicht schlafen will, obwohl ich müde bin, nur aus Angst davor nicht mehr zu erwachen.
„Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt“. Und was ist, wenn er nicht will? Oder mich einfach vergißt zu wecken?

- Sagtest du nicht, du hättest den Glauben verloren?

Aha, sind wir also doch noch hier, und lauschen heimlich, was?
Ich weiß doch selber nicht genau, woran ich noch glauben soll.
Alles was ich weiß ist, daß der Mensch nun mal nur eine begrenzte Lebensspanne hat. Und damit muß ich mich früher oder später leider abfinden. Denn ändern kann ich es ja wohl nicht.
Das einzige was mir bleibt ist, das Leben - das mir noch bleibt - zu genießen.

- Zumindestens ist das ein Anfang.


- VII -

Ein Anfang also, hm. Und für was bitte soll diese Erkenntnis ein Anfang sein?
Was ist das hier eigentlich für ein Spielchen. Wieso rede ich mit einer Stimme von der ich mal Antwort bekomme und mal nicht. Das soll einer noch verstehen. Ist das hier vielleicht so eine Art Psychotherapie?

Davon mal abgesehen. Vielleicht sollte ich wirklich anfangen die Dinge ein wenig differenzierter zu betrachten und damit beginnen, aus den traurigen Tatsachen doch immerhin etwas Gutes, Lehrreiches für mich zu ziehen.
Nur so kann ich es schaffen.

In der Schule sollten wir einst im Religionsunterricht bei Frau Fritz über den Sinn des Lebens philosophieren. Die Frage beschäftigte mich einen ganzen Nachmittag lang, bis mir schließlich mitten aus meinem kleinen Kopf die Geschichte von Talin entsprang:


Der Sinn des Lebens

An einem dieser grauen Frühlingsmorgen, an denen dicke Nebelschwaden über den Wiesen und in den Bäumen hängen und die Luft feucht und kühl machen, verschleiert sich auch manchmal unser Blick für das Wesentliche im Leben. Es scheint als würde dieser graue Schleier sich auch in unseren Köpfen einschleichen um dort die Gedanken einzunebeln. Fast hat es den Anschein, jemand hätte Freude daran uns so „hinter das Licht zu führen“, uns zu verwirren, das Offensichtliche zu verstecken. Und dabei fällt oft niemandem auf, daß wir es doch selber sind, die sich den Wald hinter vielen Bäumen verstecken und sich anschließend wundern, daß sie den Wald vor lauter Bäumen gar nicht mehr finden können...

Es war einer jener grauen Frühlingsmorgen, an dem dicke Nebelschaden über den Wiesen und in den Bäumen hingen und die Luft feucht und kühl machten. Talin fühlte sich nun doch ein wenig unbehaglich, doch er würde jetzt nicht mehr kneifen. Was hatte er schon zu verlieren?
Der junge Mann fühlte schon lange eine brennende Sehnsucht in seinem Herzen, eine Sehnsucht, die er nicht zu deuten vermochte und die er somit auch nicht stillen konnte. Dieses Gefühl zog ihn in die Ferne, fort aus dem kleinen Dorf im Tal, in dem er zwar geboren und aufgewachsen war, dort aber nicht zufrieden war. Er kannte jeden Menschen, ja sogar jeden Grashalm aus der Umgebung kannte er.
Doch dieses Leben erschien ihm sinnlos – denn er vermißte das Aufregende, das Besondere in seinem Leben. Also beschloß Talin eine lange Reise in das Leben zu beginnen- er wollte den Sinn des Lebens suchen, den er in seinem Dorf nicht finden konnte.

„Ich wünsche dir viel Glück auf deinem Weg, mein Junge. Doch geh mit offenen Augen durch die Welt und paß gut auf dich auf! Manchmal sind wir so sehr auf der Suche nach einer Antwort, daß wir sie übersehen, so offensichtlich sie auch vor uns stehen mag.“ Talin schaute seinen Vater verwundert an, er freute sich über das Verständnis seines Vaters doch konnte er dessen seltsame Worte nicht deuten.
Die Worte noch in den Ohren klingend ging Talin los, er wollte nicht mehr länger zögern sondern endlich den Sinn des Lebens erobern.

