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Der Versuch

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Der Versuch

Tag 1: 17. Mai 2017
Sehr geehrter Leser dieser Aufzeichnungen, ich heiße Andreas Klawie, bin 63 Jahre und wahrscheinlich dem Tode geweiht.
Ich weiß zur Zeit nicht, was genau geschehen ist; trotzdem jagt es mir eine riesengroße Angst ein. Das Schlimmste ist die Ungewissheit, was dahinter steckt. Oder wer? Man weiß ja nicht, welche Sachen manche Leute oder irgendwelche Regierungen sich ausdenken. Ich will eigentlich nicht darüber nachdenken und versuche mir immer wieder einzureden, dass alles in Ordnung ist.
Aber der kleine Mann in meinem Kopf hört nicht auf rumzuschreien und versucht, sich immer lauter Gehör zu verschaffen. Die unzähligen Bücher und Filme machen es einem auch nicht einfacher und geben dem kleinen Scheißkerl eher noch mehr Redefutter. Man hat halt immer direkt das Schlimmste vor Augen. Schrecklich!

Momentan sind meine Gedanken immer wieder bei einem Freund aus meiner Kindheit, der, wenn etwas passierte, zu sagen pflegte, dass sich die Welt dann ein Stück weiterdreht. Keine Ahnung, wo er den Scheiß her hatte, aber bei dem, was sich hier gerade abspielt, muss sie sich ein gewaltiges Stück gedreht haben. Denn Schreckliches scheint gestern begonnen zu haben.
Wenn ich aber darüber nachdenke… will ich wirklich wissen, was da draußen vor sich geht? Was ist im Allgemeinen besser für einen? Zu ahnen, dass das eigene Ende kommt, oder in Unwissenheit leben und von jetzt auf gleich zu sterben? Gott, ich kann es nicht sagen. Ist beides irgendwie Mist. Ich denke nur, dass es mich am Liebsten im Schlaf treffen soll. Einfach an einem Abend einschlafen und am nächsten Tag nicht mehr aufwachen. Aber beeinflussen kann man es ja leider nicht.

Wer weiß, vielleicht ist das, was bisher geschehen ist, auch nur ein Zufall und außerhalb dieser Gegend verläuft alles wie früher. Daran glauben kann ich aber nicht wirklich.

Eigentlich führe ich kein Tagebuch und finde es für mich persönlich auch lächerlich. Mein Leben war einfach nicht spannend genug und bis vor ein paar Stunden wäre ich auch nie auf die Idee gekommen damit anzufangen. Aber in einer Schublade in der Küche habe ich einen alten Block gefunden und aus einer Laune heraus schien mir die Situation förmlich danach zu schreien. Seitdem schreibe ich fleißig Zeile um Zeile.

Es dient mir hauptsächlich zum Zeitvertreib, da ich sonst nicht viel machen kann; Bücher lesen oder rumsitzen und aus dem Fenster gucken. Darüber hinaus könnte jemand, der dies list, von den Erfahrungen und Fehlern profitieren. Zumindest wenn es soweit kommen sollte, dass ich es ihm nicht mehr lebe und das Buch gefunden wird.

Seit gestern gibt es keinen Radio- und Fernsehempfang mehr. Handys funktionieren hier in der „Wildnis“ sowieso nicht. Und Festnetz bei mir in der Hütte, haha, naja ein kleiner Witz an Rande. Davon sind die Menschen hier noch einige Jahre entfernt. Die Einen würden es zwar hinterweltlich nennen, aber jeder weiß worauf er sich einlässt, wenn er hierher kommt. Gerade diese Abgeschiedenheit ist es, was die Leute hier suchen; raus aus dem Alltagsstress und rein in die Ruhe der puren Natur. Ist es nicht das, was wir in der heutigen Welt am Meisten brauchen?

Was bedeutet das für mich? Ich sitze alleine mitten im Nirgendwo, am Arsch der Welt, und kann nicht sagen, ob das alles nur hier passiert ist, oder auch wo anders.

Obwohl „allein sein“ ist zum Glück der falsche Ausdruck. Mein Hund Einstein ist bei mir. Nur leider weiß ich nichts über die Lage außerhalb der schützenden Wände. Daher kann ich auch nicht absehen, wie lange wir noch zusammen sein werden. Keiner weiß, was geschehen wird. Aber bei dem Gedanken, dass ich ihn in naher Zukunft nicht mehr bei ihm sein kann, zerreißt es mir fast das Herz.
Habe ein Bild vor Augen, wo Zombies die Welt um uns herum bevölkern und wir beiden hier ausharren, wie die Leute im Einkaufszentrum in „Dawn of the dead“. Nur die hatten den entscheidenden Vorteil, dass sie in dem Zentrum alles finden können, was sie brauchen. Ich hier in der Hütte bin auf den Vorrat angewiesen. Und das ist wahrlich nicht viel.

Da fällt mir auf, wenn es sich das Ganze nur in dieser Gegend abspielt, weiß niemand, worüber ich schreibe. Ich sollte daher kurz die Ereignisse zusammenfassen.

Die Welt scheint zu sterben; zumindest sind alle Tiere, die wir seit dem gestrigen Nachmittag gesehen haben, tot. Bisher scheinen "nur" Vögel davon betroffen zu sein. Trotzdem macht es das nicht weniger gruselig. Menschen habe ich schon Tage nicht mehr gesehen und kann nicht sagen, ob es auch Opfer gibt.

Nur was hat das Massensterben ausgelöst? Eine Seuche? Eine Krankheit? Ist es auch auf den Menschen übertragbar? Trage ich es dann schon in mir? Oh, man, die Vorstellung macht mir eine schreckliche Angst.

Vielleicht ist aber alles unbegründet und ich mache mich hier nur lächerlich. Mache mir Gedanken um nichts. Vielleicht ist alles ein blöder Zufall oder eine Laune der Natur. Aber durch die unzähligen Bücher und Filme. Oh, man...ich sollte vielleicht gucken, dass ich das Haus abdichte. Türen und Fenster mit Folie abkleben. Essen und Wasser haben wir zumindest für wenige Tage. Entweder ist es bis dahin alles vorbei oder ich muss mir überlegen, wie es weitergeht.

