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- 23.09.2003
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Der Tunnel
Martina sass auf einer Schaukel auf dem Spielplatz direkt vor ihrem Wohnblock. Sie schaukelte leicht hin und her und tatschte dabei mit ihren Gummistiefeln in die Regenpfütze unter ihr. Seit etwa einer halben Stunde regnete es nicht mehr. Deshalb hatten ihre Freundinnen und sie sofort die Gelegenheit genutzt um sich zu verabreden. Nun wartete sie dort auf sie und hoffte sehr, dass es nicht wieder anfing zu regnen. Sie war die einzige auf dem Spielplatz.
>Hat wohl niemand große Lust bei dem Wetter draußen zu spielen.< , überlegte Martina und hob ihren Kopf, als sie Stimmen aus der Nähe hörte. Zwei Mädchen kamen auf sie zu gerannt, ebenfalls wasserfest in Anorak und Gummistiefeln gekleidet.
"Hallo Martina!", riefen sie ihr zu, noch ehe die Beiden sie erreicht hatten.
"Hallo Ute, hallo Sabine.", grüßte sie zurück und grinste.
Ute strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, setzte sich auf die Schaukel neben Martina und sagte: "War ´ne gute Idee von dir uns anzurufen."
Martina zuckte leicht mit den Schultern, als sie antwortete: "Es regnet schon seit zwei Tagen, deshalb find´ ich, dass wir die Regenpause nutzen sollten."
"Find ich auch.", stimmte Sabine zu.
Ute sah sich um. "Und, was machen wir?"
"Mal sehen.", erwiderte Martina und stand auf. "Sollen wir im Hof eures Blocks spielen?"
"Lieber nicht," Sabine verdrehte die Augen, "beim letzten mal brüllte direkt einer unserer Nachbarn, weil wir ihm zu laut gespielt hatten."
"Oh ja, typisch!", stieß Ute genervt aus und versuchte die Stimme des Nachbarn nach zumachen, indem sie ihre Stimme tief verstellte: "Zum Donnerwetter nochmal, könnt ihr nicht woanders spielen? Immer dieses Gekreische!"
Martina und Sabine mussten über ihre nun komische Stimme lachen.
"Der ist wirklich nervig.", lachte Martina und schüttelte ihren braunen Lockenkopf.
Als sie sich wieder beruhigt hatten, meinte Sabine: "Was haltet ihr denn davon, wenn wir in den Park gehen, zum Teich? Vielleicht sehen wir Frösche."
"Bei diesem Wetter kann das gut sein." Martina nickte und sah Ute fragend an.
"Ich bin dabei.", erwiderte diese und erhob sich ebenfalls von der Schaukel.
"Gut, dann los.", sagte Sabine und die drei setzten sich in Bewegung.
Martina, Sabine und Ute waren gute Freundinnen. Sie lebten im selben Wohnviertel und besuchten die selbe Schule. Martina und Sabine waren beide zwölf Jahre alt und Ute ein Jahr jünger als sie. Ihre Freizeit verbrachten sie am liebsten im Freien und sie waren immer begierig darauf neues zu entdecken und zu erforschen.
Sie überquerten vorsichtig die vielbefahrene Straße, die den Park von ihren Wohnblocks trennte. Danach liefen sie einen kleinen Hang hinunter in einen verwilderten Teil des Parkes. Sie stampften durch das hohe, nasse Gras und kamen schließlich zu einem schmalen Bach, den man mühelos mit einem Sprung überqueren konnte. Martina und Ute sprangen über ihn hinweg. Doch Sabine stockte plötzlich und blieb zurück.
"Wartet mal!", rief sie zu den anderen. Die Beiden blieben stehen und blickten zurück.
"Was ist denn?", wollte Martina wissen.
"Seht doch." Sabine zeigte den Bach entlang.
Martina und Ute folgten ihrem ausgestreckten Finger und sahen schließlich auf den Eingang eines Tunnels in dem der Bach verschwand. Er floss durch den Tunnel unter der Straße hindurch und noch weiter. Er war so hoch, dass sogar ein Erwachsener mit leicht geducktem Kopf hinein treten konnte und für ein Kind wäre es sowieso kein Problem gewesen.
Martina sah Sabine an und meinte desinteressiert: "Den kennen wir doch."
