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Der Ursprung des Universums ist die Justiz

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24.04.2003
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Der Ursprung des Universums ist die Justiz

Das Pochen des Hammers riss ihn zurück in die Realität.
"Ich bitte um Ruhe im Gericht und das gilt für alle hier anwesenden Parteien! Herr Johannson, verstehen Sie überhaupt um was es hier geht? Begreifen Sie die Anklagepunkte auch nur annähernd, die Ihnen hier zur Last gelegt werden? Sie machen auf mich einen ziemlich geistesabwesenden Eindruck!"
Edgar rieb sich seine müden Augen.
Die heutige Anhörung war besonders schlimm.
Seit fast sechs Stunden diskutierte diese bunt zusammengewürfelte Gruppe bestehend aus Presse, willkürlich zusammengetrommelten Geschworenen, alteingesessenen Richtern und - nicht zu vergessen - den Angehörigen, nun schon ziellos durch die Gegend.
Er selbst war bislang kaum zu Wort gekommen.
"Selbstverständlich begreife ich worum es hier geht. Ich habe fast fünfzig Menschen die Freiheit geschenkt. Auch wenn Euer Ehren das vielleicht nicht verstehen kann."
Das eingeladene Publikum verfiel erneut in ein lautstarkes, empörtes Gemurmel. Vermutlich hätten die meisten hier im Saal Edgar am liebsten gleich an Ort und Stelle gelyncht.
Diesesmal zerbarst der Hammer fast auf dem schillernden Holzimitat.
"Sie haben ein Altersheim angezündet! Sechsundvierzig Menschen sind Ihretwegen verbrannt!" - Feine Tröpfchen schossen zwischen den verfaulten Zahnreihen des Obersten empor.
"Sie treten unser Recht und unsere Moral mit Füßen!"
'Gleich würde er vollends ausrasten.'
Edgar Johannson bohrte sich unbekümmert in der Nase und beförderte ein paar dursichtige Klümpchen getrockneten Schleimes ans Tageslicht, die einen kaum sichtbaren Faden nassen Sekretes hinter sich herzogen.
"Ich bin mir keiner Schuld bewusst.", entgegnete er dann.
"Das Gremium zieht sich zur Beratung der Urteilsverkündung zurück. Ihre freche Bemerkung wird Sie noch teuer zu stehen kommen." - Richter Stromgaard war nicht ausgeflippt, aber seine TenaPlus hatte er mit Sicherheit zumindest angefeuchtet.
Die unzähligen CamBots bohrten sich fast in Edgars Pupillen.
Man schrieb das Jahr 2034.
Eine schlechte Zeit für Gemüsezüchter die nichts auf europaweite Normen gaben und ein noch sehr viel ungünstigerer Moment des erhobenen Widerspruches.
Nach einer halben Stunde kehrten sie zurück.
"Herr Edgar Johannson, erheben Sie sich!" - Stromgaard machte eine kurze Pause, um genügend Luft für seinen vernichtenden Schlußsatz einzuatmen.
"Das Gremium und ich sind uns einig, dass Ihre Tat auf reiner Rebellion begründet ist. Sie haben sechsundvierzig Strafgefangenen das Tor geöffnet."
Die Masse jubelte, obwohl das Urteil noch nichteinmal verkündet worden war.
Edgar stand von seiner unbequemen Plastikschale auf.
"Seit wann regiert die Menschheit über das Fegefeuer?", fragte er und wurde dann bewusstlos.
"Entfernt diesen Narren aus dem Gerichtssaal! Dreihundert Jahre soll er in unseren Heimen verweilen und Reue zeigen!"
Stromgaard wurde niedergeschossen, als er das Gebäude verließ.
Keine Zeit für Bereuen.
In den Himmel kam er dennoch.

 

Hi Cerberus,

ja, wirklich gut geschrieben und wortgewandt.

Aber ich muss mich Tagträumer anschließen, ich verstehe nicht, wieso im oberen Teil von 46 verbrannten Insassen eines Altersheims die Rede ist und unten vom Freilassen von 46 Strafgefangenen.

Und was soll der Richter bereuen?

LG
merenhathor

 

Guten Abend!

Sorry für die späte Antwort, aber ich hatte wichtigeres zu tun :cool:

Aber im Ernst, bin in letzter Zeit kaum zum Antworten, respektive Kritiken schreiben gekommen, da ich die ganze Woche über auf einem Lehrgang in Aachen war.
Okay, ich gebe zu, dass diese Story ein wenig abgedreht ist (was bei meinen Geschichten ja sonst eher weniger der Fall ist *g*), der Sinn ist letztendlich von Blackwood aber ganz richtig erkannt worden.
Die Strafgefangenen der Zukunft werden auf Jahrhunderte in einem künstlichen Wachkoma gehalten (ähnlich Demolition Man) und der Protagonist hat halt einfach eines dieser "Heime" angezündet, weil er die umstände für unmenschlich hält.
Viel mehr Sinn ist in dieser ausgesprochen kurzen Kurzgeschichte im Grunde nicht versteckt und die Sache mit dem Nasenschleim sollte der ganzen aufgeblasenen Gerichtsszene einfach die Würde nehmen.
Ich gebe selbst zu, dass ich hier keinen Meilenstein der Literatur verfasst habe, wirklich schlecht fand ich den Text aber eigentlich auch nicht und daher hab ich ihn gepostet, um zu schauen wie er bei anderen ankommt. Philosophie hielt ich im weiteren für ganz passend, eine andere Sparte fiel mir nicht ein.

Viele Grüße

Cerberus

 

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