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- Anmerkungen zum Text
Dies ist eine Geschichte von der ich nicht ganz genau weiß in welches Genre ich sie einordnen soll.
Der Troggelbog
Jeder Mensch hat schon mal etwas von Zwergen gehört. Selbst wenn man noch nie einen echten zu Gesicht bekommen hat, weiß man auf alle Fälle wie zum Beispiel ein Gartenzwerg aussieht. Aber einen Troggelbog, tja, den hat bestimmt nur selten jemand kennengelernt, oder wenigstens gesehen. Einen Eintrag über Troggelbogs wird man selbst bei Google nicht finden. Ich muss es ja wissen, denn ich hab es ausprobiert. Dabei wäre jedwede Auskunft über besagte Wesen sehr wichtig für mich gewesen, denn immerhin hatte ich ja einen in meinem Garten entdeckt. Und das kam so ...
Es war an einem wundervoll warmen Sommertag und ich saß auf meinem bequemsten Gartenstuhl im Schatten. Dazu ein großes Glas leckerer Zitronenlimonade mit Eiswürfeln in der Hand.
Mit der anderen blätterte ich dabei in einer bekannten Frauenzeitschrift herum und las den sehr wichtigen journalistischen Artikel: - warum trägt Brad Pitt noch immer einen Bart - .
Bis ich eine Bewegung in meinem Kräuterbeet bemerkte.
Etwas irritiert hefteten sich meine Blicke auf die Kräuter, die ich dort angepflanzt hatte. Erst raschelte etwas bei der krausen Petersilie, anschließend beim Schnittlauch und danach beim Koriander. War es vielleicht eine Maus? Oder eine Amsel? Es wurde still.
Als ich eben wieder anfangen wollte zu lesen, hörte ich plötzlich laut und deutlich einen ... Pups.
Ja, ihr habt richtig gelesen. In meinem Kräuterbeet hatte jemand deutlich gepupst. Ich schnupperte. Eine Welle eigenartigen Geruches zog an mir vorbei. Etwa wie gegorene Kräuter. Ich fand das zwar seltsam, aber nun auch nicht besonders auffällig.
Also zuckte ich mit den Achseln und las weiter.
„brooooffft“.... Da! Schon wieder! Und diesmal auch wesentlich lauter.
Das Dumme war, dass ich keine Ahnung hatte wer oder was da im Garten noch pupsen konnte (außer mir selber natürlich! Und ich sag es gleich ... ich war’s nicht!!!) Soweit ich wusste, war ich hier im Garten alleine.
Meine Hündin Biggi, eine kleine, dreifarbige Beagledame, konnte es nicht gewesen sein. Die lag nämlich im Wohnzimmer und hörte leise Vivaldi.
Die vier Jahreszeiten. Sie liebt klassische Musik an warmen Sommernachmittagen.
Außerdem hätte ich Biggis Pups sofort wiedererkannt, denn ich kann mit absoluter Sicherheit behaupten, dass er bestimmt nicht nach gegorenen Kräutern riecht, sondern nach ... Nun, ähm ... Lassen wir das!
Ich machte also, was man so macht, wenn man jemanden im eigenen Garten pupsen hört. Ich stieß einen kleinen Schrei aus und fragte ein wenig ängstlich:
„Hallo? Ist da wer?!“ Und bekam auch prompt eine Antwort.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber es ist dieser elendige Geruch von Stinkekraut! Er verursacht bei mir einen sofortigen Grummelbauch!“ Die knarzige Stimme kam direkt aus meinem Beet. Ich starrte in die Richtung der Stimme und sah, tja, wie soll ich das am besten beschreiben? Zunächst dachte ich, es wäre ein Stein. Aber Steine haben ja normalerweise keine Köpfe, es sei denn sie stehen auf den Osterinseln. Vor allen Dingen: Steine sprechen nicht!
Was ich sah, war ein kleines, graubraunes, steinähnliches Wesen, mit etwas zu kurz geratenen krummen Beinen, muskulösen Armen und zu großen Händen. Sein runzeliger Kopf hatte zwei große Kulleraugen, einen knollenartigen Auswuchs, der wohl die Nase war, abstehende Ohren die aussahen wie zusammengeknüllte, braune Herbstblätter und einen Schmollmund, aus dem kleine spitze Zähne hervorlugten. Der kleine Kerl sah mich etwas unglücklich an, während er nervös seine Finger knetete. Man konnte ihm ansehen, wie peinlich ihm das Ganze war. Ich musste mich erst mal fassen.
Dann fragte ich, „Wer, oder besser WAS bist Du denn für einer? Und was ist Stinkekraut??“
Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht auch was Klügeres oder Interessanteres gefragt, wenn ich nicht so verdattert gewesen wäre.
„Ich bin ein Troggelbog.“ Erwiderte er.