"Ja schon," erwiderte sie und hielt ihre Hände an die Hüfte, "aber fällt euch nicht was auf?"
Martina und Ute sahen erneut auf den Tunneleingang. Auf einmal gab sich Ute mit der flachen Hand leicht einen Klaps gegen die Stirn und sagte: "Ja klar! Das Gitter ist weg, der Tunnel ist offen."
Da ging Martina auch ein Licht auf. "Ja, natürlich! Du meine Güte, man hat den Tunnel gar nicht mehr so beachtet, dass einem sowas gar nicht mehr auffällt."
"Los, den sehen wir uns jetzt mal genauer an.", sagte Ute.
Alle drei liefen zum Tunneleingang und sahen in die Dunkelheit.
"Warum hat man wohl den Tunnel geöffnet?", fragte Ute und betrachtete das Gitter, dass nun gegen die Wand neben dem Tunnel geklappt war.
Sabine zuckte mit den Schultern. "Vielleicht soll er gereinigt werden."
"Möglich.", erwiderte Ute.
"Man ist der finster.", bemerkte Martina und versuchte vergeblich das Ende des Tunnels zu erspähen. "Der muss ziemlich lang sein."
"Sieht so aus." Sabine kniff die Augen zusammen, aber trotzdem sah sie nur Dunkelheit..
Auf einmal sah Martina die Beiden begeistert an und sagte: "Mensch, das wär doch die Gelegenheit den Tunnel zu erforschen. Wisst ihr noch, wie wir immer davon gesprochen haben, dass wir das gerne mal machen würden?"
"Ja, stimmt.", erinnerte sich Ute. "Aber weil er immer verschlossen war, haben wir nicht mehr darüber nachgedacht."
"Und ihr meint, wir sollen es jetzt machen?", fragte Sabine zweifelnd.
"Na klar!" Martinas Begeisterung wuchs.
"Und was ist, wenn uns jemand erwischt?", gab Sabine zu bedenken. "Bekommen wir dann nicht Ärger?"
"Ach, wieso denn?", winkte Ute ab.
"Morgen kann er wieder zu sein!", drängelte Martina.
"Aber wir brauchen Taschenlampen.", warf Sabine ein, die immer noch nicht recht überzeugt klang.
"Kein Problem, die hat jeder von uns.", meinte Martina.
"Mist," stieß auf einmal Ute aus, "meine Mutter ist einkaufen gegangen, bei mir ist keiner zuhause."
"Das macht nichts, du kannst von mir ne Taschenlampe haben.", beruhigte Martina sie.
"Gut.", sagte Ute. "Du hast doch eine, Sabine?"
Sie nickte.
"Also gut, wir gehen jetzt alle schnell nach Hause und besorgen uns Taschenlampen und was wir noch für nötig halten," schlug Martina vor, "und in einer viertel Stunde treffen wir uns wieder hier, okay?"
"Alles klar.", antwortete Sabine und Ute nickte zustimmend.
"Auf geht´s.", sagte Martina und die drei liefen den Hügel zur Straße wieder hinauf.
Wenig später fanden sich die drei Mädchen wieder vor dem Tunneleingang ein. Jeder hatte nun eine Taschenlampe und Martina noch Rucksack bei sich.
"Was hast du denn da drin?", wollte Sabine neugierig wissen.
"Och, nur ein paar Sachen, die wir vielleicht noch brauchen.", erwiderte sie und tat etwas geheimniss-voll.
Ute schüttelte ihren Kopf. "Du musst auch immer irgendwas mitschleppen."
"Meistens können wir´s auch gebrauchen.", entgegnete Martina und verschrenkte ihre Arme.
"Habt ihr auch eure Taschenlampe ausprobiert?", fragte Sabine und ignorierte Martinas beleidigtes Gesicht.
"Klar!", antwortete Ute.
"Dann kann es ja los gehen.", meinte Martina, deren Augen jetzt vor Neugierde leuchteten
Gemeinsam traten sie in die Tunnelöffnung. Sie knipsten ihre Taschenlampen an und ließen die Lichtkegel durch den Tunnel schweifen.
"Uhh, das ist ja schmuddelich hier.", bemerkte Sabine und schüttelte sich.
