Was ist neu

Der (un)sterbliche Sokrates

Mix

Mitglied
Beitritt
18.03.2014
Beiträge
154
Zuletzt bearbeitet:

Der (un)sterbliche Sokrates

Die Wellensittiche lagen auf dem Boden des Käfigs. Janus beobachtete sie bei ihren letzten Zuckungen, in seinen Ohren das Rauschen von tausend aufsteigenden Vögeln.

„Du weißt, dass du verrückt bist, oder, Janus?“
„Wenn ich wüsste, dass ich verrückt bin, wäre ich dann wirklich noch verrückt? Die wahrhaft Verrückten verschwenden keinen Gedanken daran, dass ihre Wahnvorstellungen nicht real sein könnten.“
„Tust du es?“
Janus senkte seinen Blick hinab zu der blutüberströmten Frau in der offenen Raumkapsel. „Ich hätte sie gerne gerettet. Sie hat nicht verdient, was du ihr angetan hast.“
„Nein, falsch“, entgegnete Mors, „sie hat nicht verdient, was du ihr antun wolltest. Ich habe sie vor dir gerettet.“
„Ich hätte nicht gedacht, dass du so weit gehen würdest. Du hättest sie aufwecken können ...“
Mors schnaufte verächtlich. „Damit sie an unserem schönen Leben teilhaben kann? Ich glaube kaum.“
„Trotzdem macht es keinen Sinn, Testsubjekte zu erschießen“, sagte Janus. „Das Experiment ist die einzige Möglichkeit, uns von dieser bitteren Realität zu befreien. Das musst du einsehen.“
„So ein Schwachsinn. ‚Gott verabscheut eine nackte Singularität‘, schon vergessen? Es kann nicht funktionieren. Bevor ich diese Menschen losschicke, damit sie in Stücke gerissen werden, gebe ich ihnen lieber die Kugel. Siehst du, ich bin nicht so kalt wie du.“
„Du bist das kälteste Wesen, das ich kenne ...“
Mors lachte. „Es ist ja auch niemand hier außer uns.“
„Wie viele hast du noch umgebracht?“
„Alle. Alle, an die ich die Finger kriegen konnte. Da wir uns jeden Tag abwechseln, musste ich dir natürlich einige überlassen.“
Janus warf seinem Gegenüber einen geringschätzigen Blick zu. „Warum hast du mich nicht auch einfach umgebracht? Dann hättest du freie Bahn gehabt.“
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte noch nie daran gedacht. Aber was hätte das für mich bedeutet? Ein einsames Leben wäre noch einsamer geworden. Dazu konnte ich mich nicht durchringen, egal wie sehr ich dich verachte.“
„Das spricht Bände ...“
„Ich weiß, ich bin ein egoistisches Schwein“, sagte Mors unwirsch. „Ich verachte dich, und du verachtest mich. Aber am Ende haben wir beide sehr ähnliche Ziele. Wir wollen beide den letzten Rest der Menschheit retten, nur dass du ihn vor sich selbst retten willst, während ich ihn vor dir retten will. Und warum das Ganze? Weil du den Erschaffern diesen sinnlosen Scheiß von Erlösung und weiß-nicht-was abkaufst. Wahnvorstellungen, Janus, Wahnvorstellungen ...“
„Ich glaube nicht, dass es Wahnvorstellungen sind. Ich denke, es ist eine gerechtfertigte Hoffnung.“
„Natürlich ...“ Mors wirkte sowohl amüsiert, als auch ratlos. „Sagst du mir auch, warum du das glaubst? Warum du das glauben willst? Ich meine, es ist ja nicht nur so, dass du diesen Unsinn glaubst, er ist dir auch noch wichtig. Warum ist das so?“
„Die Sünden der Vergangenheit ...“ Janus hatte nicht vor, sich diesem Wicht zu erklären, der unfähig war, die Bedeutung des Experiments zu erkennen. Viele Diskussionen hatte es zwischen ihnen schon gegeben, aber Mors hatte sich stets geweigert zu sehen, was für Janus offensichtlich war. Dieser hatte sich oft gewundert, weshalb Mors überhaupt eingewilligt hatte, das Experiment fortzuführen. Nun wusste er es. „Mir ist egal, was du denkst, Mors. Mir ist egal, dass du mich für verrückt hältst. Ich kann nicht erlauben, dass du weiterhin Testsubjekte ermordest. Und dir sollte klar sein, dass ich nicht so egoistisch bin wie du.“ Er zückte seine Waffe und zielte damit auf sein Gegenüber.
Mors wirkte nicht einmal überrascht. Selbst nachdem sich die Kugel in seinen Kopf gebohrt hatte, zeugte seine Miene von großer Gelassenheit, als wollte er Janus noch im Tod verhöhnen.
Janus seinerseits hievte den Leichnam in die Raumkapsel, in der es nun eng wurde. Nachdem er sie geschlossen hatte, programmierte er ihre Koordinaten. Im Boden öffnete sich eine Luke, die durch ein Kraftfeld geschützt wurde. Das verhinderte den Druckausgleich. Die Raumkapsel jedoch konnte von dieser Seite aus einfach hindurchgleiten und im All verschwinden. Eine Blutlache war Mors‘ einzige Hinterlassenschaft.
Während Janus davon ging, breitete sich in seinem Inneren ein Gefühl der Erleichterung aus.

