Der verzweifelte Versuch eines Grüblers, den Sinn oder Unsinn der Liebe zu begreifen
I. So übel ist das Leben als Single eigentlich gar nicht...
Wieder einmal saß ich alleine zu Hause, ein kühles Jever suchte sich seinen Weg durch meinen Hals bis in meinen Magen, um dort seine wohltuende Wirkung zu entfalten. Der Alkohol der langsam in meine Blutbahn schlich würde mir den Abend wieder etwas einfacher machen.
Meine Katzen tigerten auf ihrer allabendlichen Erkundungstour durch die Wohnung. Schön, noch ein anderes lebendes Wesen um sich zu haben.
„So übel ist das Single-Leben gar nicht...“ sinnierte ich optimistisch wieder einmal vor mich hin. Man muss es sich nur oft und eifrig genug einreden, dann wird man es auch eines Tages so empfinden!
Nein, so schlecht war es wirklich nicht! Keiner, der einem sagt, wann man nach Hause zu kommen hat, keiner, der motzt, weil das Geschirr mal wieder eine Woche in der Spüle steht, keiner, der das Bad blockiert, keiner, auf den man Rücksicht nehmen muss.
Viele Freiheiten, die man in einer Beziehung eben nicht hat. Wildes Flirten und baggern – und wenn sich mehr ergibt, muss man es nicht ablehnen, sondern genießt die Lust und den Sex.
Ein schönes, ungebundenes, wildes und unabhängiges Leben, darauf einen kräftigen Schluck!
Wenn es doch nur wirklich so einfach wäre. Natürlich ist es angenehm, auf niemanden, außer den Nachbarn Rücksicht nehmen zu müssen. Aber trotz allen Einredens waren es doch die vielen, das Leben so mit Wärme erfüllenden Kleinigkeiten, die so sehr fehlten.
Ein müde geflüstertes „Hallo Schatz, schön das Du auch schon da bist!“, eine zärtliche Umarmung, der fast schon rituelle Gute-Nacht-Kuss.
Müde in ein vorgewärmtes Bett krabbeln und beim Einschlafen den Atem eines geliebten Menschen hören...
Ich dagegen begnügte mich damit, mit einem Buch im Arm und dem Atem meiner Katzen am Ohr, einzuschlafen. Ich musste mich ja damit begnügen!
Ich denke, es wird den meisten Männern, die verletzt aus einer langen Beziehung herausgehen, ähnlich gehen, wie es mir ging.
In Gedanken drehte ich das Zeitrad um einige Jahre zurück.
II. Schöne Erinnerungen
Weihnachten 1995 war es. Der für mich immer geheime und still gefeierte Tag des Ersten Kusses. Eine lange, schöne Zeit mit neckischen, ja kindischen Flirtereien lag hinter uns.
Wir arbeiteten zu dieser Zeit im gleichen Haus. Beide absolvierten wir eine Ausbildung in einem Hotel, das gerade groß genug war, um ein Mädchen zum Verlieben zu finden und auch klein genug war, um die ganze Belegschaft als familienähnliche Helfer hinter sich stehen zu haben. Jeder vermittelte, jeder hoffte mit uns. Vor keinem war auch nur irgendetwas zu verheimlichen.
In dieser fast schon idyllischen Umgebung lernte ich sie also kennen. „Sie“, das soll keine namenlose Unbekannte bleiben, nein, „Sie“ hieß Andrea und war für mich zu diesem Zeitpunkt das bezauberndste Wesen, das ich mir nur vorstellen konnte.
Und es kam wie es kommen musste: Ich verliebte mich in Andrea, umwarb sie, versuchte immer und überall präsent zu sein. Berührte sie „ganz aus Versehen“, hing ihrem Duft nach, versank in ihren Augen.
Und an besagter Weihnachtsfeier 1995 schien für mich das Glück auf die Erde geschwebt zu sein. Der erste schüchterne Kuss. Und keiner von uns beiden wusste, was das nun zu bedeuten hatte.
Nun, wie auch immer, es dauerte noch ein weiteres halbes Jahr, bis wir uns am 27.7.1996 endlich füreinander entschieden. Selbst heute, fast 6 Jahre später, nach vielen schweren Stunden, noch schwereren Enttäuschungen (dazu später mehr), ist mir dieses Datum immer noch ins Herzen eingebrannt. Doch wie leer und schmerzhaft ist heute jeder Siebenundzwanzigste eines Monats.
Fünfeinhalb Jahre lang war mir jeder Siebenundzwanzigste eines Monats schon fast ein Feiertag, heute ein stiller Tag der Trauer und der Depression.
Nach nur einem halben Jahr beschlossen wir zusammenzuziehen. Viele mögen sagen, das sei unvernünftig bald, aber ich habe bis zum Schluss niemals diese Entscheidung bereut. Es war einfach traumhaft! Es war für uns beide das erste Mal, dass wir den Alltag mit jemand anderem teilten, als mit den Eltern. Und ich will jetzt einfach mal behaupten, dass wir es beide genossen hatten.
Wir bildeten unsere eigene kleine Familie, indem wir uns – ganz konservativ – in unsere traute Zweisamkeit noch zwei Katzen eingliederten. Unsere kleine Familie...
Alles schien darauf hinzudeuten, dass diese Beziehung für die Ewigkeit geschaffen wäre. Jeder, mich inbegriffen, erwartete, dass unsere kleine Familie eines Tages auch amtlich würde. Alle warteten nur noch auf das Datum der Heirat, auf die Ankündigung, dass unsere Familie um ein zweibeiniges Kind erweitert würde.
Doch die harmonische Idylle sollte trügerisch sein und das böse Erwachen sehr schmerzhaft und unerwartet!
