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Der Troll
Der Troll
"Genug!", schrie der Troll.
Ich ließ meinen Prügel sinken. "Wirklich? Wirklich genug, Troll?"
Der Troll japste, rang nach Atem und nickte wild.
"Du weißt, Troll, es sollte keine Strafe sein. Du weißt das, ja?"
Der Troll hatte sich etwas beruhigt und setzte sich auf einen Baumstumpf. "Ja, ja ...", murmelte er halblaut: "Keine Strafe sein, keine Strafe sein ..."
So, wie er da nun hockte, in sich zusammengesunken, sein lichtes Fell da und da von orangem Trollblut verklebt, die glubschigen, nässenden Augen dem Waldboden zugewandt, dieser stumpfe, jämmerliche, trostlose Blick ..., - was war hier noch zu tun?
Der Prügel hatte sein Werk vollbracht. Ich hatte kein Mitgefühl für ihn, kein Hass bebte in mir, weiter auf ihn einzudreschen und hatte es nie getan und keine Liebe, die meiner Hand befehlen wollte, dem Zerschundenen sanft und zärtlich den Kopf zu tätscheln, keine Not, die mich herrschen ließ:
Troll, die Welt ist eine böse nicht, und deine Wunden sind des Heilenden süßester Traum. Steh auf! Und schaue empor, dort, wo das Licht der Sonne sich in den Wipfeln der Tannen bricht. Es tut es dafür, dass du es erschaust. Nur dafür, Troll! Nur für dich, du lächerlicher Wicht!
Ich warf ihn weg, meinen Prügel, der eigentlich nur ein starker Zweig war, solcher Art, wie man ihn im Walde zu Abertausenden findet; jener hilft ein Lagerfeuer zu entzünden, dieser endet im Horst des Adlers, aus manchem gerät ein Prügel, gerade stark genug, einenTroll damit blutig zu schlagen. Ein Feldstein kann ein Feuer umfrieden, doch kann er auch den erschlagen, der sich daran wärmt.
Der Troll hatte sich unterdessen besonnen, schickte sich an mit seiner überaus langen, von raspelnden Knorpeln bedeckten, weißlich-grauen Zunge die Wunden und Striemen zu lecken, eine Instinkthandlung, die seine Aufmerksamkeit Anderem gegenüber zur Gänze verschlang, und mir schien, als wäre ich hier nun entbehrlich, was jedoch die Wahrheit beugte, denn Entbehrlich-Sein bedingt eine heischende Eitelkeit, die hier gar nicht am Platze war.
Da ich ihn nicht mehr prügelte, kehrte ich zurück nurmehr ein unbedeutender Teil seiner Welt zu sein, ein starker Zweig auf feuchtem Moos, herzunehmen für dieses oder jenes oder nichts.
So verließ ich die Stätte meiner Begegnung mit diesem Troll, den Ort seiner Züchtigung. Mein Weg war nicht abzusehen, seit Alters her war dieses Land den Klauen des Schicksals entronnen, und denen, die hier wohnten und wandelten, leibten und lebten glänzten die Augen vor lauter Freimut!
Jeder Augenblick war ihnen eine Ausgeburt der Schöpfung aus dem Niedagewesenen, der Schrei eines Neugeborenen. Keiner Angst war hier der Raum zu eng, als dass es sie hierhin verschlüge.
Farnwedel streiften mich auf meinem Weg zum großen Teich, Waldbäche sahen mich über sie hinweg springen, Pilze zogen ihre Hüte ein - da erreichte ich das Ufer des in einer Senke ruhenden Gewässers, seine ganze Pracht schimmerte, schwarz und schweigend und schwer, einvernommen vom dunkelgrünen Ozean des Nadelwaldes. Die Sonne strahlte nun frei und ungehemmt auf meinen Leib, ich zog mich aus und sprang in das heilige Schwarz, das mich wie goldenes Öl umschloss, meine Bewegungen abzubilden schien, so, als wäre es ein Wesen, dieser Senke Erfüllung.
Ich tauchte, und tief und tiefer nahm es mich mit hinab ins Dunkel, gierig sog es mich ein, ich spürte diese sehnende Macht, an welcher jede Bestimmung, die sich näherzukommen erblödete, zerbrach, zerschmolz, zerstob und ihrerseits die Freiheit nährte, über die sie sich einst zu stülpen suchte, tauchte mit der ungestümen Kraft meines Leibes, und ich sah erstes fahles Licht, dann tanzendes Glitzern, da mich nur Augenblicke noch schieden ...
Da stieß ich hindurch!