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- 22.11.2005
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Der Triangel
Baracke. Eine Kassette wird gespielt. Jemand summt mit. Schritte, die sich entfernen, wiederkommen. Eine Flasche wird geöffnet, der Jemand reißt sich ein Dosenbier auf.
Moment ... gleich ... – Jetzt! Hören sie das? Da! Hören Sie´s? Gleich kommt´s noch mal, die gleiche Passage, Moment.
Jetzt! Jetzt hören Sie´s! Die Klänge meine ich. Der Triangel ...
Und das ist auch schon so was: Da fängst schon an! Es heißt DER Triangel. Nicht DIE Triangel. Der Österreicher sagt gar: DAS Triangel. Aber der Österreicher ist ja auch kein Maßstab.
Er fuchtelt am Ghettoblaster, findet schließlich die Stopptaste. Ende der Musik.
... Das bin ich. Beziehungsweise wir. Die Kollegen und ich. In dem Fall waren wir drei. Manchmal hat Peter keine Zeit, wenn ihn seine Mutter, der unmusikalische Drachen, zum Hausaufgabenmachen zwingt. Wir waren mal vier. Aber Klaus macht jetzt lieber Karate. Dieser ... ach na ja: jedem das Seine. Und das Triangelspielen ist nun mal meine Passion!
Er trinkt einen Schluck Bier und es läuft sein Kinn hinunter
Das jetzt waren elektrisch verstärkte Triangels. Versteht sich ja, dass man uns ja sonst bei dem ganzen Gebläse und Gestreiche gar nicht wahrnehmen würde.
Die meiste Zeit mach ich gar nichts, sitze nur da und schaue auf den Bauch des Tubaspielers. Schwitzen wie ein Schwein tut der, kann ich ihnen sagen. Und die ganzen verschwitzten Gesichter, wenn sich die Geiger richtig ins Zeug legen: eine Wonne!
Und dann, wenn es soweit ist, atmet das ganze Orchester tief durch, schöpft Luft, während der Dirigent einmal in die Luft pinselt, und wir der Triangels erheben und anspielen. Jawohl: anspielen, nichts mit einfach anticken. Das muss schon gekonnt sein. Den richtigen Winkel muss man finden. Gut, ich mach das jetzt ja auch gut dreißig Jahre. Da spricht die Erfahrung sicherlich für sich selbst. Und alle drei zusammen müssen klingen. Da darf keiner seinen Einsatz verpassen! Da wäre die ganze Sinfonie im Arsch! Gar nicht dran zu denken.
Manchmal nehmen wir uns auch Bier mit und trinken es dann während des Konzertes. Dahinten, eingegraben in dem ganzen sinnlosen Schlagzeugkram, sieht uns ja niemand. Der Posaunist schielt schon immer ganz neidisch zu uns rüber.
Eines Tages wird es Triangelorchestern geben. Sie werden schon sehen. Wir rotten uns bereits zusammen. Keine Geigen, keine Bläser. Schlagzeuge vielleicht. Und ein Kontrabass. Aber sonst nichts! Nur Triangels. Die Weltherrschaft ist unser Ziel. Eine Diktatur wird es sein. Unsere Klänge werden die Welt bezirzen. Die Frauen werden mich anhimmeln, reihenweise in Ohnmacht fallen, wenn ich auch nur mit der Angel zucken werde. Dann werden sie sich beinspreizend vor mich werfen.
Er trinkt die Dose mit einem Hieb leer, öffnet eine neue
So manche Sinfonien, stellen sie sich die mal ohne Triangels vor. Gar nicht dran zu denken!
Es weiß kaum jemand, aber Brahms war ein passionierter Triangelspieler. Seine Werke sind auf die Triangel zugeschnitten. Glaubt kaum einer. Die meisten Triangelpassagen werden heute auch einfach rausgeschnitten. Da hat das Publikum kein Gehör mehr für. Wird ja auch gar nicht mehr durchgenommen, im Musikunterricht. Ich, ich erkenne noch den Klangunterschied zwischen einem sieben inch und einem vier inch Triangel. Und ob es ein guter von Hohner ist, oder einer dieser japanischen.
Die Leute nehmen uns ja so nicht wahr, aber wenn wir dann erklingen, raunt es in den Köpfen und sie würden am liebsten aufstehen und jubeln. Das spür ich.
Und eines muss ich ihnen auch sagen, so ganz im Vertrauen: Die haben alle ganz kleine Pimmel, diese ersten Geigen. Ich hab in meiner Laufbahn ja nun schon so einige erlebt! Diese arroganten Säcke, die aus ihren Villen in München oder Wien angereist kommen und dann hier einen auf dicke Hose machen. Aber ohne uns Triangelspieler wären auch das nur ganz armselige Wichtigtuer. Mit nix in der Hose.
Wenn wir nach den Auftritten noch mal zusammen einen heben, dann sitzen diese feinen Pinkel schon wieder in ihren Privatmaschinen.
Viel Ruhm für nichts, wenn sie mich fragen. Ich meine: Geigespielen bekommt man ja quasi in die Wiege gelegt. Triangel hingegen bedeutet Fleiß und Schweiß. Hier, sehen sie mich an. Mein rechter Daumen und der Zeigefinger: Hochfiligrane Maschinen. Und das kommt nicht von ungefähr! Acht Stunden täglich. Ansonsten schicken sie einen gleich wieder weg, wenn man mal irgendwo vorspielt.
Ich hab hier extra Fischreste aufgehangen, damit ich meine Ruhe habe und üben kann. Hier traut sich sonst keiner hin. Sie riechen´s ja. Aber gegen die Autos, die hier minütlich über die Brücke rumpeln, da kann man nichts machen. Hab mich schon beschwert beim Amt. Und ich werds wieder tun!
Natürlich bin ich einsam. Aber das muss man in Kauf nehmen. Aber sie können sich ja vorstellen, was man mit so einem ein inch Triangel machen kann. Verstehen sie mich? Hm?
Er öffnet ein neues Bier
Ich meine: So alle anderen Instrumente, insbesondere die Gitarre, erinnern ja eher an einen Phallus. Während der Triangel in seiner Dreiecksform ...
Ich möchte ihnen Sarah zeigen, vielleicht verstehen sie es dann.
Er kramt in einer offenstehenden Schublade und holt eine sehr kleine Triangel hervor
Sehen sie sich die mal an. Ist die nicht ästhetisch? So rein, so fest und kalt. Lassen sie mich jetzt bitte alleine. Es ist Zeit für Sarah.
Auf Wiedersehen.