Seit die Apokalypse vor vielen Jahren in eine stabile Umlaufbahn um das Schwarze Loch gebracht worden war, hatte niemand mehr sie manövriert. Obwohl Janus nicht dafür ausgebildet war, versuchte er nun, genau das zu tun. Auf der Brücke arbeitete er sich durch allerlei holografische Darstellungen, drückte Knöpfe, deren Funktion er nicht kannte, hoffte darauf, dass es ihm irgendwie gelingen würde, dem Raumschiff zumindest einen kleinen Stups zu geben.
„Versuch den hier.“
Janus sah von der Konsole auf, an der er gerade werkelte. Nur ein kurzes Stück entfernt stand Sokrates und zeigte auf einen einzelnen Knopf. Sofort ging Janus hinüber und betätigte diesen. Ein spürbarer Ruck ging durch das ganze Raumschiff.
„Das reicht hoffentlich ...“, murmelte Janus.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Sokrates und deutete aus dem Fenster.
„Wirklich? Ich kann nichts erkennen. Da draußen dreht sich alles.“
„Keine Sorge, die Gravitation erledigt das. Ich kann es sehen.“
Janus nickte zufrieden. „Endlich ...“
„Ich nehme an, das Treffen mit Mors lief erfolgreich?“
„Ich habe ihn getötet, ja. Wenn ich vorher gewusst hätte, dass er Testsubjekte erschießt, hätte ich es schon viel früher getan.“
„Es tut mir Leid um deinen Freund.“
„Er war nicht mein Freund. Er war ein ...“ Janus suchte nach dem passenden Wort. „... ein Fremdling.“ Er seufzte. „Wie lange dauert das hier?“
Sokrates zuckte mit den Schultern. „Für die Außenwelt? Unendlich lange. Für dich und deine Testsubjekte? Eine Weile. Aber keine Sorge. Du bist deinem Ziel jetzt so nah wie niemals zuvor.“
Beide sahen aus dem Fenster, wo das Leuchtfeuer der Sterne Schlieren in ihre Augen brannte. In regelmäßigen Abständen jedoch drängte sich eine klaffende Leere ins Bild, die alles Licht verschluckte.
„War es schwierig?“, fragte Sokrates unvermittelt.
„Mhm?“
„Deinen Freund ... ich meine, deinen ... Fremdling ... zu erschießen. Ist es dir schwer gefallen?“
Einen Moment überlegte Janus, dann antwortete er: „Nein.“
„Wirklich nicht?“
Janus schüttelte den Kopf.
„Bemerkenswert.“
„Wieso? Ist das merkwürdig?“
„Ich weiß es nicht. Ich bin kein Experte für menschliches Verhalten. Aber dass du einerseits deinen Freund so kaltblütig umbringen kannst, während du andererseits vorgibst, die letzten Reste deines Volkes zu retten, finde ich ... bemerkenswert.“
„Ich habe nicht darüber nachgedacht“, sagte Janus. „Ich habe einfach getan, was notwendig war.“
„Weil ich dir gesagt habe, dass du es tun solltest, oder weil du es wolltest, nachdem du erfahren hast, was er getan hat?“
Janus kam sich plötzlich vor wie in einem Verhör. „Ist das wichtig?“
„Ich glaube nicht.“ Sokrates lächelte. „Ich frage mich ... weshalb bedeutet dir dieses Experiment so viel? Welche Hoffnungen verbindest du damit?“
Janus sah ihn schräg an. „Das hat mich Mors auch gefragt.“
„Was hast du geantwortet?“
„Nichts. Nichts von Bedeutung jedenfalls.“
„Ich verstehe.“ Sokrates sah ihn neugierig an. „Sprechen wir noch einmal den Versuch durch. Damit wir sicher gehen können, dass wir auf dem selben Stand sind. Was genau wollen wir erreichen?“
Janus war die Sache gefühlte tausend Mal in seinem Kopf durchgegangen. „Wir fliegen in das Schwarze Loch, wir trotzen der Gravitation, die uns normalerweise in Stücke reißen würde, wir erreichen die Singularität, wir brechen die Gesetze des Universums. Wenn wir das geschafft haben, können wir auch alles Andere brechen.“
„Und du hast aufgegeben, einzelne Testsubjekte loszuschicken, weil ...“
„... weil du gesagt hast, dass wir es zusammen machen müssen. Wenn wir alle etwas davon haben wollen, dann muss jeder mitkommen.“
„Genau“, sagte Sokrates, „genau ...“ Er zögerte sichtlich. „So wird es nicht funktionieren. Du vergisst Mors. Zugegeben, ich habe dir gesagt, dass du ihn töten solltest, weil er es nicht verdient habe mitzukommen. Inzwischen weißt du, was ich damit gemeint habe. Die Wahrheit sieht allerdings etwas anders aus. Sag, kennst du dich mit Quantenphysik aus?“
Janus runzelte die Stirn. „Nein.“
„Dann lass mich erklären: In der Quantenphysik ist der Beobachter von entscheidender Bedeutung. In einem unbeobachteten Moment hat ein Teilchen sämtliche Zustände inne, die es potentiell haben kann. Tritt es aber in Interaktion mit einem Beobachter, so nimmt es willkürlich einen einzelnen der zahlreichen Zustände an. Deswegen erfährst du die Welt so, wie du sie erfährst, und so wie du sie erfährst, ergibt sie Sinn für dich. Jetzt bedenke, was passiert, wenn niemand mehr existiert, der beobachten kann. Nachdem Mors tot ist, bist du der Letzte deiner Spezies, der noch bei Bewusstsein ist. Wenn auch du nicht mehr bist, werden die Testsubjekte neben dem aktuellen noch zahlreiche weitere Zustände annehmen. Einer davon sollte es ihnen ermöglichen, der zerstörerischen Kraft der Gravitation zu entgehen und die Singularität zu erreichen.“
„Also soll das heißen, dass ...“
„Das soll heißen, dass du das Experiment die ganze Zeit über falsch interpretiert hast“, sagte Sokrates. „Es geht nicht darum, das Universum zu brechen, es geht darum, sich ihm anzupassen.“
„Schön“, sagte Janus, „aber das habe ich nicht gemeint. Wenn es funktionieren soll, muss ich mich umbringen. Für mich wird es keine Rettung geben ...“
„Oh. Nun, ja. Da hast du Recht. Die Frage ist, ob es dir das wert ist. Wobei ich sagen würde, dass es für dich in etwa auf das Selbe hinausläuft. Du erschießt dich, du bist tot, das Experiment gelingt. Du erschießt dich nicht, du wirst in Stücke gerissen, du bist tot, das Experiment scheitert. Endgültig. Fairerweise erwähne ich noch die dritte Möglichkeit. Du erschießt dich nicht, du wirst nicht in Stücke gerissen, du lebst, das Experiment gelingt. Dafür ist es natürlich unbedingt notwendig, dass alles, was ich dir bis hierhin erzählt habe, völliger Blödsinn ist.“
„Aber das ist es nicht ...“, sagte Janus.
„Natürlich nicht“, stimmte Sokrates zu, „aber da es für dich keine Möglichkeit gibt, das zu überprüfen, seien dir ein paar Zweifel gegönnt.“
„Wieso hast du mir nicht sofort gesagt, dass es nur so funktionieren kann?“ Janus war ratlos, wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. „Wieso hast du mich glauben lassen, ich könne gerettet werden? Ich habe Mors getötet, in dem Glauben, dass es für mich Rettung gibt und für ihn nicht.“
„Ja. Wie ich schon sagte: bemerkenswert. Ich wollte sehen, was du bereit bist zu tun, um dich selbst zu retten. Dabei hast du nicht einmal einen Moment innegehalten und dich gefragt, ob auf dich vielleicht das Gleiche zutrifft wie auf Mors. Du hast dir nicht die Frage gestellt, ob du es überhaupt wert bist, gerettet zu werden. Vielleicht sieht die Wahrheit ja so aus, dass das nur die diejenigen verdient haben, die nie gelebt haben.“
„Du meinst die Testsubjekte ...“, erkannte Janus. „Ihre Herzen schlagen zwar, aber sie haben nie wirklich gelebt. Sie waren nie bei Bewusstsein.“
„Korrekt. Ohne Bewusstsein, keine Gelegenheit zu Taten, die sie später bereuen könnten. Nicht einmal einen einzigen dunklen Gedanken konnten sie formen. Sie sind so unschuldig, wie ein Mensch potentiell sein kann. Dieses Ideal würde ich gerne retten. Meinst du nicht, dass es das wert ist?“
Janus sah ihn mit großen Augen an. „Doch, aber ...“
„Bedenke“, sagte Sokrates, „das ist deine Gelegenheit, dich zu rehabilitieren. Du hast mir gezeigt, was du bereit bist zu tun, um dich selbst zu retten. Jetzt kannst du mir beweisen, was du für Andere bereit bist zu tun.“
„Moment“, sagte Janus, dem plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss, „du hast gesagt, damit es funktionieren kann, darf es keine Beobachter geben. Aber was ist mit dir? Du beobachtest uns doch die ganze Zeit.“
„Das stimmt“, gab Sokrates zu, „aber für mich gelten andere Regeln. Mir kommt nicht die gleiche schicksalhafte Bedeutung zu wie dir. Ich bin nur ein Schwarzes Loch. Wenn es dich beruhigt, erkläre ich mich allerdings gerne dazu bereit, im entscheidenden Moment wegzusehen.“
Janus starrte sein Gegenüber an. Seine Gedanken rotierten wie das trudelnde Raumschiff.
Die ganze Zeit über hatte er unter der Annahme operiert, dass er sein Ziel gemeinsam mit den Testsubjekten erreichen würde. Genau genommen sah er sich inzwischen selbst als Testsubjekt. Aber die Enthüllungen der letzten Minuten brachten seine Welt ins Wanken. Was sollte er tun?

