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Der Verfall

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08.07.2003
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Der Verfall

"Es ist ein langsamer Prozess des Verfalls," hatte mein Vater vor einigen Monaten zu mir gesagt, "Ein Verfall, der heute begonnen hat und mit dem Tod enden wird. Der Tod kommt selten plötzlich."
Aber wer kann das glauben, besonders wenn es die eigene Oma betrifft? Noch dazu, wenn sie doch bis über ihr 90zigstes Lebensjahr hinaus immer rüstig und charakterstark war? Doch von einem auf den anderen Tag war alles anders. Plötzlich konnte sie nicht mehr aufstehen, dann nicht mehr alleine essen, und schließlich nicht mehr denken.
Ich sah den Prozess; den Prozess des Verfalls. Und ich konnte nichts dagegen tun.

Diese Oma ist meine einzige Oma. Ihr Mann ist schon vor meiner Geburt gestorben und meine anderen beiden Großeltern haben sich sehr früh mit Rattengift das Leben genommen. Meine Oma ist also das einzige Verbindungsstück zu meiner familiären Vergangenheit.

Bald kam meine Oma ins Altersheim.
Es kamen viele gute Tage, an denen sie wie früher war.Und ich dachte bei mir: "Wir haben den Tod überlistet. Der Prozess wurde rückgängig gemacht."
Doch wie der Name "Prozess" bereits besagt, ist dies ein ständig vorrückender Ablauf, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Als ich meine Oma heute besuchte, wurde mir das alles wieder klar. Die guten Tage waren nur Lichtblicke im Dunkeln gewesen. Mit trüben und verständnislosen Augen blickte sie mich an, wenn ich versuchte sie zu unterhalten.
Als ich wieder in mein Auto stieg, war ich verzweifelt.
"Wann kommt der Tod?"
Diese Frage stellte ich mir immer wieder. Ich konnte nun nicht nach Hause. Ich trat aufs Gaspedal und verlies die Stadt. "Warum habe ich das Leben, während es ihr entschwindet?" fragte ich mich. Die Tatsache, dass sie schon mehr als 70 Jahre länger gelebt hatte, war für mich keine befriedigende Antwort. Warum sollte ich auch plötzlich eine gesetzmäßige Gerechtigkeit akzeptieren, wenn doch die ganze Welt voller Ungerechtigkeit war?
Aprubt hielt ich an, um den farbenfrohen Untergang der leuchtenden Sonne zu betrachten. Ich wollte Teil an etwas Unendlichem sein. An etwas, dass immer wiederkehrte; als mir plötzlich klar wurde, dass selbst die Sonne eines Tages explodieren wird.

 

Hi Luise!
Die Geschichte gefällt mir. Auch wenn das Thema Tod/Schicksal/Unsterblichkeit auf den ersten Blick abgegriffen wirkt, habe ich noch keine Geschichte gelesen, die das Thema so direkt behandelt und Gedanken zusammenfasst, die wohl jeder schon einmal in ähnlicher Form, vielleicht auf Jahrzehnte verteilt, einmal gehabt hat. Für die erste Geschichte jedenfalls ein sehr guter Einstieg!

 

Hallo Louise!
Mir gefällt deine Geschichte nicht so gut. Deine Geschichte berührt mich einfach nicht. Sie lässt mich kalt. Der Prot. bleibt für mich fremd und grau. Ich kann nicht mit ihm fühlen. Ich meine, du beschreibst keinerlei Gefühle. Ich erfahre nur, dass der Prot. verzweifelt ist und sich jede Menge Fragen stellt.

Eine Frage, die sich mir stellte und die du einfach unbeantwortet lässt:

Ihr Mann ist schon vor meiner Geburt gestorben und meine anderen beiden Großeltern haben sich sehr früh mit Rattengift das Leben genommen
Die einen Großeltern haben sich mit Rattengift das Leben genommen? Das ist mMn ziemlich extrem. Und da frage ich mich, wieso haben sie das getan? Doch du erwähnst es nur und gehst nicht weiter drauf ein.

Ich trat aufs Gaspedal und verließ die Stadt.