Nach über fünf Jahren schöner Partnerschaft und einem Jahr im erzwungen glücklich scheinenden Eigenheim kam das böse Erwachen. Ich musste herausbekommen, dass mich meine einst so große Liebe bereits seit drei Monaten betrogen hatte! Als ob es nicht schon schlimm genug gewesen wäre, herauszufinden, dass mein vergötterter Engel drei Monate lang ein Doppelleben führte, musste ich mir auch noch ins Gesicht lügen lassen.
Ich hatte von dieser Affäre durch einen ganz blöden Zufall erfahren, wusste aber hieb- und stichfest, dass sie mich betrogen hatte – und sie stritt es ab! Beteuerte mit allen Schwüren ihre Unschuld! Und ich vergesse nie den Ausspruch: „Du und Deine krankhafte Eifersucht!“
Also ging diese einst so glückliche und harmonische Beziehung sehr schmerzhaft zu Ende.
III. Ein neuer Anfang
Ich bezog nach fünfeinhalb Jahren wieder eine Single-Wohnung und wollte zu Beginn auch nichts und niemand in meinem Leben haben, außer meinen Katzen. Ich war enttäuscht, zu tiefst verletzt. Konnte keiner Frau auch nur die geringste Spur des Vertrauens entgegen bringen. Also tat ich, was ein Mann in dieser Situation tun muss. Ich wollte es der Frauenwelt heimzahlen!
So heroisch dieser Vorsatz auch klang – es war doch nichts anderes, als wild durch die Gegend zu poppen. Niemanden, vor allem keine Frau, zu nahe an sich heran lassen. Aber jeden Sex, der sich bot, mitnehmen.
Doch anscheinend befriedigt einen Mann das nicht allzu lange. Der Sex wurde zu billig, die Frauen zu billig und die Einsamkeit nahm zu.
Was dann folgte, nenne ich heute die Phase der Abschottung. Arbeiten, heimgehen, zulaufen lassen und im Selbstmitleid versinken. Aus dem Bett quälen, arbeiten, heimgehen, zulaufen lassen. Ein Teufelskreis, aus dem ich gottlob rechtzeitig ausgestiegen bin. Doch seitdem habe ich ein gewisses Verständnis für Männer, die eben aus diesem Kreislauf nicht mehr herausgekommen sind und heute zu den gescheiterten Existenzen gehören.
Liebe, oder vielmehr der Verlust derselben, stürzt einen Mann in eine unheimliche Leere.
Das lang ersehnte Ausziehen aus dem Elternhaus bringt einem endlich die erwartete Freiheit. Man(n) muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, keine Mutti mehr, die das Essen wie bestellt auf den Tisch stellt, kein Papi mehr, der einem das Fahrrad repariert. Man ist das erste Mal alleine – empfindet dies aber nicht so.
Dann das erste Mal den Alltag mit jemandem teilen. Freiwillig, nicht weil man in eine Familie geboren wurde, sondern weil man sich einen Partner ausgesucht hat, mit dem man die angenehmen und unangenehmen Seiten des Alltags teilen will. Und man genießt die vielen kleinen Liebeleien, die kleinen Zärtlichkeiten – und vermisst sie danach so sehr.
Ich hatte mich eingefügt in mein neues Leben, genoss mehr oder minder mein Single-Leben.
Oder zumindest redete ich es mir ein.
IV. Die nächste Flasche kühles Jever
Eigentlich sollte man denken, nach solch einer Enttäuschung hat man als Mann erst einmal genug von Frauen. Doch weit gefehlt!
Der Verlust der Zweisamkeit wiegt so schwer, die kleinen Gesten und Situationen im Leben fehlen so sehr, dass man sich unweigerlich wieder auf die Suche oder gar auf die Jagd macht, wieder jemanden zu finden, der einem ebendiese Zweisamkeit wieder gibt.
Es ist nicht wirklich schön, alleine zu sein. Natürlich lernt man damit umzugehen, fügt sich in diese Situation und lernt, damit zufrieden zu sein. Aber ich wusste, es geht auch anders. Ich hatte schließlich erfahren, wie schön, wie romantisch, wie harmonisch eine Beziehung sein konnte. Ich wusste, wie viel Stärke man aus einer Partnerschaft ziehen konnte. Schließlich hatte ich eine ebensolche Beziehung über fünf Jahre lang genossen.
Das eigentlich schlimme an dieser Situation war, dass ich sehr hohe Ansprüche an eine neue Partnerin stellte. Meine Ex-Freundin stand immer noch auf diesem Podest, auf das ich sie gestellt hatte. Sie war für mich immer noch der Maßstab, an dem ich jede potentielle Nachfolgerin maß.
Mit diesem Anspruch, gepaart mit Schüchternheit und unverhohlenem Misstrauen gegenüber jeder Frau, machte ich mir die Suche natürlich selbst schwer. Vielleicht, so sage ich heute, war und bin ich einfach immer noch nicht bereit, eine neue Beziehung einzugehen. Vielleicht hänge ich immer noch zu sehr den „alten Zeiten“ nach, schwelge immer noch zu sehr in schönen Erinnerungen. Vielleicht klammere ich mich immer noch zu sehr an eine vergangene Liebe. Oder ich kann die Liebe einfach immer noch nicht abschalten. Ist es noch Liebe, oder ist es nur der Verlust alter und liebgewonnener Gewohnheiten?