Ich werde, solange es mir irgendwie möglich ist, meine Erlebnisse in dieses Buch schreiben. Wer weiß, wofür das gut sein kann.
Ob wir die Nacht überleben? Oh Gott. Meine Gedanken rasen. Bin gespannt, ob ich werde schlafen können. Genau, über sowas mache ich mir Gedanken. Bekloppte Welt.

Tag 2: 18.Mai 2017
Eine gute Nachricht am Morgen des 2. Tages. Wir beide leben und sind wohlauf. Die Nacht war zwar nicht die beste meines Lebens, aber ich habe Schlaf gefunden und bin bereit für einen neuen Tag.

Da fällt mir auf, dass ich gar nicht tot sein kann, solange ich schreibe. Wäre sonst eine echt Meisterleitung und bestimmt eine Schlagzeile in einer der großen Zeitungen der Welt wert. Nicht schreiben, um zu leben, sondern leben, um zu schreiben. Ok; ein schlechter Spruch, gebe ich gerne zu. Trotzdem. Bin froh, dass wir die Nacht überstanden haben.

Hier wird man halt so ein bisschen, wie meine Mutter immer zu sagen pflegte, weich in der Birne. Und das schon an Tag 2. Es hat sich nichts an der Lage geändert. Alles beim Alten. Wir sitzen hier drin und wissen nicht was draußen vor sich geht.

Wenn ich es mir überlege, die Nachricht ist nicht unbedingt schlecht. Sie könnte besser sein, aber auch deutlich schlechter. Sagen wir also es ist eine semi-schlechte Nachricht. Schlimmer ist nur, was mein Gehirn aus der Situation macht.

Mir geht seit gestern Nacht die Vorstellung durch den Kopf, dass wir beide morgen nicht mehr leben könnten und das macht mich fast wahnsinnig. Wer weiß, ob ich nicht jeden Moment vom Stuhl kippe? Hör auf damit, dir solche Gedanken zu machen. Ist echt schlimm. Aber Schluss damit; durchatmen und über was anderes schreiben. Was habe ich gestern noch gemacht?

Ich habe alle Fenster mit Folie versiegelt. Leider hatte ich nicht genug, um alle Fenstern transparent abzukleben. Daher sind die hinteren zum Wald raus schwarz abgeklebt und damit undurchsichtig. Durch die Vorderen dagegen kann man fast so gut durchgucken, wie ohne Folie. Habe sie jeweils am Fensterrahmen mit Malertape festgeklebt. Ich denke, dass sollte soweit abdichten. Dabei ist mir aufgefallen, dass das eine Fenster im Schlafzimmer scheinbar ziemlich undicht ist; die Folien flatterten nämlich leicht im Luftzug.

Die Tür dagegen habe ich in eine Art Schleuse zu verwandelt, damit ich falls notwendig raus- und reingehen kann. Ob es allerdings so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, wird sich zeigen. Prinzipiell ist die Schleuse so aufgebaut, dass zumindest keine Luft direkt von außen reinkommen kann. Zum Glück hatte ich vor einiger Zeit mal einige Meter dünne Malerfolie gekauft und im Nebenzimmer deponiert, da ich eigentlich Teile des Schlafzimmers neu streichen wollte. Vielleicht rettet mir das ja das Leben.

Aber war das überhaupt notwendig? Vielleicht mache ich mich auch zum Affen und bald kommt der "Nachbar" vorbei und fragt, ob ich sie noch alle habe. Aber nach den unzähligen Filmen und Büchern über Krankheiten, die die gesamte Menschheit auslöschen, bin ich lieber vorsichtig. Wie sagte meine Mutter schon immer so schön? Lieber Vorsicht als Nachsicht. Blöder Spruch irgendwie, aber auch was Wahres dran. Aber ich wiederhole mich, glaube ich.

Als ich gestern die ersten Anzeichen dafür sah, dass irgendwas nicht stimmte, saß ich in meinem kleinen Ruderboot und hatte die Angel in den See geworfen. Es war ein schöner Tag zum Angeln und die Fische hatten gut gebissen. Im Kopf hatte ich mir schon überlegt, wie ich die gefangenen Fische zubereiten würde. Ich wollte noch versuchen einen Fisch zu fangen, dann zurückrudern und den Grill anwerfen. Es gibt doch nichts besseres, als frischen Fisch vom Grill. Ich freute mich schon so richtig drauf, als ich ein lautes Platschen hörte. Zuerst dachte ich, dass es vielleicht ein großer Fisch gewesen war, der aus dem Wasser gesprungen ist. Selbst Einstein, der im Bug lag und döste, spitze die Ohren und sah kurz auf.

Aber als ich mich umdrehte, um nach dem Geräusch zu sehen, konnte ich keinen Fisch sehen. Nur einen Vogel, der auf dem Wasser trieb und scheinbar gerade wieder aufgetaucht war. Er schien sprichwörtlich vom Himmel gefallen zu sein. Er war tot. Einfach so. Im ersten Moment habe ich mir noch nicht wirklich etwas dabei gedacht. Aber dann fielen im Sekundentakt mindestens 20 weitere Vögel vom Himmel. Platsch, platsch, platsch. Und alle trieben auf dem Wasser. Einstein war mittlerweile aufgestanden und stand bellend auf dem Vorschiff. Es war ein ziemlich bizarrer Anblick. Die Sonne ging gerade unter und tauchte den See in eine Postkartenidylle. Einer der Anblicke und Momente warum ich den Ort eigentlich so liebe. Und dann ein kompletter Schwarm an Vögeln, die tot auf dem Wasser treiben.

Ich sah in meinen Eimer mit den gefangen Fischen und fing an mich zu ekeln. Für den Tag war mir der Appetit auf Fisch auf jeden Fall vergangen.

Heute Morgen habe ich dann nochmal aus dem Fenster geguckt und da sah es so aus, als wäre die komplette Wasseroberfläche mit toten Fischen und Vögeln übersäht. Erst kam mir der Gedanken rauszugehen und mir alles aus der Nähe anzusehen, aber irgendwie traue ich mich nicht aus dem Haus. Scheiße. Was auch immer da vor sich geht, macht mir echt Angst. Selbst Einstein scheint zu spüren, dass irgendwas nicht stimmt. Er ist noch anhänglicher als sonst, streift immer um meine Beine und weicht mir nur selten von der Seite. Habe ihm in dem kleinen Abstellraum eine Kiste als Klo aufgestellt. Wir werden erstmal abwarten, was die nächsten Stunden oder vielleicht auch Tage so bringen. Radioempfang gibt es auf jeden Fall noch keinen und wir haben nur noch sehr wenige Vorräte. Und da keiner weiß, wie lange wir hier noch ausharren müssen, muss ich einen Plan schmieden.

