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Der unehrliche Erzähler

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29.06.2005
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Der unehrliche Erzähler

Die Sonne steht im Westen, dicht über den Dächern des Neubaugebiets, als ich den Wagen in der Garage parke und abschließe. In diesem Moment fühle ich mich erhaben. Mein Stress bleibt hinter mir, irgendwo zwischen Autobahn und Büro, wo viele Menschen vergessen, dass sie Menschen sind.

Beschwingt erklimme ich die Treppe zum Hauseingang. Da bemerke ich den roten Z3.
Ich schließe auf, denke dies und das, nichts davon will zu meiner Stimmung passen.
„Wem gehört der Wagen da draußen?“, frage ich meine Frau, sowie sie mich im Flur empfängt.
„Das ist ja eine Begrüßung“, sagt sie außergewöhnlich gut gelaunt.
„Und die Antwort?“
„Die netten Meyers sind da. Du weißt schon, das Pärchen, das wir am Bodensee kennengelernt haben.“
„Aha.“ Ich hänge meine Jacke an den Haken und sehe uns schon in Gedanken neben den Meyers auf dem Wohnzimmersofa sitzen.Während ich mir Dinge vorstelle, die in Gegenwart meiner Frau unaussprechlich sind.
Entschlossen ziehe ich meine Frau in die Küche.

„Das geht nicht!“
Sie sieht mich mit großen Augen an.
„Die haben uns den ganzen Campingurlaub vermiest! Meinen Feierabend kriegen sie nicht auch noch!“
„Ja, aber... ich dachte, du freust dich.“
„Von wegen! Sie ist einfach nur obszön mit ihren Riesenbrüsten und er leidet an unerträglichem Stumpfsinn!“
„Ach jetzt komm schon. Ihr habt euch doch immer ganz gut unterhalten, du und Olaf.“
„Ja! Über Fußball. Und Frauen!
„Ach Frieder, als ob dich das nicht auch interessieren würde!“
„Was willst du denn jetzt damit sagen?“
„Schon gut, reg dich nicht auf. Vielleicht denkst du ja anders, wenn du dich kurz ausgeruht hast? Es könnte doch wirklich ganz nett werden. Wir haben den Grill angeworfen, Olaf hat Steaks mitgebracht, ich habe Kartoffelsalat gemacht. Das ist alles gar nicht so schlimm, du wirst sehen.“ Sie zupft aufmunternd an meinem Hemdsaum und will mich in Richtung Küchentür lotsen, vermutlich im Glauben mich umgesimmt zu haben.
Aber ich mache mich los und nehme ein leeres Glas.

„Ich glaube es nicht“, murmle ich und taste das Glas ab. „Die Meyers! In unserem Haus! Wie konntest du sie nur hier anschleppen?“
„Das hab ich gar nicht! Sie haben angerufen!“
„Angerufen? Woher haben die überhaupt unsere Nummer?“
„Aus dem Telefonbuch vielleicht.... ich weiß es nicht...“
„Du weißt es nicht?“
Sie sieht mich schuldbewusst an.
„Das ist jetzt wirklich unangenehm!"
„Ach Frieder, ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich sie ihnen gegeben habe oder nicht. Aber das... wir können es ja leider nicht rückgängig machen. Wenn du sie so gar nicht magst, dann... “
Ich unterbreche sie mit einer fahrigen Handbewegung.
„Still!“
Mit dem Glas in der Hand schreite ich auf und ab. Schenke mir Wasser ein, schütte es ins Waschbecken, nur um mein Glas anschließend wieder zu füllen und abzustellen.
„Was machst du da?“, fragt meine Frau verwundert.
"Nichts. Pass auf!" Ich fasse sie an den Schultern. "Du gehst jetzt mit unfassbar bekümmertem Gesicht zu ihnen rein und sagst, mir sei etwas auf dem Nachhauseweg passiert. Du wirst sagen: Ein Auffahrunfall. Ich sei allerdings leicht verletzt und bräuchte dich unbedingt an meiner Seite. Allein. Hörst du, das ist wichtig: allein! Sonst kommen die Trottel noch auf die Idee, dich zu begleiten..."
Das Klingeln meines Handys unterbricht mich.
„Warte!“
Ich nehme ab.