Da Talin der Meinung war, das Tal seines Dorfes und alle seine Geheimnisse zu kennen, beschloß er das Gebirge zu erklimmen, da dieses ihm völlig fremd und unbekannt war. Jeder seiner Schritte hallte laut auf geheimnisvolle Weise und Talin war froh, daß es noch hell war – denn nicht nur seine Schritte klangen fremd, von Zeit zu Zeit schreckten ihn herunterstürzende Steine auf. Bald schon spürte Talin Unmut in sich aufkommen. Den Sinn des Lebens würde er hier zwischen den kalten grauen Steinen ebenso wenig finden, wie zu Hause in seinem Tal. Wohin er auch blickte sah er nichts außer Felsen. Zwar hatte es anfangs noch Büsche gegeben – doch je weiter er aufstieg desto geringer wurde jede Art der Vegetation. Ab und zu konnte er noch ein paar Gräser in einer Felsspalte erblicken.
Wie enttäuschend! Talin hatte sich von seiner Reise mehr versprochen. „Gib nicht auf, schließlich bist du erst einen halben Tag unterwegs!“ versuchte er sich zu ermutigen. „Immerhin hast du schon ein ganzes Leben auf die Antwort gewartet, dann kannst du auch noch ein paar Tage länger aushalten!“
Gegen Abend wurde der kalte Wind immer beißender und Talin flüchtete sich in eine Geröllschlucht. Dort saß ein kleiner alter Mann mit einem langen weißen Bart. Er erinnerte Talin an den alten Weisen aus seinem Dorf. Erleichtert ging Talin auf den Mann zu, denn insgeheim war er froh, endlich auf einen Menschen gestoßen zu sein. Die fremde Umgebung hatte ihn sehr verunsichert. In dem Alten Greis sah Talin eine Möglichkeit...
„Weiser,“ sprach er, “ich habe mich auf die Suche nach etwas sehr wichtigem gemacht. Ihr seid älter als jeder Mensch den ich kenne. Sicherlich könnt ihr mir helfen, denn alleine finde ich die Antwort nicht!“
„Du sollst fragen, was immer du wissen willst!“ erwiderte der Weise mit einem schmunzeln. „Es mag sein, daß ihr die Frage überflüssig und sinnlos findet – möglicherweise lacht ihr sogar darüber.“ Solche Reaktionen waren Talin aus seinem Dorf nicht unbekannt. Doch der Weise sah ihn nur auffordernd an. „Könnt ihr mir sagen, was der Sinn des Lebens ist?“ rückte Talin endlich mit der Sprache heraus. Der Weise setzte ein wissendes Gesicht auf und begann zu erklären. Der Sinn des Lebens sei so unveränderlich und beständig wie das steinige Gebirge. Erst wenn der junge Mann seinen Platz im Leben gefunden hätte und beständig werden würde – erst dann hätte er den Sinn des Lebens gefunden. Zur Erinnerung an seine Worte gab der Greis Talin einen Stein mit auf die Reise. Dankbar zog Talin weiter.
Die Worte des Greises beschäftigten Talin so sehr, daß er gar nicht bemerkte, wie lange er schon weiter gelaufen war. Wann würde er denn wissen, was sein Platz im Leben wäre? Warf diese Antwort nicht schon wieder eine neue Frage auf?

Lange war Talin weiter gewandert, über steinige Wege, fort aus dem Gebirge, bis seine Füße zu schmerzen begannen. Wie sehr sehnte er einen klaren Fluß herbei in dem er seine Füße kühlen könnte. Doch statt dessen durchquerte Talin eine Wüste, in der solche Hitze herrschte, daß Talin tausende von kleinen Schweißperlen am Körper herunter tropften. Oft meinte er blühende Oasen vor sich zu erblicken – doch wann immer er näher kam, entpuppten sie sich als bloße Fatamorganen. Mitten in der Wüste traf Talin auf einen Reisenden. „ Du siehst aus, als würdest du etwas suchen!“ sprach dieser zu ihm. „Für wahr!“, antwortete Talin, „ ich bin auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Du scheinst schon viel von der Welt gesehen zu haben, kannst du mir nicht weiter helfen?“ Der Reisende sah Talin forschend an, ohne ein Wort zu sagen. Verlegen überlegte Talin, was er machen sollte, denn die Blicke des Mannes waren sehr ernst und durchdringend. Sah der Reisende ihm an, daß er eigentlich schon eine Antwort auf seine Frage erhalten hatte? Das war gut möglich, schließlich hatten Reisende meist eine gute Menschenkenntnis, da sie so viel erlebten. Doch endlich unterbrach dieser die lange Stille. „So lange schon durchquerst du die Wüste und verschließt dabei die Augen! Sieh dich doch um!“ Verwirrt sah Talin sich um. Hatte der Reisende vielleicht doch schon zu viel Sonne genossen? Nach kurzem Zögern antwortete Talin “Ich sehe nichts – nur die Wüste!“ Der Reisende trat vor Talin und erhob seine Arme. Er deutete auf das weitläufige Meer aus Sand. „Nur die Wüste? Sie ist es doch, die dir die Antwort vor die Füße legt und du hast nichts besseres zu tun als sie mit den Füßen zu treten!“ In ehrfürchtigem Ton fuhr er fort „ Die Wüste ist es die dir den Sinn des Lebens zeigt, sie ist unendlich und grenzenlos, sie ist die Freiheit. Du mußt kämpfen um in ihr zu überleben und doch beherbergt sie unbegreiflich schöne Wunder, sie blüht auf und wird wieder zu Sand, so wie die Menschen. Unendlich grenzenlos frei – ist sie nicht so, wie das Leben sein soll?“ Talin verabschiedete sich dankbar – aber sichtlich verwirrt. Stand diese Antwort nicht im Gegensatz zu dem was der Greis im Gebirge gesagt hatte? Ein Wüstenvogel begleitete Talin und sollte ihn an die Freiheit der Wüste erinnern.

