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Der Wächter von Nayon

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07.04.2012
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Der Wächter von Nayon

Mata sitzt wie jeden Tag auf seinem Stein vor dem Eingang der Höhle, die den Schatz beherbergt. Er ist sein Wächter. Niemand weiß, wie lange schon. Es gibt unten im Dorf den alten Nakatatanda, den Dorfältesten. Er erzählt, dass Mata schon so da saß, seit er als kleiner Junge Speisen zu Mata tragen musste.
Und auch Nakatatandas Vater erzählte die Geschichte und dessen Vater. Jedoch, schaut man in Matas Antlitz, hält man ihn für einen jungen Mann. Nur die dunklen Augen verraten sein biblisches Alter.

Ein paar Schritte abseits, neben dem Quaderstein, der als Tisch dient, sprudelt eine kleine Quelle. Im hinteren Teil der Höhle war noch vor dem großen Ausbruch des Kanlaon, ein Fach in den Fels geschlagen worden, in dem seither eine schwarze Kiste aus Eisenholz steht. Einer alten Sage nach, stammt es von einem Baum, der einst im Garten Eden wuchs. Die Kiste ist mit sieben Riegeln verschlossen.
Mata selbst weiß nichts über seine Herkunft, er kennt weder Eltern, noch Lehrer. Niemals hat er diesen Ort verlassen. Er ist der Bewahrer des Schatzes von Nayon.

„Magandang gabi po“, Bata, ein Junge von sieben Jahren, faltet die Hände vor der Brust und verbeugt sich. In einem geflochtenen Korb bringt er jetzt am Abend, die Nahrung für den ganzen Tag.
„Dir auch einen guten Abend, stell die Sachen nur auf den Stein.“ Mata deutet auf den Felsblock neben der Quelle. Bata ist ein Enkel Nakatatandas, die Träger des Essens kommen alle aus dieser Linie. Bata ist stolz, Mata dienen zu dürfen. Kein anderer darf das, bis Bata zwölf Jahre alt ist, dann bestimmt Nakatatanda einen neuen Träger.
Mata erhebt sich und verbeugt sich vor dem Kind, welches kurz darauf mit dem leeren Korb den Heimweg nach Nayon antritt.

„Hindi dumating bukas“, ruft der Wächter dem Jungen hinterher. Das Kind erschrickt und schaut zu Mata.
„Morgen nicht?“, fragt es ungläubig.
„Geh jetzt, Magandang gabi.“ Mata verbeugt sich ein letztes mal. Der Junge ist unfähig, den Gutenachtgruß zu erwidern, lässt den Korb fallen und rennt weinend hinunter nach Nayon.

Die Höhle zu bewachen macht keinen Sinn mehr. Mata füllt einen Beutel mit Nahrung, hängt ihn sich über die Schulter und macht sich auf den Weg.

In der Nacht zuvor, war ihm der Matalino erschienen, der weise Mann. Er zeigte nur auf den Boden vor der Höhle. Mata war aufgestürmt und sah nach der Schwarzen Kiste, aber die Felsennische war leer. Dann untersuchte er die zahlreichen Spuren in dem weichen Sand vor der Höhle. Abdrücke eines Lastkarrens, eines Esels, Mäusen, Ratten und einer Schlange. Und dann noch kleine Hufspuren eines Zweibeiners. Es gibt keinen Zweifel, das war das Werk Tuwangs, dem ersten Teufelskind. Vor einigen Jahren erschien es vor der Höhle und stierte mit schiefem Hals hinein, an Mata vorbei. Dabei machte Tuwang aus seiner Begierde keinen Hehl und führte einen regelrechten Veitstanz auf. Sein Grölen vermischte sich mit den grässlichen Lauten seiner Tiere.
Tuwang ist klein und gedrungen von Gestalt, halb Mensch halb Tier, mit Hufen, Hörnern, einer feuerroten, verzerrten Fratze, bucklig und mit grauem Fell überzogen. Er verbreitet immer den Dunst von Schwefel. Mischt er sich unters Volk, muss er sich verkleiden.
Seine Tiere aber, ausgenommen der Esel, sind für die Einwohner unsichtbar. Tuwang ist listig und kann Menschen, durch seinen Blick allein, in willenlose Sklaven verwandeln. Hernach lässt er sie geistesschwach zurück.
In der Nähe des Vulkano Kanlaon gibt es eine Öffnung im Boden, die so tief ist, dass man den Grund nicht sehen kann, auch dann nicht, wenn man Fackeln hinein wirft. Das Loch ist sagenumwoben, man nennt es den Ort, wo der Teufel seine Kinder kriegt. Mutige, die ihrer Liebsten imponieren wollten und hinein kletterten, kehrten als bösartige Wesen wieder, die von den Umstehenden zurückgestoßen wurden.

Tuwang weiß, das er umgehend verfolgt wird und dass Mata alle Mittel einsetzen wird, den Schatz zurückzugewinnen. Deshalb wird es ihn an den Ort seiner Herkunft ziehen. Es ist seine allernächste Zuflucht: Bumaho Butas, das stinkende Loch.