Ich werde versuchen eine Art Maske zu basteln. In wieweit mir das gelingen wird, weiß ich nicht. Mal schauen, was ich alles hier noch so finde. Werde den Nachtmittag damit verbringen, den Abstellraum und die weiteren Räume zu durchforsten. Auch wenn ich das Haus nicht verlassen möchte und mich lieber in einem Loch verkriechen würde, muss ich mal raus. Schon alleine Einstein zu liebe. Und vielleicht finde ich dann auch Antworten auf die vielen Fragen in meinem Kopf. Hätte ich schon direkt gestern gehen sollen? Wäre vielleicht eine gute Idee gewesen. Zu spät! Ich hoffe, dass es keine Entscheidung war, die mich das Leben kostet. Aber für morgen plane ich, zur nächsten Stadt zu fahren. Aber dann möchte ich so eine Maske haben, die zumindest die Atemwege schützt. Also ran an das Werk und in die Hände gespuckt; im sprichwörtlichen Sinne natürlich.

Tag 3: 19. Mai 2017
War gestern zu müde, um noch irgendwas zu schreiben. Aber insgesamt hat sich nichts verändert. Nur scheint es draußen bestialisch heiß geworden zu sein. Die Sonne brennt erbarmungslos auf das Dach und lässt die Temperatur in der Hütte schon merklich ansteigen. Ein Tag also, an dem man eigentlich mit einem kühlen Eistee auf dem Steg am See sitzen will; im Schatten eines Schirmes mit den Füßen im kühlen Wasser des Sees. Aber ich sitze in diesem scheiß Haus fest. Und da ich kein Fenster aufmachen will, müssen wir erst mal damit so leben. Ich weiß noch nicht, wie es weitergehen soll, weil irgendwann werden wir, oder zumindest ich, wohl oder übel das Haus verlassen müssen; spätestens um Essen zu holen oder aber um das Klo von Einstein zu entsorgen. Habe angefangen jeden Haufen, den er macht, in eine Plastiktüte zu packen, so wie bei Pampers von Babys, aber das ist keine Lösung auf Dauer.
Allerdings weiß ich immer noch nicht, was da draußen los ist, und falls es sich um eine Krankheit handelt, ob sie sich nicht auch über die Luft und die Haut überträgt. Optimalerweise sollte ich versuchen einen kompletten Schutzanzug zu bauen. Es gibt ja nur drei Möglichkeiten, entweder mache ich mich unnötig verrückt und ich brauche gar nichts von dem Zeug; nur eine Maske oder aber ich brauche alles und der Anzug rettet mein Leben.

Ach. Noch eins bevor ich wegen Unlust aufhöre zu schreiben für heute. Immer noch kein Lebenszeichen von anderen Menschen. Wer weiß, ob es überhaupt noch welche gibt? Das Radio zeigt seit Tagen nur das statische Rauschen.

Schreibe doch noch ein wenig. Ist schon ziemlich langweilig hier. Irgendwie versuchen wir die Zeit tot zu schlagen. Die Möglichkeiten in einem so kleinen Raum sind sehr eingeschränkt. Meine Stimmung sinkt deshalb von Stunde zu Stunde. Und heute ist erst Tag 3. So ein Mist.

Zum Glück war ich vor meiner Abfahrt noch bei der Bibliothek und habe einen Haufen Bücher geholt. Sollte ja ein Entspannungsurlaub werden; mit lesen, angeln und einfach nichts tun. Dafür fahre ich seit mindestens 15 Jahren immer für ca. eine Woche hierher. Aber falsch gedacht. Wenn man so gar nicht nach draußen kann (oder will) fällt einem doch schon mal schnell die Decke auf den Kopf.
Heute Morgen habe ich den letzten Kaffee getrunken. Weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe, so wenig Pulver mitzunehmen. Könnte mir aber morgen früh echt fehlen. Immerhin trinke ich seit meiner Studienzeit jeden Morgen eine Tasse um in Fahrt zu kommen und richtig wach zu werden. Morgen werden wir dann sehen, in wieweit ich wirklich darauf angewiesen bin oder ob ich mir das nur einbilde. Vielleicht war das eben die letzte Tasse Kasse, die ich in meinem Leben trinken werde? Wer weiß das schon. Der Gedanke trifft mich gerade irgendwie wie ein kleiner Schlag.

Aber was mache ich sonst so den ganzen Tag. Außer den paar Minuten, wo ich diesen Text in das Buch schreibe, welches ich in der Küchenschublade gefunden habe. Es sieht schon etwas zerfleddert aus, aber jetzt erfüllt es endlich einen tieferen Sinn.

Das Radio ist immer noch tot. Das heißt, mein Tagesablauf sieht folgendermaßen aus: aufstehen, Frühstück machen, essen, lesen, Tagebuch schreiben, lesen, essen, lesen, schlafen, mit Einstein quatschen oder spielen. Klingt alleine schon beim Aufschreiben langweilig und ist es auch irgendwie. Aber gut, es ist nicht zu ändern!

Die Essensvorräte werden langsam knapp. Dann muss ich das Haus verlassen. Aber was wird mich dann im nächsten Ort erwarten? Werde ich Menschen treffen oder wird auch da alles ausgestorben sein? Denke schon seit dem 2. Tag darüber nach, einfach zu fahren. Ich habe Angst davor, was mich da erwarten könnte. Entweder zerstört es meine Hoffnungen oder aber ich bin gerettet. Vielleicht sollte ich es riskieren? Will man lieber die Wahrheit wissen oder im Ungewissen leben? Ich weiß es nicht. Gute Nacht und bis morgen. Hoffentlich.