So, das wars dann auch.

bye und tschö

 

Erstmal vielen lieben Dank für eure Kommentare. Es ist mir wirklich sehr wichtig ein Feedback zu bekommen.
Tja, dass mit dem Rattengift kann ich euch leider nicht erzählen, weil ich es nicht weiß. Die Geschichte ist nämlich wahr.
Ich wollte nicht viel näher auf die Gefühle eingehen, da ich es billig gefunden hätte, sie in dieser Geschichte banal beim Wort zu nennen. Ich hatte gehofft, dass sich ein jeder vielleicht die Situation vorstellen kann, und selbst nachempfinden kann, wie man sich da fühlt. Es freut mich, wenn es zumindest bei einigen funktioniert hat. Außerdem hat man in solch einer Situation keine bestimmten Gefühle, sondern es ist eher ein schwer bestimmbarer Gefühlsmix, bei dem das hervorstchendste Gefühl eben die Verzweiflung und Hilflosigkeit bleibt.
Nochmal vielen lieben Dank für eure Kommentare.
Louise

 

Hi Louise!

Schön, jetzt habe ich deine erste Geschichte hier auch gelesen! Im ersten Augenblick dachte ich, wer schreibt jetzt? Ein Kind welches den Tod der Oma nicht verkraftet? Aber gegen Schluss hast du sehr schöne Dinge rein gebracht. Unbeantwortete Fragen wie zum Beispiel "Warum sollte ich auch plötzlich eine gesetzmäßige Gerechtigkeit akzeptieren, wenn doch die ganze Welt voller Ungerechtigkeit war?" oder "Warum habe ich das Leben, während es ihr entschwindet?"

Für den Anfang schon gut! Schön :)

 

Die Darstellung eines alltäglichen Problems gelingt dir außergewöhnlich gut. Dass Menschen den Prozess des Kommen und Gehen nicht akzeptieren wollen, erlebt man in der heutigen Zeit immer wieder. Du hättest dieses Unvermögen deines Protagonisten evtl. wertend näher ausarbeiten können.

Sprachlich gesehen sind mir einige Schwächen aufgefallen.


1) "90zigstes" ausgeschrieben: neunzigzigstes
(Hört sich irgendwie komisch an, oder?)

2) "Diese Oma ist meine einzige Oma"
(Syntaktisch nicht falsch, aber sehr schwach)

3) "Doch wie der Name "Prozess" bereits besagt, ist dies ein ständig vorrückender Ablauf, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann"

(Diese Fachsimpelei passt nicht in den
direkten thematischen Zusammenhang)

4) Ich wollte Teil an etwas Unendlichem sein. An etwas,
dass...
(Diese Satzanbindung ist unzulässlich)

5) als mir plötzlich klar wurde, dass selbst die Sonne
eines Tages explodieren wird.

(Tatsächlich?! Diese Platitüde wird dem
Phänomen Verganglichkeit/Unendlichkeit
kaum gerecht)


MfG

FrozenFire

 

Hm...die Geschichte hat mir teilweise gefallen. Positiv daran finde ich das realitätsnahe Thema, oder z.B. auch den Schluss. Zwar wirkt es ein bisschen schräg auf den ersen Blick, gerade die Sonne als etwas endliches zu bezeichnen - aber das ist vielleicht gerade der Witz daran. Nicht endlich ist eigentlich nur das göttliche, also Gott und die Wahrheit von ihm. Anders Tehma, zurück zur Geschichte... Was mir an der Geschichte nicht so gefällt, ist dieses etwas abgeschlossene "Erzählertum". Dem Leser wird eine feste, abgegrenzte Geschichte erzählt, aber man lebt nicht darin mit, man ist nicht Teil davon. Schwierig zu erklären...
Alles in allem denke ich, Louise, dass du ein cooles Thema gewählt hast. Behalte so eine interessante Themenwahl bei! Vielleicht kannst du noch versuchen, den Leser etwas mehr einzubeziehen.... Aber alles, was ich schreibe ist Geschmackssache und nur meine persönliche Meinung, nichts weiteres.

Bye and GreeeeeeeeeeeeeeZ

Fox

 

Nochmals vielen vielen Dank für so viele Wertungen, und Korrekturen. Werde sie mir zu Herzen nehmen ;)

 

Hi Louise,

Dein Thema ist gut gewählt, allerdings finde ich, hättest Du doch noch ein wenig mehr rausholen können. Den Verfall beschreibst Du mir zu kurz. Du könntest ihn näher beschreiben, statt dessen kommt es mir mehr wie ein Andeuten vor...
Der letzte Satz gefällt mir sehr gut. Der hat wirklich was. Auch Dein Stil ist angenehm. Nur schade, daß es für mich bei einer Andeutung geblieben ist.

Grüßle,
stephy

 

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