Zwei Tage und Nächte ist Mata schon unterwegs durch den philippinischen Dschungel, unterbrochen durch Ebenen mit mannshohem Gras und zermartert sich den Kopf, wie er Tuwang die schwarze Kiste wieder abjagen kann.
Es ist jetzt wieder Nacht geworden und Matas außergewöhnliche Sinne schlagen an. Er bleibt stehen und lauscht. Aus der Ferne kommt das unterdrückte Schluchzen einer Frau. Geräuschlos nähert er sich einem jungen Mädchen, das sich unter einem überhängenden Felsen ein nächtliches Lager bereitet hatte. Es weint bitterlich. Um niemanden anzulocken, macht sie es so leise sie kann.
‚Es könnte eine Sanny sein, eine Teufelin, zurückgelassen um mich aufzuhalten’, denkt Mata und ist auf alles gefasst, als er sie anspricht:
„Warum weinst du?“
Sie zuckt zusammen und verstummt. Ihre Augen suchen in der Dunkelheit und sehen nichts. Mata sieht ihre Angst.
„Wie heißt du?“, spricht er sie erneut an, diesmal etwas freundlicher.
„Maganda Batang Babae“, erwidert sie mit spröder Stimme.
„Und woher kommst du, schönes Mädchen?“, fragt er in spöttischem Tonfall.
„Ein Name ist ein Name, man gibt ihn sich nicht selbst!“, erwidert sie ärgerlich.
„Na gut“, lenkt er ein, „deine Eltern haben ja recht behalten.“
„Hatten...“
„Was ist passiert?“
„Mein Vater besaß ein kleines Schifferboot, in Cadiz Lungsod, oben an Buglas nördlichster Küste.“ Sie zieht ihre Decke fester um die Schultern, um die kalte Nachtluft abzuhalten. „Eines Tages kamen sie nach einem Taifun nicht zurück. Vater, Mutter und zwei ältere Brüder sind ertrunken.“ Sie macht eine Pause und schluchzt leise. „Ich blieb mit zwei jüngeren Brüdern zu Hause. Meine Eltern waren arm, aber jetzt haben wir gar nichts mehr und sind seither zu dritt auf der Suche nach einem Platz für uns.“ Sie steht auf und obwohl sie einen Finger breit größer ist als Mata, sehen ihn ihre großen Augen von unten her an.
Der Wächter wird misstrauisch:“Ich sehe keine Brüder!“ Seine Stimme wird schärfer.
Da entgegnet sie verschlagen: „Hättest du hinten Augen, wäre das anders!“ Sie hofft, dass er sich umwendet und will den Moment zur Flucht nutzen. Aber Mata wäre nicht der Wächter von Nayon, fiele er auf so etwas herein. Er packt sie an den Handgelenken, bevor sie reagieren kann und zieht sie langsam zu sich heran.
Da schluchzt sie hemmungslos in seinen Armen und er tröstet sie. Doch jäh überwindet sie diesen schwachen Moment und wird wütend.
„Lass mich los!“, protestiert sie. Mata bekommt einen Tritt vor das Schienbein. Er gibt sie frei: „Pack deine Sachen!“
„Aber es ist so finster, ich sehe absolut nichts“, wendet sie ein.
„Mein Name ist Mata ng ang Buho (Eulenauge). Ich sehe so gut wie am Tage, beeil’ dich.“
Bald darauf wandern sie, er vorneweg, durch die Nacht, dabei hält sie sich hinten an seinem Gewand fest. Nachdem sie ihm jedoch ein paar mal auf die Verse getreten ist, nimmt er sie an die Hand und sie gehen nebeneinander. Da der Pfad schmal ist, berühren sie sich beim Gehen an ihren Seiten, mal hier, mal dort, aber jetzt schlagen sie andauernd mit den Ellbogen zusammen. Bald rücken sie ganz nah aneinander und gehen Arm in Arm. Es ist ein langer Marsch. In dieser Nacht erzählen sie sich alles voneinander, danach fällt ihr langes Haar auf seine bloßen Schultern.

In der Morgensonne kommen sie an einen Wasserfall, der aus felsiger Höhe in einen Teich rauscht. Am Ufer entkleiden sie sich und baden abwechselnd. Jeweils einer von ihnen hält von einem umgestürzten Baum aus Wacht über Krokodile. Jedenfalls war das so abgemacht, aber als Mata auf Krokodile achten sollte, schaut er nur auf ihren makellosen nackten Körper.
Sie bemerkt das, lächelt und sagt in kindlichem Tonfall:"Na? Siehst du schon ein wildes Tier?"
Er fühlt sich ertappt und wird verlegen.
Als klar ist, dass keine Krokodile in der Nähe sind, baden sie doch noch gemeinsam. Maganda reißt etwas Seifenkraut aus und walkt es solange bis es schäumt, sie teilt es mit ihm.
Danach sitzen sie nahe beieinander am Ufer, essen von der gehaltvollen und seltenen Lanzonesfrucht und die Sonne lächelt auf das Wasser.
„Tuwang wird nicht auf mich warten“, drängt er, „wir müssen uns beeilen.“
„Aber irgendwann müssen wir schlafen“, gibt sie zu bedenken, dabei kniet sie vor ihm, „nachdem, was ich von Tuwang weiß, ist er dumm, faul und ein Lebemann.“ Sie kann sich kaum von Matas Augen lösen, steht auf und zieht sich an. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir ihn schon in der nächsten Ortschaft antreffen. Er hat sich bestimmt die ganze Nacht mit den Wirtstöchtern vergnügt, sich der Völlerei hingegeben und durchgesoffen, jetzt schläft er bis in die Puppen.“
„Wie dem auch sei“, erwidert er, „von hier aus der Ferne, kann ich gar nichts machen.“

Wieder auf dem Weg brennt Maganda eine Frage auf der Zunge: „Mata, sage mir noch eines, wie konnte es diesem dummen Tolpatsch Tuwang gelingen, zweimal unbemerkt an dir vorbeizukommen und dann auch noch mit einer schweren Kiste?“
„Weil ich gar nicht da war.“
Maganda stutzt: „Aber ich dachte ... “
Maganda, Liebes, du kannst dir vorstellen, dass eine Seele nicht Ewigkeiten immer nur an einem Ort verbringen kann, sie würde vertrocknen, wie ein Bächlein in der Wüste“, er macht eine kurze Pause, „Ich saß des nachts zwar körperlich anwesend auf dem Stein vor der Höhle, aber mein Geist war frei. So habe ich alle Nächte lang diese Insel erkundet und kenne hier jeden Kieselstein“, er atmet tief durch und schaut zu Maganda, „auch die Menschen in der Umgebung Nayons kenne ich besser als ihre engsten Angehörigen.“ Er bleibt stehen und nimmt ihre Hände. „Ich war anwesend bei Gesprächen im Wirtshaus, wenn jemand starb, auf Hochzeiten, Streitigkeiten und Versöhnungen.“
„Ich verstehe“, sagt sie, „das ist also der Ausgleich für die eintönige Wache Tag für Tag.“
„So kann man das sehen“, erwidert er, „eigentlich habe ich nur wenig Zeit in meinem Körper zugebracht, wollte ich mich entfernen, bin ich im Geiste als Hornvogel um die Höhle geflogen und konnte so sehen, ob ich allein war. Näherte sich jemand, war ich blitzschnell wieder anwesend.“
„Und das hat Tuwang irgendwie herausgefunden und ausgenutzt. Schließlich hat er dunkle Zauberkräfte und kann sich so vor dir verbergen.“
Sie füllen ihre Beutel mit reifen Apfelsinen, Bananen, Trauben und den pflaumenartigen Lanzones und ziehen weiter. Der schmale Dschungelpfad führt entlang des Baches, der aus dem Teich gespeist wird. Gegen Mittag erreichen sie ein Dorf. An dessen Rand kommen ihnen Kinder entgegen gelaufen, die sie umringen.
„Wie heißt euer Dorf?“, fragt Maganda.
„Matamis!“, rufen alle durcheinander, „Matamis, Matamis!“
„Süßes Dorf?“, wundert sie sich, „wahrscheinlich lebt man hier vom Zuckerrohr.“
Während die Kinder um sie herumtollen, erreichen sie den Marktplatz des kleinen Dorfes. Er ist brechend voll mit Menschen. Scheinbar war man aus dem weitläufigen Umland hier zusammengekommen, um Geschäfte zu machen. Es ist ein Schnattern und Feilschen, Rufen und Klappern. Hier kann man vom Esel bis zum Hühnchen, von Stoffen bis Werkzeugen, Krüge, Früchte, Zuckerrohr, Schuhe, Kokosnüsse, einfach alles erwerben.