Nun beschäftigten die Worte beider Männer Talin. Er versuchte beide Meinungen zusammen zu fügen, doch es gelang ihm nicht. Nach einiger Zeit erreichte er einen tiefen Wald, und er stapfte unmutig durch den Morast. Zwischen den dunklen Fichten traf er auf eine sehr freundliche Frau. Sie sah wie erschöpft Talin war und nahm ihn in ihrer Hütte auf. Talin kam dort wieder zu Kräften und kam bald auf andere Gedanken. Es gefiel ihm bei der Frau und er verdrängte darüber hinaus was ihn eigentlich bis hier her geführt hatte. Eines Tages schickte ihn die Frau deshalb fort, denn er hatte aufgehört, denn Sinn des Lebens zu suchen. Zwar war er glücklich bei der Frau doch war er betrübt, weil er seine Frage noch nicht beantwortet hatte. „Ich möchte nicht, daß du ihn meinetwegen nicht findest. Komm zu mir zurück so bald du ihn gefunden hast!“
Als Talin sich verabschiedete und der Frau für ihr Verständnis sehr dankbar war sagte sie zu ihm „Talin, hier im Wald herrscht ein ständiges werden und vergehen. Es sterben viele Bäume und Pflanzen, tausend andere werden geboren. Der Wald bedeutet Kraft und ständige Erneuerung, und genauso will ich leben. Doch du Talin suchst noch immer deinen Sinn des Lebens. Also zieh weiter, doch vergiß mich nie!“.
Talin raffte sich auf, obwohl es ihm schwer fiel – denn er hatte die Zeit mit der Frau sehr genossen und er hatte sie sehr lieb gewonnen. Doch hatte sie recht. Er würde nicht zur Ruhe kommen, bevor er nicht endlich eine für ihn plausible Antwort gefunden hätte. Als Erinnerung an sie und den Wald nahm Talin einige Bucheckern mit und zog schließlich weiter, bis er den forschen Meereswind spürte und das Salz auf seinen Lippen schmecken konnte. Er blieb dort bei einem Fischer, der dem schon sehr viel älter gewordenen Talin zeigte, daß das Meer für ihn sei wie das Leben: Mächtig und immer in Bewegung. Jede Welle ist anders, die einen toben wild schlagend im Sturm, die anderen sind ruhig und besänftigend, ja beinahe zärtlich. Das Meer gab alles her, was der Fischer zum Leben brauchte und ließ sich nie bezwingen. „Mehr kann ich dir nicht sagen!“, sagte der Fischer und schenkte Talin eine große Muschel, in der er immer das Meer rauschen hören konnte, wenn er sie an sein Ohr hielt. So würde er die Worte des Fischers sicherlich nicht vergessen.

Talin zog erschöpft weiter, mit all den Erinnerungen die ihn beschäftigten. Sein Schritt war langsam geworden, denn er war mittlerweile schon alt. Er durchquerte Wiesen, die saftig grün leuchteten. Auf den Gräsern hingen kleine Tautropfen, in denen sich das Sonnenlicht in allen Farben des Regenbogens spiegelte. Die Grashalme wiegten sich sanft im Wind. Talin roch die Blumen, die so bunt in den Wiesen hervor schienen und im Wind tanzten wie tausende kleiner Elfen in bunten Gewändern. Ein süßlicher Duft ging von ihnen aus. Talin hörte Bienen an seinem Ohr vorbeisummen, und fühlte einen sanften Hauch an seinem Nacken – ein Schmetterling flog frei und unbeschwert an ihm vorbei, er schwebte leichter als eine Feder, getragen vom Wind.
Ermüdet und erschöpft ließ Talin sich an einer Quelle nieder, um etwas zu rasten, denn er war nicht mehr so unbeschwert wie dieser Schmetterling.
„Sei gegrüßt Wanderer. Setze dich ruhig an mein Ufer und ruhe dich aus!“ Talin erschrak und schaute sich um – doch er konnte niemanden sehen. Diese ruhige Stimme – wo kam sie nur her?
„Hier enden alle Wege und – hier beginnen sie auch wieder!“ Das Wispern des Abendwindes unterstrich die Stimme, die mitten aus der Quelle zu kommen schien. Oder war es nur das Plätschern des klaren Wassers?
„Ich habe eine Frage!“ begann Talin wie im Traum zu sprechen.
„Die Frage hat dich. Deshalb ziehst du schon so lange durch die Welt.“
Regungslos hörte Talin zu. „Was ist der Sinn des Lebens?“
„Dein halbes Leben lang zermatterst du dir den Kopf darüber – und du weißt es immer noch nicht.“
Talin sah über die Quelle hinweg und lauschte dem Rauschen. „Nein, ich weiß es immer noch nicht. Mir wurde soviel erzählt und alles klang auf seine Art so richtig. Was ist denn nun wirklich der Sinn des Leben?“
Die Quelle rauschte auf „Der Sinn des Lebens – das ist das Gebirge, denn der Sinn des Lebens ist beständig: in allen Zeiten wird er der gleiche sein; er ist die Wüste, denn das Leben bedeutet grenzenlose Freiheit, denn jeder kann wählen was er mit seinem Leben anfangen will; der Sinn des Lebens das ist ebenso der Wald, denn das Leben kommt und geht, es blüht immer wieder auf; auch ist er das Meer, denn das Leben ist so abwechslungsreich wie jede neue Welle. Der Sinn des Lebens ist Wüste, Gebirge, Wald und Meer – und doch nichts von allem.“
Ein großer Regenbogen erschien am Himmel, seine Farben leuchteten und erfüllten Talin mit Wärme und Fröhlichkeit, mit Dankbarkeit diese Farben sehen zu dürfen.
„Der Sinn des Lebens – das ist das Leben!“