"Gut, dass das Wasser vom Bach nicht so hoch ist," meinte Martina, "so können wir am Rand vorbei laufen und müssen nicht durch´s Wasser gehen."
"Ja, aber last uns auch endlich gehen.", drängelte Ute.
"Nur nicht so ungeduldig.", mahnte Sabine. "Wir wollen schließlich alles richtig sehen."
Vorsichtig setzten sie ihre Schritte auf den glatten Steinen entlang des Baches.
"Wo mag der Tunnel hinführen?", fragte Ute und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in den Tunnel. Doch das Licht wurde von der Dunkelheit verschluckt.
"Das werden wir sehen.", antwortete Martina.
"Wollt ihr wirklich so weit gehen?", fragte Sabine etwas kleinlaut, der es jetzt doch wieder etwas mulmig wurde.
"Wenn´s nicht zu weit ist.", antwortete Martina und schwenkte den Lichtstrahl ihrer Lampe zur Tunneldecke."He, seht mal!" Sie blieb stehen.
"Was denn?" Die anderen blieben ebenfalls stehen.
"Wir müssen jetzt genau unter der Straße sein." Martina leuchtete in einen schmalen runden Schacht, der von der Decke weiter nach oben führte. Durch kleine Löcher, oberhalb des Schachtes, fiel etwas Tageslicht, aber nur so wenig, dass das Licht den Tunnelboden nicht erreichte.
"Das ist einer der Gullys direkt am Straßenrand.", stellte Sabine fest.
"Ja, man kann die Autos hören, die darüber fahren.", bestätigte Ute.
Martina ließ ihre Lampe wieder in den dunklen Tunnel sinken. "Last uns weiter gehen."
Sie setzten sich wieder in Bewegung, das Geräusch, der über sie hinweg fahrenden Autos, begleitete sie noch ein Stück weit.
"Seht mal, wir sind nicht die Einzigen, die hier durch den Tunnel gehen." Sabine leuchtete neben sich die Wand ab, wo ein Graffiti sichtbar wurde.
"Wie alt mag das sein?", fragte Ute fast etwas ehrfürchtig.
Martina musste lachen. "Ute, das ist keine Höhlenmalerei aus der Steinzeit."
"Natürlich nicht!", entgegnete sie scharf. "Ich dachte mehr daran, weil der Tunnel schon so lange verschlossen ist."
"Oder es gibt noch einen zweiten Eingang.", vermutete Sabine.
Ute zuckte mit den Schultern. "Kann sein."
Sabine wollte gerade weitergehen, als ihr plötzlich etwas quietschendes über die Stiefel lief.
"Ahh!" Sie schrie laut auf, so dass ein Echo aus dem Tunnel zurück hallte. "Was war das?"
Martina schwenkte ihre Taschenlampe über den Boden und sah gerade noch, wie etwas in einem Abflussrohr verschwand.
"Das war bloß eine Ratte.", sagte sie zu Sabine. "Bleib ganz ruhig."
"Du hast gut reden." Sabine sah sehr verschreckt aus. "Was ist, wenn hier noch mehr sind?"
"Sicher sind hier noch mehr.", antwortete Ute gelassen.
Sabine zog ruckartig ihre Augenbrauen hoch. "Ich will hier raus!"
Sie wollte kehrt machen, doch Ute die hinter ihr ging, hielt sie zurück. "Man Sabine, stell dich doch nicht so an. Manche Leute halten sich diese Tiere sogar als Haustiere."
Sabine schüttelte sich bei diesem Gedanken.
"Nun kommt endlich weiter.", forderte Martina.
Sabine seufzte und folgte Martina, die schon wieder neugierig in den Tunnel leuchtete. Nach ungefähr zehn Metern kamen sie an eine Biegung. Dort blieben sie erneut stehen.
"Wo kann der denn bloß in diese Richtung hinführen?", fragte Sabine verwundert.
"Hoffendlich nicht in die nächste Kläranlage." Martina klang etwas spöttisch.
"Quatsch, hier ist doch gar keine in der Nähe.", erwiderte Ute, sie leuchtete in das noch unbekannte Dunkle des Tunnels, bis sie auf einmal fragte: "Sagt mal, hört ihr das auch?"
"Was?", wollte Martina wissen.
"Na, hört doch mal." Ute deutete in den Tunnel vor ihnen.