Sie tauchen in die Menschenmenge ein. Auch Mata kauft ein paar Kleinigkeiten, er bezahlt mit der herzhaften Lanzonesfrucht aus seinem Tragebeutel. Da spricht ihn ein Händler an: „Diese Frucht wächst nur am Wasser des Friedens. Wenn ihr dort gebadet habt, hattet ihr sehr viel Glück. Es ist das einzige Gewässer in weitem Umkreis, das nicht mit Krokodilen verseucht ist.“ Der Händler stutzt und schaut Mata genauer an, dann erhellt sich sein Gesicht und er ruft laut über den ganzen Platz:„Der Wächter von Nayon! – der Wächter von Nayon! – kommt alle her. Er hat bei mir gekauft – seht her!“ Dabei hält er seine Hände wie ein Sprachrohr an den Mund und ruft in alle Richtungen.
Da geht ein Raunen durch die Menge und immer mehr rufen: „Der Wächter von Nayon!“ Da Mata der bei weitem angesehenste Mensch weit und breit ist, dauert es nicht lange, und sie heben ihn auf einen eilig freigeräumten Verkaufsstand. Er muss zu den Menschen sprechen.
Aus erhöhter Position beschwichtigt er mit Gesten und erklärt mit wenigen klaren Worten den Anlass seiner Reise. Man hört gespannt zu, da kommt aus der Menge ein Rufen, dass im Wirtshaus ein buckliger Zwerg eingekehrt sei. Er werfe mit Münzen nur so um sich. Dabei habe er sonderbare Kleidung an, eine Kapuze verberge sein Gesicht.
Aus der Menge kommen immer mehr wütende Rufe, alle wollen dem Wächter helfen. Beschwichtigungen von Seiten Matas bewirken nichts. Grölend und schreiend ziehen die Dorfbewohner Fäuste schwingend durch die Straßen in Richtung Wirtshaus. Das Dorf besteht aus einfachen Holzhütten und auch der Gasthof verdient seinen Namen nicht. Er ist nur wenig größer als die anderen Gebäude und hat nur einen Raum, in dem sich alles abspielt.
Als sie ankommen steht vor dem Holzbau ein kleiner Eselskarren mit einer schwarzen Kiste darauf. Daneben steht der bucklige Zwerg. Die kurzen Stummelarme um die Schultern zweier halb nackter Dirnen gelegt, die ihm irre grinsend, zu Füßen liegen.
Er ist nicht sehr beeindruckt. Behände schwingt er sich auf die Kiste, wendet sich seinen Verfolgern zu und streift langsam die Kapuze nach hinten.

Die Menschen erstarren augenblicklich. Sie winden sich wie unter Schmerzen, können kaum aushalten, was sie sehen. Es sind nicht die Hörner, die sich nacheinender durch die Stirn bohren, auch nicht das tiefe Grunzen.
Hass und Verachtung schlägt den Menschen entgegen, die seine Fratze erblicken. Augenblicklich spüren alle die Gefahr, in der sie schweben.
Während Tuwang auf der Kiste thront, gibt er dem Esel ein Zeichen und der Karren setzt sich in Bewegung. Die Tiere aber, machen groteske Verrenkungen und Geräusche.
Sie schwanken zwischen Gehorchen und Rebellieren.

Endlich hat sich Mata durchgekämpft. Er sieht auch die Mäuse und Ratten, ohne die Tuwang keinen Schritt macht, sie mischen sich unter das Volk und beißen um sich. Die Schlange kriecht in die Hosenbeine, bevor sie zuschnappt. Panik kommt auf. Mata nimmt eine lange, dünne Eisenstange, die er auf dem Markt erworben hatte und spießt damit die Tiere auf. Das dauert eine Weile, so dass der Karren schon unbemerkt abgebogen ist. Das Volk ist verunsichert. Maganda ist nachgekommen, beide suchen in den Straßen.
Tuwang scheint noch ein zweites mal abgebogen zu sein, denn er ist nicht mehr zu sehen. Die Dorfbewohner haben sich gefangen und sucht mit, da kommt auch schon Geschrei von hinten. Man ruft nach dem Wächter. Mata und Maganda kommen hinzu und finden den Karren umzingelt. Auf dem Sitzbock greift Tuwang in die Taschen und wirft kleine Kieselsteine unter die Leute, die sich beim Auftreffen mit lautem Knall in Feuerbälle verwandeln und in tausend Stücke zerplatzen. Jedes einzelne bildet wiederum in einen Feuerball. So entsteht eine Schneise, durch die er fliehen kann.
Vor Angst und Schmerz jammert der arme Esel und schlägt hinten aus, aber er galoppiert los, als ginge es um sein Leben. Die Verfolgung geht weiter.
„Kommt ihm nicht zu nahe!“, ruft Mata seinen Mitstreitern zu, „Er könnte euch sonst in seinen Bann ziehen!“

Da kommt ein kräftiger junger Mann auf den Wächter zu, er hat ein längeres Seil dabei, das an einem Ende einen stabilen Eisenhaken hat. Ein anderer reitet auf einem jungen Esel herbei. Sie sind Brüder, wechseln ein paar Worte und der Reiter übernimmt das Seil. Mit einem Spurt durch eine Seitengasse überholt er den Karren weit genug, um das freie Ende an einem Baum zu befestigen, bevor der Teufelskarren an ihm vorbei holpert. Jetzt lässt der Mutige den Haken wie eine Schleuder über seinem Kopf kreisen. Als Tuwang auf seiner Höhe ist lässt er los und der Haken saust am Kopf des Monsters vorbei. Zwischen dem Zugtier und dem Karren verheddert er sich an der Ladefläche. Das Seil spannt sich und mit einem Krachen bricht ein Brett entzwei. Der Haken aber wird hochgeschleudert und fliegt zur Seite, ohne weiteren Schaden anzurichten. Tuwang jault zwar kurz auf, aber der Karren jagt unverdrossen weiter.

Erst als der Esel ermüdet, wird das Gespann allmählich langsamer. Die Menschen des Dorfes laufen hinterher. Sie sind jetzt schon viele Kilometer außerhalb der Ortschaft.
„Wenn das so weitergeht“, keucht Maganda atemlos, „dann erreicht er das Teufelsloch, bevor wir die Kiste wiederhaben.“

Da ist es schon in Sichtweite, vielleicht noch ein paar hundert Meter und der Schatz ist auf immer verloren. Tuwang drischt auf das Zugtier ein.
Während die Verfolger völlig entkräftet nach Luft schnappen, erreicht Tuwang das Teufelsloch, springt ab und beginnt sofort wie wild an der Kiste zu zerren, um sie von der Ladefläche zu ziehen. Die Kiste poltert auf die Erde und Tuwang schleift sie zum Rand des Loches. Eine Ecke steht schon über der Öffnung. Dann rennt er herum und versucht durch Anheben des anderen Endes, die Kiste hineinrutschen zu lassen. Die Erde bröckelt schon von der Kante in das Loch hinunter. Ein letzter kleiner Ruck fehlt noch.
Siegesgewiss genießt Tuwang seinen Erfolg und sieht triumphierend zu Mata und seinen Leuten hinüber. Provozierend langsam schiebt er die Kiste hin und her, spielt mit ihr.
Niedergeschlagen und mit hängenden Köpfen sammeln sich alle um Mata. Der sitzt völlig ruhig da. Die Jagd war erfolglos.
Sie sind nur etwa hundert Schritte vom Loch entfernt. Da fliegt wie zufällig ein Hornvogel über ihre Köpfe, bunt schillernd und mit weichen Flügelschlägen, nähert er sich Tuwang, der jetzt innehält und hochschaut. Plötzlich huscht eine Fratze der Erkenntnis über das Gesicht des Monsters und es kommt sofort Bewegung in seinen kräftigen, gedrungenen Körper. Jetzt hat er es eilig mit der Kiste. Der Hornvogel ist aber schon über ihm und stößt hinunter. Mit einem verzweifelten Ruf, der über die Ebene hallt, verschwindet der große Vogel, in dem vor Schreck weit geöffneten Maul Tuwangs. Der lässt alles fallen und greift sich an die Kehle, versucht den Vogel aus seinem Rachen zu ziehen, taumelt und verdreht die Augen.
Maganda bricht leichenblass zusammen.