„Lausche dem Wind, er flüstert zu dir! Höre genau hin! Höre das Rauschen den Wassers. Schließe die Augen und höre zu! Die Seelen vom Lebenden schweben in allem! Nichts geht verloren. Von hier aus wächst neues Leben. Sieh mein Ufer an: so prachtvolles Leben entsteht aus früherem Leben. Bäume sterben, verrotten – neue wachsen auf ihnen.
Leben, Talin, Leben ist der Sinn!“
Talin saß reglos am Ufer. Mit verschlossenen Augen war er durch die Welt gelaufen, beschäftigt mit der Suche, daß er die ganzen kleinen Wunder des Lebens einfach übersehen hatte – obwohl sie in jeder Sekunde direkt vor ihm gewesen waren. Das also hatte sein Vater damals beim Abschied gemeint!
Talin durchströmte ein Gefühl, das er bisher nicht kannte. Er fühlte sich mit einem mal ganz ruhig. Der Mond und die Sterne zogen ihre Bahnen über ihm – und er dachte das erste Mal an nichts. Er hörte das Flüstern des Windes, das Rauschen des Baches und das ruhige Schlagen seines Herzens.

Er lebte.

Viele Jahre verbrachte Talin in der Gegend der Quelle. Die Bucheckern aus seinem Wald hatte er gepflanzt und sah voller Begeisterung wie sie sich zu prächtigen Zöglingen entwickleten. Aus getrockneten Gräsern hatte er sicheinen Schlafplatz unter der alten Eiche an der Quelle zurecht gemacht. Er sah ihre Blätter im Wind tanzen, sah wie sie lebensfroh saftig grün ihr Leben im Frühling begannen, zum Sommer hin ein wunderschönes dunkles grün annahmen und im Herbst tiefrot, orange und golden in der Sonne leuchteten und der Welt eine Schönheit verliehen, die jedes Jahr ein neues Wunder barg. Im Winter fielen die Blätter hinab um im Frühjahr erneut aufblühen zu können. Die Sonne weckte Talin morgens mit ihren ersten Strahlen auf und die Vögel zwitscherten ihm ein „Guten Morgen!“ zu. Die Tiere hatten sich an Talin gewöhnt und leisteten ihm Gesellschaft bis zum Abend, wenn die Sonne feuerrot am Himmel ihren Weg zu Ende brachte und schlafen ging.
Nie hatte Talin so unbeschwert gelebt, so glücklich und zufrieden. Er sah nun die vielen Wunder des Lebens und war froh endlich begriffen zu haben. Er freute sich über die Geschichten des Windes und der Wasser, den Gesang der Vögel und die Blumen, die Bäume und die Schmetterlinge. Noch nicht einmal über Regen war Talin mehr ärgerlich, denn er wußte,daß er für die Pflanzen notwendig war und ihren Durst stillen konnte, damit sie die Kraft zum Blühen behielten.


Eines Abends sah Talin in den rotglühenden Himmel und es wurde ihm plötzlich ganz leicht um sein Herz. Hatte er richtig gehört?
Seit Talin begriffen hatte, daß das Leben selbst Sinn des Lebens ist, seitdem hatte die Quelle nie wieder zu ihm gesprochen.
„Setze dich ruhig an mein Ufer und ruhe dich aus!“
Diese Worte kannte Talin doch? War es nur seine Erinnerung oder –
„Hier enden alle Wege.“ - „Und hier beginnen sie auch wieder!“.
Talin begriff. Er schloß die Augen und spürte, wie der Abendwind ihn sanft aufnahm und mit sich trug. Talin hatte keine Angst, denn er fühlte sich sehr geborgen und wurde von dem Wind gewogen, so wie eine Mutter ihr kleines Baby in den Armen wiegt. Er summte das Lied, welches seine Eltern ihm als Kind immer zum Einschlafen vorgesungen hatten. Der Wind nahm dieses Lied auf und trug es durch die Luft.
„Hier enden alle Wege.“ - „Und hier beginnen sie auch wieder!“
Es quälten Talin keine Angst und keine Fragen, denn er wußte:
„Der Sinn des Lebens ist das Leben!“

Und die Seelen vom Lebenden schweben in allem.
Nichts geht verloren...


- VII –

Der Sinn des Lebens.
Du meine Güte, nun fang ich mal wieder an meine philosophischen fünf Minuten zu bekommen.
Ich erinnere mich daran, wie André im Unterricht meine Geschichte vorlas. Wunderschön. Mein André, wie´s dem wohl geht? Ich sollte mich mal dringendlich wieder bei ihm melden!

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich mich auf einer Wiese sitzend und in den Sternen klaren Himmel aufblicken.
Wer wohl dem Nachthimmel seine Sterne gegeben hat? Wie viele Menschen sich das sich vor mir schon gefragt haben? Und wie viele werden es noch sein?
Millionen von Geheimnissen, die der Mensch niemals lösen wird, obwohl er sich seiner so sicher ist, daß er über Intelligenz verfügt.
Sind wir Menschen tatsächlich intelligent? Sollte man nicht eher meinen, wenn wir es wären, würden wir nicht unseren eigenen Lebensraum zerstören? Würden wir nicht einen Weg für friedliches miteinander finden? Ich denke schon.