„Ein was??“
„Ein Troggelbog!“
„Tut mir leid, ich habe nicht die geringste Ahnung, was das sein soll.“
Er rollte mit den Augen, als hätte er diese Frage schon hundertmal beantwortet und sprach seufzend,
„Ihr Menschlinge nennt uns manchmal Trolle, oder Kobolde und auch gerne mal Wichtel, aber das sind wir nicht! Ich und die meinen, wir sind ur-echte Troggelbogs, mit Verlaub!“ Das kleine Wesen, wollte gerade noch etwas hinzufügen, als sein Bauch wieder anfing, kräftig zu grollen.
„Oh je!“ Sprach es und pupste noch einmal. Der Geruch von gegorenem Koriander erfüllte jetzt den gesamten Garten und es stank ungemein. Mir tränten die Augen. Das also meinte er mit Stinkekraut. Koriander!!
Normalerweise mochte ich dieses Kraut auch nicht besonders und auch diesmal hatte ich ihn nur angepflanzt, weil mein Mann das falsche Samentütchen gekauft hatte. Statt glatter Petersilie hatte ich nun dieses pupserzeugende Zeug im Kräuterbeet stehen.
Nach diesem Gestank mochte ich es sogar noch weniger als vorher.
„Was um Himmelswillen ....“
„Es tut mir wirklich fürchterlich leid“, erklärte der Troggelbog, „Aber deswegen bin ich ja doch hier!“
„Ernst jetzt?“
„Es ist so, wir Troggelbogs bekommen Grummelbäuche, wenn wir dieses Stinkekraut auch nur riechen. Hier in unserem Garten gab es vorher nie welches und wir lebten sehr zufrieden in unserer Wurzelhöhle unter dem Beet. Aber dann habt ihr Menschlinge das Stinkekraut angepflanzt und die Wurzeln hängen jetzt bei uns durch die Höhlendecke! Es ist schröcklich! Unsere kleinen Troggelbogs pupsen die ganze Nacht hindurch! Es ist nicht zum Aushalten!“
„Ich bitte um Entschuldigung, aber ... Äh, soll das heißen, du bist nicht der einzige Troggelbog sondern ihr seid eine ganze Familie und lebt unter meinem Beet in einer Höhle?“
„Ja, meine Toggelbogdame und ich haben zehn Nachwuchslinge!“ Erklärte er mir stolz.
„Unsere kleinen Troggelbogs sind so sehr wundervolligst!“
Das Wesen hatte eine sehr eigene Art sich auszudrücken. Es klang drollig.
„Und wie genau kann ich euch denn jetzt helfen?“ Fragte ich.
„Werdet bitte das Stinkekraut los!“ Stöhnte der kleine Kerl und rieb sich den Bauch, der weiterhin laut vor sich hin blubberte und gluggerte.
„Ich wollte das Zeugs gerade daselbst herauszupfen, aber ihr habt ja gemerkt was dann passiert!“
Oh ja, das hatte ich und wollte auf keinen Fall, dass es so weiter ging.
„Gut“, erklärte ich, „wird sofort erledigt. Aber vielleicht solltet ihr solange aus eurer Höhle wegbleiben. Ihr könntet ja eine Weile auf meinem Gartenstuhl Platz nehmen.“
Der Troggelbog sah mich erfreut an.
„Ja, ich hole alle meine kleinen Troggelbogs und meine Troggelbogdame, dann setzen wir uns auf das Stuhlding und warten bis ihr das Stinkekraut ganz weggemacht habt!“
Ich ging in den Keller und holte mir meine Gartenhandschuhe und einen Korb. Ich würde den geernteten Koriander meinen Nachbarn schenken, die liebten Kräuter jeder Art.
Noch während ich meine Gartenutensilien zusammensuchte, hörte ich aus dem Garten lautes Gekreisch und, oh Schreck, lautes Hundegebell. Biggi war also doch noch in den Garten gekommen. Laut rufend lief ich in Richtung Stuhl. Auf ihm stand die gesamte Troggelbogfamilie an die Lehne gepresst, während Vater Troggelbog an dessen Rand stand und versuchte Biggis feuchtkalte Hundenase mithilfe eines Stockes fernzuhalten.
Er fuchtelte wild vor ihrer Nase herum und das regte sie natürlich noch mehr auf. Die kleinen Troggelbogs hatten sich alle um ihre Mutter gescharrt und hielten sich jammernd an ihr fest. Mit einem schnellen Griff hielt ich Biggi am Halsband fest.
„Ganz ruhig, ganz ruhig! Biggi tut nichts, die ist nur neugierig!“ Probierte ich allen zu erklären. Doch Vater Troggelbog drehte jetzt den Stock um und deutete damit drohend auf Biggis Kopf.
„Oh, oh, oh“, sagte er. „Dieser Hundling, ist eine Gefahr für meine Kleinen!“
Dies war nicht nur ein einfacher Holzstock, bemerkte ich plötzlich. Er hatte eine Gabelung, in deren Mitte ein runder honigfarbener Bernstein eingelassen war, der im Sonnenlicht glitzerte und kleine Blitze zu sprühen schien. Er hielt ihn weiterhin in Biggis Richtung und dabei brummte er:
„Troggelidum, troggelida - Tereggel, taraggel - Kadumm!“ Und noch bevor ich es verhindern konnte, war aus Biggi ein aufgeregt flatterndes, dreifarbiges Huhn geworden.