In der Nacht war Mata der Matalino erschienen. Er hatte ihn sehenlassen, wie ein Hornvogel in den Rachen des Monsters aus dem Flug hineinstösst. Mata konnte sich keinen Reim darauf machen und sprach mit niemandem darüber. Jetzt aber, da es die letzte Chance war Tuwang zu besiegen, musste er es riskieren. Ohne zu wissen, ob es das Richtige ist, schießt er herunter und sieht das offene Maul auf sich zukommen.
Mit dem großen Schnabel voran stößt Mata zwischen den fauligen Zähnen des Monsters hindurch in den Rachen Tuwangs.

Um ihn herum wird es still und dunkel, hier an diesem außergewöhnlichen Ort, wirken die dämonischen Kräfte der Unterwelt. Unvermittelt verwandelt sich Mata in einen Däumling. Eilig sieht er sich um. Er befindet sich in einer kleinen, hölzernen Kammer, die schwankt wie ein Fischerboot im Sturm. Weiter hinten ist eine alte, ausgetretene Treppenstiege, dort sitzt normalerweise das Hirn! Mata blickt sich um und sieht hinter sich die klappernden, schwarzen Zähne des Monsters. Schon dringen die dicken Krallen ein und greifen nach ihm. Da stürzt Mata die Stiege hoch und kommt in ein Gewölbe aus Knochen, es ist die leere Schädelhöhle des Teufelskindes. Es riecht nach Moder. Von der Decke hängen faulige Fetzen herunter.
Weiter hinten sieht Mata zwei riesige glibbernde, durchsichtige Kugeln, durch die etwas trübes Licht hereinscheint, es sind die Augen. Davor steht so etwas wie ein Webstuhl, mit vielen Hebeln und Schaltern, alle verbunden mit Schnüren und Riemen die durch Schächte im Boden nach unten führen.

Und dann sieht Mata den Homunculus …

Nicht größer als Mata und ein Ebenbild Tuwangs, sitzt er vor dem Webstuhl und hat Hände und Füße auf Pedalen und Hebeln, mit denen er seit Jahrhunderten dieses Monster steuert. Der Homunclus wendet sich um und blickt hasserfüllt zu Mata.
Mata begreift sofort, dass der Humunculus der wahre Teufelssohn ist: Des Teufels erstes Kind ist eine klägliche Missgeburt! Um das zu vertuschen hat der Leibhaftige für seinen Sohn diese mechanische Puppe des Tuwang gebaut.

Homunculus bedient seine Hebel mit Geschick, da drehen sich die riesigen Augäpfel nach innen und fokussieren sich auf Mata. Feuerbälle schießen aus ihnen und schlagen in die Wand des Knochengewölbes ein, weil Mata, dank seiner Sinne, vorher zur Seite springen konnte. Die Riesenpuppe wird erschüttert und taumelt. Da springt Mata mit einem Satz zwischen die riesigen Augen. Homunculus bedient sofort seine Hebel und lacht auf. Die Augäpfel richten sich auf Mata und berühren ihn fast. Die Pupillen werden kleiner und feuern. Mata ist aber schon blitzschnell hinter den Homunculus gesprungen und die Feuerbälle zerstören sich gegenseitig in einer gewaltigen Explosion.
Die Dorfbewohner sehen nur die glibberigen Augäpfel aus ihren Höhlen platzen und wenden sich angewidert ab.
Mata sieht überall Risse in der Knochendecke, die schon beginnt zusammenzufallen. Er nimmt Anlauf und springt mit seinen Füßen gegen den Kopf des Homunculus, der ungläubig durch die leeren Augenhöhlen starrt und sieht, wie seine Puppe auf den Rand des Loches zuwankt. Dann bekommt er den Stoß Matas und sinkt benommen zur Seite.
Mata zieht den Homunculus von seinem Sitz und stellt sämtliche Hebel nach vorn. Da macht die mechanische Puppe des Tuwang einen großen Sprung, mitten in das tiefe Erdloch des Teufels.

Matas Leute schreien auf. Maganda weint und schluchzt. Ihr Geliebter ist auf immer fort, kaum dass sie ihn fand. Aus dem Loch kommt ein dumpfes Poltern, gefolgt von einem Erdstoß. Es steigen Schwefeldämpfe auf und es dröhnt entsetzlich.
Da schießt ein bunter Hornvogel aus der Tiefe und flattert auf Maganda zu.
Der Jubel ist unbeschreiblich. An den einen Fuß des Vogels klammert sich ängstlich ein mausartiges Wesen, das mit aufgerissenen Augen nach unten schaut. Da verschwindet der bunte Vogel noch im Fluge und Mata erhebt sich. Das kleine Wesen purzelt in das weiche Gras.
Der Esel, dessen Karren zu Staub zerfallen ist, kommt angelaufen, schnuppert am Homunculus und niest drei mal. Mit der Zerstörung der Puppe fiel auch der böse Zauberbann vom Homunculus ab, der jetzt völlig zahm und harmlos ist.
Eilig laufen die Männer und nehmen die Kiste in Gewahrsam. Alle sind erleichtert und fallen sich in die Arme. Nachdem der Schatz in Sicherheit gebracht ist, öffnet Mata die sieben Damastzehner-Riegel, um zu sehen, ob der Inhalt unversehrt ist. Als er den Deckel anhebt, herrscht feierliche Stille.
In der Kiste befindet sich eine kurze Papyrus-Schriftrolle, die wie von unsichtbarer Hand erst beim Lesen beschrieben wird. Was man schon gelesen hat, schiebt sich nach oben und was man noch lesen will, erscheint weiter unten und wandert langsam hoch.
Als zweites hebt Mata ein goldenes, königliches Zepter heraus, welches ganz von allein in der Luft schweben bleibt, wenn man es loslässt.
Auf dem Kistenboden steht ein Kelch aus reinem Gold, in dem Blut ist, hellrotes, frisches, flüssiges Blut. Man kann es nicht ausgießen, es bleibt immer am Grund des Kelches, auch wenn man ihn auf den Kopf stellt.
Als viertes kommt eine metallene Laterne zum Vorschein, auf der Bilder eingraviert sind. Man kann sie senkrecht aufstellen und den Schirm drehen. Dabei erscheinen immer neue Bilder. Dreht er sich schnell, bewegen sich die Figuren auf dem Metallschirm, als lebten sie.
Aber die Zeichen auf der Rolle kann niemand lesen und die Bilder versteht keiner, so dass die Heiligtümer ehrfürchtig zurückgelegt werden.
„Wir haben nun gesehen, dass alles unversehrt ist“, erklärt Mata, „aber diese Dinge brauchen einen Ort und eine Zeit des Verstehens. In ferner Zukunft wird man danach suchen.“