Kann Liebe einfach aufhören? Kann man einen Menschen, den man einmal aus tiefstem Herzen geliebt hat, einfach abhaken? Kann man sich einfach neu verlieben, das gelebte Glück wieder aufleben lassen, nur den Partner austauschen wie die Batterien in einer Fernbedienung? Diese Fragen drängen sich in einem ruhigen und grüblerischen Moment einfach auf – und ich denke, die Gedanken, die ich mir darüber gemacht habe, würden ein eigenes Buch füllen. Ohne, dass diese Philosophiererei jemals abgeschlossen wäre oder gar zu einer Antwort geführt hätte.
V. Auf der Suche
Irgendwann beschloss dann auch ich, dass es in dieser Art nicht weitergehen durfte. Ich WOLLTE wieder jemanden an meiner Seite! Ich WOLLTE meine freien Stunden nicht immer alleine verbringen. Ich BRAUCHTE wieder einen mich liebenden Menschen an meiner Seite und hatte auch wieder genügend Liebe in mir, um diese weiterzugeben.
Es gibt bestimmt genügend Menschen, denen es nichts ausmacht, heim zu kommen und von niemandem erwartet zu werden. Es gibt sie bestimmt wirklich: Diese „Lonely Riders“, die berüchtigten Einzelkämpfer, die viel zu kompromisslos sind, um eine ehrliche Partnerschaft zu führen.
Ich hatte es mir schon zu lange eingeredet, bis ich endlich erkannte, dass ich nicht zu diesem Menschenschlag gehöre. Ich finde, ein Mann und eine Frau bilden erst die Einheit im Leben, die zum Glück führt!
Also warf ich mich wieder auf den Markt der Suchenden. Bekundete Interesse, ließ meinem Herzen freien Lauf. Natürlich lernte ich einige Frauen kennen. Ich war wieder selbstbewusst genug, um zu wissen, dass ich auf Frauen eine gewisse Ausstrahlung haben konnte.
Doch was sich ergab, waren genau jene Geschichten, die ich nicht wollte oder die mir eher noch mehr weh taten. Einige kurze und sehr heiße Affären, die ich alle natürlich genoss. Mein Herz schrie förmlich nach Streicheleinheiten, also nahm ich wieder alles mit, zog soviel wie möglich aus jeder gemeinsamen Minute, die ich mit einer Frau verbrachte.
Natürlich gab es auch einige Abfuhren. Aber ich lernte, diese nicht zu sehr zu bewerten. Man kann nicht jedem gefallen und sollte dies auch nicht versuchen!
Doch die schlimmsten Begebenheiten waren die, welche so vielversprechend anfingen. Erstes Treffen, weitere Treffen, sich öffnen, Vertrauen fassen – und eine Freundschaft gründen. Eine Freundschaft eben, nicht mehr. Vielleicht hatte ich mein Herz zu dieser Zeit nicht genügend unter Kontrolle, vielleicht investierte ich zu viel in diese Frauen. Für jede habe ich ein gewisses Gefühl der Liebe empfunden und jede bereicherte mein Leben. Aber, alle Frauen mögen mir verzeihen, ich war nicht auf der Suche nach Freundschaften, ich war auf der Suche nach einer neuen „Lebensabschnittsgefährtin“. Und es tat wieder einmal weh. Wieder suhlte ich mich im Schmerz und fühlte wieder die Einsamkeit. Es ist schön, sich mit einer Frau zu treffen, sie in den Arm zu nehmen, ein Küsschen zur Begrüßung, ein Küsschen zum Abschied, dazwischen einige romantische Minuten oder Stunden. Arm in Arm auf dem Sofa liegen, ein Fläschchen guten Weins zusammen genießen. Lange und tiefgründige Gespräche – und anschließend gehen sie heim. Heim in ihre eigene Welt oder gar zu ihrem eigenen Freund.
Sie haben einen Freund in mir gefunden, der ihnen hilft, der sich für sie den Kopf zerbricht, der ihnen in schwierigen Situationen zur Seite steht. Der ihren Liebeskummer teilt, ihnen ein bisschen Zärtlichkeit gibt, ohne, dass sie Angst haben müssen, dass „etwas“ passiert.
Ich opfere mich gern auf, ich bin stolz darauf ein guter Zuhörer zu sein, Menschen schnell zu kennen und zu erkennen, was in ihnen vorgeht, was sie bewegt.
Und das lässt mich oftmals die eigene Einsamkeit vergessen.
Doch wenn sie dann gegangen sind, wenn meine Wohnung wieder nur meine zwei Katzen und mich beherbergt, dann kommt die Einsamkeit wieder mit voller Wucht auf mich zurück.
Dann wieder wird mir bewusst, dass ich gerne meine Freundschaft gebe und dass diese mir auch sehr viel bedeuten, dass sie mich aber dennoch alleine zurück lassen.
Im einzelnen waren es hauptsächlich zwei Frauen, die es mir richtig schwer machten. Ich nenne sie der Fairness halber nur „T.“ und „R.“
VI. T. und R.
T. war mir zu Beginn meines neuen Single-Daseins eine wirkliche Stütze und Hilfe. Sie war bei mir, wenn es mir wieder einmal zu mies ging. Sie hielt mich vom Grübeln ab, wenn ich mal wieder in ein Gefühlstief zu stürzen drohte. Sie verbrachte viel Zeit mit mir. Wir unternahmen vieles, was man in einer Beziehung nicht schöner haben könnte.
Sie gab mir das Gefühl, nicht alleine zu sein und ließ mich die gemeinsamen Momente genießen, wohl weil sie wusste, dass ich mich danach sehnte.
Alles in allem war sie ein wundervoller Mensch. So voller Lebensfreude, voller Energie und Tatendrang. Und es gab nie einen Moment, in dem ich sie so richtig niedergeschlagen erlebt habe. Ihr Lachen – gehässigerweise muss man ergänzen, dass ihr Lachen oftmals an das hungrige Grunzen eines Ferkels erinnerte –, steckte an, ließ einen selbst alle Sorgen für einen kurzen Moment vergessen. Und ihre unendlich scheinende Energie riss mich einfach immer wieder mit.
