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Der ungewöhnliche Hund
Auch wenn man es mir nicht ansieht, aber ich bin kein gewöhnlicher Hund. So ein Normalo hat nur zwei Interessen, erstens schlafen, zweitens fressen. Ach so, und die Verdauung nicht zu vergessen (oh, das reimt sich ja!). Und Duft-marken setzen natürlich. Noch was?
….. Ne.
Für mich sind das alles Nebensächlichkeiten. Ich bin ein vielbeschäftigter Typ müsst ihr wissen, sozusagen ein Workaholic und Allroundtalent. Ich bin der Chef meines Rudels, man könnte auch sagen, das Familienoberhaupt. Ohne mich läuft gar nichts. Ich stehe schon vor Morgengrauen auf und komme erst nach den Spätnachrichten zur Ruhe. Glaubt ihr nicht? Na, dann erzähle ich euch mal, wie so ein ganz normaler Wochentag bei mir aussieht.
Morgens um halb fünf klingelt der Wecker von Andreas. Um den muss ich mich als erstes kümmern; deshalb habe ich mir angewöhnt, praktischerweise bei ihm und Mona im Bett zu schlafen. Das ist zwar ein bisschen eng - als Rhodesian Ridgeback braucht man schon ein bisschen Platz - aber im Laufe der Zeit habe ich gelernt, mir Platz zu schaffen. Ich quetsche mich einfach immer zwischen ihnen und dränge sie weg. Oft hält Mona mein Geschnarche nicht aus und verkrümelt sich ins Wohnzimmer. Ist mir nur recht so. Blöd ist nur, dass sie auch unsere Zudecke mitnimmt. Aber jetzt weiche ich vom Thema ab. Also, der Wecker schellt um halb fünf. Andreas schaltet ihn aus, dreht sich wieder um. Wenn der mich nicht hätte würde er garantiert nicht vor zehn Uhr aufstehen, dann hätte er schon längst seinen Job verloren. Und wovon sollten wir dann alle leben? Harz IV! Wohlmöglich müsste ich Aldifutter fressen. So weit kommt das noch. Andreas muss raus! Ich stelle mich in meiner ganzen Größe auf ihn drauf. Er versucht mich wegzuschubsen – jeden Morgen das Gleiche – dann komme ich mit meiner langen nassen Zunge und schlecke ihm kreuz und quer durchs Gesicht. Andreas kreischt mich dann immer an, ob ich wahnsinnig sei. Manchmal beschimpft er mich auch, nennt mich Scheißköter, oder, dass er mich abends ins Tierheim bringen wird. Davon lasse ich mich aber nicht beirren, ich habe meinen Job zu erledigen und bearbeite so lange seine Visage, bis er fluchtartig das Bett verlässt und das dringende Bedürfnis verspürt, zu duschen. Das wäre dann erledigt. Anschließend kann ich noch ein Nickerchen machen.
Mona steht von alleine auf, weil spätestens um halb sechs die einjährige Svenja schreit. Wäre da noch Timo, der muss um sieben raus, sonst kommt er nicht rechtzeitig zur Schule. Der Junge kommt ganz nach seinem Vater. Bei Timo schellt kein Wecker, den ruft Mona immer im Zweiminutentakt. Wenn die mich nicht hätte, wäre sie jeden Tag heiser, aber so …. Nach der dritten Ermahnung seiner Mutter, dass der Junge endlich aufstehen soll, komme ich zum Einsatz. Ich ziehe Timo die Decke weg, dann lecke ich ihm hingebungs-voll die Fußsohlen ab. Der ist enorm kitzelig. Was meint ihr, wie schnell der Junge aus dem Bett ist?
Mein nächster Einsatz erfolgt beim Frühstück. Andreas geht grundsätzlich ohne los, aber Mona und die Kinder sitzen morgens immer gemeinsam am Tisch und frühstücken. Timo bekommt ein Brötchen mit Nutella, das Baby Brei und Mona schmiert sich sogar zwei Brötchen, dick mit Leberwurst. Das Problem ist, dass sie sich das bei ihrer Figur gar nicht leisten kann. Also lege ich meinen Kopf sanft auf ihren Schenkel und schaue sie total leidend an, dabei winsele ich kaum hörbar. Sie versteht, was ich meine (ich habe so einen Riesenhunger, mein Trockenfutter kommt mir aber aus den Ohren raus). So schaffe ich es zuverlässig jeden Morgen, dass Mona statt zwei nur ein Brötchen isst. Den Rest muss ich leider selbst vertilgen. Aber, ganz ehrlich, so ein großes Opfer ist das nicht.
Wenn ich nicht alle Spielsachen, die bei uns herumliegen, sofort zerfetzen würde, sähe es bei uns aus, wie bei Hempels unterm Sofa. Dann würde sich jeder unwohl fühlen, und Andreas, der Pedant, wäre bestimmt schon längst ausgezogen. So aber hebt Mona sofort jede Klamotte, die Svenja hat fallen lassen, wieder auf. Bei uns ist es immer picobello.
Die Kosten fürs Fitnessstudio können wir uns sowohl für Andreas als auch für Mona locker sparen. Morgens gehe ich mit Mona joggen und mittags muss ich mit ihr walken gehen. Abends bringe ich Andreas immer dazu, eine Radtour zu machen. Ich laufe dann neben ihm her und sorge dafür, dass er auch ordentlich Speed drauf hat.
Kommt Timo aus der Schule, ist es meine Aufgabe, mit ihm im Garten zu spielen, damit er sich abreagieren kann. Erst dann ist er in der Lage, seine Haus-aufgaben ordentlich zu erledigen. Er ist nämlich hyperaktiv.
Wenn ich nicht wäre, würde Andreas Mutter Gerda wohl täglich zu Besuch kommen. Sie hat aber zum Glück eine Tierhaarallergie, so dass sie ganz selten vorbeischaut und nur kurz bleibt. Immer hat sie was an Mona auszusetzen, diese furchtbare Person.
Weiterhin gehört es zu meiner Aufgabe, jeden Krümel, der der kleinen Svenja herunterfällt aufzufressen, damit Mona nicht immer gleich den Staubsauer rausholen muss.
Außerdem muss ich Svenja dauernd ihre Keksbreifingerchen sauber lecken. Die Flecken bekäme man aus dem neuen Sofa garantiert niemals wieder raus. Und ständig läuft der Kleinen die Nase; da muss man immer hinterher sei – aber ich bin ja auf Zack.
Mindestens fünfmal am Tag verjage ich den adipösen Felix aus meinem Garten. Der wird nie verstehen, dass unser Sandkasten keine öffentliche Toilette ist. Ich hasse Katzen! Ganz einfach strukturierte Kreaturen sind das.
Und abends im Bett muss ich besonders wachsam sein und natürlich dafür sorgen, dass zwischen Andreas und Mona nichts läuft, denn für eine sechste Person wäre eindeutig unsere Wohnung zu klein.
Kann mir nicht vorstellen, dass einer von euch mit mir tauschen wollte. Oder?