„Hey!“ Rief ich empört. “Verwandele gefälligst meinen Hund, äh, Huhn wieder zurück in einen Hund!“
Das Biggi-Huhn rannte flügelschlagend und laut gackernd in Richtung Haus und ich rannte händeringend und laut schimpfend hinterher. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich es eingefangen hatte. Erst nachdem ich es einige Runden um den Tisch gejagt hatte, verkroch es sich in den hintersten Winkel unter der Küchenbank und gluckste nur hin und wieder leise. Damit Biggi mir nicht noch mal entwischte, sperrte ich es ins Schlafzimmer, inbrünstig hoffend, sie würde dort nicht allzu viel Dreck machen. Bevor ich wieder in den Garten zurückging, beschloss ich das Wort -Troggelbog-, noch schnell zu googeln, doch ich konnte absolut nichts zu diesem Thema finden.
Ich hatte vor, es mir vorzuknöpfen. Schließlich wollte ich ja unbedingt meinen Hund wieder haben. Andererseits war ich auch etwas beunruhigt.
Was geschähe wenn der Troggelbog wütend auf mich würde? Immerhin konnte er mich ja vielleicht auch in ein Huhn verwandeln. Oder in sonst ein Tier. Und wie könnte ich das dann meinem Mann und der restlichen Familie erklären?!
Familie Troggelbog stand immer noch auf meinem Gartenstuhl. Es war wohl die seltsamste Gruppe, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Die Kleinen sahen aus wie eine Handvoll hüpfender, grauer Kartoffeln, die ganz ungemein laut quietschten. Mama Troggelbog war in etwa doppelt so breit und rund wie ihr Mann. Sie wogte hin und her und beruhigte ihren Nachwuchs, soweit es ging. Vater Troggelbog stand mit verschränkten Armen am Rande des Stuhls. Sein Stock war spurlos verschwunden.
„Das wäre wirklich nicht nötig gewesen! Biggi hätte euch nichts getan!“ Erklärte ich wütend.
„Hundlinge und Katzlinge sind unsere größten Feinde. Große Mäuler, scharfe Zähne!“ Knurrte er grimmig.
„Viele Troggelbogs wandeln für immer in den ewigen Baumgärten, nur wegen ihnen!“ Erklärte er und machte eine bedauernde Geste in die Richtung meines Apfelbaumes.
Sollte es dort etwa einen Troggelbog-Friedhof geben, von dem ich nichts wusste??
„Das tut mir natürlich sehr leid!“ Erklärte ich versöhnlich. Was hätte ich auch sonst dazu sagen sollen?!
„Aber wenn ich jetzt den Koriander verschwinden lasse, werdet ihr dann meine Biggi wieder zurückverwandeln? Sie wird euch auch ganz bestimmt nichts tun!“
„Hundlingen kann man nicht vertrauen!“
„Meiner Biggi schon. Außerdem müsst ihr ja nicht ihr vertrauen, sondern mir, denn ich kann sie doch festhalten.“
„Ich werde überlegen,“ brummelte der Troggelbog und sah mich herausfordernd an.
Ich begab mich zu meinem Kräuterbeet und rupfte alles, was an Koriander angepflanzt war, heraus. Alles kam in das Körbchen und ich trug es in die Küche. Den Nachbarn würde ich das Zeug dann später bringen.
Als ich wieder zurückging, war der Gartenstuhl leer. Die Familie Troggelbog war nirgendwo mehr zu entdecken. Ich ging zum Beet und suchte nach irgendeinem Hinweis. Oder einem Loch. Denn er hatte ja von einer Höhle unter meinem Beet gesprochen. Trotzdem ich äußerst gründlich suchte und sogar ein bisschen in der Erde herum buddelte, fand ich nichts, was auf eine Höhle auch nur im Geringsten hinwies. Ich kratzte an meinem Kopf.
Hatte ich mir das Ganze etwa nur eingebildet oder träumte ich? Ich kniff mir selber in den Arm. Autsch! Nein, ich war bestimmt wach.
Dreck von meiner Jeans klopfend, ging ich ins Haus zurück und in mein Schlafzimmer. Als ich die Tür öffnete, starrte mich meine Beagle-Biggi mit ihren treuen braunen Augen fragend an und gähnte.
„Hey, meine süße Kleine!!“ Rief ich entzückt aus. „Der Troggelbog hat dich doch wieder zurückverwandelt!“
Biggi lief hechelnd an mir vorbei in Richtung Fressnapf und machte sich glücklich über ihr Futter her. Erfreut ging ich in die Küche. Ich schüttelte meinen Kopf und sah zum Küchenfenster hinaus zum Beet. Da! Eine Bewegung im Schnittlauch. Ich guckte genauer hin, aber was auch immer dort gewesen sein mochte, es war verschwunden. Ich nahm den Korb voller geernteten Koriander, um ihn vorerst in den Keller zu bringen.
Das Kraut roch nämlich wirklich schrecklich, auch ohne Troggelbog-Gepupse.