Des weiteren war sie eine Frau, mit der man sich gerne in der Öffentlichkeit zeigte. Sie war auf ihre Art sehr sexy, wusste dies auch und gab sich auch gerne so. Sie entsprach mit Sicherheit nicht dem klassischen Schönheitsideal, hatte das eine oder andere Kilo zuviel – aber diese dafür genau an den richtigen Stellen. Sie hatte Ausstrahlung, Charme und ihre Augen und Gestik konnten den puren Sex versprühen. Und sie wusste sich zu benehmen, wusste sich in Szene zu setzen. Egal ob im piekfeinen Restaurant oder in der schäbigsten Kneipe, sie zog die Blicke auf sich und man musste sich niemals wegen ihr verstecken. Sie passte sich fast schon chamäleonhaft an jede Umgebung an. Sie war eine starke Frau im Willen und Gefühl. Wer will es mir also übel nehmen, dass ich mich gern mit ihr umgab und ihre Anwesenheit genoss.
Natürlich musste ich mich in sie verlieben. Ob es aufrichtige Liebe war, die ich empfand, weiß ich bis heute nicht – obwohl ich sie immer noch sehr gern habe und immer noch jede Minute, die wir gemeinsam verbringen, genieße. Vielleicht habe ich mich auch nur selbst belogen, weil die gemeinsamen Momente so schön waren und ich habe es mit Liebe verwechselt. Vielleicht war es auch nur das Begehren. Wie auch immer, ich habe ihr meine Gefühle gestanden und die Antwort war schon vorhersehbar: „Andreas, ich mag Dich als Freund,.....“. Wir alle kennen diese Sätze zur Genüge. Und spätesten nach „Harry und Sally“ zweifelt jeder daran, dass es zwischen Mann und Frau wahre und rein platonische Liebe gibt. Ich jedoch, wollte mich wieder einmal selbst geißeln, wollte mir selbst wieder einmal beweisen, das ich eben „anders“ bin. Also führe ich diese Freundschaft bereits seit einem starken Jahr.
Und es ist doch wahr! Man kann eine Freundschaft zwischen Mann und Frau führen, ohne, dass Sex im Spiel sein muss. Wir hatten ganz zu Beginn dieser Freundschaft ein kurzes „Tête-a-Tête“ und seitdem gab es keine Körperlichkeiten mehr zwischen uns. Leider, wie ich egoistisch ergänzen muss.
Es gab, zumindest in meinen Augen, einige sehr romantische Stunden der Zweisamkeit, einige Momente in denen es schon fast hörbar knisterte, aber niemals war irgendetwas passiert. Doch was wäre ich für ein Mann, wenn ich die Hoffnung aufgeben würde?
Ein Mensch ohne Hoffnung ist ein Mensch ohne Perspektive – ein Mensch ohne Perspektive ist nahezu tot!
Aber die Freundschaft hält und ist auch zu wertvoll um sie aufs Spiel zu setzen.
R. war eine langjährige Freundin von mir. Sie gehörte ebenfalls zu den Frauen, von denen ich mich niemals richtig gelöst habe. Sie war meine erste große Jugendliebe – und das lag nun schon fast 12 Jahre zurück!
Dennoch war für Sie immer ein Platz in meinem Herzen reserviert. Unsere Beziehung dauerte damals neun Monate, war wunderschön, voller Missverständnisse, voller Neider, die diese Beziehung mit aller Gewalt kaputt machen wollten.
Nach diesen neun gemeinsamen Monaten und 12 Jahren, die dazwischen lagen, behaupte ich, dass wir uns sehr gut kannten. Jeder kannte die guten und die schlechten Seiten des anderen und so unglaublich es klingen mag, wir haben niemals miteinander geschlafen.... Wir wussten, dass der andere jederzeit für einen da war, um zu helfen, um zu trösten, oder um einfach nur zuzuhören. Wir vertrauten einander. Eigentlich die idealen Bedingungen um eine Beziehung einzugehen – wäre sie nicht vergeben gewesen.
Und ich bin nun mal ein Softie! Rücksichtsvoll, ehrlich und zurückhaltend. Ich glaube immer noch, dass dies Charaktereigenschaften sind, die Frauen schätzen und lieben, die einem Mann das Leben aber unverhältnismäßig schwer machen.
Viele andere Männer wären rücksichtslos in die Bresche gesprungen, hätten es darauf angelegt, sich zwischen die beiden zu drängen, hätten es darauf angelegt, dass sie fremd geht und damit ihre bestehende Beziehung zerstört. Ich gehöre nicht zu diesem Menschenschlag! Ich respektiere eine bestehende Beziehung und lege es dann auch nicht darauf an. Also kam wieder der folgenschwere Satz „Andreas, ich mag Dich als Freund,.....“.
Das ist schön, das freut mich – aber es tut dennoch weh!
Vor allem denke ich, dass R. sich unter anderen Umständen nochmals für mich entschieden hätte und wir bestimmt ein glückliches Paar geworden wären. Doch so....
Also bleibt mir auch in diesem Falle nichts anderes übrig, als die gegebene Situation hinzunehmen, ihr meine Freundschaft zu bieten und ihre Freundschaft als das Maximum unserer zwischenmenschlichen Beziehung zu akzeptieren.