Abwechselnd tragen sie den Schatz nach Matamis, Unterwegs singen sie Loblieder auf Mata. Im ‚Süßen Dorf’ angekommen, nimmt Mata seine Maganda zur Frau und es wird drei Tage lang gefeiert. Der Esel des Tuwang folgt ihnen auf Schritt und Tritt. Homunculus reitet auf ihm, meistens sitzt er zwischen den Ohren. Die beiden haben ihren Frieden gemacht und außerdem hat das Teufelchen panische Angst, vom Mäusebussard erwischt zu werden.
Es wird ein neuer Karren für die Kiste gebaut und freiwillig von einem glücklichen Esel gezogen. Die Dorfbewohner wollen Mata und Maganda gar nicht gehen lassen, doch es muss sein. Die zehn kräftigsten Männer begleiten den kleinen Zug ohne Zwischenfälle bis zur Höhle von Nayon.
Dort angekommen sehen sie den kleinen Bata auf dem Stein sitzen, so wie vorher Mata. Das Kind springt auf und fällt Mata in die Arme. Als die zwei stärksten Männer die Kiste auf ihren Platz heben wollen, müssen sie erst eine von Kinderhand gebastelte Schachtel dort herunternehmen. Bata hat sie dort stellvertretend bewacht.

Bata ist nun der neue Wächter von Nayon. Mata bringt ihm alles nötige bei und überträgt ihm auch seine ungewöhnlichen Sinne und Kräfte. Für ein Fischerleben in Cadiz Lungsod reicht es auch so.

Mata ng ang Buho und Maganda Batang Babae leben jetzt glücklich in dem kleinen Dorf an der Nordküste Buglas und haben viele Kinder. Und jeden Abend wartet der Esel am Strand auf die Rückkehr der Boote, während Humunculus ihn zwischen den Ohren krault. Die beiden sind unzertrennliche Freunde geworden.
Der kleine Homunculus aber, wird mit der Zeit der Liebling aller Kinder. Sie setzen ihn auf den Arm und er krabbelt auf ihre Schultern und zupft am Ohr. Keiner kann glauben, dass er einmal so böse war.
Nur in den Vollmondnächten merkt man ihm seine Herkunft an. Dann stapft er in seinem Käfig auf und ab und flucht die ganze Nacht auf derbste Art und Weise vor sich hin, wo er doch sonst nie sprach.
Eines Morgens, nach einer stürmischen Vollmondnacht, findet Mata den Käfig aufgebrochen vor.
Auf einem Sonnenfleckchen in der Nähe räkelt sich zufrieden ein schwarzer Kater, leckt sich die Pfötchen und schnurrt leise vor sich hin ...


+++

Übersetzung:

tagalog (Zentralphilippinen) - deutsch

Mata – Auge
Buho – Eule
Nakatatanda – Dorfältester
Nayon – Dorf
Magandang gabi po – Guten Abend
Bata - Kind
Hindi dumating bukas – Komme morgen nicht
Magandang gabi – Gute Nacht
Matalino – weise
Tuwang – Joch
Kanlaon – Schildvulkan auf Negros (viertgrößte Insel der Philippinen) http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Mount_Canlaon.JPG&filetimestamp=20091002182223
bumaho – stinken
Butas – Loch
Sanny – aus dem hebräischen, weibl.Gestalt des Teufels
Maganda – schön
Batang babae – Mädchen
Buglas – abgeshnitten (alter einheimischer Name für heute: Negros
Lungsod – Stadt
Matamis – süß

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Elfenweg,

Ich habe schon zahlreiche deiner Geschichten gelesen, „Luigi“ mochte ich besonders gerne.
Das hier ist wieder eine schöne Geschichte von dir, die ich gerne gelesen habe, aber es gibt auch zu meckern und aus meiner Sicht eine Menge zu verbessern.

Deinen Stil mag ich gern, er ist sehr ruhig, die Szenen entfalten sich vor einem wie ein Bilderbogen. Das hat andererseits manchmal den Nachteil, dass es ein wenig langatmig wird.
Hier hatte ich leider auch das Problem mit den fremden Namen und Zitaten kämpfen zu müssen. Hinten folgt zwar die Übersetzung, aber es reißt einen doch etwas aus dem Lesefluss. Die fremde Sprache gibt der Geschichte natürlich eine gewisse Authentizität, doch vielleicht findest du einen Mittelweg?

Der Anfang der Geschichte hat mich leider nicht so richtig überzeugt. Das ist schon sehr langsam. Es gibt für mich keine Spannung, wegen der ich hätte weiterlesen mögen. In der Kombination mit den fremden Worten ist das schon gewöhnungsbedürftig. Hab trotzdem weitergelesen, weil ich dich kenne, vielleicht ist ja der Anfang zumindest ein Grund, weshalb bisher keiner kommentiert hat? Wäre schade, denn die Geschichte geht ja weiter und da ist sie ja schön.

Hab leider auch keine Idee, was man an dem Anfang machen könnte, und vielleicht ist das ja auch nur meine Ansicht.
Ich habs mal ein bisschen gekürzt, bin null eingeschnappt, wenn du es doof findest, wollte mal selbst probieren, wie es klingt.

Mata ng ang Buho sitzt wie jeden Tag auf seinem Stein vor dem Eingang der Höhle, die den Schatz beherbergt. Er ist sein Wächter. Niemand weiß, wie lange schon. Es gibt unten im Dorf den alten Nakatatanda, den Dorfältesten. Er erzählt, dass Mata schon so dasaß, seit er als kleiner Junge Speisen zu Mata tragen musste.
Und auch Nakatatandas Vater erzählte die Geschichte und dessen Vater. Jedoch, schaut man in Matas Antlitz, hält man ihn für einen jungen Mann. Nur die dunklen Augen verraten sein biblisches Alter.


Dann folgt das Verschwinden des Schatzes und die Rückblende auf das erste Erscheinen Tuwangs, des Teufelskindes. Ich glaube, du hältst dich da sehr an die philippinische Überlieferung. Ich finde, du hättest das Teufelskind weniger beschreiben brauchen, nicht ganz so exakt, sondern dich mehr beschränken und ihn dafür ruhig ein bisschen grusliger machen können. Er wirkt halt so einfach wie ein Teufelchen auf dope.


