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Der Würfel

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07.03.2012
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Der Würfel

Drehung rechts, Drehung links. Ne, noch mal zurück vielleicht von oben und dann, ja jetzt links. Endlich ist das rote Kästchen an seinen Platz. Wohin jetzt mit dem Blauen? Auf die andere Seite? Ja. Am besten auf die andere Seite. Und wieder los. Links. Unten. Nochmal links.
Wie lange sitzt er jetzt eigentlich schon an diesem verdammten Würfel? Ein Blick aus dem Fenster. Aber nur ein kurzer. Draußen ist alles grün. Als er mit dem Würfel anfing war es tiefster Winter. Ja es lag überall Schnee. Jetzt fällt es ihm wieder ein. In Gedanken versunken dreht er immer weiter an seinem Würfel. Heiligabend hat er ihn geschenkt bekommen. Von seiner Schwester oder Tante. Moment, er hat gar keine Schwester.
Es war einer dieser Würfel mit sechs verschiedenen Farben. Für jede Seite des Würfels eine. Er probierte ihn kurz aus, verdrehte den Würfel. Bearbeitete ihn, bis sämtliche Farben gleichmäßig auf der Kubusfläche verteilt waren. Dann legte er ihn achtlos beiseite. Kein Interesse. Weiß was Besseres mit seiner Zeit anzufangen. Am nächsten Tag war da die Nachbarin mit diesem Balg. Eine nette alte Frau. Die Nachbarin, nicht das Balg. Gratulierte zu Weihnachten und so. Während sie so redeten schnappte sich dieses unausstehliche, an Cholera und Pest erinnernde, Kind den Würfel und binnen fünf Minuten, länger kann es nicht gedauert haben, waren die Farben wieder alle auf ihren Platz.
Was für eine Anmaßung. Hat dieses Kind keinerlei Benehmen? Glaubt es etwa sich behaupten zu können? Will zeigen, wie überlegen es ihm gegenüber ist. Und jetzt auch noch die Nachbarin. Lobt es himmelhoch. Haben sie so was schon mal gesehen? Nein, so was haben wir noch nicht gesehen. So ein tolles Kind. Jetzt aber raus mit der Krätze und den Würfel her. Nochmals das homogene Farbenmuster auf den Würfel gezaubert und los geht’s. Drehung hier, drehung dort. Fünf Minuten vergehen. Optische keine Verbesserung zu sehen. Zehn Minuten vergehen. Jetzt ist es gleich so weit. Und dann wird das Ergebnis diesem Rotzlöffel von Widerwärtigkeit unter die Nase gehalten. Wäre ja gelacht. Die Zeiger auf der Uhr drehen sich unaufhaltsam. Irgendwann, er weiß gar nicht ob er zwischendurch geschlafen hat, erhellte sich der Himmel in den buntesten Farben und die Leute auf der Straße riefen sich ein Frohes Neujahr hin und her und hin und her und hin und …meine Fresse. Da war das Balg schon wieder. Wie es schon grinst. Eingepackt in seinem dicken Mantel. Zahnlückenfresse. Die Nachbarin ist auch da. Irgendwie schaut sie ihn so eigenartig an. So mit Mitleid, oder so. Egal, keine Zeit. Wichtigeres zu tun. Seitdem kommt sie immer wieder. Alle paar Tage. Stellt ihm was zu essen hin. Hat die nichts Besseres zu tun. Ich schon. Wieder eine Drehung. Keine Zeit für Nahrungsaufnahme. Der Würfel hat mehr Priorität. Noch ein bisschen drehen. Blau, Gelb, Grün. Ein rotes. Er braucht das Rote. Da ist es. Drehen, drehen. Mist, die anderen roten sind wieder durcheinander. Eigenartig, wie schnell so Fingernägel, wachsen. Faszinierend. Muss er sich merken. Nachher. Manchmal ist diese diabolische Erbkrankheit bei der Nachbarin mit dabei. Hat er im Augenwinkel gesehen. Wart nur ab, schickt er diesem Satansbraten in Gedanken. Er weiß genau das Kind kann sie lesen. Dann aber um sein Gehirn dagegen abzuschirmen schnell: dingdong die Hex´ist tot, ding dong die Hex ist tot, …
Doch jetzt ist es soweit. Jetzt wo die Sonne draußen scheint. Noch einmal hier gedreht und dann dort gewendet. Jawohl, ein triumphierendes Lächeln huscht über sein Gesicht. All dies Leid. Körperliche Entbehrungen. Die Füße schmerzen, als sie nach undenklichen Zeiten erstmals wieder zum Einsatz kommen. Aber, stopp. Die letzte, die alles Entscheidende Drehung. Die Nachbarsplage soll sie genau sehen. Schnell auf die Terrasse. Ah, Balg ist da. Es schaut ihn an. Ganz Finster schaut es. Weiß ganz genau, dass es verloren hat. Moment, zu köstlich. Das muss auf Zellophan für die Ewigkeit. Die Videokamera. Wo hat er sie hingeräumt? Genau, am Dachboden. Würfel auf den Tisch, schnell reingehuscht. Kamera sofort gefunden. Wieder schnell in den Garten. Wo ist das Kind? Dort, am Busch, direkt beim Zaun. Verwirrung in seinen Augen. Was ist das Balg jetzt so, so, .. so zufrieden? Sein Blick fällt auf dem Würfel. Keine Fläche mehr mit einer einheitlichen Farbe. Total durcheinander. Die ganze Mühe. Zerstört in diesem kurzen Augenblick. Was bleibt ihm anderes übrig.