Wenn man sich mal überlegt wie fein abgestimmt das ganze Leben, das Miteinander, einfach die ganze Welt ist. Ja, soll das denn alles nur Zufall sein? So viele Zufälle, die prima zufällig so gut zueinander passen? Das ist mir eine Nummer zu hoch, ganz ehrlich. Evolution hin, Evolution her.
Also doch ein Schöpfer, ein Gott, der in einem ruhigen Moment mal etwas gegen Langeweile hatte. So fing er an zu kreieren, zu schöpfen. Wenn sich also jemand alles so fein ausgedacht hat, Respekt, Respekt. Aber es stecken ja ähnliche Prinzipien hinter allem. Also, gar nicht so unlogisch, das der Schöpfer hinter dem großen Geheimnis steht. Und ich denke ja noch nicht einmal an Adam und Eva. Nein, nein.
Man nehme ein Molekül. Wie habe ich Chemie immer geliebt, juchu. Noch heute ist es mein Lieblingsfach...Bäh.
So viel aber habe ich verstanden: Die Elektronen kreisen um einen Kern, auf verschiedenen Bahnen. So wie die Planeten um die Sonne kreisen. Wer weiß in welch größeren Ausmaßen dieses gleiche System sich noch wiederfindet.
Oder wir betrachten eine winzig kleine Zelle. Ihr Prinzip ist genau das gleiche wie das eines kompliziert aufgebauten Organismus. Wir haben eine Erbinformation, das Genom, wir benötigen Nahrung, betreiben Stoffwechsel, müssen ausscheiden, bewegen uns etc. pp.
Und wenn wir die Pflanzenzelle anschauen, eine schon etwas ältere, bei der die Vakuolen, ein Zellraum, in der sich die Zellflüssigkeit befindet, schon zu einer einzigen großen Vakuole zusammengeflossen sind – ja auch dort finden wir das Prinzip des Umkreisens von den Molekülen wieder. Denn das Cytoplasma fließt kreisend um die Vakuole herum. Und mit ihm sämtliche andere Zellorganellen.

Und wenn man daran denkt, wie sehr das ganze Leben aufeinander abgestimmt ist-?
Da fliegt Sand aus der Sahara mit dem Wind über das Meer, um schließlich im Regenwald in Südamerkika Nährstoffe zu liefern!?
Alles Zufall??
Ich weiß ja nicht.

Oder soll ich doch tatsächlich über Adam und Eva phílosophieren?
Läßt mich doch innerlich schon lachen, weil meine Religionslehrerin damals wilde Theorien hatte.
War doch Eva die Sünderin, die sich hat verleiten lassen vom Apfel zu beißen. Und dann hat die dumme Nuß doch glatt auch noch den Adam dazu verführt auch davon zu essen, vom Baum der Erkenntnis... Diese bösen Frauen, heißt es dann, im Volksmund bestärkt und belegt an der Bibel!
Ätsch, is ja gar nicht, hat uns dann die gutste Religionslehrerin erklärt! War doch in „Wirklichkeit“ der Mann der Bösewicht!!! Und die Erklärung hat uns die Lehrerin denn auch sehr glaubhaft nahe gelegt. Gott schuf zuerst Adam. Damit Adam nicht so allein sei, schuf er aus Adam´s Rippe einen neuen Menschen – Eva. Bei neue Menschen handelt es sich in der Regel um Kinder, die geboren werden. Um ganz genau zu sein, kommen die Kinder aus dem Bauch der Frau.
 Rippe=Bauch! Da klinget es doch bei dem dümmsten Menschen: Ist doch eine ganz einfache und logische Rechnung. Da hat nur wieder irgend jemadn etwas falsch verstanden und dementsprechend falsch für die Nachwelt notiert.
Ist ja auch ganz klar. Früher war das Schreiben Anglegenheit der Männerwelt. Ja, würden die denn zugeben, daß sie in Wirklichkeit die Dummen und Bösen waren? Hätte ich doch an deren Stelle auch vertuschen wollen.

Ich für meinen Teil sehe das mit den Religionen sowie so ein wenig differenzierter. Glaube ich. Ein bißchen hiervon, ein wenig davon, macht aus vielen Religionen etwas nettes. Jede einzelne für sich scheint oft so voranzuschreiten wie Pferde mit Scheuklappen im Rückwärtsgang.
Denke ich doch nur an die irrsinnige Diskussionen mit unserer Pastorin, dem Pfarrer und dieser Buddha – Gruppe. Sorry, aber manchmal sind Menschen so von etwas besessen, dass sie noch nicht einmal andere Meinungen oder auch nur Fragen anhören wollen, um auch nur nicht darüber nachdenken zu müssen. Schade eigentlich. Mein Gott würde sich darüber freuen, wenn man sich Gedanken macht und nicht immer blindfischig alles hinnimmt. Und das ist sogar wissenschaftliches Vorgehen! Gehörtes kritisch zu betrachten, sich auseinanderzusetzen – erst das festigt schließlich hinterher auch das, wofür man sich engagiert. Zumal wenn man ersteinmal erkennt, daß die ach so vermeintlichen Unterschiede gar nicht so wahnsinnig groß sind.