Zwei Tage und Nächte ist Mata schon unterwegs durch den philippinischen Dschungel, unterbrochen durch Ebenen mit mannshohem Gras und zermartert sich den Kopf, wie er Tuwang die schwarze Kiste wieder abjagen kann. Der wird sich nicht mit dem Öffnen der Kiste aufhalten, sondern so schnell wie möglich Bumaho Butas erreichen und seine königliche Beute sichern wollen. Wahrscheinlich wird er sie einfach hinunterwerfen, dann wäre der Schatz für alle Zeit verloren.

Hier könntest du aus meiner Sicht auch kürzen, denn es ist z. B. schon vorher klar geworden, dass der Teufel den Schatz ins Loch werfen wird.


In dieser Nacht erzählen sie sich alles voneinander, danach fällt ihr langes Haar auf seine bloßen Schultern.

Das ist ein schönes Bild.

Das haben sie auch bitter nötig.

Das würde ich weglassen, ist so ein bisschen drollig und passt nicht zum sonstigen Sprachduktus.


„eigentlich habe ich nur wenig Zeit in meinem Körper zugebracht, wollte ich mich entfernen, bin ich im Geiste wie ein Hornvogel um die Höhle geflogen und konnte so sehen, ob ich allein war.

Auch der Hornvogel ist ein schönes Bild.


Anonym tauchen sie in die Menschenmenge ein.

Lass das Anonym weg, denn wenn man eintaucht in eine Menschenmenge, dann ist man doch anonym.


Jetzt ist der Mob los und alles Rufen und Beschwichtigen von Seiten Matas hilft nichts.

Jetzt ist der Mob los: Die Formulierung gefällt mir nicht. Klingt zu umgangssprachlich. Außerdem ist die Menschenmenge doch auf der richtigen "Seite", warum bezeichnest du sie so negativ?

Es ist das Böse, das körperlich spürbare Böse, das diesem Wesen entströmt, wie Eiter einer Wunde. Der Sohn des Teufels hat keine Seele, denn in ihr hat nur das Gute Platz. Alles andere muss hier zurückbleiben, wenn wir gehen. Das personifizierte Böse aber, hat nichts Gutes in sich.

Das ist auch so ein bisschen verquer und umständlich ausgedrückt. Ich weiß, was du meinst, aber es klingt krumm. Vielleicht so:
Es ist das Böse, das körperlich spürbare Böse, das diesem Wesen entströmt, wie Eiter einer Wunde. Der Sohn des Teufels hat keine Seele, denn Seelen sind gut. Das personifizierte Böse aber trägt nichts Gutes in sich.


Während Tuwang in Feldherren Manier auf der Kiste thront, gibt er dem Esel ein Zeichen und der Karren setzt sich langsam in Bewegung. Weil aber die Tiere nicht freiwillig bei dem Fratzenträger bleiben und zu allem gezwungen werden, machen sie groteske Verrenkungen und Geräusche bei der Ausführung, so auch der Esel.
Endlich hat sich Mata nach vorn durchgekämpft. Da er Tuwang schon gesehen hat, ist er gefasst. Er sieht auch die Mäuse und Ratten, ohne die Tuwang keinen Schritt macht, sie mischen sich unter das Volk und beißen um sich. Die Schlange kriecht in die Hosenbeine, bevor sie zuschnappt. Panik kommt auf. Da die armen Tiere gegen ihren Willen gezwungen werden, wehren sie sich innerlich, dadurch sind ihre Bewegungen langsam und holperig. Mata nimmt eine lange dünne Eisenstange, die er auf dem Markt erworben hatte und spießt damit die Tiere eines nach dem anderen auf. Das dauert eine Weile, so dass der Karren schon unbemerkt abgebogen ist. Das Volk ist verunsichert und wartet ab.
Maganda ist inzwischen nachgekommen, beide laufen vor und suchen in den Straßen.
Tuwang scheint noch ein zweites mal abgebogen zu sein, denn er ist nicht mehr zu sehen. Der Mob hat sich jetzt etwas gefangen und sucht mit, da kommt auch schon Geschrei von hinten.
Man ruft nach dem Wächter. Mata und Maganda kommen hinzu und finden den Karren in respektvollem Abstand umzingelt. Auf dem Sitzbock dampft der Teufelssohn, wie der Kanlaon kurz vor dem Ausbruch. Da greift Tuwang in die Taschen und wirft kleine Kieselsteine unter die Leute, die sich beim Auftreffen mit lautem Knall in Feuerbälle verwandeln und in tausend Stücke zerplatzen. Jedes einzelne bildet wiederum in einen Feuerball. So entsteht eine Schneise, durch die er Fliehen kann.
Vor Angst und Schmerz jammert der arme Esel und schlägt hinten aus, aber er galoppiert dann doch los als ginge es um sein Leben. Den Verfolgern bleibt vorerst nur das Hinterherlaufen.
„Kommt ihm nicht zu nahe!“, ruft Mata seinen Mitstreitern zu, „Er könnte euch sonst in seinen Bann ziehen!“

Diese ganze Verfolgungsszene, die sollte viel schneller werden. Schmeiß Wiederholungen raus. Ein Beispiel dafür ist die Verzauberung der Tiere, die sie langsam werden lässt. All das Fettgedrukte fin ich aus irgendeinem Grund überarbeitungswürdig. Du hast im Text immer wieder Zeitadverbien wie beispielsweise „inzwischen“, die total das Tempo drosseln, das hier könne eine echte action-szene werden. Aber da musst du kürzen, die Satzstellung abändern, weniger Punkte setzen, Füllwörter rausschmeißen usw. Vielleicht kannst du Gedankenfetzen des Protagonisten einwerfen, weiß nicht, ob as hier passt, müsstest du einfach mal ausprobieren. Und dass der Teufelssohn dampft wie ein Vulkan vor dem Ausbruch klingt drollig, nicht richtig gefährlich. Das sollte er aber schon, gefährlich klingen, immerhin ist er das personifizierte Böse.
Die Szene danach finde ich spannender und schneller. Doch selbst da könnte man eventuell noch ein bisschen kürzen.


„Wenn das so weitergeht“, keucht Maganda atemlos, „dann erreicht er das Teufelsloch, bevor wir die Kiste wiederhaben.“
Da ist es schon in Sichtweite, vielleicht noch ein paar hundert Meter und der Schatz ist auf immer verloren. Tuwang drischt aus das Zugtier ein.

Gefällt mir ganz gut.


Mata selbst sitzt reglos auf einem Baumstamm am Wegrand, während Tuwang gleich völlig außer Reichweite ist. Es sind jetzt alle völlig erschöpft stehen geblieben. Sie sammeln sich bei Mata.
Klingt kraus, vielleicht so:
Mata sitzt reglos auf einem Baumstamm, während Tuwang gleich außer Reichweite ist. Erschöpft bleiben seine Verfolger stehen, sammeln sich um Mata.


„Was ist mit ihm?“, fragen sie Maganda Babae . Sie ahnt etwas, aber bevor sie antworten kann, zeigt ein Mann in Richtung des Teufelsloches, wo Tuwang wie wild an der Kiste zerrt, um sie vom Wagen zu bekommen.