Janus saß an seinem Schreibtisch. Vor ihm lagen seine Waffe und eine Notiz. Diese lautete:

Sokrates ist ein Mensch. Alle Menschen sind sterblich. Also ist Sokrates sterblich.

Eine einfache Deduktion. Janus hatte Monate seines Lebens mit dem Versuch verschwendet, sie zu brechen. Aber, so hatte er irgendwann einsehen müssen, eine Deduktion ließ sich nicht brechen. So lange die Prämissen gleich blieben, konnte Sokrates nicht unsterblich werden. „Nicht einmal Gott kann daran etwas ändern.“ So hatte Mors es einst ausgedrückt, als er voller Häme Janus‘ Versuche, die Gesetze der Logik zu brechen, kommentiert hatte.
Janus seufzte. Seine Gedanken kreisten um die Frage, weshalb er sich damit beschäftigt hatte. Im Grunde war es die selbe Frage, die ihm Mors und Sokrates gestellt hatten. Wieso war ihm das Experiment so wichtig?
Die Antwort waren zwei Wellensittiche. Er hatte sie getötet, weil sie ihm Leid taten. Vögel gehörten nicht in einen Käfig. Er war nur ein kleiner Junge gewesen, aber so hatte er gedacht. Da er gewusst hatte, dass sie in der Freiheit nur einen langsamen, qualvollen Tod sterben würden, hatte er die einzige Option gewählt, die ihm noch geblieben war. Aber so überzeugt er auch davon gewesen war, richtig gehandelt zu haben, so sehr hatte er sich auch stets gewünscht, er hätte mehr für sie tun können. Daran hatte sich bis heute nichts geändert, und das trieb ihn an.
Den Wellensittichen konnte er nicht mehr helfen, aber für die Menschen an Bord dieses Raumschiffs gab es noch eine Chance. Für sie war der Tod nicht der einzige Ausweg aus ihrem Käfig, für sie konnte er mehr tun. Und wenn Sokrates dafür nicht einmal unsterblich werden musste, vereinfachte das die Sache erheblich.
Er griff nach seiner Waffe und hielt sie sich an die Schläfe. Das Rauschen wurde lauter.

 

Hallo Mix,

Der Text ist einerseits gut lesbar und in gewissem Sinne auch nachvollziehbar, aber auf der anderen Seite habe ich ihn nicht verstanden.

Also ich habe den mit Interesse verfolgt, und mir ist aufgefallen, dass viele Hintergedanken drinstecken, sehr viele Anspielungen auf philosophische und wissenschaftliche Ideen. Und es ist sauber geschrieben.
Aber einen richtigen Zugang dazu habe ich nicht, deshalb kann ich auch nicht sagen, der Text hätte mir gefallen. Der Kern der Geschichte, das was den Leser irgendwie emotional ansprechen sollte, ist ja der Konflikt zwischen Janus und Mors (denen ich übrigens nicht so wahnsinnig symbolisch aufgeladene Namen verpasst hätte, ich finde das wirkt angestrengt :)). Aber ich habe eben leider nicht verstanden, was letztendlich der Zweck des Experimentes sein soll, und dadurch ist es mir praktisch unmöglich, in diesem Konflikt Stellung zu beziehen. Also Mors ermordet die Testsubjekte, das wäre in einem normalen Kontext natürlich ein klares Zeichen dafür, dass er auf der falschen Seite steht. Aber das sind ja außergewöhnliche Umstände, und er ist offensichtlich überzeugt davon, dass er ihnen ein schlimmeres Schicksal erspart. Hat er Recht damit? Keine Ahnung. Und deshalb stehe ich halt etwas ratlos vor der Geschichte.

Ich habe nur sehr oberflächliche Kenntnis von den ganzen quantentheoretischen Sachen, das ist vielleicht das Problem.

Also die zentrale Idee steckt ja hier drin - denke ich zumindest:

Wenn auch du nicht mehr bist, werden die Testsubjekte neben dem aktuellen noch zahlreiche weitere Zustände annehmen. Einer davon sollte es ihnen ermöglichen, der zerstörerischen Kraft der Gravitation zu entgehen und die Singularität zu erreichen.

Das ruft bei mir mehrere Fragen hervor:

1. Was bringt es, wenn ein Mensch die Singularität erreicht? Derjenige wäre immer noch nicht bei Bewusstsein, und der Rest der Menschheit wäre immer noch tot. Oder?

2. Nach meinem extrem eingeschränkten Verständnis stimmt das mit den Zuständen nicht. Also dieses berühmte Beispiel von Schrödingers Katze, die in ihrer Kiste so lange sowohl tot als auch lebendig ist, wie kein Beobachter die Kiste öffnet, um nachzusehen, das ist ja ein Gedankenexperiment um die Absurdität zu verdeutlichen, die entsteht wenn man die quantenmechanischen Prinzipien auf den Makrokosmos anwendet. Also Objekte in unserer wahrnehmbaren Umwelt verhalten sich doch eben nicht so wie Quanten, das müsste auch für die Testsubjekte gelten.