Alle lauschten angespannt.
"Ja, da ist ein Geräusch," stellte nun auch Sabine fest, "da rauscht was."
"Das können auch die Autos über uns sein.", vermutete Martina.
"Wir sind doch schon längst unter der Straße durch.", widersprach Ute.
"Ja, und außerdem kommt das Geräusch aus dem Teil des Tunnels, indem wir noch nicht waren.", meinte auch Sabine.
"Was soll es denn sonst sein?", fragte Martina.
Ratlos zuckten die anderen mit den Schultern.
Während die drei Mädchen im dunklen des Tunnels standen und über das seltsame Rauschen diskutierten, fuhr ein oranger Kleintransporter mit der Aufschrift "Forstamt" auf dem Fußweg neben dem schmalen Bach. Dort hielt er. Zwei Männer in orangefarbenden Anzügen stiegen aus und gingen Richtung Tunneleingang.
"Unsere Kollegen haben wohl vergessen das Gitter zu schließen.", sagte einer von ihnen.
"Sind die überhaupt schon fertig?", fragte der Andere.
"Klar," antwortete er, "sie haben doch gestern davon gesprochen."
"Na gut.", erwiderte der andere Mann. "Hast du das Schloss?"
Sein Kollege nickte und hielt ein Vorhängeschloss in die Höhe. Sie erreichten den Tunneleingang und machten sich an dem Gitter zu schaffen. Sie konnten es wie eine Tür bewegen, da es mit zwei Schanieren an der Wand befestigt war. Laut klappte das Gitter gegen die Wand, so dass es den Tunneleingang versperrte. Mit dem Vorhängeschloss wurde es verriegelt. Darauf gingen die Männer wieder zurück zu ihrem Wagen.
Das Zufallen des Gitters war auch noch bei den drei Mädchen um die Tunnelbiegung deutlich hörbar. Sie zuckten zusammen und hielten in ihrer Bewegung inne.
"Was war das?", fragte Sabine gedämpft. Ihre Stimme zitterte leicht.
"Ich weiß nicht.", antwortete Ute beunruhigt.
"Das kam vom Tunneleingang her.", meinte Martina.
Ruckartig wandten sie ihre Köpfe in die Richtung aus der sie gekommen waren. Sie warfen sich befürchtungsvolle Blicke zu.
"Der Eingang.", stieß Sabine gebannt aus.
"Man hat ihn geschlossen!", rief Ute und ohne ein weiteres Wort zu sagen rannte sie Richtung Tunneleingang zurück.
Martina und Sabine zögerten nicht und liefen hinter ihr her. Diesmal achteten sie nicht darauf wohin sie traten, sie liefen durch das Wasser und störten sich nicht mehr an vorüber huschende Ratten. Atemlos rannten sie auf das Licht zu, dass durch den Eingang in den Tunnel fiel. Schon von weitem konnten sie die erschreckende Wahrheit erkennen. Der Eingang des Tunnels war zu!
Als sie das Gitter erreichten, sahen sie gerade noch die Männer in den orangefarbenden Anzügen in ihr Auto steigen. Die Mädchen umklammerten mit ihren Fingern die Gitterstäbe und rüttelten heftig daran. Doch das Gitter rührte sich nicht.
"Hallo! Lassen Sie uns raus!", rief Sabine zu den Männern hinüber, die gerade ihr Auto gestartet hatten.
"Wir sind hier drin!", rief nun auch Ute.
"Helfen Sie uns!", stimmte Martina mit ein.
Doch die Männer hörten ihr Rufen nicht, langsam setzte sich ihr Wagen in Bewegung. Panik stieg bei den Mädchen auf. Laut riefen sie um Hilfe zu dem davon fahrenden Auto. Doch erfolglos.
"Hört auf!", rief da Martina zu den anderen. "Es hat keinen Sinn, sie können uns nicht hören. Die Motorgeräusche sind zu laut."
Alle verstummten. Fassungslos sahen sie dem orangen Wagen hinter her, bis er hinter einigen Bäumen verschwand und nicht mehr zu sehen war.
Ute sah die anderen hilflos an. "Was machen wir denn jetzt?"