Drehung rechts, Drehung links. Ne, noch mal zurück vielleicht von oben und dann, ja jetzt links…
.. das gelbe Feld…
… eben noch einmal von vorn, und dann wird es diesem Balg gezeigt.

 

Hallo teeth!

Eine gut geschriebene Geschichte, aber wirklich lachen konnte ich nicht.
Nun ist Humor bekanntlich Geschmackssache, aber ich hätte die Geschichte eher als Drama gesehen bzw. in den Bereich "Seltsam" gestellt.

Den Wahn und die Vereinsamung des Protagonisten stellst du gut dar, großes Lob dafür. Psychisch angegriffene Charaktere gut darzustellen ist nicht einfach. Aber für eine humorvolle Geschichte ist es für meinen Geschmack zu ernst. Es scheint, als würde die Geschichte zwangsläufig ein übles Ende nehmen, egal wie banal der Anlass auch sein mag.

Die Titelwahl finde ich ebenso wie Wortwahl und Stil sehr gut. Der Text liest sich flüssig und nimmt den Leser mit.

Fazit:
Mich hat's eher nachdenklich gemacht - im positiven Sinne. Aber als Humorgeschichte würde ich es nicht einschätzen. Trotzdem sehe ich viel Potenzial in dem Text und deinem Schreibstil!


Der Pelzfisch

 

Hallo teeth

Am Ende deiner Geschichte hatte ich ein beklemmendes Gefühl in mir.
Lachen befreit doch eher, habe aber nicht lachen können.
Keine Kritik an der Geschichte, ehrlich nicht. Vielleicht eine andere Rubrik?

Erbkrankheit.
Der war gut. Wenn man mal darüber nachdenkt, genau der richtige Begriff.

Deinen Schreibstil mag ich. Bin ein großer Fan von H. Evers. Die Form spart Wiederholungen, gibt dem Ganzen drive und ich glaube er unterstützt humorige Stücke. Glauben, keine Naturkonstante. Wenn es denn eine lustige Geschichte ist.

-...Das muss auf Zellophan...-
War das ein Witz?
Zelluloid? Im Videorekorder.
Herzlichen Glückwunsch, geht doch.

Also nochmal, die Geschichte ist gut.
Immer hört man von Schauspielern, ...Leute zum Lachen zu bringen, sei das Schwierigste.

Viel Spaß beim Schreiben
Fion

 

nun denn,

ich verstehe, dass die verschrobene Art des Protagonisten nicht wirklich zwingend zum Lachen bewegt. Ich habe mich auch erst für die Rubrik Humor entschieden, nachdem ich etwas wie Grotesk nicht gefunden hatte.

Im nachhinhein stimme ich zu das Seltsam wohl noch am ehesten den Nagel auf den Kopf trifft und unter Umständen kann dies noch geändert werden, damit keine falschen Erwartungen bei den Lesern und dem angebotenen Text zu finden sind. Auf die schnelle habe ich jetzt nichts gefunden.

Ansonsten vielen Dank für die positive Resonanz.

P.S.: Die Videobänder in Kameras älterer Bauart, verwendeten eine Form des Zelluloid um die Bilder zu speichern.

 

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