Ich empfinde diese Freundschaft sogar als eine der wichtigsten und wertvollsten, die ich habe. Es besteht eine ganz besondere Beziehung zwischen uns, eine einzigartige Verbindung. Als wüsste der eine vom Gefühlszustand des anderen, klingelt immer dann das Telefon, wenn man es am wenigsten erwartet, aber sich am meisten wünscht. Ich hoffe nur, dass ich ihr trotz, oder gerade wegen meiner Gefühle zu ihr, ein ebenso guter Freund, eine ebenso wichtige Stütze sein kann, wie sie mir.
Es ist zwar zugegebener Maßen teilweise sehr anstrengend, mit ihr befreundet zu sein, denn es ist nicht immer leicht, meine Gefühle und auch meine Triebe so zu unterdrücken, dass die Freundschaft nicht Gefahr läuft, daran kaputt zu gehen. Natürlich wünsche ich mir immer noch, ihr die Zärtlichkeit geben zu können, die ich in mir trage, wünsche mir auch, sie zu verführen, sie zu berühren, aber in Anbetracht der bestehenden Situation kann und darf ich das nicht. Und jeder Mann weiß, wie schwer so etwas sein kann. Ein zärtlicher Begrüßungskuss, eine liebevolle Umarmung, ist das Maximum dessen, was sie mir an erotischer Zärtlichkeit erlaubt.
Zu beiden habe ich natürlich immer noch Kontakt. Die eine liebe ich immer noch ganz heimlich und innig, die andere ist eine wichtige Freundin in meinem Leben geworden. Auch wenn ich versuche, es mir nicht unbedingt anmerken zu lassen, so muss ich dennoch gestehen, dass es immer wieder schmerzt, sie in den Armen eines anderen zu wissen. Und immer wieder drängt sich die niemals zu beantwortende Frage auf, „Warum nicht ich?“. Es
ist natürlich albern, sich eine solche Frage zu stellen! Sie schmerzt nur und eine rational zu erklärende Antwort darauf gibt es sowieso nie. Also lege ich es mir auf meine Weise zurecht,
sehe es als Kompliment, dass sie gerne ihre Zeit mit mir verbringen, und gestehe mir ein, dass ich wohl einen Charakter habe, den sie mögen, aber nicht ihren äußerlichen Ansprüchen entspreche. IRGENDEINE Erklärung muss ich mir ja zurecht biegen.
Wie lange das beides noch hält, ist eine gute Frage. Denn scheinbar haben Frauen mehr Probleme damit, eine Freundschaft mit einem Mann zu führen und zu wissen, dass ich mehr als nur Freundschaft empfinde. Es tut mir leid, aber ich habe eben ein großes Herz und habe Sehnsucht danach, jemanden meine Liebe spüren zu lassen. Also investiere ich sie in solche Freundschaften. Und das, obwohl ich weiß, dass sie von den Frauen, in die ich es investiere, niemals erwidert wird, ja teilweise nicht einmal gewürdigt wird. Ist das Masochismus??
Ein stückweit bestimmt! Denn auch in diesen aussichtslosen Beziehungen investiere ich so viel Gefühl wie möglich, schließlich trage ich genügend davon in mir. Und immer versuche auch ich ein bisschen mein Glück darin zu finden. Denn es sind für mich die einzigsten Möglichkeiten, ein bisschen etwas geschenkt zu bekommen, dass auch nur entfernt an Liebe erinnert. Und ich brauche sie, diese Momente der Zweisamkeit, diese Augenblicke der Vertrautheit, dieses trügerische Gefühl der Liebe.
VII. Das krönende Fettnäpfchen
Im Sommer 2001 traf mich dann das Schicksal mit voller Härte. Ich war mit einem Arbeitskollegen – Freund wäre zu viel gesagt – im Urlaub. Es sollte ein reiner Männerurlaub werden. Dem Klischee entsprechend mit Tauchen, Alkohol und Frauen.
Allerdings war ich zu dieser Zeit so ausgehungert nach Liebe, dass ich einen Urlaubsflirt mit nach Hause nahm. Sie hieß Renate (allein schon der Name hätte mich zweifeln lassen sollen!), war fast vier Jahre älter als ich und wohnte 220 km weit entfernt von mir.
Doch was tut man nicht alles der Liebe wegen?! Ich war dermaßen gierig nach jedem bisschen Zuwendung, nach jedem Quäntchen Zärtlichkeit. Es gab wieder einen Menschen in meinem Leben, der etwas für mich empfand, jemand der mich in sein vorgewärmtes Bett krabbeln ließ, der vermisste „Gute-Nacht-Kuss“ schlich sich wieder in mein Leben.
Und ich genoss es mit vollen Zügen! Ich konnte wieder so schön unvernünftig, weil verliebt, sein, fuhr wegen sechs Stunden harmonischem Nebeneinanderschlafens zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück. Verbrannte mein spärliches Geld im gierigen Motor meines Autos.
Ich überschlug mich fast vor Liebesbekundungen, hatte nicht nur EINE rosarote Brille auf dem Nasenrücken sitzen. War voller Schwärmerei, so voller Gefühl, und ignorierte einfach jedwedes Anzeichen, dass wir nicht zusammen passen könnten.
Doch auch hier sollte der Sturz aus Wolke Sieben vorprogrammiert sein. Irgendwann begann auch mein von schwulstigen Gefühlen vernebeltes Gehirn wieder zu arbeiten. Mein Realitätssinn erwachte wieder – und das Erwachen war nicht allzu angenehm!
Ich versprach mich einer Frau, mit der ich viel zu wenig Gemeinsamkeiten hatte. Ich verschrieb mich einer Frau, die in so vielen Dingen meinen Erwartungen und Wünschen widersprach, dass es mir heute schon fast ein Rätsel ist, wie viele rosarote Brillen ich gleichzeitig auf meiner Nase tragen konnte!