Die Beiden gaben ihr keine Antwort, denn sie waren genau so ratlos wie sie. Eine Zeitlang herrschte Schweigen unter ihnen. Nur die über sie hinweg fahrenden Autos und das Geplätscher des Baches waren zu hören.
Doch schließlich fragte Ute ruhig: "Sollten wir nicht möglichst laut um Hilfe rufen? Vielleicht hören uns irgendwelche Leute."
"Ich glaube das hat wenig Sinn.", widersprach Martina ebenfalls ruhig. "Durch den Autolärm der Straße kann uns keiner hören und außerdem sind im Park bei diesem Wetter kaum Leute unterwegs."
"Was sollen wir denn sonst tun?", fragte Sabine aufgebracht.
Martina leuchtete mit ihrer Taschenlampe zurück in den Tunnel. "Der Tunnel ist unsere einzige Möglichkeit."
"Ja, stimmt.", meinte Ute ebenfalls. "Vielleicht finden wir den Eingang durch dem die Graffitisprüher hier rein gekommen sind."
"Ihr wollt durch den Tunnel gehen?", fragte Sabine ängstlich.
Die Beiden nickten.
"Aber vielleicht kommen die Leute, die den Tunnel verschlossen haben nochmal zurück.", sagte Sabine eindringlich. "Wir sollten lieber warten."
"Weißt du noch, wie lange das Gitter zu war bevor wir es heute offen gesehen haben?", stieß Martina aus. "Warum sollten sie dann ausgerechnet jetzt eine Ausnahme machen und es heute nochmal öffnen?"
Sabine seufzte und sah betrübt zum Gitter.
"Martina hat recht," warf Ute ruhig ein, "irgendwo muss es ja noch einen anderen Ausgang geben."
Wieder seufzte Sabine, doch dann antwortete sie: "Na gut, wir wollen schließlich nicht hier übernach-ten."
"Gut," Martina nickte lächelnd, "dann mal los."
Erneut begannen sie mit ihrer Erkundung. Doch diesmal sollte sie zu ihrer Rettung dienen nicht allein ihrer Neugierde. Mit raschen Schritten kehrten sie zur Tunnelbiegung zurück. Erst da gingen sie wieder vorsichtiger. Wieder bemerkten sie das seltsame Rauschen, dass aus dem noch unbekannten Teil des Tunnels, zu ihnen drang. Langsam gingen sie auf dieses Rauschen durch den Tunnel.
„Was mag das bloß sein?“, fragte Ute fast flüsternd.
„Ein Apparat oder eine Maschine vielleicht.“ Martina zuckte mit den Schultern.
Sabine schüttelte langsam den Kopf und sah weiterhin dem Lichtstrahl ihrer Lampe nach in die Richtung durch den Tunnel. „Das glaube ich nicht. Hört doch, jetzt plätschert es auch noch.“
Sie blieben stehen und lauschten.
„Du hast recht, Sabine.“, stellte nun auch Martina fest. „Es plätschert wirklich.“
Darauf setzten sie ihre Schritte schneller. Ihre Furcht vor dem unbekannten Geräusch verging allmählich, denn es kam ihnen immer mehr in den Sinn was das Rauschen sein könnte. Martina ging kurz vor den anderen her und lies das Licht ihrer Lampe über den Boden schweifen. Plötzlich blieb sie schlagartig stehen, so dass die Beiden hinter ihr fast gegen sie prallten.
„Was soll das denn?“, stieß Ute aus und sah Martina verärgert an, denn sie war mit einem Fuß direkt im Bach gelandet. „Wehe ich hab´ jetzt Wasser im Stiefel!“
Martina ignorierte ihr Klagen und zeigte statt dessen vor sich auf den Boden, woher das Rauschen und Plätschern nun deutlich zuhören war. „Seht doch.“
Sabine und Ute traten einen Schritt nach vorne und leuchteten mit ihren Lampen ebenfalls nach unten. Im Lichtschein wurde schließlich genau vor ihnen ein kleiner Wasserfall sichtbar.
„Das ist dann wohl des Rätsels Lösung.“, meinte Sabine. „Hab ich mir schon gedacht.“
„Nicht nur du.“, erwiderte Martina.
„Wie sollen wir denn da runter kommen?“, fragte Ute. „Ich denke mal, dass der gut einen Meter hoch ist.“
„Ohne nasse Füße geht das nicht.“, antwortete Martina und zog eine Schnute.
