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Der Umzug

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20.12.2015
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Der Umzug

Der Umzug

Nun ziehe ich wieder um. Das siebte Mal in 19 Jahren. Nur wenige Dinge haben das überdauert. Manche von ihnen sind mir mit der Zeit ans Herz gewachsen. Die Männer der Spedition, sieben Ukrainer, erschienen heute in der Früh pünktlich und begannen, meine Wohnung auszuräumen. Schon nach wenigen Minuten erkannte ich, dass die Männer mit Struktur und Fleiß arbeiten. Glauben Sie mir, ich habe schon viel Chaotisches gesehen. Mit Zuversicht begab ich mich zum Zielort, um einiges zu erledigen. Als die Umzugsleute eintrafen, reichte ihnen eine kurze Einweisung für meine neuen Wohnräume in der 5. Etage. Fasziniert sah ich zu, wie der Auftrag fast ohne verbale Kommunikation und ökonomisch weitergeführt wurde. Sperrige Gegenstände transportierten sie mit dem Aufzug, weniger sperrige, leichte und schwere gleichzeitig durch das Treppenhaus, ohne etwas zu beschädigen. Ich ging in ein nahegelegenes Café und kehrte nach ungefähr zwei Stunden zurück.

Die Sonne neigt sich zum Horizont, nur noch wenige Gegenstände sind im LKW verstaut. Ich schaue die Fassade des Gebäudes entlang nach oben. Mit einem Bersten schwingen die Treppenhausfenster der 4. Etage nach außen und ein größerer Gegenstand stürzt heraus.

In einem Nebel von glitzernden Glassplittern identifiziere ich mit Schrecken meinen Fernseher auf Höhe der

3. Etage.​

Mein Vater gab mir dieses Produkt eines namhaften deutschen Herstellers, als ich vor 20 Jahren auszog. 80 cm Bildschirmdiagonale, 10 Kanäle für den Empfang, separater Video-Eingang und eine Ultraschall-Fernbedienung, auf der die Zahlen schon damals nicht mehr lesbar waren.

2. Etage vorbei​

Ja, der Fernseher ist sehr alt, aber ich sehe nicht viel fern und hatte bisher keine Veranlassung, einen Austausch vorzunehmen. Eine einzige Reparatur war notwendig. Die Bildqualität ist hervorragend ...und ich hänge wegen der zahlreichen Erinnerungen an ihm.

1. Etage​

Als ich acht Jahre alt war, stand er eines Tages da, auf einer neuen Kommode und ich erlebte, dass „Rauchende Colts“, „Bonanza“ und „Die Leute von der Shiloh Ranch“ ursprünglich in Farbe gedreht wurden. Es folgten die vielen Fernsehabende mit meinen Eltern, die vor fünf Jahren verstorben sind, und die Streitereien mit meinem jüngeren Bruder, der „Raumschiff Enterprise“ viel mehr mochte als die Westernserien.

Hoch-Parterre​

Möglicherweise wird es nicht so schlimm. Mein Vater hatte oft die hintere Abdeckung entfernt, um den Staub zu beseitigen, der sich von Zeit zu Zeit ansammelte. Häufig schaute ich zu und sah in dem Gehäuse einen mehrfach verstrebten, robusten Stahlrahmen, an dem die Elektronikbauteile angebracht waren. Ich liebe dieses Fernsehgerät.


Rasenfläche vor dem Souterrain, Aufschlag​

Ich eile an die Absturzstelle. Die Bildröhre ist noch ganz, am Gehäuse nur ein kurzer Riss, einige Lackschäden und ein Schalter hängt heraus. Vielleicht kann man noch etwas machen. Was meinen Sie?

 

Hallo, Wortkrieger!

Diese kleine Geschichte ist mir eingefallen, nachdem ich mir vornahm, mal mit den Instrumenten Zeitraffung (Fahrt zum neuen Wohnort) und Zeitdehnung (Sturz des Fernsehers) zu spielen.

Autobiographisches ist nicht enthalten.

Ich würde mich über möglichst viel Feedback zu meiner kurzen Kurzgeschichte freuen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Plotoldie

Ein herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich würde mich über möglichst viel Feedback zu meiner kurzen Kurzgeschichte freuen.
Das klappt am besten, wenn du dich mit Kommentieren anderer Geschichten im Forum einbringst, dann wirst du ziemlich rasch auch Rückmeldungen zu deiner Geschichte erhalten. Wir pfelgen hier das Geben und Nehmen.

Nun aber zu deiner kleinen Episode.
Ich sehe das eher als Experiment und weniger als ausgefeilte Kurzgeschichte, denn viel passiert nicht, ausser dass dein Protagonist sich den unspektakulären Erinnerungen hingibt, die mit dem fallenden Fernseher verknüpft sind.

Das ist mir leider zuwenig Geschichte, um mich zu unterhalten. Die Zeitdehnung ist relativ konstruiert, auch wenn Gedankengänge in unserem Hirn rasend schnell ablaufen. Und um auf deine Frage zurück zu kommen: 3. Etage, da ist dein Fernseher Elektroschrott, nix mit Bildröhre ganz und ein paar Kratzer.

Glauben Sie mir, ich habe schon viel Chaotisches gesehen.
Wie passt das zum strukturierten und fleissigen Vorgehen?

Mit Zuversicht begab ich mich zum Zielort, um einiges zu erledigen.
Das sagt mir nichts, zeige, was sie macht.

Fasziniert sah ich zu, wie der Auftrag fast ohne verbale Kommunikation und ökonomisch weitergeführt wurde.
Auch hier wieder eine allgemeine Aussage ohne Hintergrund. Verwende doch zum Beispiel einen kurzen Dialog, um die Situation lebendiger zu gestalten.

Sperrige Gegenstände transportierten sie mit dem Aufzug, weniger sperrige, leichte und schwere gleichzeitig durch das Treppenhaus, ohne etwas zu beschädigen.
Spannend wie eine TV-Betriebsanleitung. Das sind so Füllsel, ohne die Geschichte voranzutreiben.

Ich ging in ein nahegelegenes Café und kehrte nach ungefähr zwei Stunden zurück.
Sie lässt geschäftsmässige Packer alleine die Kisten einräumen? Wer macht denn so was?

Mit einem Bersten schwingen die Treppenhausfenster der 4. Etage nach außen und ein größerer Gegenstand stürzt heraus.
Aha, jetzt gibts Action.
Sei ehrlich, das vorangegangene war eigentlich nur Geplänkel, um die Zeit bis zum Fenstersturz zu überbrücken. Da könntest du auch so anfangen:
"Neulich bin ich umgezogen und gerade als die starken Ukrainer meine letzten Möbelstücke in die oberste Etage trugen, schwang mit einem Bersten das Fenster im dritten Stockwerk auf ..."

Häufig schaute ich zu und sah in dem Gehäuse einen mehrfach verstrebten, robusten Stahlrahmen, an dem die Elektronikbauteile angebracht waren.
War das ein Prototyp? Ich kenne keine Röhren-Fernseher mit mehrfach verstrebten Stahlramen, ausser damals bei der NASA vielleicht.
Und was mir noch wichtiger erscheint, wer wirft denn einfach einen Fernseher durch ein geschlossenes Fenster und warum?

Du siehst, ich habe etwas Mühe mit deinem Plot, da er mir zuwenig Geschichte und auch von der Logik her nicht zusagt.

Allerdings finde ich es gut, dass du dich ausprobieren, mit Stilmitteln spielen möchtest. Somit nix für ungut und weiterhin viel Spass beim Schreiben, Lesen und Kommentieren.
Liebe Grüsse,
dot

 

Hallo Plotoldie,

ich fand Deinen Text ganz amüsant. Experimentell, sicherlich, aber das Experiment scheint mir durchaus gelungen. Die Kritikpunkte von dotslash sind natürlich absolut valide, aber der Plot und die Logik stehen für mich (und vermutlich auch für Dich) hier nicht im Vordergrund.

Nichtsdestotrotz muss ich zugeben, dass auch ich sehr überrascht war, dass der Fernseher den Sturz überlebt haben soll - selbst wenn es tatsächlich solche panzerartigen, stahlverstrebten Modelle gegeben haben sollte. Ich glaube, es würde Deinem Experiment gar nicht schaden, wenn Du diese Kritik entkräftetest, indem Du das Gerät in Trümmern daliegen ließest und der Schalter vielleicht das einzig Intakte wäre. Selbst die Pointe "Vielleicht kann man noch etwas machen. Was meinen Sie?" könntest Du dann beibehalten.

Und falls Du dem Text tatsächlich eine Realitätskur verabreichst, kannst Du auch noch mal auf die Bildschirmgröße schauen: Ich habe echte Zweifel, ob es im Zeitalter der Ultraschallfernbedienungen schon Geräte mit 80 cm Diagonale gab. Ich kann mich irren, aber nach meiner Erinnerung waren 66 cm damals das Höchste der Gefühle.

Grüße vom Holg ...


PS: Leider muss ich mich mit dem Bruder Deines Erzählers solidarisieren - die Enterprise schlug damals selbstverständlich jeden Western. :)

 

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