Es wäre unehrlich und vor allem unfair zu behaupten, dass sie gar nichts an sich hatte, was mich ansprach. Sie war eine reife und anspruchsvolle Frau, hatte eine gewisse Ausstrahlung und vor allem auch einen Intellekt, der mich ansprach.
Aber die vielen kleinen Dinge, die so entscheidend sind in einer Beziehung waren teilweise so konträr, wie es nur ein Plus- und ein Minuspol eines Magneten sein konnte.
Ich würde mich als jungen, impulsiven und sehr modern denkenden Menschen beschreiben – sie dagegen war eine äußerst konservative Frau, sowohl im Handeln, wie auch im Denken.
Also fasste ich den Entschluss, mich von ihr zu trennen. Auch diesmal war ich nicht Macho genug, um es mit einem Mal zu beenden, sondern wollte es rücksichtsvoll und langsam „auslaufen lassen“. Natürlich auch mit dem egoistischen Hintergedanken, das „geliebt werden“ selbst noch ein bisschen auszukosten.
Doch auch diesmal sollte mir das Schicksal wie so oft im Leben einen Strich durch die Rechnung machen. Die Entscheidung war gefallen, es hieß nur noch, abzuwägen, wann der beste Zeitpunkt für den Absprung wäre. Just in jener Gefühlslage aber fiel der Satz, der wohl mein ganzes Leben tiefgreifend ändern sollte: „Andreas, ich bin schwanger!“
Jetzt stand ich also da, mit einer Frau, die ich nicht liebte und sie trug auch noch mein erstes Kind in sich. Mein Kind!
Meine Wunschvorstellung war immer, dass mein erstes Kind in einer intakten Familie groß werden sollte. Schließlich war ich selbst ein Scheidungs-geschädigtes Kind und wollte für mein Kind immer eine andere Vorraussetzung. Jetzt stand ich wieder einmal vor einem Trümmerhaufen – und machte in meiner Verzweiflung alles nur noch schlimmer. Ab dem Moment, im dem ich erfuhr, dass ich Vater werde, drehten sich meine Gedanken nur noch um das Glück des Kindes. MEINES KINDES! Ich wollte meinen Vorsätzen, meinen Prinzipien gerecht bleiben und es in der Sicherheit einer intakten Familie wissen. Also war mein erster impulsiver Drang (ich bin eben ein typischer Widder und entsprechend impulsiv), mein komplettes bisher aufgebautes Leben hinter mir zu lassen, mit Renate zusammen zu ziehen und meinem Kind ein liebender Vater zu werden.
Doch das sind nun mal die Tücken von impulsiven Entscheidungen: Sie sind überstürzt, nicht durchdacht und das Fehlschlagen dieser fixen Ideen ist oftmals schon vorprogrammiert. Leider tat ich diesmal mit der Rücknahme dieser Idee nicht nur mir weh, sondern natürlich auch Renate.
Mich plagt heute immer noch das schlechte Gewissen, dass ich sie in dieser Situation alleine gelassen habe. Natürlich versuche ich immer noch für sie da zu sein, natürlich werde ich für das Kind bezahlen, es anerkennen und hoffentlich auch die Möglichkeit haben, soviel wie möglich Zeit mit ihm zu verbringen. Dennoch habe ich sie in einer Situation alleine gelassen, in der sie einen liebenden Menschen an ihrer Seite gebraucht hätte.
Aber ich habe nun mal nicht die Einstellung, dass man in der heutigen Zeit nur eines Kindes wegen eine Beziehung aufrecht erhalten sollte. Es war einfach viel zu wenig Empfinden meinerseits vorhanden, um ein liebender Partner zu sein. Ich will ein liebender Vater sein, aber eine gezwungene Beziehung zu führen liegt mir einfach nicht. Ganz zu schweigen davon, dass ich der Meinung bin, dass dies vielleicht nicht gerade die beste Lösung für das Kind gewesen wäre.
Jetzt ist die Situation natürlich um einiges schwieriger, aber hoffentlich die bessere Lösung für mein Kind.
Ich stehe trotz allem immer noch ziemlich hilflos vor der Situation. Wie soll ich liebender Vater sein, wie soll ich überhaupt eine intensive Beziehung, eine feste Bindung zwischen mir und meinem Kind schaffen, wenn ich nicht einmal die Chance habe, es tagtäglich zu sehen. Ich werde seine ganze Entwicklung immer nur bruchstückhaft, nur in Ausschnitten miterleben können. Werde immer nur für wenige Stunden die Möglichkeit haben, es meine Liebe spüren zu lassen.
Müßig, sich darüber jetzt den Kopf allzu sehr zu zerbrechen. Es wird noch fast 5 Monate dauern, bis mein Kind den ersten Schrei in diese graue Welt schickt. Und dann wird es wohl nur an mir liegen, wie viel Zeit und Gefühl ich investiere.
VIII. Philosophische Spinnereien
„Die Liebe ist ein seltsames Spiel...“ - so langsam wird mir die Bedeutung dieses einst so berühmten Schlagers klar.
Die Liebe ist nicht – ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung - dazu geschaffen, um Menschen auf Dauer zu beglücken. Sie ist eher ein Schicksals-, als ein Glücksfall.
Jeder Vorgang des „sich Verliebens“ bedeutet, sich zu offenbaren, sich zu öffnen. Das wiederum bedeutet, dass man sich verletzlich macht, dass man seine verletzlichen Seiten, sozusagen seine Achillesferse offen darbietet.
Und die Liebe. offensichtlich als Sadist geboren, wiegt einen in einer Wolke der Glückseligkeit, wartet geduldig auf den Moment, in dem es seinen giftigen Stachel in eben jene Achillesferse, in diesem Fall direkt ins Herzen rammen kann.