Tag 4: 20. Mai
Ich hatte letzte Nacht einen ziemlich verstörenden Traum. Es klopfte an der Tür. War erst total verdutzt und habe dann aus dem Fenster gesehen. Dort standen ein paar Männer in weißen Ganzkörperschutzanzügen auf der Veranda. Das Bild erfreut mich auf der einen Seite, da ich wusste, dass ich nicht alleine bin. Aber auf der anderen Seite beunruhigte mich ihre Aufmachung. Einer hatte ein Messgerät in der Hand, dass die ganze Zeit leise Pieptöne von sich gab. Die anderen trugen Schusswaffen. Habe mir schnell meinen selbstgebauten Schutzanzug angezogen und die Tür geöffnet. Bevor ich aber etwas sagen konnte, hatte mich schon einer von ihnen nach draußen gezerrt und riss mir die Klamotten vom Leib. Anschließend hielt er mir einen weißen Stoffanzug hin. Als ich den angezogen hatte, sprühte er mich mit einer übel riechenden Flüssigkeit an und gab mir eine Maske. Ich fragte sie, was das alles zu bedeuten habe, aber sie schüttelten nur mit dem Kopf und signalisiert mir, ich solle mit ihnen gehen. In dem Moment trat Einstein durch die Tür. Einer der Männer, der in der hinteren Reihe stand, nahm sein Gewehr hoch und schoss ihm ohne mit der Wimper zu zucken in den Kopf. Das Blut spritze an die Tür, ich schrie auf und erwachte. Ich lag bestimmt einige Minuten wach und starrte an die Decke. Einstein lag zu meinen Füßen und schlief tief und fest. Während ich diese Worte schreibe, liegt er immer noch da, als könnte ihn nichts aus der Ruhe bringen. Ob ich allerdings in dieser Nacht nochmal Schlaf finde, weiß ich noch nicht. Werde mich aber wieder hinlegen und es zumindest versuchen.

Was ein Mist. Bin doch nochmal eingeschlafen, aber der Schlaf war nicht wirklich erholsam. Wurde dann durch ein Kratzen wach und Einstein lag nicht mehr an seinem vorherigen Platz. Habe ihn gerufen und das Kratzen hörte augenblicklich auf. Er kam in das Schlafzimmer gelaufen und wedelte mit dem Schwanz, als wäre nichts passiert. Ich bin direkt aufgesprungen und habe geguckt was er gemacht hatte; er hatte die Folie vor der Tür abgerissen und dann an der Tür gekratzt hat. Vielleicht hat er damit unseren Tod besiegelt. Wer weiß, was von draußen nach innen gedrungen ist. Habe die Folie direkt wieder angeklebt, aber wer weiß ob es nicht schon zu spät ist. Insgesamt stellt sich bei mir nun eine gewisse Resignation ein. Wenn ich sterbe, dann sterbe ich halt. Seit Tagen kein Anzeichen von Leben außerhalb dieser Wände; kein Radio, nichts. Will ich so überhaupt weiterleben? Einsam und alleine und darauf warten, dass es zu Ende geht. Ich weiß es nicht. Werde frühstücken und dann mal einen Plan schmieden.

Saß jetzt einige Zeit im Sessel und habe an die Wand gestarrt. Habe zwar nochmal was geschlafen und fühle ich mich ein wenig besser als heute Morgen, aber die Welt sieht doch ganz schön trübe aus. Zumindest war der Schlaf ruhig und ich hatte keine Träume von Männern in weißen Uniformen. Zumindest keine an die ich mich erinnern kann. Ein Segen, echt! Auch sind noch alle Folien am richtigen Ort.

Habe mich entschieden, dass ich heute noch in das nächste Dorf fahren werde. Uns geht das Wasser aus und einige frische Lebensmittel wären natürlich auch ganz nett. Vielleicht finde ich etwas Obst; Äpfel oder so. Außerdem will ich endlich wissen, was in außerhalb der Wände passiert ist. Heute ist Tag 4 nach der "Sache". Ich sollte mir einen besseren Namen dafür ausdenken, denn irgendwie ist dieser Name blöd und unpassend. Aber mir fällt nichts Besseres ein.

Was wird mich in dem Dorf erwarten? Leben da noch Menschen? Läuft da das Leben wie gewohnt ab? Wenn ich mir das so recht überlege, hätte ich vielleicht doch schon früher hinfahren sollen. Aber bis heute Morgen hatte ich zu viel Angst. Jetzt bin ich mental darauf vorbereitet.

Seit ich heute Morgen aus dem Fenster geguckt habe, steht mein Entschluss fest. Von gestern auf heute sind zwei neue tote Tiere auf der Liste hinzugekommen. In vielleicht 100 Meter Entfernung liegt ein großes, pelziges Tier; nach meiner Einschätzung ein Bär. Auf der Veranda direkt vor dem Fenster liegt ein toter Fuchs. Merkwürdig ist, dass ich bei ihm keine Fliegen sehe. Und das, obwohl von dem Tier schon der süßliche Geruch von Verwesung ausgeht. Oder bilde ich mir den Geruch nur ein? Ansonsten werde ich mich gleich auf den Ausflug in die Stadt vorbereiten. Habe mich dazu entschlossen, nur die Atemmaske zu tragen. Nehme einen Rucksack und ein paar Taschen mit. Einstein lasse ich im Haus. Ich möchte nicht, dass ihm etwas passiert. Außerdem kann ich ihm ja schlecht eine Atemmaske überziehen. Oh man... Was wird mich erwarten? Glaube, ich war selten so aufgeregt. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Aber kann es nicht ändern; ich muss hier raus. Drückt mir die Daumen.

Bin wieder zurück. Habe erst überlegt, ob ich überhaupt etwas aufschreiben soll. Aber vielleicht hilft es mir, die Geschehnisse zu verarbeiten oder zu verstehen.

Was soll ich zu dem Trip sagen? Es war der blanke Horror, es scheint noch viel schlimmer zu sein als befürchtet. Als wären meine Gedanken der letzten Tage Realität geworden. Auch wenn ich sie nicht ausgesprochen oder besser aufgeschrieben habe, saßen sie doch die ganze Zeit in meinem Kopf und klopften von innen an die Stirn. Erst leise und dann immer lauter. Und heute haben sie es geschafft und ein Loch in die Schädeldecke geschlagen. Es ist zum Verzweifeln. Alles was heute hätte schief laufen konnte, ist passiert. Hatte eine gewisse Hoffnung, dass ich unterwegs auf Menschen treffe und in der Stadt alles seinen normalen Gang geht. Aber anscheinend hat sich alles und jeder gegen mich gewendet. Weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Eigentlich sehe ich fast keinen Sinn mehr überhaupt noch weiterzumachen. Aber von Anfang an…

Habe mir die Atemmaske und trotz der Wärme einen Pullover und eine lange Hose angezogen. Dachte mir, so komme ich vielleicht nicht mit irgendwas in Berührung. Sicher ist sicher. Aber als ich das Haus verlassen wollte und mir ein leichter, aber unverkennbarer süßlicher Geruch von Verwesung entgegenwehte, wurde die Stimme in meinem Kopf lauter, die sagte, dass es kein guter Tag wird. Ich blieb kurzzeitig in der Tür stehen und stellte mir noch die Frage, ob es mittlerweile überall so riechen würde, oder ob der Geruch nur von dem toten Fuchs auf der Veranda stammte. Würden überall tote Tiere rumliegen und verwesen? Ich trat auf die Veranda, schloss die Tür. Leider sollte ich die brutale Wahrheit einige Zeit später erfahren. Aber der Reihe nach.