„Sollen wir überhaupt da runter?“, fragte Sabine entgeistert.
„Wo sollen wir denn sonst hin?“, fragte Ute zurück. „Etwa wieder zum Gitter?“
Sabine seufzte als Antwort. Martina leuchtete in den Tunnel. Auf der Tunnelwand hinter dem Wasser-fall ließ sie den Lichtkegel stehen. „Was ist das?“, fragte sie die anderen.
Diese leuchteten ebenfalls mit ihrer Lampe auf die von Martina angeleuchtete Stelle. Dort war ein dunkles Loch in der Wand, so hoch wie der Tunnel selbst.
„Eine Abzweigung.“, stieß Ute überrascht aus.
„Noch ein Tunnel?“, fragte Sabine zweifelnd.
„Sieht so aus.“, meinte Martina und beleuchtete weiterhin die Öffnung. „Wir finden es nur heraus, wenn wir´s uns ansehen.“
Ute stöhnte. „Na, dann heißt es: nasse Füße.“ Sie schwenkte ihre Lampe auf den Wasserfall vor ihnen.
„Wenn wir Glück haben, werden wir gar nicht mal so nass.“ Martina prüfte mit ihrem Fuß den Stein am Rande des Wasserfalls. Sie rutschte ab. Die Mädchen sahen sich befürchtungsvoll an.
„Ja, Glück können wir gebrauchen.“, sagte Ute schließlich.
Martina machte als erste den Versuch den Wasserfall hinunter zusteigen. Vorsichtig tastete sie sich über das glitschige Gestein und stieg rückwärts hinunter. Mit den Füßen suchte sie den Boden unterhalb des Wasserfalles. Leider dachte sie zu früh ihn erreicht zu haben. Sie ließ sich schnell nach unten sinken und rutschte auf dem schlammigen Stein unter ihren Füßen aus. Sie fiel nach vorne genau in den Wasserfall. Hustend richtete sie sich wieder auf und wischte sich über den Mund, denn sie hatte etwas Wasser verschluckt. Sabine und Ute besahen sich Martina schweigend.
„Oje.“, sagte Ute und zog die Augenbrauen hoch. Das galt Martinas Kleidung. Diese war nun tropf nass und außerdem mit schmierigem Schlamm beschmutzt.
„Gut, dass ich meine weiße Hose nicht anhabe.“, sagte Sabine.
„Nun kommt schon.“, drängte Martina. „Ich helfe euch.“
Mit einiger Mühe folgten die Beiden Martina über den Wasserfall. Allerdings machten sie sich dabei nicht so schmutzig und nass wie sie. Nachdem sie alle festen Boden unter den Füßen hatten, begaben sie sich sofort zu der Öffnung, die sie zuvor entdeckt hatten. Daraus floss ein weiterer Bach in den anderen.
Sabine leuchtete mit ihrer Lampe hinein. „Das scheint tatsächlich ein weiterer Tunnel zu sein.“
„Wie lang mag der wieder sein?“ Ute seufzte.
Martina spähte angestrengt ins Dunkle. „Also, ein Licht, dass von einem Ausgang her kommen könnte, kann ich nicht entdecken.“
„Dann ist er ziemlich lang.“, meinte Ute und stöhnte auf.
„Muss nicht sein.“, widersprach Martina gelassen. „Vielleicht hat dieser Tunnel auch eine Biegung.“
Sabine wurde wieder etwas nervös. „Wer weiß, wie viele Tunnel es hier noch gibt. Wir werden uns sicherlich verlaufen.“
„Blödsinn.“, antwortete Martina schnell. „So viele Tunnel kann es hier gar nicht geben, die müßten ja dann in irgendeinem Keller enden.“
„Und was ist, wenn die Tunnel unter dem Park sind?“, fragte Ute.
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“, warf Ute ein.
„Was machen wir denn jetzt?“, fragte Sabine. „Sollen wir ihn lang gehen?“
„Ich würde sagen ja.“, meine Ute.
„Und damit wir uns nicht verlaufen...,“ Martina unterbrach sich selber, indem sie ihren Rucksack auszog, ihn öffnete und etwas hervor holte, „...habe ich das mit genommen.“
Sie hielt ein Stück Kreide in die Höhe, bevor sie ihren Rucksack schloss und ihn wieder über die Schulter zog.