Sie ahnt etwas würde ich weglassen, weil es zu viel verrät.

Die Kiste poltert von der Ladefläche. Sofort zieht er sie unbehelligt zum Rand des Loches.
Hier würde ich statt „er“ Tuwang schreiben, sonst ist der Bezug falsch. Oder?

Da erstarrt Tuwang und gibt einen langen klagenden Ton von sich, der die Stille über der Ebene zerschneidet.

Schön


Es ist etwas in ihn eingedrungen, das nicht dorthin gehört. Völlig machtlos ist Tuwang einem Feind ausgeliefert, der in ihm ist. Damit hat er nicht gerechnet. All seine Zauberkraft nützt ihm jetzt nichts mehr. Mata hat seinen Körper verlassen und ist in Tuwang eingedrungen. Dort hat er dem Teufel eine kleine Seele geschenkt, die etwas Gutes beherbergt. Mata hat genügend davon und kann etwas abgeben. Aber so wie reine und unschuldige Menschen vom Bösen besessen sein können, ist Tuwang nun vom Guten erfüllt und leidet Himmelsqualen. Er fühlt unerträglichen Seelenschmerz, der ihn zum Wahnsinn treibt. Als er es nicht mehr aushält, springt er in seiner Not mit einem langen Schrei in das stinkende Loch und ist verschwunden.
Auch in diesem Abschnitt würde ich kürzen.


„Wir haben nun gesehen, dass alles unversehrt ist“, erklärt Mata, „aber diese Dinge brauchen einen Ort und eine Zeit des Verstehens. In ferner Zukunft wird man danach suchen.“
Das könnte eine Serie werden! :D

Auch die letzten Abschnitte könntest du kürzen. Ein Happy-end ist es, für eine Horrorliebhaberin wie mich natürlich schwer erträglich. Bei mir hätte der Teufel mindestens dem Esel den Kopf abgebissen und drei Menschen in seelenlose Hüllen verwandelt. Aber das ist natürlich Geschmackssache.

Und jeden Abend wartet ein Esel am Strand, auf die Rückkehr der Boote.
Schön finde ich den allerletzten Satz. Bei der Esels-Zuneigung scheinen wir doch wieder denselben Geschmack zu haben.

Ja ich finde das ist eine schöne Geschichte, die Potential hat. Hatte dieses Mal aber auch den Eindruck, dass du vielleicht ein bisschen unter Zeitdruck geschrieben hast.

Bis dann und viele Grüße
Novak

 

Hallo Novak,

das freut mich, dass dir die Geschichte gefällt und du dich um eine Überarbeitung bemühst. Nein, deinen Vorschlag für den Eingangstext finde ich ganz und gar nicht doof, im Gegenteil:hab' ihn übernommen. Auch sonst machst du schöne Vorschläge für Änderungen. Ich denke dann, wieso zumTeufel, ist mir das nicht eingefallen?
Schaffe heute nur Teile...später mehr

Wir bleiben ein gutes Team,

Elfenweg

 

Hallo Elfenweg,

im Großen und Ganzen finde ich die Idee Deiner Geschichte sehr schön. Deine Beschreibungen sind meist glaubhaft und lebendig mit vielen Details. An mancher Stelle vielleicht ein wenig zu viel des Guten. Es kommen so viele Gestalten in deiner Geschichte vor auf die der Leser sich konzentrieren muss. Wenn du ihn dann noch mit zu vielen Details bedrängst, wird es schwer, dem Geschehen ohne stocken zu folgen.
Mit Adjektiven gehst du verschwenderisch um, was den Text etwas mopsig macht. Abspecken an der ein oder anderen Stelle täte ihm gut und würde ihm mehr Schwung geben.
Ein paar Längen sind drin, weil das Tempo nicht immer passt.
ME sind die verwendeten Namen und Ausdrücke wunderschön und haben einen tollen Klang, aber sie bremsen ein wenig - doch nicht an jeder Stelle.

„Maganda Batang Babae“, erwidert sie mit spröder Stimme.
„Und woher kommst du, schönes Mädchen?“, fragt er in spöttischem Tonfall.
„Ein Name ist ein Name, man gibt ihn sich nicht selbst!“, erwidert sie ärgerlich.
Hier ist es elegant gelöst, ohne dass es einer Übersetzung bedarf. Generell sollte keine nötig sein.

Textpflückerei:

Einer alten Sage nach, stammt es von einem Baum, der einst im Garten Eden wuchs. Die Kiste ist mit sieben Riegeln aus Damastzener-Stahl verschlossen.
Das hier ist ein gutes Beispiel für entbehrliche Beschreibungen. Es ist nicht textrelevant aus welchem Stahl die Riegel sind. Klar ist es eine schöne Beschreibung und gut geschrieben, aber zu viele Details erschlagen irgendwann den Leser. "sieben stählerne Riegel" reicht vollkommen.
Tuwang ist klein und gedrungen von Gestalt, halb Mensch halb Tier, mit Hufen, Hörnern, einer feuerrot verzerrten Fratze und ansonsten bucklig und mit grauem Fell überzogen.
eine Farbe verformt nichts - einer feuerroten
Er verbreitet immer den Dunst von Schwefel. Mischt er sich unters Volk, muss er sich verkleiden.
Wozu das Verkleiden, wenn ihn stets eine Schwefelwolke umgibt? Vielleicht magst du den Geruch einfach weg lassen, das wäre glaubhafter und logischer
Ich blieb mit zwei jüngeren Brüdern zu hause
Wo sind die Jungs hin?

So genug gemeckert. :-) Trotz des vielen Bekritelns eine tolle Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe.

Liebe Grüße, Kürbiselfe

 

Hi Kürbiselfe,
danke für deine Anregungen. Ja, vor allem habe ich Schwierigkeiten mit wenigen Adjektiven auszukommen. Ich denke dann immer es fehlt was, woher soll der Leser wissen, was ich meine? Da muss ich unbedingt dran arbeiten.
Zu viele Details? Ja, auch das.
Den Schwefeldunst finde ich aber ganz passend. Klingt mystisch, teuflisch, das muss einfach sein.
Damastzenerkann wirklich weg.
Die beiden Brüder hat Maganda nur erfunden, um Mata zum Umblicken zu bewegen. Sie wollte weglaufen.
Freut mich das dir die Geschichte gefallen hat, behalte deine Vorschläge für die Nächste im Hinterkopf.

schöne Grüße von hier

Elfenweg

 