Ich meine, es ist schon klar, Janus ist offensichtlich nicht mehr bei Verstand, da er sich mit dem Schwarzen Loch unterhält. Aber irgendwann hat doch jemand dieses Experiment ins Leben gerufen und sich davon irgendetwas versprochen. Und ich habe beim Lesen nicht herausfinden können, was das war.

Möglicherweise brauchst du Leser, die physikalisch und philosophisch besser vorgebildet sind als ich :)

Vielleicht ist der Text selbst eine Art interessantes Gedankenexperiment. Aber als Geschichte hat er für mich leider nicht so richtig funktioniert.

Grüße von Perdita

 

Hallo, Perdita!

Der Text ist einerseits gut lesbar und in gewissem Sinne auch nachvollziehbar

Also ich habe den mit Interesse verfolgt, und mir ist aufgefallen, dass viele Hintergedanken drinstecken, sehr viele Anspielungen auf philosophische und wissenschaftliche Ideen. Und es ist sauber geschrieben.

Na das ist doch schonmal etwas.

denen ich übrigens nicht so wahnsinnig symbolisch aufgeladene Namen verpasst hätte, ich finde das wirkt angestrengt

Hm, ja, vielleicht. Ich hätte die beiden natürlich auch Klaus und Georg oder so nennen können, aber das wäre mir dann wiederum zu gewöhnlich gewesen. Mal sehen, ich denke nochmal über die Namen nach.

Der Kern der Geschichte, das was den Leser irgendwie emotional ansprechen sollte, ist ja der Konflikt zwischen Janus und Mors [...]. Aber ich habe eben leider nicht verstanden, was letztendlich der Zweck des Experimentes sein soll, und dadurch ist es mir praktisch unmöglich, in diesem Konflikt Stellung zu beziehen. Also Mors ermordet die Testsubjekte, das wäre in einem normalen Kontext natürlich ein klares Zeichen dafür, dass er auf der falschen Seite steht. Aber das sind ja außergewöhnliche Umstände, und er ist offensichtlich überzeugt davon, dass er ihnen ein schlimmeres Schicksal erspart. Hat er Recht damit? Keine Ahnung. Und deshalb stehe ich halt etwas ratlos vor der Geschichte.

Also Mors bringt ja die Testsubjekte nicht um, um sie davor zu bewahren, die Singularität zu erreichen. Er ist davon überzeugt, dass das keinem der Testsubjekte jemals gelingen wird. Er geht davon aus, dass sämtliche Testsubjekte von der Gravitation des Schwarzen Lochs in Stücke gerissen werden, noch bevor sie den Ereignishorizont erreichen. Und das stellt er sich sehr grausam vor. Deswegen gibt er ihnen die Kugel. Weil ihm das gnädiger erscheint, schneller und weniger schmerzhaft. Zumal ja die Zeit in der Nähe eines Schwarzen Lochs extrem verlangsamt ist, sodass so ein Tod durch Zerreißen schonmal bis in alle Ewigkeit dauern kann. Davon merkt das Testsubjekt natürlich nichts, weil für sie/ihn die Zeit normal weiterläuft (und weil bewusstlos). Aus Mors' Perspektive dauert das aber ewig. Vieleicht hätte ich diesen Aspekt noch explizit erwähnen sollen. Im späteren Verlauf des Textes befindet sich darauf nur eine Andeutung. Hier:

„Wie lange dauert das hier?“
Sokrates zuckte mit den Schultern. „Für die Außenwelt? Unendlich lange. Für dich und deine Testsubjekte? Eine Weile. [...]

So oder so geht es Mors nur um die Wahl zwischen zwei Todesarten: Tod durch Kopfschuss oder Tod durch Zerreißen. Er glaubt halt, ein Kopfschuss sei gnädiger.
Der Konflikt zwischen Mors und Janus beläuft sich dann allein darauf, dass Janus an das Experiment glaubt, während Mors das nicht tut. Für Mors ist völlig unerheblich was Janus' Meinung nach passiert, wenn jemand tatsächlich die Singularität erreicht.
Ich hatte eigentlich gehofft, dieser Aspekt der Geschichte, dass Mors das Experiment für Unfug hält, würde noch einigermaßen klar rüberkommen. Oder habe ich dich jetzt nur falsch verstanden?

Aber ich habe eben leider nicht verstanden, was letztendlich der Zweck des Experimentes sein soll

1. Was bringt es, wenn ein Mensch die Singularität erreicht? Derjenige wäre immer noch nicht bei Bewusstsein, und der Rest der Menschheit wäre immer noch tot. Oder?

Ja, das Experiment ist so eine Sache. Realistisch betrachtet, ist das Experiment natürlich vollkommen absurd. Zum einen weil es im Normalfall nicht funktionieren sollte. Die Hypothese der kosmischen Zensur sollte verhindern, dass irgendwer so eine Singularität erreicht ("Gott verabscheut eine nackte Singularität"). Soll heißen, dass sich jedwede Singularität vor Außenstehenden durch einen Ereignishorizont verbirgt. Und wer sich doch in den Ereignishorizont hineinwagt, der wird halt in Stücke gerissen. Zum anderen ist es aber auch absurd, weil ... ja, was soll schon passieren, wenn jemand so eine Singularität erreicht? Auf die Realität bezogen, würde die Zeit des Reisenden wohl einfach enden, weil in der Singularität eben auch die Raumzeit endet. Das ist halt eine Grenze unseres Universums.
Jetzt schreib ich hier natürlich eine Geschichte, und eine Geschichte muss sich nicht immer an die Realität halten. Ich hatte verschiedene Ideen, was dann Tolles passieren könnte, wenn es einem der Testsubjekte oder eben allen auf einmal gelingt, die Singularität zu erreichen. Das war aber alles so weit hergeholt, dass ich das Gefühl hatte, es wäre besser, die Sache nur anzudeuten. Ich dachte, wenn Janus anfängt, davon zu erzählen, wie die Menschheit durch Erreichen der Singularität sich ihrer Natur entledigt oder kollektiv zu einer höhere Wesenheit aufsteigt oder sonst irgendwas Abstruses, dann wäre der letzte Rest Bezug zur Realität verloren gegangen. Daher also Andeutungen wie diese:

Das Experiment ist die einzige Möglichkeit, uns von dieser bitteren Realität zu befreien.

Wir wollen beide den letzten Rest der Menschheit retten, nur dass du ihn vor sich selbst retten willst, während ich ihn vor dir retten will.

Weil du den Erschaffern diesen sinnlosen Scheiß von Erlösung und weiß-nicht-was abkaufst.

Für sie war der Tod nicht der einzige Ausweg aus ihrem Käfig, für sie konnte er mehr tun.

Vielleicht war das ein Fehler. Vielleicht hätte ich konkreter werden sollen. Ich weiß es nicht. Mich würden weitere Meinungen dazu interessieren.