„Gute Idee!“, lobte Ute. „Auf geht´s.“
*
Martina markierte die Richtung aus der sie in den Tunnel gekommen waren und schließlich betraten sie den neuen Tunnel.
„Puh, hier riecht´s noch modriger als in dem anderen Tunnel.“, stellte Sabine fest.
„Ist euch schon aufgefallen, dass dieser hier enger ist, als der andere?“, fragte Ute.
Die anderen nickten.
„Irgendwie hab´ ich ein komisches Gefühl.“, meinte Sabine leise, so als ob sie befürchtete, dass sie jemand hören könnte. „Sollten wir nicht lieber wieder in den anderen Tunnel zurück gehen?“
„Jetzt sind wir schon mal hier.“, erwiderte Martina und machte einen weiteren Kreidestrick an die Tunnelwand. Dabei fiel ihr auf, dass die Wände dieses Tunnels schmutziger und schmieriger waren, als im anderem.
„Sabine hat recht , irgendwie ist es hier unheimlicher,“ meinte Ute zu Martina.
„Schon,“ gab sie zu, „aber wir müssen doch einen Ausgang finden.“
„Also, hier werden wir keinen mehr finden!“, sagte Sabine laut und blieb stehen. Die anderen blieben ebenfalls stehen und sahen zu ihr auf. Da entdeckten sie auf einmal ein Gitter, das den Tunnel mitten im Weg versperrte.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, stieß Martina aus. „Mist, wieso denn mitten im Weg?“
„Keine Ahnung,“ antwortete Ute betrübt und starrte auf das Gitter. Genauso wie die anderen, alle wurden etwas mutlos.
„Jetzt müssen wir doch zurück,“ stöhnte Sabine auf.
„Geht ja nicht anders,“ meinte Martina, „dann kommt.“
„Wartet mal,“ flüsterte Ute plötzlich und hob ihre Hand in Richtung der anderen, doch ihren Kopf drehte sie Richtung Gitter.
„Was ist denn?“, wollten die anderen wissen.
„Scht!“, sie legte ihren Zeigefinger auf ihre Lippen, als Zeichen, dass sie ruhig sein sollten. „Hört doch.“
Wieder lauschten alle.
„Der Bach plätschert.“ , meinte Martina.
„Ach was, das tönt ganz anders.“, widersprach Ute leise.
Erneut lauschten sie stumm. Bis Sabine sagte: „Tatsächlich, da ist was. Aber diesmal klingt es nicht wie ein Wasserfall.“
„Da stampft was durch´s Wasser.“, meinte Martina.
„Aber was? Ein Mensch?“, fragte Ute flüsternd.
„Nein, das hört sich anders an.“, widersprach Sabine.
„Das Geräusch kommt auf uns zu, es wird lauter.“, stellte Martina fest. „Macht das Licht aus.“
Schnell schalteten sie ihre Lampen aus. Nun war es stockfinster, so sehr, dass sie die Hand vor Augen nicht sehen konnten. Aus dieser Dunkelheit kam das platschende, stampfende Geräusch auf sie und das Gitter zu. Die Mädchen wurden aufgeregt und Angst stieg in ihnen auf, sie konnten ihren Herzschlag bis zum Hals spüren. Was konnte die Ursache für dieses Geräusch sein? Ein Mensch. Oder gar ein Tier? Oder noch etwas anderes? Was konnte solche Geräusche machen, die so unheimlich von den Tunnelwänden nieder hallten? Gebannt warteten sie darauf was geschah und starrten in das Dunkle. Das Geräusch war nun ganz nah, die Mädchen drängten sich nah aneinander. Plötzlich flackerte genau von ihnen hinter dem Gitter ein Licht auf und blendete sie. Die drei erschra-ken und schrieen auf, als sie im Schein des Lichts den Umriss einer Gestalt mit einem unförmigen Kopf erkannten. Panik erfasste sie, sie wandten sich um und liefen durch den Bach, dass das Wasser nur so spritzte in Richtung des anderen Tunnels.
„Hey!“, rief auf einmal eine männliche Stimme hinter ihnen. „Wer seit ihr? Lauft doch nicht weg!“
Ruckartig blieben sie stehen.