Hallo Elfenweg,

Insgesamt eine spannende Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Die Einführung finde ich recht spannend, doch dann kam mir einige Male vor, als würde sich die Geschichte in Abzweigungen verlieren. Da war einmal die zu genaue Beschreibung des Teufelskinds und dann die Liebesgeschichte zwischen Mata und Maganda. Ich denke, mit der Beschreibung des ersten Teufelskinds ist schon alles gesagt, da kannst du den Rest beschreiben.
Zur Liebesgeschichte.
Hier passiert sehr viel einfach, ohne dass ich es sehe. Daher kann iczh nicht verstehen, warum sich die beiden ineinander verlieben. Auch hatte ich kurzzeitig das Gefühl, das die Jagd nach dem ersten TEufelskind Mata plötzlich nicht mehr wichtig ist. Hier vermisste ich Authentizität und Nähe zu den Protagonisten. Warum mögen sich die beiden. Die Situation ist ja klassisch. Einsamer Jäger und einsames Mädchen müssen zusammen eine Aufgabe bewältigen und wachsen so zusammen. Hier nimmt er sie einfach mit. Klassisch wären zumindest ein paar Banditen in der Nähe gewesen ... ;)
Zusammenfassend ist für mich die ganze Liebesgeschichte einfach vom Himmel gefallen. Logisch wäre für mich auch gewesen, dass er sich gar nicht mit ihr abgeben wollte, weil sie würde ihn anscheinend bei seiner Suche ja nur behindern -> da eröffnen sich viele Möglichkeiten

Nachdem sie ihm jedoch ein paar mal in die Versen getreten ist
auf die Ferse?
Sie füllen ihre Beutel mit tropischen Früchten
welche - hier wird die Geschichte plötzlich sehr weit weg erzählt. Benenne die spezifische Frucht, um Authentizität zu erzeugen.


lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

du bringst gute Ideen ein. Ich überlege mir nochmal, wie ich das Verlieben der Beiden plausibler machen kann. Mit der Beschreibung des Teufelskindes meinst du sicherlich die doppelten Beschreibungen bei der Begegnung am Wirtshaus, die nehm' ich noch mal unter die Lupe.
Die kleinen Sachen verbesser ich mal gleich.
Deine Art der Kritik gefällt mir sehr gut, sie wirkt auf mich wohlwollend konstruktiv. Klar, man kann nicht immer nur Gutes schreiben, aber bei dir merkt man, dass du einen 'helfenden Gedanken' verfolgst und die Geschichte verbessern willst. Find'ich toll.

Lesbare Ergebnisse können etwas dauern, aber sie kommen.

tschüss

Elfenweg

 

Hi elfenweg,

Deine Art der Kritik gefällt mir sehr gut, sie wirkt auf mich wohlwollend konstruktiv.
Danke für das Kompliment. In der Tat habe ich das Kritisieren in einem Kurs "Text und Kritik" vor mittlerweile recht langer Zeit in Wien, gegelernt und möchte das Kompliment gerne an die Leiterin, Christa Brauner weitergeben.
Ich hab etwas ähnliches woanders noch nie gesehen. Auf jeden Fall ist die Diskussion: Was darf ich überhaupt kritisieren? Kann Kritik je objektiv sein sehr sehr interessant und auch lehrreich. Insbesonders kann ich jedem Empfehlen, ganz verschiedene Texte zu lesen und sich an einer Kritik zu versuchen. Es gibt ja auf kg.de viele verschiedene Richtungen. Spätestens in der Rubrik seltsam denke ich, wird den meisten klar, dass Kritik meist der schwierigere Part ist.

lg
Bernhard

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Elfenweg,

eine nette Geschichte, auch wenn mich einige Stellen mehr erreichen als andere. Mir hat allerdings der Anfang sehr viel besser gefallen als die Beschreibung und Verfolgung des Teufelchens. Ich glaube, was mich daran stört ist das Durchbrechen des märchenhaften Tons durch die logistisch-realistischen Probleme beim Anhalten des Wagens.

Ich finde, dass trotz der von dir vorgenommenen Kürzungen ein paar übertriebene Adjektive in der Geschichte sind, z.B.

wendet Mata sein aschgraues Gesicht zu.
--> das kommt mir eher wie ein Klischee vor - werden Menschen wirklich aschgrau, wenn sie erschrocken sind?

In der Nähe des Vulkano Kanlaon gibt es eine Öffnung im Boden, die so tief ist, dass man den Grund nicht sehen kann, auch dann nicht, wenn man Fackeln hinein wirft. Das Loch ist sagenumwoben, man nennt es den Ort, wo der Teufel seine Kinder kriegt. Mutige, die ihrer Liebsten imponieren wollten und hinein kletterten, kehrten als bösartige Wesen wieder, die von den Umstehenden zurückgestoßen wurden.

Das finde ich toll, weil es so lapidar ist und die Perspektive der Dorfbewohner aufgreift - durch die Erwähnung der Fackeln wird mir unmittelbar deutlich, wie tief das Loch ist und weitere abstrakte Ausdrücke sind unnötig.
Im Gegensatz dazu sind Beschreibungen wie
Es ist das seelenlose, das körperlich spürbare Böse, das diesem Wesen entströmt, wie Eiter einer Wunde.
meiner Meinung nach zu abstrakt, zu abgehoben von der Perspektive der Beobachter, um zu wirken.

Mit der gesamten Liebesgeschichte konnte ich gar nichts anfangen.

Er packt sie an den Handgelenken, bevor sie reagieren kann und zieht sie langsam zu sich heran.
Da schluchzt sie hemmungslos in seinen Armen und er tröstet sie. Doch jäh überwindet sie diesen schwachen Moment und wird wütend.
--> Es ist vielleicht auch eher mein Problem mit dem Inhalt als eine stilistische Frage - dieses gewaltsame Werben finde ich ein bisschen unangenehm.

„aber mein Geist war frei. So habe ich alle Nächte lang diese Insel erkundet und kenne hier jeden Kieselstein"
finde ich aus den gleichen Gründen toll wie die Fackel weiter oben: Das Außergewöhnliche nonchalant erzählt, sodass es fast logisch und selbsterklärend wirkt: Natürlich hat er seine Seele fortgeschickt, als er da saß, das akzeptiert man als Leser gerade deswegen sofort, weil es so unprätentiös eingeführt wird. Nebenbei, kennst du Ray Bradbury's Kurzgeschichten? Da taucht eine junge Dame auf, die ebenfalls mit ihrerm Geist die Welt erkundet, daran habe ich mich stark erinnert gefühlt.

Freue mich darauf, zukünftig noch Anderes von dir zu lesen.

Viele Grüße,

Spec

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Spectator,

danke, dass Du mir Deine Gedanken zur Geschichte mitteilst. Habe '...aschgrau...' und '...seelenlose...' schon geändert. Bin auch selbst immer mal wieder dort hängen geblieben, weil es mir nicht richtig gefallen wollte. Jetzt hast Du mir den entscheidenden Anschupser gegeben.

Auch die Liebesgeschichte werde ich nochmal überarbeiten, Mata kommt mir jetzt auch etwas 'machohaft' vor. Etwa so wie in alten Hollywood Filmen, in denen der Mann die Frau unvermittelt an sich reißt und heftig küsst. Irgendwie unpassend.
Da geh' ich nochmal mit mehr Gefühl ran, aber ganz weglassen,will ich dass Verlieben der Beiden nicht. Da würde mir etwas fehlen.
Kann etwas dauern. Vielleicht gefallen Dir die Änderungen.

Ray Bradbury's KG's kenne ich nicht, aber Du hast mich neugierig gemacht...

Bis bald

Elfenweg

 

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