Im Auto herrschten gefühlte Saunatemperaturen und noch bevor ich den Wagen starten konnte, lief mir schon der Schweiß über das Gesicht und tropfte in den Schoß. Die Klimaanlage lief auf voller Stufe, aber schaffte es nur schwerlich etwas gegen die stickige Hitze zu tun. Die Luft blies mir warm und trocken ins Gesicht und fühlte sich so an, als hätte sich jemand mit einem Fön hinter den Lüftungsschlitzen versteckt und würde mir den direkt ins Gesicht halten. Trotzdem wollte ich die Fenster geschlossen halten. Irgendwie musste es für die recht kurze Fahrdauer schon gehen. Trotz der Atemmaske habe ich eine Abneigung gegenüber der Luft draußen.

Unterwegs konnte ich immer wieder tote Tiere am Straßenrand liegen sehen. An einer Stelle lagen direkt fünf oder sechs Rehe direkt nebeneinander. Einige andere dagegen lagen auf der Straße, so dass ich teilweise Schlangenlinien fahren musste, um nicht drüber zu fahren. Ein paar Mal hielt ich an und begutachtete die Tiere aus dem Fenster. Nicht aus irgendeiner gaffenden Faszination heraus, sondern weil ich wissen wollte, in wieweit die Tiere von Fliegen befallen waren. Aber trotz der Wärme und dem starken Verwesungsgeruch waren keine zu sehen. Sehr merkwürdig. Aber vielleicht sind sie auch dem, was auch immer es ist, zum Opfer gefallen.

Nach einige Zeit kam ich am Ortseingangsschild an und hatte kurzzeitig die Hoffnung, dass hier alles beim alten wäre; dass Menschen rumlaufen und ihrem Alltag nachgehen.

Der Ort ist sehr klein, es wohnen vielleicht eine Handvoll Leute dauerhaft hier, und besteht mehr oder weniger nur aus zwei Straßen; der Hauptstraße, wo sich die Geschäfte befinden und einer weiteren, an der das einzige Restaurant und die Tankstelle liegen. Ohne die Touristen, die in den Sommermonaten das umliegende Land bevölkern und den Pendlern, die einen kurzen Stopp einlegen, wäre die Stadt bestimmt schon vor langem von der Landkarte verschwunden. Die meisten jungen Leute zieht es in die umliegenden großen Städte.

Aus der Ferne sah auch alles so aus wie gewohnt. Die Markisen an den Läden waren runtergelassen und einige Autos standen an den Straßen. Nur Menschen sah ich keine. Auch fuhr kein Auto auf der Straße. Da fiel mir erst auf, dass mir auf der Fahrt kein einziges Auto entgegengekommen war, was mir doch reichlich seltsam vorkam.

Alles lag ruhig. Zu ruhig. Es wäre eine Szene gewesen, wo in einem Westernfilm ein Steppenläufer durch das Bild gerollt wäre. Ich fuhr langsam die Hauptstraße entlang und spähte in die Läden rechts und links der Straße; alle lagen leer und verlassen da. Vor dem Lebensmittelladen fuhr ich an die Seite und öffnete die Wagentür. Eine unbeschreibliche Hitze schlug mir entgegen und ließ mich kurz auf den Sitz zurückfallen. Ich stieg aus und ging in Richtung Geschäft. Kein Menschen noch Tiere zu sehen; aber zumindest auch keine toten. Ein Gedanke, der mich erst mal innerlich beruhigte. Die Stadt machte eher den Eindruck, als hätten sich die Einwohner spontan in Luft aufgelöst; von einem Moment zum nächsten.

Mein Blick fiel auf einen Zettel, der mit Tesafilm an der Glastür des Ladens befestigt war. Ich überflog den handgeschriebenen Text und trotz der heißen Temperaturen lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Also war es doch wahr. Trotz der wenigen Zeilen stand ich bestimmt eine volle Minute bewegungslos da und starrte vor mich hin. So als würde sich mein Geist weigern den Sinn des Textes zu verstehen. Sinngemäß stand darauf geschrieben: "Hallo möglicher Überlebender. Am 17. Mai scheint der Anfang vom Ende der Welt angefangen zu haben. Alle Nachrichten im Radio oder Fernsehen berichteten von toten Vögeln, die vom Himmel fielen, und von einem Virus der alle Lebewesen befallen würde. Keiner weiß, woher dieses Virus kommt oder kennt die Ursache. Die Regierung hat den absoluten Notstand ausgerufen. Wir haben das Allernötigste zusammengesucht und uns auf den Weg Richtung Meer gemacht. Bediene dich ruhig an den Waren, solange noch was da ist. Hoffentlich ist das nicht das Ende."

Ich drehte mich Richtung Straße und schrie so laut ich konnte. Die Luft flimmerte über dem Asphalt, die Stille war schon fast unheimlich. Keine Geräusche waren zu hören; nichts. Absolute Stille.

Ich sah mich um und fasste einen Entschluss. Ich wollte so viele Vorräte in meinen Wagen laden, wie ich auftreiben konnte. Dann würde ich Einstein abholen, und mich auch in Richtung Meer aufmachen. Vielleicht bestand ja noch Hoffnung auf andere Menschen zu treffen. Da wusste ich aber noch nicht, welche Wendungen der Tag noch nehmen würde.

Ich betrat den Laden und fröstelte leicht. Den Temperaturen nach zu urteilen schien die Klimaanlage noch zu laufen. Strom gab es also noch.