„Frieder, altes Haus! Wo steckt ihr denn? So geht man aber nicht mit Gästen um!“
„Olaf?“
„Ja, da staunst du, was? Komm rüber, Mann! Ich hab nen Korn mitgebracht. Und der muss weg bis Mitternacht!“
„Äh... Super Idee! Warte, wir sind gleich da.“ Schnell lege ich auf. „Scheiße! Wie ging das denn jetzt?“
Meine Frau zuckt hilflos mit den Schultern.
In dem Moment schwingt die Tür auf. Olaf grinst unter seiner blondierten Mähne hervor. „Na wie ist das?“, jauchzt er und schwenkt dabei die Flasche Korn. „Mensch Friede! Wie läufts denn? Alles fit? Frisch von Arbeit zurück? Hier! Nimm mal nen Schluck! Wirst sehen, das befreit!“ Er wiehert.
Ich nehme die Flasche zögernd entgegen und nippe ein paar mal unter seinem wachsamen Blick daran.
„Mensch Olaf. Das ist ja schön", sage ich schließlich. "Wie geht’s euch denn?“
„Super! Läuft. Aber jetzt los! Auf die Terrasse! Der Grill brennt schon! Meine Frau hat ihn extra für uns heiß gemacht, falls du verstehst was ich meine...“ Er zwinkert mir zu und mit leichter Verspätung schaffe ich es zu lachen.
Unauffällig stelle ich den Korn auf den Küchentisch.
Meine Frau folgt uns in gewissem Abstand.

Rosa steht am Grill, die Ärmel hochgekrempelt.
„Na Süßer, wie geht’s?“
„Läuft“, sage ich und spüre, wie ich erröte.
„Mann, der Wahnsinn hier bei dir zu sein, Friede!“, röhrt Olaf und schlingt seinen behaarten Arm um mich.
Rosa boxt mich mit dem Ellenbogen in den Bauch. „Ja, super Idee war das mit heute!“
Ich mache mich los und zwinge mich, in die Runde zu grinsen.
"Ja, finde ich auch."
„Will jemand Bier?“, fragt meine Frau zögerlich von der Glastür her.
Olaf und Rosa rufen praktisch gleichzeitig: „Läuft!“, und ich nicke meiner Frau zu, woraufhin sie verschwindet.

Als wir zu dritt sind, breitet sich Stille aus.
Olaf und Rosa mustern mich.
„Jaaaa, alsooo", sage ich gedehnt. "Wie habt ihr denn eigentlich unsere Telefonnummer aufgetrieben? Ihr zwei Stalker!“
„Woher wir seine Nummer haben!“, ruft Olaf. „Der ist gut, Alter, der ist gut!“
Ich schaue sie unsicher an.
„Na, daran erinnert er sich nicht“, kichert Rosa und boxt ihren Mann mit dem Ellenbogen vor die Brust.
„Du bist echt ulkig“, sagt Olaf. „Na ja, der letzte Abend da unten war ja auch nicht gerade dein bester!“
„Was heißt das?“
Olaf platzt schier vor Freude. „Na, als wir im Löwen gefeiert haben!“
„Was war da?“, will jetzt auch meine Frau wissen, die mit dem Bier zurück ist.
„Da hat er sie mir aufgeschrieben!“, kichert Rosa. „Eure Nummer. Hat gesagt, wenn ich mal Lust hab, dann soll ich bei ihm anrufen.“ Olaf und sie brechen fast zusammen vor Lachen.

Meine Frau sieht mich irritiert an.
Ich werde knallrot. „Daran kann ich mich nicht erinnern!“
„Hierher hat er sie mir geschrieben“, gluckst Rosa und zeigt auf ihren üppigen Busen. „Die Vorwahl hier und den Rest da!“ Sie tippt sich an die entsprechenden Stellen und bringt sie zum Wogen.
Meine Frau erstarrt.
„Na, dann lasst uns mal das Fleisch auflegen!“, rufe ich. „Ihr habt doch alle einen Bärenhunger?“
„Darauf kannste wetten!“, tönt Olaf und haut sich klatschend auf den Bauch.

Rosa legt vier dicke, rote Steaks auf den Grill und wirft mir einen Kussmund zu.
Meine Frau geht ins Haus.
Im verzweifelten Versuch, die Situation zu retten, haste ich ihr nach.
Sie hat sich bereits im Schlafzimmer eingeschlossen.
Könnte sein, dass ich etwas klären muss. Etwas, das ich besser kläre, wenn ich nicht ich selbst bin.
In der Küche steht der Korn.

 

Hallo Karlsson,

das Wort, das mir zu deiner Geschichte einfällt: zahm. Oder auch harmlos.
Das ist jetzt nicht per se schlecht, aber für dieses Thema hätte es meiner Ansicht nach etwas mehr Pfiff gebraucht. In dieser Form könnte der Text auch unter Alltag stehen. Den Humor müsste man noch aus dem Stückchen rauskitzeln. Überspitzung wäre hier das Zauberwort.
So liest sich der Text zwar flüssig und man ist nett unterhalten, aber mehr als einen Schmunzler gibt es hier nicht. Das reicht aus, wenn man nicht mehr verlangt, aber ich denke, hier gäbe es auf jeden Fall noch mehr zu holen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer, danke. Ich habe mir mit dem Einstellen dieser Geschichte auf KG.de etwas genauere Kritik erhofft, bis jetzt weiß ich nur, dass du sie in der Rubrik Alltag passender fändest. Hast du noch ein paar genauere Beobachtungen gemacht?
Gruß Karlsson

 
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Hallo Karlsson

Ich sehe deinen Text auch eher als Schmunzelgeschichte, das ist aber für mich nicht das Problem, - ich mag Schmunzelgeschichten -, sondern ich finde den Aufbau der Geschichte, bzw. den Anfang nicht so gelungen. Die Meyers sind doch voll die Prolls und da ist Friedes Frau bester Laune?

Ich hätte sie eher so auf Panik machen lassen: Sie zerrt Friede gleich nach dessen Eintreten in die Küche und erklärt hektisch die Situation:
"Stell dir vor, die Meyers standen plötzlich vor der Tür. Mit Fleisch und Barbecuesauce. Sind einfach reinmarschiert, was sollte ich denn machen?"
Tja, die gute Erziehung, man kennt das ja.
Dazu musst du natürlich den 2. & 3. Abschnitt demensprechend anpassen.
Ich glaube aber, mit dieser Änderung funktioniert der Text besser.

Hoffe, das hilft dir was.
Gruss dot.

 

hi dotslash, danke für deinen tipp, könnte sein, dass du recht hast. bist allerdings der erste, der das bemängelt hat. meinst du nicht, dass die frau auch einfach naiv sein könnte? ich habe sie ja nicht als besonders starke persönlichkeit angelegt finde ich. na ja, mal sehen, aber ist ein guter denkanstoß :-)
gruß karlsson

 

Hi nochmal

bist allerdings der erste, der das bemängelt hat
bin doch aber auch erst der zweite, der hier kommentiert. ;)
Nee, weiss schon, was du meinst.

Ich wollte damit sagen, dass du mit diesem Ansatz das Humoristische Element besser einbringen könntest, da die Fronten klar abgetrennt wären.
So bleibt seine - zugegeben - naive Frau zwischen den Fronten, und das schwächt mMn die Komik ab.

 

alles klar, kann mir vorstellen, dass es wirklich lustiger würde, wenn ich die frau auf die seite des erzählers ziehen würde. aber meinst du, es wäre auch besser, wenn ich jetzt zum beispiel beschlösse, keinen humoristischen text daraus zu machen sondern einen mehr oder weniger realistischen? ich überlege ohnehin, die kategorie zu wechseln.
mein einziges ziel war es nämlich, einen streit zu beschreiben, in dessen verlauf der erzähler dem leser ein bestimmtes Bild von sich ermittelt. Zum schluss soll sich jedoch herausstellen, dass der erzähler unglaubwürdig ist und alles, was er je über sich und die situation gesagt hat, angezweifelt werden muss.

 

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