Gibt es wahre platonische Liebe? Oder bedeutet platonisch nur, dass einer Gefühle investiert, immerdar hofft, nicht aufgibt – und der Andere es nur in sich aufsaugt? Dass die „platonisch Geliebte“ einfach nur Nutznießer dieser einseitigen Beziehung, dieses einseitigen Investierens, ist? Dass sie nur die Situation ausnutzt, dass es einen Dummen gibt, der sich gerne aufopfert, der gerne zur Seite steht, der seine eigenen Gefühle zurück nimmt, wenn es dem anderen nicht gut geht, oder wenn der andere Hilfe braucht?
Beruht nicht jede platonische Liebe auf wahrer Liebe, die jedoch nicht erwidert wird?
Auch ich nutze gern den beschönigenden Begriff der „platonischen Liebe“, wenn ich eine hoffnungslose oder aussichtslose Liebe hübsch umschreiben will. Aber leider bedeutet dies meist auch, die Aussichtslosigkeit sich selbst einzugestehen. Und somit wird jede platonische Liebe zu einer schmerzhaften, unerwiderten Liebe. Und manchmal stelle ich mir die Frage, ob eine klare Zurückweisung und die danach folgende, endgültige Trennung nicht oftmals einfacher wäre. Die Zurückweisung wäre im ersten Moment bestimmt sehr schmerzlich – nein, sie wäre es nicht, sondern sie ist es definitiv, ebenso, die darauf folgende Trennung oder Abnabelung. Aber das ewige sich Aufopfern, sich Hineinstürzen in eine offensichtlich aussichtslose Beziehung, frisst mich auf Dauer viel mehr auf! Dieses immerwährende Hoffen auf Erwiderung und die damit verbundene, immer wieder kehrende, Enttäuschung.
Die Gegenfrage allerdings lautet nun: „Gibt es wahre Liebe?“ Diese Frage ist schon erheblich schwieriger zu beantworten. Zum einen, weil ich diese scheinbar wahre Liebe schon einige Male im Bekanntenkreis miterlebt habe – wenn auch sehr selten. Zum anderen, weil ich fünfeinhalb Jahre lang selbst geglaubt habe, diese gefunden zu haben. Also ist die „Wahre Liebe“ nur eine sehr seltene und somit schwer zu findende Perle? Oder ist sie nur eine Facette der ewigen Selbstbelügerei der Menschheit, ein Strohhalm, an den man sich im Leben klammert, wie andere sich an den Glauben an einen Gott klammern? Ist die Liebe ein ebenso von Menschen erfundener Gott, um das Leben nicht ganz so grau und trist erscheinen zu lassen?
Wer in der Lage ist, solch nüchternen und philosophischen Grübeleien nachzuhängen sollte eigentlich auch in der Lage sein, sich vor solch trügerischen Gefühlen zu schützen, sich zu wappnen oder Gefühlsduselei schon in den Anfängen zu ersticken. Aber irgendwie gelingt das nicht. Irgendwie verschreibt man sich immer wieder diesem „Kreuzzug der Liebe“. Nur, um immer wieder daran zu scheitern. Wie lange braucht ein Mensch, um sich der grauen Realität zu- und von der verlogenen Liebe abzuwenden? Wie viele Enttäuschungen, wie viele seelische Schmerzen kann ein Mensch ertragen, bis er endlich versteht und akzeptiert, dass die Suche nach Liebe eine aussichtslose ist – oder nur den dummen und/oder glücklichen auf dieser Welt vorbehalten ist?
Wann endlich versteht der unverbesserlich romantische Grübler, dass er in der Welt auf sich alleine gestellt ist und sein Glück weder in einer Frau, noch in der Liebe suchen sollte...
IX. Frühling
Der Frühling kündigt sich vorsichtig an, die ersten erwärmenden Sonnenstrahlen erhellen die Gemüter. Nach einer durchgrübelten, schlaflosen Nacht zwitschern die Vögel ihr unbeschwertes Lied in die Welt. Die Zahl, der sich Verliebenden, wird wieder sprunghaft ansteigen – ebenso die der Selbstmörder. Und selbst bin ich noch auf der Suche, zu welcher Gruppe ich gehören werde und zu welcher Gruppe ich gehören will, oder ob ich mich wieder ein weiteres Jahr in der dazwischen liegenden Grauzone aufhalten muss.
Gebe ich mich wieder der dumpfen Hoffnung hin, klammere ich mich wieder an den absolut leeren, dumpfen und bedeutungslosen Satz „Die Richtige wird schon noch kommen“?
Oder bin ich endlich einmal mutig genug, die Konsequenzen zu ziehen? Was hält einen denn noch am Leben, wenn man die Hoffnung verloren hat? Was nützen einem diese ewigen und ergebnislosen Grübeleien, wenn das einzige Ergebnis, die einzige Teilnahme an der beschworenen Liebe lediglich ein neidischer Blick zu einem glücklich tuschelnden händchenhaltenden Pärchen ist?
Doch wahrscheinlich werde ich weiterhin einfach nur zu feige sein, um diesen Weg, der nun mal eine Einbahnstrasse ist, zu gehen. Werde weiterhin hoffnungsvoll und leichtsinnig mein Herz verschenken und still die immer wieder kehrende Enttäuschung ertragen. Und wohl werde ich auch immer wieder eine Frau finden, die mir eine Spur des Glückes zeigt, das man Liebe nennt. An Erfüllung glaube ich nicht mehr, eher an Genügsamkeit!
X. Genügsamkeit
Was bedeutet jetzt Genügsamkeit? Gibt es Genügsamkeit in Gefühlsdingen, Genügsamkeit, in Sachen Liebe?
Ein Eremit überlebt doch auch – zurückgezogen von der restlichen Menschheit, versunken in seinen philosophischen Gedankengängen, zufrieden mit seinem spärlichen Leben. Und selten behauptet einer von ihnen, er sei nicht glücklich. Ganz im Gegenteil, erscheinen viele von diesen bewundernswerten Menschen glücklicher, als sie scheinbar zur der Zeit waren, in der sie unauffällig und eingegliedert in unserer Gesellschaft waren. Sie bezeichnen sich selbst als „geläutert“. Es drängt sich die Frage auf, von was sie denn geläutert sind? Gereinigt von schlechten Gedanken, von schlechtem Handeln und mit reinem Herzen und geordneten Gedanken – weil sie sich nicht mehr der Liebe verschreiben. Weil sie es eingesehen haben, dass es sinnlos ist, auf dieselbe zu hoffen und sich für andere Menschen aufzuopfern! Sie können sich somit in ihren Gedanken auf wesentlichere Dinge konzentrieren, haben die Muse, sich ihr Glück in den alltäglichen Begebenheiten der Natur zu suchen.
Denn hier herrscht zumindest Ehrlichkeit!
Ich habe schon in mehreren Diskussionen den Ausspruch getan, dass ich mich lieber mit Tieren umgebe als mit Menschen. Von ihnen wird einem nichts vorgespielt, nichts vorgelogen – es herrscht wahre Ehrlichkeit. Nicht, weil Tiere nicht denken können – das bezweifle ich auf das heftigste – sondern weil Tieren die Hinterhältigkeit, die berechnende Bösartigkeit fehlt. Kein Tier würde etwas vorgaukeln, um einen materiell zu fassenden Vorteil aus einer Sache zu ziehen. Das ist eine dem Menschen vorbehaltene Eigenschaft, die man vor allem auch in der Liebe immer wieder kennen lernen darf.
Natürlich versuchen sowohl Mensch, als auch Tier, sich in ihrem Balzverhalten möglichst positiv und teuer zu verkaufen. Aber ein umworbenes Tier täuscht dem Umwerbenden niemals irgendwelche Gefühle vor, nur um einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen. Die Fronten (ja, das Wort trifft doppelt gut, denn alles was mit Liebe zu tun hat ist ein Kampf, ein Krieg, und somit ist es auch gerechtfertigt, von Fronten zu sprechen!) sind von vornherein geklärt. Entweder der Partner wird nur zum Vorgang des Begattens akzeptiert oder für eine lebenslange und wohlgemerkt monogame Beziehung.
Bei der Menschheit ist die lebenslange, monogame Beziehung inzwischen doch schon eher Legende als Tatsache! Sobald ein Problem in einer Beziehung auftaucht, nimmt man (in meiner Erfahrung sogar eher Frau) den leichtesten Weg und flüchtet. Flüchtet zu einem, der in diesem Moment einfach „geschickter“ ist, mit dem noch nicht gleich Probleme auftauchen, weil diese neue Beziehung noch zu frisch ist, um problematisch sein zu können.
Es wird weder für eine Partnerschaft, noch um den dazugehörenden Mensch gekämpft.
Wohin ist der Sinn verschwunden, was ist mit dem Satz „....durch gute und durch schlechte Zeiten, bis dass der Tod euch scheidet“? Gibt es denn keine Frauen mehr, für die eine Beziehung eben mehr bedeutet als „cool“ zu sein, als „fun“ zu haben? Wählt man heute seinen Partner nicht mehr auch unter dem Gesichtspunkt aus, mit ihm alt zu werden?
Wer ehrlich liebt und die Bedeutung des „gemeinsam alt werden“ begriffen hat, der weiß auch, dass eine Beziehung viele Höhen und Tiefen durchläuft und dadurch gestärkt wird, dass man sie gemeinsam besteht!
Doch scheinbar hat sich unsere Gesellschaft zu einer spaßorientierten, schnelllebigen und vor allem oberflächlichen entwickelt, in der kein Platz für Liebe, Rücksicht und Kompromissbereitschaft mehr besteht.
Also versuche ich genügsam zu sein. Erfreue mich an der Anwesenheit meiner Katzen, fasse es als ehrliches Kompliment auf, wenn sie zu mir kommen, um sich ihre Streicheleinheiten abzuholen und genieße die Zärtlichkeit, die sie in der Lage sind, mir zu geben. Und vielleicht ist auch das eine Art von Liebe, wenn ich jeden Morgen neben meinen beiden Katzen aufwachen darf.
Doch genügt das auf Dauer? Kann jeder Mensch sich zum Eremiten entwickeln, auf die zwischenmenschlichen Gefühle verzichten? Oder vergisst man nach langem Entzug dieser Gefühle einfach, was sie einem geben können? Vermisst man es einfach nicht mehr, weil man die Erinnerung daran vergessen oder verdrängt hat?
XI. Selbstdisziplin
Wie wohl unschwer zu erkennen ist, stürzt einen solche Grübelei in unergründliche Tiefen, lässt die Depression zu einem ständigen Wegbegleiter werden. Und nur durch eiserne Disziplin schafft man es, dennoch wieder einen Lichtblick im langen Tunnel zu finden.
Also werde ich mich auch dieses Mal wieder zusammenreißen müssen, mich am eigenen Haarschopf packen und aus diesem Sumpf heraus ziehen!
Ich werde mir also wieder neue Ziele stecken müssen, Wünsche und Hoffnungen einfach abschalten und mir die schönen Begebenheiten im Leben immer wieder vorführen.
Ich glaube, man nennt so etwas „Wertigkeiten verschieben“ – andere Prioritäten setzen.
[Beitrag editiert von: schimi am 22.03.2002 um 01:18]