2. Nach meinem extrem eingeschränkten Verständnis stimmt das mit den Zuständen nicht. Also dieses berühmte Beispiel von Schrödingers Katze, die in ihrer Kiste so lange sowohl tot als auch lebendig ist, wie kein Beobachter die Kiste öffnet, um nachzusehen, das ist ja ein Gedankenexperiment um die Absurdität zu verdeutlichen, die entsteht wenn man die quantenmechanischen Prinzipien auf den Makrokosmos anwendet. Also Objekte in unserer wahrnehmbaren Umwelt verhalten sich doch eben nicht so wie Quanten, das müsste auch für die Testsubjekte gelten.

Damit hast du natürlich vollkommen Recht. Die Gesetze der Quantenphysik sollten auf den Makrokosmos eigentlich nicht anwendbar sein. Meinem eigenen Wissen nach, das ebenfalls eingeschränkt ist, gibt es aber tatsächlich Denkansätze, die anderes vermuten lassen. Z.B. die Viele-Welten-Hypothese, nach der auch der Makrokosmos zu jedem Zeitpunkt jeden potentiell möglichen Zustand inne hat. Das äußert sich dann halt in unendlich vielen Universen, wobei jedes davon für eine Möglichkeit steht. Aber gut, die Viele-Welten-Hypothese hat jetzt nichts mit meiner Geschichte zu tun. Ich will eigentlich nur sagen, dass es bei der Quantenmechanik viele Erklärungsmöglichkeiten gibt. Da ich hier eine SF-Geschichte schreibe, dachte ich halt, ich komme mit meiner Darstellung durch. Vielleicht hätte ich dazu Janus aber doch zumindest etwas Ahnung von Quantenphysik haben lassen sollen, damit er genau das hätte anmerken können, was du jetzt angemerkt hast. (Robert Sawyer hat in seinem Roman "Flash Forward" übrigens eine ganz ähnliche Erklärung für ein in seiner Geschichte auftauchendes Phänomen gegeben.)

Ich meine, es ist schon klar, Janus ist offensichtlich nicht mehr bei Verstand, da er sich mit dem Schwarzen Loch unterhält. Aber irgendwann hat doch jemand dieses Experiment ins Leben gerufen und sich davon irgendetwas versprochen. Und ich habe beim Lesen nicht herausfinden können, was das war.

Hinsichtlich derjenigen, die das Experiment erschaffen haben, und ihrer damit verbundenen Hoffnungen könnte diese Stelle hilfreich sein:

Wir fliegen in das Schwarze Loch, wir trotzen der Gravitation, die uns normalerweise in Stücke reißen würde, wir erreichen die Singularität, wir brechen die Gesetze des Universums. Wenn wir das geschafft haben, können wir auch alles Andere brechen.

Das sind die Ansichten der Erschaffer, die Janus übernommen hat. Natürlich stellt sich dann auch hier die Frage: Was soll das genau bedeuten? Wollten die Erschaffer dadurch vielleicht die menschliche Natur brechen, die mutmaßlich zum Untergang der Menschheit geführt hat (unter welchen Umständen die Menschheit ausgelöscht wurde, erwähne ich ja gar nicht)? Etwas Anderes? Wie gesagt, ich wollte mich da nicht festlegen. Und wie gesagt, vielleicht war das ein Fehler.

Vielleicht ist der Text selbst eine Art interessantes Gedankenexperiment. Aber als Geschichte hat er für mich leider nicht so richtig funktioniert.

Natürlich hätte ich mich gefreut, wenn der Text für dich auch als Geschichte funktioniert hätte, aber gut, du hast ja ausführlich dargelegt, warum du Probleme mit ihm hattest. Dafür möchte ich dir sehr herzlich danken. Dein Kommentar hat mich gefreut und mir auf jeden Fall weiter geholfen. Ich brauch(t)e nämlich mal dringend einen distanzierten Blick auf den Text.

Viele Grüße
Mix

 

Hi. Hab' mich jetzt durch den Text gekämpft. Ich muss ehrlich sagen, dass er mich leider nicht so richtig gerissen hat. Und auch wenn ich nun wirklich keinen kryptischen Nietzsche-Text lesen möchte (dazu kann ich Nietzsche lesen, und das auch nur in kleinen Dosen), hat mir hier und da etwas gefehlt. Die Dialoge sind relativ klar, relativ wissenschaftlich. Das muss auch nichts schlechtes sein, jedoch finde ich es bei philosophischen Texten enorm wichtig, einen Spielraum zur Eigeninterpretation zu lassen - und zwar einen sehr großen, die eben auch folgerichtig in die andere Richtung gehen kann (frei nach Schopenhauer - zwei richtige Ausgangspunkte ergeben immer einen richtigen Schluss, zwei falsche aber nicht immer einen falschen). Auseinandersetzung geschieht immer auf einer Metaebene, viele (nicht alle) Aussagen aus deinem Text wirken eher wie das Ergebnis einer mathematischen Gleichung, das zwar auch umständlich bewiesen werden kann, aber durch drehen und wenden trotzdem nicht verändert wird (und genau DA packt die philosophische Metaphorik Nietzsches an). Also quasi ein "So ist es, friss oder stirb" - auch wenn Janus mit sich selbst und seiner Entscheidung hadert.
Erst am Ende, als das Beispiel der Wellensittiche genannt wird, kam so eine Stelle, die sich für mich "nah" (ich finde gerade kein besseres Wort; denke aber, du weißt, was ich meine) angefühlt hat. Den konnte man drehen, wenden, von verschiedenen Seiten betrachten (wenn man Lust hat, die Handlung auch nach verschiedenen Verhaltensethiken abklopfen, auch wenn ich das für unglaublich langweilig halte). Ich hatte das zweite Mal in diesem Text das Gefühl: Ja, das hat nun etwas mit mir zu tun. Das erste Mal war der Startkonflikt mit Mors - der Konflikt zweier gegensätzlicher Geister -, das Sokrates-Gerede zwischendurch fand ich wenig fesselnd.

Den Namen Sokrates zu nehmen, nun ja, ich hab' den Sokrates nicht rausgelesen, hatte zwar Ansatzweise von sokratischer Ironie, aber - wie ich finde - zu harmlos, zu mild, zu schwach. Sokrates hat seine 'Opfer' (als solche haben sie sich wohl zumindest gefühlt) ja ins Lächerliche gezogen. Dein Sokrates tut das nicht, er berät nur.

Zweifelsohne, der Text ist gut geschrieben, interessant und zeilenweise grotesk, aber, wie ich finde, nicht stichhaltig genug. Da es um Philosophie geht, erlaube ich mir diesen folgenden Satz: Es fühlte sich teilweise an, als würden deine Charaktere sich in Geschwafel ergehen (was ich natürlich nicht böse meine). Es fehlt mir einfach das lodernde Feuer, das in so manchem Philosophen brennt, oder das selbsterschaffene Damokles-Schwert über den Pessismisten dieser Welt - zweifelsohne ein hohes Maß, das ich hier anlege (aber du willst ja auch keine Wuschelkuschelkritik, gerade bei einem solchen Text, nehme ich an).