Und trotzdem ist mir aufgefallen, daß in unserer Gottlosen Zeit, in der kaum jemand etwas übrig hat für den Big old Boss da oben, dennoch irrsinnig viele Menschen sich Gedanken über diese Thematik machen. Und das von uns wissenschaftlich eingestellter Generation, „wir glauben nur das, was wir irgendwie beweisen können“.
Aber selten wird bemerkt, dass es ebenso auch keine Beweise gibt, die ein Vorhandensein des „göttlichen“ widerlegen?
Alles eine große Sinnsuche. Oder eben der zaghafte Versuch sich irgendwo einen Halt zu bauen, eine Illusion zu schaffen um zu verdrängen, daß alles so enden wird, wie es begonnen hat. Im NICHTS.

- VIII –

-Und welche Antwort wirst Du Dir herauspicken?

Oh, richtig, da war doch was. Ich bin schon wieder völlig in meinen verstrickten Gedankengängen verloren. Welche Antwort ich wählen will? Tja, keine Ahnung. Ich denke, daß entscheiden die wenigsten wirklich irgendwann in ihrem Leben.
Wer weiß schon, wo der Lebensweg einen hinführen wird? Und ich denke es ist gut, daß es viele Phantasien darüber gibt. Man stelle sich nur vor, ab heute wär es offiziell: “Mit dem Tod ist alles zu Ende.“ Aus. Dann würde vermutlich alles zusammenbrechen. Gesellschaftlich.
Wer weiß schon, was der Tag bringt.
Alles was wir tun können ist, unsere Zeit so zu nutzen, daß wir zufrieden sind, mit dem was wir tun und ein gutes Gewissen haben damit.

- Hast du jemals innegehalten? Deine Augen geschlossen
und dem Leben zugehört? Dich lebendig strahlend
gefühlt und nichts vermisst? Alles auf dich zukommen
gelassen ohne großartig vorher alles zu planen? Denn in solchen Momenten erkennt man viel mehr, ist offen für die kleinen Wunder die hinter jeder Hausecke stecken. Wenn man genau weiß wonach man sucht ist jede einzelne Faser des Körpers darauf gepolt es zu finden.
und verschließt sich vor den Sachen die sich offenbar zeigen – und die viel wundersamer sind.
Es muss nicht immer einen Grund für alles geben.

Keinen Grund. Aha.

Was ist das? Wow. – Das ist - , was soll ich sagen? Das ist einfach unbeschreiblich!!
Dieses Zimmer hier ist wirklich voller Überraschungen. Oder ich bin ein Blindfisch. Da hinten fehlt ja eine Wand! Und das was mir da ins Augenlicht fällt, gefällt mir weitaus besser als diese Umgebung vor dem weißen Raum. Das muss ich mir genauer anschauen:
Wunderschön.

Das ist -.

Genesis! Da war doch was.

Unbeschreiblich, wenn ich es in Worte fassen müßte, so würde ich es Paradies nennen. Aber das würde mir nicht im Traum einfallen, so etwas zu sagen, - aber- , diese Landschaft: saftig grüne Wiesen, Wasserfälle die von den Bergen heruntersprudeln, Tiere, da hinten sind tanzende Menschen? Was für ein Traumland! Wahnsinn.
Und dort vorne?
Eine glänzend , strahlende Lichtsäule, das Licht wie es auch der ganze Raum ausstrahlt – bewegt sich auf mich zu.

Gib mir deine Hand und folge mir

Du bist also die Stimme. Die Stimme bist Du. Du verwirrst mich. Wer bist du? Wo bin ich?

Ich lasse mich in die Mitte des weißen Raumes führen, gehe in dem auf diese wunderbar Landschaft zu.
Hups, das ist ja wie bei Star Trek , vor mir taucht etwas auf, das ich nicht erklären kann (aber was kann ich denn hier überhaupt noch mit meinem Verstand erklären?): eine Art Hologramm. Und -, das ist doch der Weg, den ich hierauf gelaufen bin, der den Berg hinaufführte zum weißen Raum! Was hat das zu bedeuten?

Verstehtst Du , warum Du hier bist? Wie Du hierhergekommen bist? Wo Du bist? Hör auf nachzudenken, das tust du viel zu oft. Antworte aus dem Herzen, antworte intuitiv, was siehst du hier? Mach eine Bildinterpretation.

Ich sehe den roten Weg, den ich gelaufen bin, die weißen Grezsteine am Weg, diesen komischen schwarzen Sand, den Berg die Tür. Also hat das doch einen Sinn...?

Nicht nachdenken! Antworten!
Okay, okay. So wie in der Musikklausur, auf die Gefahr hin daß ich wieder eine Schelte für dumme Phantasie bekomme. In Betracht meiner Situation könnte man den roten Sandweg mit einer Ader vergleichen, Blut steht für Leben, lebendig sein, finde ich. Begrenzt wird das alles von weißen Steinen. Weiß ist gut, weiß ist rein, weiß ist Glauben für mich. Das hält also das Leben zusammen und bewahrt es davor auseinander zu fließen. Schwarz ist nicht so prima, also was Böses? Ich hab ja vorhin auch gedacht, dass sich da so eine Art Abgrund auftut. War aber nicht so. Das waren nur meine Zweifel, vor denen ich Angst hatte. Und nachdem ich meine Angst überwunden hatte und nachschaute, stellte sich raus, dass da gar nichts Böses war, ich konnte also nicht runterstürzen. Das heißt mit ein bißchen gutem Vertrauen kann mir da nichts passieren. Trotzdem zeigen die Steine den Weg an, den man laufen soll - , man kommt zwar wahrscheinlich auch über diesen Lavasand irgendwo hin – aber wenn man sich schon auf so einer coolen angelegten Straße befindet – why wanna drift away?
Der Berg, ja, der war echt heftig zu erklimmen. Also vielleicht eine Art Sinnbild für eine Hürde, die es zu bewältigen gibt? Ein Erkennen von irgendetwas? Aha, und dieses Erkennen liegt im weißen Raum?!

Dein Lehrer hatte nur Angst vor Deinen Interpretationen, weil sie der Wahrheit gar nicht so fern sind. Das war gut.
Und worin liegt nun die Erkenntnis?

Och mensch, ich steh nicht so auf Quizspielchen – ich dachte die Antwort bekomme ich jetzt von Dir?

Ach, Mondschein. Wenn Du willst – Du weißt es selbst, Du traust Dich nur nicht es zu zu lassen!

Für welchen Weg wirst du dich auf dieser Reise entscheiden. Auf der Suche nach dem Ort zu dem die Winde ziehen und mit sich die alten Geschichten tragen?
Jeder einzelne Tag wurde aus einem einzigen geboren. Soviel solltest du in deinem Herzen wissen.
Du kannst nicht ändern, was geschehen ist – sondern nur die Richtung in die du gehst. Du kannst dich immer umdrehen, dich umsehen und umkehren, einen anderen Weg einschlagen.
Einer führt dich zu Ruhm. Ein anderer führt zu Geld. Ein anderer führt nur dich zu einem Leben nach Regeln die dir beigebracht wurden.
Tief in deinem Herzen fragst du dich, welcher Weg der richtige sein wird.
Die Straße, die nirgendwo hinführt, der Weg der zu dir führt, der Weg zur bedingungslosen Liebe.

Wirst du die Antwort finden, in dem was du sagst und tust? Wirst du die Antwort in dir finden?

Jedes Herz sucht nach einer Antwort. Jedes Herz strebt danach es zu wissen und den Grund dafür zu verstehen, warum die Winde sterben und wo hin unsere Seelen gehen..
Mondschein. Auf deiner Reise wirst du weit umher kommen.
Denn vergiß es nie: es ist ein langer Weg herauszufinden, wer du bist...

...woher du kommst
...und wohin du gehst.


Finale

Himmel Herr Gott noch mal!
Entschuldigung, ich weiß, so was soll man nicht sagen – aber tut das denn wirklich Not?
Der wievielte Herzinfarkt war das denn heute? Es kommt mir vor als wären es tausende! Müssen mich alle ständig so erschrecken?

Da sind Sie ja wieder.

Noch vor ein paar Minuten kam mir diese weiße Lichtgestalt so ruhig und friedlich vor und nun rumpelt und rauscht sie so trampelig auf mich zu. Aber total verschwommen, was ist los, ich kann kaum etwas sehen, nur Farben und Umrisse.
Und überhaupt was soll das heißen, da bin ich ja wieder? Boah, das sind mir zuviele Rätsel auf einmal, wirklich, ich bin doch auch nur ein Mensch.

Verdammt, was ist das hier eigentlich? Das ist ja - !

Sie sind ganz schön zäh, das sieht man selten!

Zäh? Aber :Das ist doch-?

Ich werde dann mal schnell eine neue Transfusion holen, ich bin gleich wieder da. Und wenn in der Zeit etwas ist – sie wissen ja – ich leg ihnen den Alarmschalter gleich neben die Hand,ja?

Oh, mir brummt der Schädel.
Oh, mir ist kotzübel.

Wenigstens kann ich langsam wieder richtig sehen.

Du meine Güte. Ein weißer Raum, ja in sowas befinde ich mich. Aber-, da hab ich wohl geträumt.
Wie konnte ich das vergessen! Wie konnte ich nur dieses beschissene Krankenhauszimmer vergessen! Das ist ja der Hammer.

Aber - hey – ich bin wach?! Da war doch grad die Krankenschwester, oder? Das heißt ich bin aus der Narkose erwacht. Das wiederum heißt – die OP ist vorbei. Ich bin wach!

Da bin ich wieder! Dann mal los!

Ich bin wach!

Ich sag ja , Sie sind zäh. Erst nicht einschlafen wollen bei der Narkose und dann gleich wieder viel zu früh aufwachen, das haben wir gern!

Ach ja, die Narkoseärtzin. Stimmt, die hatte es gar nicht so leicht mit mir. Ich hab innerlich wie ein Löwe dagegen angekämpft, aber irgendwann hatte sie mich doch geschafft – leicht hatte sie es aber nicht.

Und rums, da ist sie schon wieder fort.

Und mir ist echt übel.

Aber: Danke! Danke danke danke, daß ich das geschafft hab! Ich bin wach!
Noch nie in meinem Leben war ich so dankbar. Das ist ja wie eine zweite Chance.

Was-?

Vor meinem Fenster erschien ein strahlendes weißes Licht. Es schien durch das Fenster herein zu strahlen, um dann in mich hinein zu strahlen und dann wieder aus mir herauszuleuchten um mich ganz zu erfüllen.
Ein wunderschöner Sonnenstrahl! Golden, glitzernd – wunderschön.

Ich lebe! Und auch wenn mir alles weh tut – das fühlt sich gut an! Ich kann es fühlen! Ist es nicht schön etwas zu fühlen? Ich fühle, dass ich lebe, ich fühle es durch und durch und das tut so wahnsinnig gut!

Wie und warum und an was man glaubt ist doch letzen Endes egal, denn auch der wissenschaftlich denkende Mensch muss sich eines eingestehen, ob er es will oder nicht: Und es wird diesen Menschen einleuchten, wenn sie sich ein chemisches-physikalisches Gesetz vor Augen halten, und genau das sind schließlich die Dinge, an die sich unsere Generation hält: Und zwar ist dies der 2. Haupsatz der Thermodynamik, der da besagt, dass Energie nicht verloren gehen kann sondern nur in eine andere Energieform umgewandelt werden kann. Und die letzte Stufe davon ist die Wärme. Bedenke man nun, dass auch Materie Energie ist und bedenke man das diese nicht verloren gehen kann sondern nur umgewandelt werden kann, was folgern wir daraus? Wenn das kein netter Ansatz ist! Und: Wärme als Endform für menschliche Daseinsform gefällt mir auch sehr gut, denn Wärme assoziere ich mit Liebe und wenn das keine schöne Aussichten sind, dann kann ich mit meiner Phantasie nun auch nicht weiterhelfen.
Ich weiß nicht, ob das alles nur ein Traum während der OP war, - aber egal was es war, ich habe etwas wichtiges herausgefunden. Aber es bedarf noch einiges mehr um das zu verstehen, dieses – wie hat der Typsie das noch genannt? Dingsda-Phänomen-Syndrom –irgendwas. Keine Ahnung, ich hab´s vergessen. Auf jeden Fall gibt es etwas, was immer ungeklärt bleiben wird – und was gleichzeitig in jedem von uns so einfach zu finden ist. Es ist so einfach und doch so schwierig zu gleich. Es gibt für dieses Phänomen - Dingsda keine Lösung - und doch gibt es sie. Manchmal sieht man Dinge nicht. Aber man sieht sie vielleicht nur nicht, weil man sie mit den Augen sucht, oder ab und zu auch mit dem Verstand. Manche Dinge wollen aber anders betrachtet werden. Mit dem Herzen, mit dem Sein.

Es ist wie mit den Sternen. Sehen kann man sie nur nachts, und dann auch nur, wenn der Himmel wolkenlos ist. Trotzdem wissen wir – auch wenn dort Wolken sind oder sogar tagsüber, wenn nicht die geringste Chance besteht von der Erde aus die Sterne zu sehen, dass sie da sind und leuchten und strahlen. Sie sind da auch wenn wir sie nicht sehen.

Manchmal sieht man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht. Manchmal aber muß man ihn aber auch gar nicht sehen – denn es reicht aus ihn zu fühlen, um zu wissen, dass es ihn gibt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Sorry, habe den Text im falschen Thread gesehen.

zur Info:
Ich hatte die "Geschichte" zuerst fälschlicherweise als surreale Geschichte gelesen und daraufhin einen negativen Kommentar abgegeben. Habe jedoch nun erkannt, dass sie im philosophischen Kontext zu sehen ist. Das macht sie zwar nicht kürzer aber es ändert die Prämissen. Trotzdem ist sie mir zu lang, fühle mich von den Ausführungen nicht angesprochen, gefesselt. Die ersten 100 Seiten wirken auf mich mehr belehrend, denn fragend. Aber mit dem Inhalt habe ich mich nicht auseinander gesetzt, so, daß mein Kommentar an dieser Stelle endet.

Gruß vom querkopp

 

Hallo Heaven,

rein formal finde ich Deine Geschichte auch zu lang und zu unübersichtlich.
Inhaltlich ist mir aufgefallen, daß Du den 1ten und 2ten Hauptsatz der Thermodynamik vermengst (streng genommen vertrittst Du nur den 1ten Hauptsatz).
Philosophisch gesehen halte ich es für fragwürdig, sich auf den Endzustand „Wärme“ zu beziehen, da es z..B. von der Expansion des Weltalls abhängt, ob es den Kältetod stirbt oder nicht. „Wärme“ als schönen Zustand anzusehen ist sehr anthropozentrisch, außerdem wäre dieser Zustand ohne Bewußtsein, also nutzlos. Die Folgerungen über das Endstadium „Wärme“ sind gleichwertig den Folgerungen von an Gott glaubenden Menschen, die es nicht vertragen können, wenn sie einsehen müssen, einmal nicht mehr „da“ zu sein. Diesen Punkt kritisierst Du aber in Deiner Geschichte „Das Leben“.

Tschüß... Woltochinon

 

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