Trotzdem lag ein leichter Geruch von vergammeltem Obst in der Luft. Ich sah mich in dem Laden um. Die Kühlschränke im hinteren Teil des Ladens summten leise vor sich und waren, wie ich mit Schrecken feststellte, komplett leer. In den Auslagen lagen noch mehrere Äpfel, die aber mit einem Teppich aus grünlichem Schimmel übersät waren. Nur in dem Regal an der rechten Wand lagen einige Brote und in der Ablage darunter standen noch mehrere Sixpacks Wasser. Trotz der misslichen Lage durchzuckte eine mich eine gewisse Freude. Ich verstaute alles in meinem Auto und ging dann nochmal den Laden inspizieren.

Bis auf einige Schokoladenriegel blieb die Suche allerdings erfolgslos. Dafür habe ich unter der Ladentheke eine geladene Pistole gefunden. Keine Ahnung, warum der Ladenbesitzer sie zurückgelassen hat. Aber wie heißt es so schön? Lieber haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht haben. Also nenne ich seitdem eine Pistole mein Eigen.

Bin anschließend zur Tankstelle gefahren, um auch dort nach Brauchbarem zu suchen. Kein Erfolg. Ich habe den Wagen vollgetankt, zum Glück funktionierten die Pumpen noch, und habe dann kurzzeitig überlegt, ob ich auch in den Wohnhäusern nach Nahrungsmitteln gucken sollte. Aber der Weg bis zum Meer ist nur 800 km. Bei leeren Straßen, wovon ich ausgehe, nicht mal ein Tag Fahrt. Selbst wenn ich noch einige Tage rumfahren müsste, hätte ich genug zu essen dabei und in anderen Dörfern gab es ja bestimmt auch Läden.

Habe mich dann auf den Heimweg gemacht und war relativ guter Stimmung und Hoffnung.

Aber dies sollte sich in dem Moment ändern, in dem ich auf die Einfahrt zum Haus bog. Mein Herz blieb fast stehen, als ich sah, wie mir Einstein laut bellend und schwanzwedelnd entgegen gerannt kam. Wie auch immer er es geschafft hatte, aber er hatte die Tür geöffnet und war nach draußen gelaufen. Dieser blöde Hund. Oder lag es an mir? Habe ich die Tür nicht abgeschlossen? Ich kann mich nicht mehr wirklich dran erinnern. Habe ich es vergessen und damit sein Todesurteil unterschrieben? Weiß nun nicht wirklich was ich jetzt mit ihm machen soll, habe ihn draußen auf der Veranda festgebunden und während ich diese Worte schreibe, heult er den Himmel an. Es zerreißt mir das Herz, ihn so zu hören und von ihm getrennt zu sein, aber trotzdem kann ich ihn nicht mehr in meiner Nähe haben. Obwohl er mein einziger Freund ist. Es ist zum Verzweifeln. Jetzt werde ich versuchen zu schlafen und morgen die Lage überdenken. Fahre ich alleine? Ich weiß es noch nicht. Bleibe ich hier? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall ist die Hoffnung in Trauer umgeschlagen.

Tag 5:
Irgendwann in der letzten Nacht hat Einstein aufgehört zu heulen. Bin aufgestanden und sah nach ihm. Zuerst dachte ich, er würde friedlich schlafen. Bin dann selbst wieder zurück ins Bett gegangen und habe auch etwas Schlaf gefunden. Heute Morgen lag er noch genauso da und mir wurde klar, dass er tot ist. Zumindest reagiert er auf nichts. Er ist letzte Nacht gestorben. In dem Moment, wo ich sogar froh darüber war, dass er aufhörte zu heulen. Gestorben, alleine. Genauso alleine wie ich es jetzt bin. Und es ist erst Tag 5. Mir stellt sich jetzt die Frage, wann er sich angesteckt hat. Am ersten Tag? Gestern? Bin ich auch infiziert, konterminiert?
Ob und wann sterbe ich?

Gibt es überhaupt noch Hoffnung auf ein Leben nach dem Ausbruch dieser Epidemie?

Das einzige Lebewesen, das mir nach dem Tod meiner Frau noch was bedeutet hat, lebt auch nicht mehr. Wie soll ich mich verhalten? Will ich wirklich zum Meer fahren und dort nach anderen Menschen suchen? Oder aufgeben?

Es fällt mir schwer einen Entschluss zu fassen. Die Pistole, die ich gestern gefunden habe, liegt auf dem kleinen Tisch neben dem Sessel und grinst mich an. Sie übt eine faszinierende Anziehungskraft aus. Habe noch nie drüber nachgedacht, mir selber das Leben zu nehmen, aber heute scheint es mir doch sehr verlockend. Ich werde ein Kreuz bauen und Einstein am Ufer des Sees begraben. Anschließend werde ich eine Entscheidung fällen. Lege ich mich daneben oder fahre ich zum Meer?

Tag 5 + X:
Hallo. Mein Name ist Johann Johannson; ich weiß ein merkwürdiger Name, aber ich heiße wirklich so. Ich habe gerade diese Hütte und dieses Tagebuch "gefunden". Alles scheint leer und verlassen zu sein. Ein Auto steht vor der Tür und ist vollgepackt mit Lebensmitteln. Ich weiß nicht, was es mit dieser Sache auf sich hat. Aber scheinbar gibt es noch Menschen irgendwo. Werde mich auf den Weg machen und sie suchen. Falls Sie dies also lesen sollten, lassen Sie es mich mit Gewissheit sagen: Sie sind nicht allein. Irgendwo gibt es zumindest mich und vielleicht noch weitere Menschen. Ich werde Richtung Meer fahren und dort nach Mitmenschen suchen. Sollte ich keine finden, baue ich dort ein Lager auf. Ich hoffe, Sie bald dort antreffen zu können. Bis dahin.

 

Hallo Anthrac

Willkommen hier im Forum!

Nach den ersten beiden Absätzen deiner Geschichte hatte ich einen Gedanken, den ich leider bis zum Ende nicht mehr losgeworden bin: Dein Erzähler redet zu viel, und vor allem zu viel Unwichtiges.

Horrorgeschichten in Tagebuchform finde ich grundsätzlich mal gut, mir gefällt hier aber nicht, wie du den Beginn aufziehst:

und wahrscheinlich dem Tode geweiht.*

trotzdem jagt es mir eine riesengroße Angst ein.