Ein Mann, war das wirklich ein Mann? , fragten sie sich. Mit so einem seltsamen Kopf? Sie waren wie zur Salzsäule erstarrt. Nur Martina fasste sich schnell und schaltete ihre Taschenlampe wieder ein, sie leuchtete zum Gitter zurück. Sie konnten die Gestalt im Halbdunkeln gerade noch erkennen. Zunächst sprach niemand ein Wort, doch dann schalteten auch Ute und Sabine ihre Lampen ein und Ute rief laut: „Wer sind Sie? Und was machen Sie hier?“
„Das könnte ich euch fragen!“, rief wieder die männliche Stimme. „Wie seit ihr hier rein gekommen?“
„Wie sind Sie hier rein gekommen?“, stellte Martina misstrauisch als Gegenfrage.
„Durch die Öffnung hier am Bach, wo sonst?“, antwortete er.
„Eine Öffnung?“, fragte Sabine leise. „Vielleicht kann er uns helfen?“
Nach einigem Zögern gingen die Mädchen zum Gitter zurück, jedoch beobachteten sie die fremde Gestalt ohne Unterbrechung. Als sie vor dem Gitter standen, erkannten sie im Schein der Lampen, dass es tatsächlich ein Mann war und keinen unförmigen Kopf hatte, sondern nur ein großes Gestell mit einer Art Brille trug. Die Mädchen und der Mann sahen sich gegenseitig erstaunt an.
„Wie um alles in der Welt seit ihr hier rein gekommen?“, fragte der Mann etwas fassungslos.
„Das ist eine lange Geschichte.“, seufzte Sabine. Die Mädchen waren erleichtert, dass es sich bei der Gestalt nicht um ein Monster sondern nur um einen Menschen handelte. „Aber das Schlimme ist: wir kommen nicht mehr raus.“
Schnell erklärten sie dem Fremden was geschehen war.
„Ach, du liebe Güte,“ stieß er aus, „da habt ihr wohl für eure Neugierde gut bezahlt.“
„Können Sie uns bitte helfen?“, bat Ute den Mann.
„Ich muss wohl die Polizei verständigen.“,meinte er nachdenklich.
„Polizei?“, fragte Sabine ängstlich. „Werden wir jetzt bestraft?“
Der Mann lachte. „Ich glaube kaum. Gestraft seit ihr schon genug, es kann nämlich sehr gefährlich werden sich in sowas hier rum zu treiben.“
Die drei sahen schuldbewusst drein.
„Nun gut, dann wartet hier. Ich hole Hilfe.“, sagte er.
„Eine Frage noch,“ sagte da Martina. „Was tragen Sie da auf dem Kopf?“
„Das?“ Er betastete das Gerät mit der Hand. „Das ist ein Nachsichtgerät, dass ich mir heute besorgt habe. Ich konnte nicht bis heute Nacht warten und deshalb wollte ich es hier ausprobieren. War wohl euer Glück.“
„Das kann mal wohl sagen.“, meinte auch Martina.
Darauf wandte sich der Mann um und ging den Tunnel zurück, um Hilfe zu holen.
„Puh,“ Ute stöhnte auf, „mit dem Ding auf dem Kopf habe ich ihn zunächst fast einen Drachen gehalten.“
Auf einmal mussten sie über ihre eigene Ängstlichkeit grinsen, bis sie plötzlich zu lachen begannen Schließlich meinte Sabine: „Wenn unsere Eltern erfahren, was wir heute gemacht haben, dann lassen sie uns bestimmt nicht mehr vor die Tür.“
„Das wäre ziemlich anstrengend uns einzusperren.“, lachte Martina. „Na gut, das dauert bestimmt noch, bevor Rettung kommt. Möchte jemand was essen oder trinken?“
„Du hast was mit?“, fragte Ute überrascht.
„Klar, was meinst du warum ich den Rucksack bei habe?“, antwortete sie, zog ihn aus und holte Kekse hervor. „Bedient euch.“
So stärkten sie sich etwas, während sie auf ihre Rettung warteten. Und nach einer guten halben Stunde wurden sie von der Polizei und den Männer vom „Garten und Forstamt“ befreit, denen sie erst ihre ganze Geschichte erzählten, bevor es schließlich endlich nach Hause ging.