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Der unzerstörbare Moment in einem Interview

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08.08.2014
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Der unzerstörbare Moment in einem Interview

Was ist der Gestank des Geldes?

Geld stinkt nicht. Ich bin auf der Suche nach einer Frau. Sie sollte, im doppelten Sinne, nicht größer als ich sein. Im Idealfalle flexibel. Und intuitiv: nicht bereit, mich zu nehmen, wie ich mich gebe oder sein könnte, sondern meine Wünsche mitdenken. Sie.. [Der Interviewte, Erwin L., sah aus dem Fenster und schwieg. Der Interviewer tat es ihm gleich. Einige Zeit später sprach Erwin L. weiter.] ... das kann ich weniger bestimmen, als es mir lieb ist. Jedenfalls erwarte ich von der Frau Aufmerksamkeit in allen Belangen, die ein männliches Dasein betreffen.

[Der Interviewer schien über diese Antwort zu lächeln. Man konnte dies nur vermuten, da seine Lippen und Wangen mehr oder weniger unbewegt blieben. Er fragte:] Möchten Sie interviewt werden?

Ja. Ein Interview würde mir passen.

Wie heißen Sie?

Ich heiße Erwin.

Darf ich Sie über Ihre Suche nach einer Frau befragen, Erwin?

[Erwin blinzelte und nickte.]

Wäre die Frau, die sie suchen, anwesend, würden Sie die Kriterien, die diese Frau erfüllen sollte, in ihrem Beisein formulieren?

Äh. Ich bin nicht sicher. Das hinge von der Frau ab. Von der Art, wie sie mich ansähe. Und ich sie. Das wäre wichtiger als das Nennen von Kritierien, denn in solchen Situationen verlasse ich mich soweit als möglich auf meine Wahrnehmung.

[Erwin L. sah den Interviewer fragend an; der bejahte mit einem kurzen Blick. Im Anschluss setzte Erwin fort.]

Ich würde … (Äh, sagen wir -) Ich würde ihren Blick taxieren und somit begutachten, wie sie mich beobachtet. Unter Umständen täten sie und ich dann dasselbe, vorausgesetzt, sie taxierte die Art, wie ich sie taxierte.

Und dann? Was käme danach?

Danach kämen die Verziehungen ihrer Haut dran, besonders um den Mund herum und in den Grübchen… ich würde abmessen – falls sie lächelte – bis zu welcher Höhe die Grübchen sich anhöben und ob sie mit den Oberlippen eine Linie bildeten oder gleichsam eine liebevolle Unordnung in den Ausdruck der Frau brächten.

Im Anschluss nähme ich mir die Hände vor: Hielte sie sie still, bewegte sie sie, formte sie sie und wenn ja: zu was formte sie sie? Zu einem Moment? Das kann man gar nicht. Oder? Faltete sie sie zu einem Gedicht? Unter Umständen. Legte sie ihre Hände in den Schoß wie einen Kopf? Runzelte sie sie wie Stirnen? Wobei das ein holpriger Plural ist: Stirnen. Das ließe sich nicht vereinbaren mit einem sauberen Interview. Bitte löschen Sie die letzten vier Sätze vor der Veröffentlichung insgesamt.

[Keine Reaktion des Interviewers.]

Hören Sie? [Erwin L. rückte mit dem Stuhl vor und sah den Interviewer prüfend an.]

Ich hörte Sie. Ich war damit beschäftigt, die vier letzten Sätze zu löschen. Was ist mit der Frau passiert?

[Erwin L. ließ sich Zeit. Er hob die rechte Hand, wie um eine Ankündigung zu machen. Der Interviewer begann indessen, auf seinen Schreibblock eine Zeichnung zu kritzeln; vielleicht kannte er Erwin L. und war an längere Pausen in Interviews mit ihm gewöhnt. Genauso konnte es das erste Interview mit Erwin L. sein. Der Interviewer zeichnete also und Erwin L. konnte es hören. Als hörte Erwin L. noch ein anderes Geräusch als das Kratzen von Graphit auf Papier in der Lautlosigkeit des Zimmers, bat Erwin L. den Interviewer um Ruhe, woraufhin der Interviewer den Stift auf dem Blatt beließ, aber zu zeichnen unterbrach. Erwin fragte ihn, ob er etwas gehört habe, was der Interviewer verneinte. Zerstreut und angespannt musterte Erwin L. den Interviewer, vielleicht, um zu prüfen, ob einer mit dem Aussehen des Interviewers den Klang eines Geräuschs abstreiten könnte. Schlussendlich winkte Erwin L. ab. Grinste. Was sollte es, nicht?]


Nach der Beobachtung ihrer Blicke [Erwin äußerte den Satz nicht ohne eine Betonung, die einstudiert wirkte] und der Verziehungen ihrer Haut und der Hände, könnten die Füße oder Beine eine Rolle spielen.
In erster Linie würde mich jedoch etwas anderes interessieren.

Und das wäre?

Ich würde wissen möchten, wie ihre Stimme klingt. Was sie zuerst sagen würde, die Frau, der ich vorher noch nicht begegnet war oder mir das zumindest einreden würde. (Natürlich könnte sie meine langjährige Lebenspartnerin oder Ehefrau sein. Na und?)

Was wäre ihr erster Satz, wenn ich sie nicht zuerst anspräche? Was würde sie äußern – eine Assoziation, aus Unsicherheit entstanden; eine Floskel, da ich ihr unangenehm wäre; eine Floskel, da ich ihr gefiele; eine Floskel, da sie noch nicht wüsste, ob ich ihr unangenehm wäre oder gefiele?
Ihrer Wirkung auf mich zufolge stünde ich vor der Schwierigkeit, sie einer Klasse von Intelligenz oder Vorwissen nicht zuordnen zu können. (Worüber ich froh wäre.)

Ich wartete also auf ihren ersten Satz. Ich sah sie an. Atmete. Schweigte. Lauschte. Lauschte, ohne zu lauschen. Atmete, ohne zu atmen. Ich versuchte, die Stille der Möglichkeiten zu verstehen, ohne dass der Versuch dazu die Stille durchbräche, zerstörte. Ich wüsste, die Frau würde mich ansehen und hinter ihren Augen Liebe fühlen. Mir wäre bewusst, warum und ich würde begreifen, wieso. Aber sie würde atmen. Aber sie würde denken. Aber sie wäre schön. Ihre Schönheit wäre nicht die Schönheit eines “Ja-Aber”, aber ihre Schönheit wäre kompromisslos. Die Schönheit der Frau würde ich durch Schönheit nicht ersetzten können. Die Schönheit der Frau würde rückwirkend alle Motive aller Künstler aller Zeiten für das Machen aller Kunst bedeuten.

Aber dass ich das dachte, wusste sie nicht. Sie sah mich einfach nur an. Ich wollte mit ihr reden, während sie mich anschaute und schwieg. Ihr Schweigen stattete sie mit einer sonderbaren, bald befremden Präsenz aus. Im Nachhinein betrachtet – schloss ich kürzlich – hätte ihr Schweigen den Inhalt einer unter Umständen geschriebenen Geschichte ersetzen können. Ihr Schweigen wäre womöglich eine Leerstelle. Ein Ort, den nach unserem Zusammentreffen, jene, die davon lasen oder hörten, mit Vorstellungen belegen konnten.

Ihr Schweigen brannte aber. In etwa wie eine Badewanne voller Eis. An den Schläfen übten die Finger der Vermummten Druck aus, als ich unter Wasser das Bewusstsein verlor, meine Gesichtshaut violett anlief und aus meinen gekrümmten Fingern die Spannung entwich.

Ich starb / ich lebte weiter / ich starb. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Fühlen Sie das?


Ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben.


[Erwin L. schien die Antwort des Interviewers nicht gehört zu haben; vielmehr stand ihm ins Gesicht die Empfindung eines den Tod enthaltenden Augenblicks geschrieben. Erwin pfiff Luft durch die Zähne.]

Na ja. Es ging dennoch weiter. Ihr Schweigen... ersetzte die Stille. Es bestimmte die Geräuschlosigkeit des Rauschens. Denn ein Geräusch ist das Rauschen nicht.

Also kam es bei der Begegnung zwischen ihnen und der Frau nicht zu einem gelungenen Ausgang.

Mmh, so würde ich das nicht sagen. Als ich mich abgetrocknet hatte, schliefen wir zusammen. Wir taten das lange und innig. Sie nahm mich in den Mund, ich küsste ihre Haut. Ich fühlte mich schön und gebraucht. Sie gab mir das Gefühl, von ihr gebraucht und begehrt zu werden.

Nachdem es vorbei war, knurrte mit der Magen. Ich bestellte Pizza und Eis bei einem Lieferdienst.
Die Frau und ich aßen gemeinsam. Wir sprachen nicht beim Essen.

 

Hej Lars Brecher,

Ich finde den Text in vielen Punkten unstimmig.

Das beginnt bei dem Umstand, dass der Interviewte gleich zu Beginn mitten in seiner Antwort namentlich vorgestellt wird ( bei Erwin L. ergänze ich automatisch "Ich heiße Erwin Lindemann, bin Rentner und 66 Jahre alt ...") und der Interviewer ihn später trotzdem noch einmal nach seinem Namen fragt und geht über inhaltlichen Murks

Möchten Sie interviewt werden?
während das Interview schon läuft.
über merkwürdige oder holperige Formulierungen:
[Erwin L. sah den Interviewer fragend an; der bejahte mit einem kurzen Blick. Im Anschluss setzte Erwin fort.]

Ich würde … (Äh, sagen wir -) Ich würde ihren
wie sollte das gesprochen klingen?

Danach kämen die Verziehungen ihrer Haut dran

Insgesamt wirkt das auf mich so als hätte jemand ein Kuddelmuddel mit möglichst viel scheinbar schwer zu fassendem Sinn übertüncht.

Tut mir leid, aber da müsste nach meinem Empfinden noch sehr viel Arbeit reingesteckt werden, bis das eine gute Geschichte in irgendeiner Form wird.

Vielleicht findet sich ja jemand anderes, der da mehr entdecken kann.

Ich wünsche Dir jedenfalls noch viel Spaß hier,

Gruß
Ane

 

Hi Ane,

vielen Dank für Deine Kritik. Wenn Du den Text nicht als Geschichte oder als Deines Erachtens unvollkommene Geschichte empfindest, finde ich das gut, da der Text nicht nur aus dem Titel abgeleitet eine Momentaufnahme darstellen soll. Das ist, was ich als Autor global über den Text, oder wenn man so will, zum Atmosphärischen, zum Klima sagen kann.

Was die lokalen Aspekte angeht, also beispielsweise einzelne Formulierungen, ist der Text noch nicht fertig.

Zeitphrasen wie "im Anschluss" als Konnektoren oder Verbindungsglieder zu benutzen, werte ich selbstkritisch als Nachteil.

Hta jemand Anregungen zum Ersetzen solcher Phrasen? Biiitte: Durst. Thanks :-))

Mit besten Grüßen,

Lars

 
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Ich wartete also auf ihren ersten Satz. Ich sah sie an. Atmete. Schweigte. Lauschte. Lauschte, ohne zu lauschen. Atmete, ohne zu atmen. Ich versuchte, die Stille der Möglichkeiten zu verstehen, ohne dass der Versuch dazu die Stille durchbräche, zerstörte.

Also diese Stelle mochte ich wirklich, die hat so was schelmisch Avantgardistisches, so wie dieser Erwin L. hier redet. Dass er schweigte z.B., das erinnerte mich an die Textzeile „Ich schwimmte, schwamm und schwomm“ aus einem Song von Dendemann. Das fand ich richtig hübsch. Man kann das natürlich auch als Aufbrechen tradierter Leseerwartungen sehen, oder als Dekonstruieren grammatischer Dogmen. Ich fand‘s einfach nur hübsch. „Ich schweigte“. Sehr schön. Wobei ich jetzt natürlich drüber rätseln kann, ob der Erwin L., der bis zu dieser Stelle ia sehr eloquent und sprachsicher wirkt, es nicht besser weiß, oder ob er diese extravagante Flexion der Sprachmelodie wegen wählt.
Überhaupt fand ich den Text stellenweise echt witzig, also gewisse Formulierungen halt, auch wenn ich null Ahnung, habe, was mir da eigentlich erzählt wird. Und warum.
Ist halt einer dieser Texte, wo ich mir denke, entweder hat der Autor da sonst was für tiefsinniges Gedankenkonstrukt gewoben, und ich bin schlicht zu dämlich, das zu kapieren, oder er hat‘s faustdick hinter den Ohren, und veralbert mich Leser einfach. Sei’s wie’s sei. Wenn es stilistisch halbwegs originell und souverän gemacht ist, kann ich mit beidem leben.

Also, ich hab’s nicht ungern gelesen, Lars Brecher. Und bin so klug als wie zuvor.

offshore

PS
Das scheinen mir keine bewusst gesetzten Stilmittel, sondern schlicht Flüchtigkeitsfehler zu sein:

Ihr Schweigen stattete sie mit einer sonderbaren, bald befremden [befremdenden, befremdlichen?] Präsenz aus
.
Ein Ort, den nach unserem Zusammentreffen, [kein Komma] jene, die davon lasen oder hörten, mit Vorstellungen belegen konnten.

PPS
Solltest du auf meinen Kommentar antworten wollen, muss es nicht viermal sein, mir reicht's in einfacher Ausfertigung.

 

Hallo Lars,

ich habe Deine Geschichte inhaltlich nicht verstanden. Worum geht es da und weshalb ist das der Kategorie Horror zuzuordnen? Wenn es Dir nicht zu müßig ist, dann würde ich Dich bitten, mir das kurz zu erlären.
Ich bitte deshalb, weil mir Deine Geschichte stilistisch gut gefällt, schön geschrieben, wenn auch ab und zu tatsächlich etwas holprig. Wenn ich sie also verstehen würde, dann könnte ich noch besser beurteilen. Derzeit liest sich Dein Text so, daß ich den Eindruck habe, lediglich Du kannst ihn verstehen.

 

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