Man hat halt immer direkt das Schlimmste vor Augen. Schrecklich!

aber bei dem, was sich hier gerade abspielt, muss sie sich ein gewaltiges Stück gedreht haben.

Denn Schreckliches scheint gestern begonnen zu haben.

Einfach an einem Abend einschlafen und am nächsten Tag nicht mehr aufwachen.

Das kannst du alles zusammenfassen, in dieser Häufigkeit nervt es mich eher und ich denke: Ja, ich hab kapiert dass etwas Schlimmes passiert ist, aber anstatt das etliche Male zu wiederholen, wäre es halt besser, mal zu erwähnen, um was es eigentlich geht. Die Handlung zieht mich in die Geschichte, nicht das Werten deiner Hauptperson. Eine Geschichte wird nicht "schlimm" oder "spannend" indem eine Figur das sagt, sondern indem ich als Leser in die Handlung gezogen werde und diese Wertung dann von selbst vornehme.

Zumindest wenn es soweit kommen sollte, dass ich es ihm nicht mehr lebe und das Buch gefunden wird.

Bei dem Satz stimmt was nicht.

Und Festnetz bei mir in der Hütte, haha, naja ein kleiner Witz an Rande.

am Rande

Passt dieses "haha kleiner Witz am Rande" zu einem 63jährigen, der aktuell ziemlich in Panik ist? Vielleicht hast du ja "Der Marsianer" gelesen und versuchst deinem Erzähler, einen ähnlich ironischen Unterton zu geben, aber das gelingt hier nicht so richtig. Ich würde das streichen.

Die Einen würden es zwar hinterweltlich nennen

Ich glaube man schreibt "die einen", groß geschrieben sieht das komisch aus.

Die Welt scheint zu sterben; zumindest sind alle Tiere, die wir seit dem gestrigen Nachmittag gesehen haben, tot. Bisher scheinen "nur" Vögel davon betroffen zu sein.

Hier finde ich es verwirrend, dass zunächst von "allen Tieren" und dann nur den Vögeln geschrieben wird. Was denn nun? Hat er denn noch andere lebendige Tiere gesehen? Zumindest der Hund lebt ja noch.

Oh, man...ich sollte vielleicht gucken, dass ich das Haus abdichte. Türen und Fenster mit Folie abkleben. Essen und Wasser haben wir zumindest für wenige Tage. Entweder ist es bis dahin alles vorbei oder ich muss mir überlegen, wie es weitergeht.

Ich verstehe das nicht, wegen ein paar toter Vögel? Du müsstest hier wirklich zu Beginn mehr auf das Setting eingehen: Was genau ist passiert, warum diese Panik? Was macht er in der Hütte, warum setzt er sich nicht einfach in sein Auto und fährt davon? Warum erschrecken ihn ein paar tote Vögel so sehr, dass er sich in der Hütte verbarrikadieren will?

Da fällt mir auf, dass ich gar nicht tot sein kann, solange ich schreibe. Wäre sonst eine echt Meisterleitung und bestimmt eine Schlagzeile in einer der großen Zeitungen der Welt wert. Nicht schreiben, um zu leben, sondern leben, um zu schreiben. Ok; ein schlechter Spruch, gebe ich gerne zu. Trotzdem. Bin froh, dass wir die Nacht überstanden haben.

Dieser Abschnitt ist komplett entbehrlich. Wie gesagt, dein Erzähler redet zu viel um den heißen Brei herum.

Ich denke, dass sollte soweit abdichten. Dabei ist mir aufgefallen, dass das eine Fenster im Schlafzimmer scheinbar ziemlich undicht ist; die Folien flatterten nämlich leicht im Luftzug.

Also nochmal: Bis jetzt weiß ich als Leser von ein paar toten Vögeln. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dein Erzähler so reagiert, wie er es tut.

Die Tür dagegen habe ich in eine Art Schleuse zu verwandelt,

Ohne "zu".

Nur einen Vogel, der auf dem Wasser trieb und scheinbar gerade wieder aufgetaucht war. Er schien sprichwörtlich vom Himmel gefallen zu sein.“

Achte mal darauf, wie oft du "scheinbar" und "scheinen" und "anscheinend" verwendest. Das kommt zu oft. Versuche, solche Wortwiederholungen zu vermeiden. Hier stimmt es ja auch nicht: Der Vogel schien nicht vom Himmel gefallen zu sein, sondern er ist vom Himmel gefallen.

Davon abgesehen finde ich die Szene im Boot ziemlich cool: Wie da bei Sonnenuntergang plötzlich etliche Vögel tot ins Wasser fallen, das hat was. Das wäre zum Beispiel ein schöner Beginn für die Geschichte, die mich dann auch gleich in ihren Bann zieht. Ich glaube nicht, dass du dir einen Gefallen getan hast, sie in Tagebuchform zu erzählen und dieses Ereignis dann so weit nach hinten zu stellen.

In wieweit mir das gelingen wird,

Inwieweit

Schreibe doch noch ein wenig. Ist schon ziemlich langweilig hier. Irgendwie versuchen wir die Zeit tot zu schlagen. Die Möglichkeiten in einem so kleinen Raum sind sehr eingeschränkt. Meine Stimmung sinkt deshalb von Stunde zu Stunde. Und heute ist erst Tag 3. So ein Mist.

Ich bin jetzt auf Seite 4, irgendwo bei der Hälfte des Textes, und mir ist immer noch nicht klar, warum der nicht einfach in sein Auto steigt und wegfährt. Versuch dich wirklich mehr auf die Handlung zu konzentrieren und das ganze "Beiwerk" mal zu streichen.

Heute ist Tag 4 nach der "Sache". Ich sollte mir einen besseren Namen dafür ausdenken, denn irgendwie ist dieser Name blöd und unpassend. Aber mir fällt nichts Besseres ein.

Wozu braucht er einen Namen?

Was wird mich in dem Dorf erwarten? Leben da noch Menschen? Läuft da das Leben wie gewohnt ab? Wenn ich mir das so recht überlege, hätte ich vielleicht doch schon früher hinfahren sollen. Aber bis heute Morgen hatte ich zu viel Angst. Jetzt bin ich mental darauf vorbereitet.

Würde ich auch alles streichen. Schick ihn in die Stadt und lass den Leser erfahren, was passiert ... diese Gedanken im Vorfeld könnte er sich vielleicht machen, wenn die Geschichte bis hierhin mit Handlung vollgestopft wäre, aber hier denke ich, endlich passiert mal was - wenn dann noch solche Vorüberlegungen kommen, wirkt das zäh.

Sinngemäß stand darauf geschrieben: "Hallo möglicher Überlebender. Am 17. Mai scheint der Anfang vom Ende der Welt angefangen zu haben. Alle Nachrichten im Radio oder Fernsehen berichteten von toten Vögeln, die vom Himmel fielen, und von einem Virus der alle Lebewesen befallen würde. Keiner weiß, woher dieses Virus kommt oder kennt die Ursache. Die Regierung hat den absoluten Notstand ausgerufen. Wir haben das Allernötigste zusammengesucht und uns auf den Weg Richtung Meer gemacht. Bediene dich ruhig an den Waren, solange noch was da ist. Hoffentlich ist das nicht das Ende."

Ich verstehe nicht, warum jemand einen solchen Zettel schreiben sollte, der möglicherweise um sein eigenes Leben flüchten muss. Warum macht sich dieser jemand zum Meer auf, und wozu schreibt er das auf den Zettel?

In den Auslagen lagen noch mehrere Äpfel, die aber mit einem Teppich aus grünlichem Schimmel übersät waren.

Die Äpfel schimmeln nach drei Tagen in der Auslage?

Ja Anthrac - tut mir leid, mir hats nicht so gefallen. Es ist halt auch ein sehr konventionelles Thema, was du wählst, ohne dass du da einen neuen - oder besonderen - Aspekt hinzufügst. Mir ist das insgesamt zu viel Gerede, zu wenig Handlung. Ich denke, eine zweite Person in der Hütte würde die Geschichte dynamischer machen, würde dem Mann auch einen "Mitspieler" geben, sodass er sich nicht ständig in seinen Gedankengängen verliert. So ist halt alles ziemlich statisch, die Auflösung dann auch nicht wirklich überraschend, und was eigentlich passiert ist, erfährt der Leser auch nicht. Ein Virus, von dem keiner weiß woher es kommt ... meinst du echt, die Regierung würde eine solche Information veröffentlichen, und das noch innerhalb eines Tages?

Ich würde mal versuchen, das ganze in der 3. Person zu erzählen und direkt mit den toten Vögeln anzufangen. Dann noch eine Frau zu dem Mann und dem Hund geben, oder lass sie doch gleich zu viert in der Hütte ausharren mit einem befreundeten Pärchen. Denen kannst du unterschiedliche charakterliche Eigenschaften geben, und du kannst damit beginnen, dass sie diskutieren, wie jetzt zu verfahren wäre ... das wäre viel dynamischer, mehr orientiert Richtung Handlung. Jetzt sind es aktuell halt 8 Seiten, auf denen wenig passiert.

Ich wäre wirklich gespannt, wie eine überarbeitete Version der Geschichte aussieht. Falls du dich nochmal dransetzen willst, gib Bescheid wenn du durch bist, ich schau auch gern nochmal rein.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups
Vielen Dank für deine Kritik. Werde ich mir zu Herzen nehmen. Möchte nicht auf alles einzeln eingehen. Kann nur soviel sagen dass ich alles was zu anmerkst voll und ganz verstehe.
Genau für sowas bin ich hier. Danke :-)

 
Zuletzt bearbeitet:

Bezüglich des ausführlichen Kommentars von Schwups stellt der Autor also folgendes fest:

Genau für sowas bin ich hier.

Und "honoriert" wird dies durch diese Aussage:
Möchte nicht auf alles einzeln eingehen.

Schön ... wirklich schön! Insofern ein höchst unfreiwilliges "Danke schön" an dich, Anthrac, für deinen ausgesprochen "adäquaten" Dreizeiler da! Hat es mir nicht nur erspart, diesen Text hier zu lesen, sondern erst recht, auch noch Zeit an eine Kritik zu verschwenden!

Also ich kann jedem nur raten, sich als allererstes die Reaktionen des Autors auf seine Kritiken durchzulesen, bevor man sich die Mühe macht, den Text zu kommentieren.
Denn wieso sollte ich überhaupt Zeit und Arbeit in mein Feedback investieren, wenn ich so eine Antwort kriege?

 

Hallo Anthrac,

ich will Dir ein kleines Feedback geben. Etwas über Rhythmus und Spannungsbögen kannst Du nicht von mir erwarten, da bin ich noch zu sehr Anfänger. Aber zu Deinem Titel kann ich, was sagen. „Der Versuch“ ist sehr abstrakt und allgemein gehalten und auch abgegriffen. Wie wärs mit „Klawies letzte Tage?“?
Jetzt zu den Worten und Sätzen:
„Darüber hinaus könnte jemand, der dies list,“, ein Tippfehler (liest ist richtig).
„Zumindest wenn es soweit kommen sollte, dass ich es ihm nicht mehr lebe…“ Sollte es nicht heißen „dass ich nicht mehr lebe…“?
„Aber bei dem Gedanken, dass ich ihn in naher Zukunft nicht mehr bei ihm sein kann,“, „ihn“ müsste hier gestrichen werden.
„… die Fische hatten gut gebissen.“, hier würde ich angebissen nehmen.
„Vielleicht war das eben die letzte Tasse Kasse, die ich in meinem Leben trinken werde.“ Hier „Kaffee“ und besser „getrunken habe“.
„signalisiert mir, ich solle mit ihnen gehen. “, hier müsste „signalisierten“ stehen.
„was in außerhalb der Wände passiert ist.“, hier müsste „in“ gestrichen werden.
Dann noch eine Frage zu der Glaubwürdigkeit. Er beobachtet einen toten Fuchs auf der Veranda und nimmt den süßlichen Geruch seiner Verwesung wahr. Er hat doch die Tür und die Fenster mit Folie abgedichtet. Wie kann er da, was riechen?
Weiter mit den Worten und Sätzen.
„konterminiert“, es heißt aber „kontaminiert“.
„Das einzige Lebewesen, das … , lebt auch nicht mehr.“ Hier würde ich „nun“ statt „auch“ nehmen. Aber das ist Geschmackssache. Ich hoffe, es hat Dir etwas gebracht. Ansonsten schließe ich mich Schwups an, der die Schwächen des Textes gut herausgearbeitet hat.

VG
PeterMa

 

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