Abschließend haben mir verschiedene Stellen sehr gut zugesagt.

„Nicht einmal Gott kann daran etwas ändern.“ So hatte Mors es einst ausgedrückt, als er voller Häme Janus‘ Versuche, die Gesetze der Logik zu brechen, kommentiert hatte.

DAS fand ich zum Beispiel gut. Das hat diesem schmalen Grad zwischen Genie und Wahnsinn, den Janus beschritten hat, ein sehr schönes Bild gegeben, einen Charakter. Man sollte solche Texte mit solchen Stellen natürlich nicht überladen, aber zwei drei mehr hätte es schon vertragen.

Einen einzigen Tippfehler habe ich gefunden (was aber nicht heißt, dass es nicht noch mehr gibt).

richtig gehandelt zu haben, so sehr hatte er sich auch stets gewüncht,

Abschließend bleibt natürlich zu sagen, dass gerade bei philosophischen Texten die Meinungen schnell sehr weit auseinanderklaffen. Wo ich eine mathematisch-wissenschaftliche Herangehensweise (wie ich der Meinung bin in deinem Werk teilweise zu erkennen) in der Philosophie wenig reflektierend und ungeeignet finde (weil man ein von Menschen geschaffenes, immer noch begrenztes Konstrukt auf einen für den Geist des Menschen noch unbegrenzten Kosmos anwenden will), lieben andere diese scheinbare 'Klarheit' vielleicht.

Sprachlich fand' ich es absolut überzeugend. Inhaltlich habe ich mich ja schon ausreichend dazu geäußert.

Grüße,
Algaliarept

 

Hallo erst einmal,
Ich glaube ich habe nicht wirklich die Fähigkeit dazu, deinen Text „richtig“ zu bewerte, das mag an meiner ganz eigenen Art zu schreiben liegen. Die Welten driften ein wenig auseinander. In den anderen Antworten kann man ein wenig die Abgeschlossenheit des Textes erkennen, wie sie davor stehen und er ihnen irgendwie „nichts“ gibt. Er mag ja sprachlich klar und Verständlich sein, doch zu Gut fehlt noch etwas. Und das ist der Grund warum ich hier Poste.
Ich denke einmal, bei meinen Lesern, finden sich Grübelfalten auf der Stirn "was hat der da gemeint" oder auch "das verstehe ich irgendwie anders". Dein Text kann durch seine verständliche Art den „verunreinigten“ Teil nicht bieten, den, den man braucht um auch missverstanden zu werden. Und dennoch gern gelesen wird! Er kann aber auch das klare Kalkül zu seinem Steckenpferd nehmen und sagen Leute ich will schockieren, indem! ich so Kalkül bin, so wissenschaftlich und klar. Er kann Natürlich auch all das „nicht“ wollen und einfach so weiterexistieren. Auch wenn er mir dann nicht besonders gefällt. Ja, weil er mich irgendwie „unbefriedigt“ zurücklässt. Ich hege ja eigentlich eher eine Abneigung gegen diese Art von Text, und deswegen enthalte ich mich auch jeder Wertung, aber ich kann vielleicht den Anstoß dazu geben, dass er ein wenig „interessanter“ oder mit anderen Worten „Herzlicher“ wird.

Mit freundlichen Grüßen
Quasifinis

 

Hallo, Algaliarept,

zunächst einmal danke für deine Zeit und Mühe.

viele (nicht alle) Aussagen aus deinem Text wirken eher wie das Ergebnis einer mathematischen Gleichung, das zwar auch umständlich bewiesen werden kann, aber durch drehen und wenden trotzdem nicht verändert wird (und genau DA packt die philosophische Metaphorik Nietzsches an). Also quasi ein "So ist es, friss oder stirb" - auch wenn Janus mit sich selbst und seiner Entscheidung hadert.

"friss oder stirb", das bezieht sich wohl auf Janus' scheinbar unvermeidliches Schicksal zu sterben. Wenn ich dich richtig verstehe, ließe sich dein Problem damit lösen, indem das Raumschiff nicht sofort unwiederbringlich von seiner Umlaufbahn um das Schwarze Loch abgebracht würde. Dann könnte Janus wählen zwischen Leben und Tod, dann hätte er die Möglichkeit, das Experiment einfach fortzuführen wie bisher, in der Hoffnung, dass auch er eines Tages gerettet wird. Dann würde auch der Möglichkeit, dass das, was Sokrates erzählt, Blödsinn ist, größere Bedeutung zukommen.
Was genau du aber meinst mit "viele (nicht alle) Aussagen aus deinem Text wirken eher wie das Ergebnis einer mathematischen Gleichung", das würde mich interessieren. Vielleicht könntest du mir ein paar Beispiele nennen?

Erst am Ende, als das Beispiel der Wellensittiche genannt wird, kam so eine Stelle, die sich für mich "nah" (ich finde gerade kein besseres Wort; denke aber, du weißt, was ich meine) angefühlt hat. Den konnte man drehen, wenden, von verschiedenen Seiten betrachten

Offen gestanden verstehe ich nicht, wie du die Sache mit den Wellensittichen gut finden kannst, während du den Text insgesamt eher negativ aufnimmst, alles von dieser philosophischen Seite betrachtet. Janus' Erinnerung an die Wellensittiche ist ja quasi ein Sinnbild für den gesamten Text bzw. für das Experiment. Wenn du in der Lage bist, Janus' Dilemma mit den Vögeln von mehreren Seiten zu betrachten, dann sollte das eigentlich auch beim Text insgesamt möglich sein.

Den Namen Sokrates zu nehmen, nun ja, ich hab' den Sokrates nicht rausgelesen, hatte zwar Ansatzweise von sokratischer Ironie, aber - wie ich finde - zu harmlos, zu mild, zu schwach. Sokrates hat seine 'Opfer' (als solche haben sie sich wohl zumindest gefühlt) ja ins Lächerliche gezogen. Dein Sokrates tut das nicht, er berät nur.

Den Namen "Sokrates" habe ich nicht gewählt, um sokratische Philosophie zu betreiben. Es soll ein Hinweis darauf sein, dass Janus verrückt sein könnte. Im letzten Abschnitt erfahren wir, dass er sich lange mit dieser Sokrates-Deduktion auseinandergesetzt hat (die im Grunde natürlich beliebig ist). Das sollte nahelegen, dass Janus im mittleren Teil des Textes projiziert. Hatte ich jedenfalls gehofft.

Da es um Philosophie geht

Ehrlich gesagt habe ich den Text gar nicht mit dem Vorsatz geschrieben, jetzt mal ungemein philosophisch zu sein. Im Kern sollte es einfach um das Experiment gehen, und während ich daran arbeitete, haben sich mir gewisse Aspekte dann einfach aufgedrängt.

Abschließend bleibt natürlich zu sagen, dass gerade bei philosophischen Texten die Meinungen schnell sehr weit auseinanderklaffen. Wo ich eine mathematisch-wissenschaftliche Herangehensweise (wie ich der Meinung bin in deinem Werk teilweise zu erkennen) in der Philosophie wenig reflektierend und ungeeignet finde (weil man ein von Menschen geschaffenes, immer noch begrenztes Konstrukt auf einen für den Geist des Menschen noch unbegrenzten Kosmos anwenden will), lieben andere diese scheinbare 'Klarheit' vielleicht.

Dein gesamter Kommentar lässt sich ja quasi darauf herunterbrechen, dass du gerne mehr Interpretationsspielraum hättest. Das habe ich zur Kenntnis genommen, bin mir aber noch nicht sicher, wie ich den Text dahingehend bearbeiten könnte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich deine Einschätzung teile. Vielleicht komme ich hier mit der Zeit, mit etwas mehr Distanz, zu einer Lösung.

zweifelsohne ein hohes Maß, das ich hier anlege (aber du willst ja auch keine Wuschelkuschelkritik, gerade bei einem solchen Text, nehme ich an).

Wenn ich "Wuschelkuschelkritik" haben wollte, würde ich mich nicht auf dieser Seite rumtreiben. Du hast deine Meinung ausgedrückt und das ist gut. Das gilt für jeden Text gleichermaßen. Deswegen möchte ich dir auch nochmal danken, dass du dir die Zeit genommen hast. Jede Sichtweise hilft mir dabei, meinen eigenen Text besser beurteilen zu können, Fehler zu erkennen, die mir vorher entgangen sind. Dafür sind wir doch alle hier.

Gruß
Mix

PS

Einen einzigen Tippfehler habe ich gefunden (was aber nicht heißt, dass es nicht noch mehr gibt).

richtig gehandelt zu haben, so sehr hatte er sich auch stets gewüncht,

Argh, peinlich. Ich dachte, ich hätte alle Tippfehler erwischt. Danke für den Hinweis, habs schon ausgebessert.


Hallo, Quasifinis!

Dein Text kann durch seine verständliche Art den „verunreinigten“ Teil nicht bieten, den, den man braucht um auch missverstanden zu werden. Und dennoch gern gelesen wird! Er kann aber auch das klare Kalkül zu seinem Steckenpferd nehmen und sagen Leute ich will schockieren, indem! ich so Kalkül bin, so wissenschaftlich und klar. Er kann Natürlich auch all das „nicht“ wollen und einfach so weiterexistieren.

Ich denke, der fettmarkierte Satz ist der Schlüsselsatz deines Kommentars, oder? Der Text ist für dich irgendwas zwischen den beiden vorher von dir beschriebenen Herangehensweisen. Tja, vielleicht ist das so, ich weiß es nicht wirklich. Mir fehlt da im Moment noch die Distanz. Sicher ist, dass es nicht meine Absicht war zu schockieren. Auf der anderen Seite hat ja Perdita z.B. kritisiert, dass die Sache mit dem Experiment nicht klar genug ist. Das spräche ja schon für einen gewissen "verunreinigten" Anteil. Aber ja, ich sehe schon, ich muss mir nochmal intensive Gedanken zum Text machen.

Danke für deinen Kommentar!

Gruß
Mix

 

Hi Mix :)

Zugegeben, den Philosophie-Teil habe ich aufgrund der Bedeutungsschwere der Namen und auch der Überlegungen unterstellt. Daher auch als philosophischen Text bewertet.

Das Beispiel mit den Wellensittichen:

Damit wollte ich ausdrücken, dass hier etwas menschliches, alltägliches zur Sprache kommt. Gefangene Tiere, damit kann jeder was anfangen. Experimente in einem Raumschiff in der Nähe eines schwarzen Lochs wirkt hingegen sehr konstruiert, da bekomme ich keinen so rechten Bezug dazu.

Und das mit dem Ergebnis einer mathematischen Gleichung - vielleicht sehr abstrakt formuliert - sollte ausdrücken, dass mir die philosophischen Erkenntnisse eben vorkommen, als hätten sie wenig Interpretationsfreiraum. Sie sind quasi festgelegt und an ihnen wird auch nicht gerüttelt. Dabei ist gerade Philosophie ja eine Wissenschaft (wenn man sie so nennen will), in der zunächst mal jeder Folgesatz infrage gestellt und auf seine Gültigkeit überprüft wird (oder werden sollte). Hier kam es mir manchmal ein wenig an den Kopf geschmissen vor.

Wenn der Name "Sokrates" mehr oder weniger beliebig war, dann brauchst du den darauf abzielenden Absatz natürlich nicht beachten - habe es nur in der Eventualität betrachtet, dass du der Namensgebung eine tiefere, spezifisch auf den gewählten Namen abzielende Bedeutung beimisst.

Aber gerade bei einem solchen Thema, das, auch wenn es anscheinend nicht dein Hauptaugenmerk zu Beginn war, philosophisch aufgeladen ist, gehen Meinungen natürlich auseinander. Wenn du meine Ansicht bezüglich des Interpretationsfreiraums nicht teilst, macht das deinen Text keinesfalls schlechter. Kann auch sein, dass andere wiederum diese Bestimmtheit der Aussagen total geil finden und mir daher vehement widersprechen würden. Hab' ich ja auch schon erwähnt, sieh es weniger als Anreiz zur Überarbeitung, eher als 'Denkanstoß' für zukünftige Texte an. Eine andere Perspektive, durch die du deine eigene nochmal infrage stellen kannst - und dann eben die wählst, die dir im Nachhinein als die richtige erscheint (wenn's sowas wie "richtig" überhaupt gibt). Selbst, wenn sich deine dadurch nicht ändert.

Daher - ja, die Grundessenz ist der von dir erkannte 'Interpretationsspielraum'.

Ich hoffe es war diesmal ein wenig verständlicher :)

Gruß
Algaliarept

 

Danke für deine Erläuterungen, Algaliarept. Ich werde den Text jetzt erstmal sacken lassen und dann sehen, in wie weit ich ihn verbessern kann.

Viele Grüße
Mix

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich werde den Text jetzt erstmal sacken lassen und dann sehen, in wie weit ich ihn verbessern kann.

Das wird sich als ein schwieriges Unterfangen herausstellen, Mix.

Aber von vorn: Mir gefällt gut, dass Du versuchst, wissenschaftliche Konzepte und philosophische Ideen in die Form einer Geschichte zu bringen. Die sprachlichen Mittel hast Du, auch wenn da etwas Feinschliff nötig ist, meiner Ansicht nach. Was jedoch von der Basis her noch einmal grundlegend betrachtet werden muss (kann oder sollte), ist die Konstruktion von Geschichten.


Nachvollziehbarkeit der Ereignisse

Natürlich, das muss man sich immer wieder vor Augen halten, gibt es Leser für jede Art von Geschichten, egal wie der Inhalt aussieht und egal, wie die Geschichte konstruiert und geschrieben wurde. Bei den Schreib-Empfehlungen, die die Kommentatoren (hier) geben, handelt es sich meist um fundamentale Techniken des Geschichtenerzählens, die zum Ziel haben, eine möglichst große Anzahl von Lesern zu erreichen.

Dir ist sicher klar, dass ein Text, der Konzepte von Penrose, Hawking, der Quantentheorie usw. thematisiert, auch von SF-Fans mehrheitlich nur verstanden werden kann, wenn das gründlich vorbereitet wird. Das tut Dein Text nicht. Allein deshalb verlierst Du 90% Deiner Leser, würde ich schätzen.

Der Leser sollte schrittweise in die Materie, in das Verständnis der Vorgänge, der Dialoge usw. geführt werden, sonst springt er ab. Als Erzähler musst Du es dem Leser so schwer wie möglich machen, abzuspringen. Du aber, Mix, machst es genau umgekehrt. Du machst es schwer, dranzubleiben.

Was hält einen Leser bei der Stange? Eine mögliche, gute Antwort ist: Eine von der Geschichte aufgeworfene Fragestellung, die der Leser für sich beantwortet und dann sehen will, wie sie in der Geschichte beantwortet wird. Doch wie Perdita schon sagte: Es fällt als Leser schwer, irgendeine Stellung zu beziehen, wenn man gar nicht versteht, was die Frage sein soll. Die Figuren in Deiner Geschichte reden ganz und gar am Leser vorbei.

Meine Empfehlung lautet daher, das Ganze so zu strukturieren, dass man als Leser besser verfolgen kann, worum es überhaupt geht. Mag sein, dass es dann erst mal zu simpel wird und Du noch einmal nachjustieren musst, aber so, wie es im Augenblick ist, ist es komplett unverständlich.


Ein bedeutsamer Konflikt

Was der Geschichte außerdem fehlt, ist ein bedeutsamer Konflikt. Ich schreibe "bedeutsam", weil ich nicht in Abrede stellen will, dass sich Deine Figuren in irgendeiner Art Zwiespalt befinden. Es wird ja viel diskutiert, sie machen sich gegenseitig Vorhaltungen, es wird gedroht und sogar geschossen. Aber dieser Konflikt bleibt für den Leser ein Buch mit sieben Siegeln. Das hat einerseits etwas mit dem zuvor erwähnten Mangel an Nachvollziehbarkeit bzw. Verständlichkeit der Rahmenbedingungen zu tun. Aber das Problem reicht tiefer:

Selbst wenn die Geschichte klipp und klar sagen würde: Janus will unbedingt die "Singularität erreichen", er weiß aber nicht wie – So what! Ich glaube, Du wirst kaum einen Leser finden, der sagt: Donnerwetter, der Junge hat ja wirklich ein Problem!

Das Geheimnis großer SciFi-Literatur besteht darin, dass im Grunde sehr lebensnahe Problemstellungen in einem ungewöhnlichen Rahmen diskutiert werden. Doch die lebensnahe Problematik fehlt in Deinem Text. Es ist viel zu artifiziell.

Ein Leser will sehen, dass eine Figur in einer Klemme steckt. Er will sehen, wie die Figur sich befreit oder scheitert. Das leistet Deine Geschichte nur sehr bedingt, und deshalb langweilt sie, egal wie viele intelligente Ideen darin stecken.

Aus diesem Grunde ist meine Empfehlung immer vom Konflikt einer Figur auszugehen. Wissenschaftliche Konzepte dürfen nur eine Nebenrolle spielen.

Trotz aller Kritik gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Hallo, Achillus!

Bitte entschuldige die verspätete Antwort. Natürlich möchte ich auch auf deinen Kommentar eingehen.

Das wird sich als ein schwieriges Unterfangen herausstellen, Mix.

Aber von vorn: Mir gefällt gut, dass Du versuchst, wissenschaftliche Konzepte und philosophische Ideen in die Form einer Geschichte zu bringen. Die sprachlichen Mittel hast Du, auch wenn da etwas Feinschliff nötig ist, meiner Ansicht nach. Was jedoch von der Basis her noch einmal grundlegend betrachtet werden muss (kann oder sollte), ist die Konstruktion von Geschichten.


Mag schon sein, dass es schwierig wird. Den Text zu schreiben, war schon beim ersten Mal nicht einfach. Den gut 4 Seiten, die der Text jetzt lang ist, stehen ca 17 verworfene Seiten gegenüber. Vielleicht habe ich immer noch nicht den richtigen Zugang zur Geschichte gefunden. Ich ziehe definitiv ein Neu-Schreiben in Betracht.

Was hält einen Leser bei der Stange? Eine mögliche, gute Antwort ist: Eine von der Geschichte aufgeworfene Fragestellung, die der Leser für sich beantwortet und dann sehen will, wie sie in der Geschichte beantwortet wird. Doch wie Perdita schon sagte: Es fällt als Leser schwer, irgendeine Stellung zu beziehen, wenn man gar nicht versteht, was die Frage sein soll. Die Figuren in Deiner Geschichte reden ganz und gar am Leser vorbei.

Ja, das ist mir inzwischen klar geworden. Im Text fehlt eine klare Fragestellung, so wie auch ein klarer, bedeutsamer Konflikt fehlt, wie du dann ja weiter kritisierst. Eine Frage, über die sich die Protagonisten entzweien können, deren Antwort sie dann ausfechten können. Ich muss mir nochmal intensive Gedanken darüber machen, wie ich solch einen Konflikt ins Zentrum der Geschichte rücke, wie ich dem Leser verständlich mache, worum es überhaupt geht.

Selbst wenn die Geschichte klipp und klar sagen würde: Janus will unbedingt die "Singularität erreichen", er weiß aber nicht wie – So what! Ich glaube, Du wirst kaum einen Leser finden, der sagt: Donnerwetter, der Junge hat ja wirklich ein Problem!

Naja, das war halt meine Grundidee. Von dort aus habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen. Vielleicht ist diese Grundidee ja auch einfach eine schlechte. Kann ja sein. Trotzdem wollte ich versuchen, eine Geschichte daraus zu machen. Will ich noch immer.

Danke für dein Feedback, Achillus.

Gruß
Mix

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom