Was ist neu

Der Weg des Drachen

Mitglied
Beitritt
16.08.2002
Beiträge
6

Der Weg des Drachen

Das helle Licht des Tages wurde schon nach wenigen Metern vom Dunkel der Höhle verdrängt. Es schien, als hätte es Angst, weiter einzudringen, um die bösen Geister nicht in Wut zu versetzen. Dennoch konnte man sehen, denn die Wände waren von grünen, sanft schimmernden Pflanzen bewachsen, welche den Weg in das Innerste erhellten.
Dieser Weg war schon lange nicht mehr von Sterblichen begangen worden, doch nun, an diesem kühlen Herbsttag, wagte sich wieder ein Mensch ins Heiligtum vor. Es war ein Mädchen.
Ihre Haltung und ihr Gang ließen von hoher Herkunft schließen, ebenso ihr Kleid – dunkelblauer Samt, reich verziert mit goldenen Stickereien. Sie hatte lange, glatte, nachtschwarze Haare und große, dunkle Augen.
Nur zaghaft setzte sie einen Schritt vor den anderen, denn sie war allein, niemand war da, der sie vor Bösem schützen konnte, sollte es hier welches geben. Sie hatte all die strahlenden Ritter hinter sich gelassen, das Schloss und ihre unzähligen Mägde. Und ohne diese war sie nichts mehr, bis auf ein Menschenmädchen.
War da nicht ein Geräusch gewesen? Sie zuckte zusammen und blieb starr stehen. Furchtsam blickte sie sich um. Nichts. Sie musste es sich eingebildet haben.
Schließlich – es musste eine Ewigkeit vergangen sein – erreichte sie das Innerste des Berges. Es war eine riesige Halle, erfüllt von einer unhörbaren, doch fühlbaren Musik, deren Schönheit und Glanz sich nicht beschreiben ließ. Die Musik der Unendlichkeit, dachte das Mädchen, und lauschte.
Am Ende der Halle lag ein riesiger Steinklotz, einem Altar gleich.
Und auf diesem Altar thronte er, der Drache. Er schien zu schlafen, seine Augen waren geschlossen und er bewegte sich auch nicht. Das Mädchen erzitterte vor des Drachens Erhabenheit. Doch ging sie dennoch weiter – ihre Furcht bewältigend – auf den Drachen zu. Sein schwarz geschuppter Leib glänzte und widerspiegelte dunkelgrüne Reflexionen.
Als sie bis auf wenige Meter herangekommen war, öffnete er eines seiner Augen und betrachtete sie. Wenig später schüttelte er sich und richtete er sich in seiner vollen Größe auf.
„Ein Menschenmädchen? Viel Zeit ist vergangen, seit jemand es wagte, meine Ruhe zu stören,“, brummte er, wie zu sich selbst. Dann etwas lauter: „Was wünscht Ihr von mir, Fürstentochter?“
Das Mädchen war starr vor Schreck. Es wusste nicht, was es erwartet hatte, doch auch wenn es mit dem Unglaublichen gerechnet hätte, wäre es dennoch erschrocken, denn kein Sterblicher erträgt den Anblick eines Unsterblichen, ohne dass seine Seele unberührt bleibt.
Der Drache beobachtete sie belustigt. Er konnte ihre Furcht fühlen, dennoch war ihr Mut größer als der einiger tapferer Ritter, die einst versuchten, ihn zu vernichten.
„Mein Lord, verehrter Drache... oft hörte ich Legenden über Euer edles Geschlecht. Nun sehe ich Euch und denke, nie konnte man das Wesen eines Drachen in Worte kleiden.“
„Was habt Ihr erwartet, Kind? Ich lebe ewig und in mir vereine ich das Wissen und die Macht von Generationen. Doch warum kamt Ihr zu mir?“
„Man erzählte mir, dass Ihr die... Stärke habt, die Welt aus ihren Angeln zu heben. Dass Ihr nur mit einem Gedanken ganze Völker auslöschen könnt und dass allein Euer Wille die Zeit – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - verändern kann.“
Der Drache musste lächeln. Die Menschen neigten zu Übertreibungen. Sie fürchteten sich vor dem Unbekannten und machten es durch ihre Angst nur noch stärker. Nein, diese hatten keine große Hoffnung, in dieser Welt zu überleben.
„Wie so oft, sind Legenden nur Erfindungen des verwirrten Geistes, in denen nur ein Fünkchen Wahrheit liegt. Denkt Ihr, wenn ich diese Macht besäße, würde ich noch hier sitzen? Würdet Ihr dann noch leben, wenn ich euch wie lästige Insekten einfach aus den Erinnerungen der Welt löschen könnte?“ Der Drache erwartete keine Antwort, sondern fuhr gleich fort. „Doch ist es wahr: Ich besitze großes Wissen, was manche oft und gerne als Macht bezeichnen... Ihr besitzt also das Wissen um meine Macht, hm? Und was erhofft Ihr Euch daraus?“
„Um ehrlich zu sein, Edler, kam ich, um Euch um etwas zu bitten.“
Der Drache blickte erstaunt auf. Schon viele betraten seine Höhle – Ritter, ihn zu vernichten, Magier, ihn zu bändigen, doch auch Freunde, wie Einhörner oder Harpyien. Auch sie, die Guten wie die Bösen, waren mit der Zeit verschwunden und hätte er die Fähigkeit, die Zeit zu verändern, wie dieses Kind meinte, so hätte er sie zurückgeholt. Und doch war es gut, so wie es war.
„Es muss Euch viel an diesem einen Wunsch liegen, wenn Ihr zu mir kommt, wo ich Euch mit einem Atemzug töten könnte. Noch nie hat mich jemand um die Erfüllung eines Wunsches gebeten...“
„Noch nie haben die Menschen ihren Glauben an Drachen verloren, und dennoch tun sie es nun. Dies ist eine Zeit der Veränderung. Auch mein Wunsch erstrebt die Veränderung.“
„Was ist also Euer Begehren?“, fragte der Drache, langsam ungeduldig werdend.
„Ich will frei sein.“

Der Drache legte seinen Kopf schräg und überdachte die Worte des Mädchens. Als er sprach, klang es schleppend.
„Frei sein? Freiheit? Wisst Ihr denn, was dieses Wort bedeutet, Menschenmädchen?“
„Ich weiß, was es nicht bedeutet, habe es am eigenen Leib gespürt. Und ich weiß, dass ich derartiges nie wieder spüren will.“
„Ich sehe in Euer Herz, doch sehe ich darin die selbe Freiheit wie in Herzen anderer Menschen. Glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass Ihr von vielen die seid, die vielleicht noch am ehesten frei ist.“
„Wie kann ich frei sein, wenn ich Tag für Tag in einem engen Raum eingesperrt bin, als Vorführobjekt mich dem Willen meines Herren, meines Vaters biegen muss,“, erboste sich das Mädchen. „Tue ich es nicht, werde ich bestraft. Wie viele meiner Mägde wurden schon zu Tode geprügelt, ein Schicksal, das mich ebenso ereilen könnte. Wie könnt Ihr dies Freiheit nennen, Edler?“
Seufzend schüttelte der Drache den Kopf. Sie wollte es nicht verstehen.
„Gut, wenn ich Euch nun diesem Wunsch gewähren sollte, wie soll ich ihn gewähren?“
Ein Schimmer von Hoffnung und Freude trat in die Augen des Mädchens.
„Befreit mich aus diesem Leben, oh Edler! Schenkt mir ein neues, oder verändert meine Gestalt, dass die Häscher meines Kerkermeisters mich nicht finden. Darum bitte ich Euch.“
„Ein neues Leben? Ein neues, freieres Leben? Wie stellt Ihr Euch das vor, Menschenkind? Wollt Ihr ein Leben als Magd, als Bauersfrau führen? Eure Freiheit wird darin liegen, jeden Tag zu arbeiten, dennoch zu hungern und eine schlechte Behandlung von Eurem Mann zu bekommen.“ Er sah sie strafend an. Mit spottender Stimme fuhr er fort. „Oder wollt Ihr eine Prinzessin sein, eine Königin gar? Euer Leben wäre so frei wie das Leben, das Ihr jetzt führt.“
„Dann verwandelt mich, Edler. Denn ich bin diesen Körper leid, seine Gestalt. Macht mich zu einem Adler, der frei am Himmel schwebt, als der König der Lüfte. Oder auch nur ein Reh, dessen Glück darin besteht, dorthin gehen zu können, wohin es gehen will. Verfügt über mich, Edler, ich bitte Euch.“
„Ihr denkt, die Tiere sind gnädiger beschenkt als Ihr? Wie irrt Ihr Euch doch! Der Adler ist auf sein Nest angewiesen, denn scheut er die Ruhe, wird er vom Himmel fallen wie ein Stein. Und wie könnt Ihr das Reh frei nennen, wird es doch von Euren eigenen Leuten gejagt, bis zum bitteren Ende. Überlebt es dennoch, wird seine Freiheit spätestens in unfruchtbaren Gebieten enden.
Nein, denkt nicht, dass ich Euch nicht verstehe. Ich sah vieles, doch noch nie habe ich Freiheit erblickt.“
„Ihr lügt! Was ist mit Euch selbst? Wenn ihr Drachen nicht frei seid, wer dann?“
„Wir Drachen sind die Unfreiesten von allen,“, rief der Drache. „Denn in unseren Herzen liegt der Ruf des Goldes. Wir hören seinen Gesang, wie es uns zuflüstert, in unseren Träumen wispert. Unsere Begierde gehört ihm, und so bindet es uns. Nein, wahrlich, wir sind nicht frei.“
Enttäuscht ließ das Mädchen den Kopf sinken und starrte auf den Boden. War das Leuchten, das die Höhle erfüllte, wirklich das Leuchten von Pflanzen, oder war es der helle Glanz von des Drachen größtem Wunsch? So erkannte die Fürstentochter in dieser weiten Halle, dass selbst die Weisesten nicht ohne Wünsche sind.

„Seht, Menschenmädchen, ich habe nur eine Freiheit kennen gelernt, doch diese ist nicht erstrebenswert, sie ist keine wirkliche Freiheit.“
„Sprecht weiter, Edler,“, warf das Mädchen ein, erfüllt von neuer Hoffnung.
„Wie Ihr wünscht, dennoch tue ich es nicht gerne. Freiheit – es bedeutet, keine Sorgen zu haben, ungebunden zu sein und mehr. Ihr wollt von Euren Sorgen befreit werden, und von vielen Herzen fiel alle Sorge ab, in dem Moment, als sie starben.“
„Der Tod?“ fragte das Mädchen angstvoll. „Nein, den Tod wünsche ich mir nicht. Vor ihm habe ich die größte Angst.“
„So sei es, denn es ist gut so. Es tut mir leid, dass ich Euch nicht helfen konnte.“
„Quält Euch nicht, Edler, es half mir dennoch, denn ich redete darüber. Es schmerzt mich nur, dass ich nun wieder zu meines Vaters Schloss zurückgehen muss. Und der Gedanke, dass es eine Zeit gab, da ich es gerne tat.“
„Wenn Ihr es wünscht, kann ich Euch trotz allem in ein anderes Wesen verwandeln. Ihr würdet nicht die Freiheit besitzen, um die ihr gebeten habt, doch vielleicht wärt Ihr glücklicher.“
Sie blickte zu dem Drachen auf, wie er stolz auf dem Altar saß und sah in seine Augen. Sie waren silbern, glänzend und in ihnen lag die Weisheit von alten Legenden.
„Sagt, Edler, wie stark ist der Ruf des Goldes?“

 

Hallo und herzlich willkommen auf kg.de!

Nun, ich sehe in Deiner Geschichte einige Widersprüche. Es beginnt mit dem unten genannten am Anfang der Geschichte und setzt sich mit dem "Eingesperrtsein" fort. Wieso ist die Prinzessin gefangen, wenn sie zur Höhle des Drachen gehen kann (und auch noch ohne Schutz durch Wächter). Am Ende kommt dieser Satz:

Es schmerzt mich nur, dass ich nun wieder zu meines Vaters Schloss zurückgehen muss.
Wieso muss sie zurückgehen? Sie kann auch jetzt weiter fortgehen. Wenn Du dabei auf eine geistige Abhängigkeit anspielst, so kommt das meiner Meinung nach nicht richtig rüber.

So, aber jetzt zum Rest:

Das helle Licht des Tages wurde schon nach wenigen Metern vom Dunkel der Höhle verdrängt. Es schien, als hätte es Angst, weiter einzudringen, um die bösen Geister nicht in Wut zu versetzen. Dennoch konnte man sehen, denn die Wände waren von grünen, sanft schimmernden Pflanzen bewachsen, welche den Weg in das Innerste erhellten.
Ist ein wenig widersprüchlich. Entweder hell oder dunkel.

Sein schwarz geschuppter Leib glänzte und widerspiegelte dunkelgrüne Reflexionen.
... spiegelte ... wieder

Als sie bis auf wenige Meter herangekommen war, öffnete er eines seiner Augen und betrachtete sie.
Er betrachtet mit seinen Augen seine Augen? :susp: Ersetze lieber das letzte sie durch das Mädchen

Ich wünsche Dir noch viel Spaß bei uns!

 

@Abraxas: Danke für die Kritik. Ich werde die Sachen, die du erwähnt hast, umbessern.

Wieso ist die Prinzessin gefangen, wenn sie zur Höhle des Drachen gehen kann
Weil sie weggelaufen ist ;-)

Wieso muss sie zurückgehen? Sie kann auch jetzt weiter fortgehen.
Nur wird sie nicht weit kommen. Wie gesagt, sie wird verfolgt und ohne Geld wird sie auch nirgends etwas zu essen bekommen, nachdem sie als verzogene, reiche Göre nichts anständiges gelernt hat.

Er betrachtet mit seinen Augen seine Augen?
Hehe, ups :shy:

Wie lange sollen/dürfen Geschichten hier eigentlich sein? Hab ein paar mit ~20 Manuskriptseiten rumliegen. Dürften wohl zu lang sein, oder?

 

20 Seiten sind schon ein wenig lang, aber trotzdem werden sie auch gelesen. Es gibt ja auch einige lange Geschichten bei uns auf der Seite. Dauert halt länger, bis Du eine Kritik bekommst.

Und danke für die Beantwortung der Fragen!

 

Hi.

Also die Idee und der Stil Deiner Geschichte hat mir sehr gefallen. Ich konnte richtig eintauchen... Dieses Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Drachen und Mädchen fand ich sehr interessant. Und es birgt viel Wahrheit. Demnach ist Deine Geschichte weniger Fantasy sondern vielmehr Philosophie...

Was Abraxas bemerkt hat, ist natürlich richtig; ein paar Widersprüche finden sich in Deiner Geschichte. Du schreibst:

Nur wird sie nicht weit kommen. Wie gesagt, sie wird verfolgt und ohne Geld wird sie auch nirgends etwas zu essen bekommen, nachdem sie als verzogene, reiche Göre nichts anständiges gelernt hat.

Schade nur, daß das in Deiner Story offen bleibt und Du genau das leider nicht erwähnst.

Aber alles in allem hat mir Deine Geschichte ziemlich gut gefallen!

Gruß,
stephy

 

@stephy: Danke =)
Unter Philosophie passt die Geschichte meiner Meinung nach weniger hinein ... bei dieser bin ich zwar ziemlich in das Gebiet hineingekommen, aber letztendlich will ich mich meinen Geschichten mehr unterhalten als zum Denken anzuregen (obwohl das natürlich auch nicht schlecht ist).
Die Sachen, die noch unklar sind und Fragen offen lassen, werde ich ein bisschen umschreiben und genauer erklären. Das kommt davon, wenn man zu viel denkt und zu wenig davon auch hinschreibt ;-)

 

Philosophie und Fantasy passen auch ganz gut zusammen. Und das gefällt mir auch an dieser Geschichte. :)

Gruß,
Matthias

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom