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Der Traum vom Krieg
Ich riss meine Augen auf. Es drückte und piepte auf dem rechten Ohr. Meine Beine fühlten sich taub an. Ich spürte wie eine Träne meine linke Wange herunter kullerte. Wieder derselbe Traum ... Alles fühlte sich so weich an. Mein Kissen, meine warme Decke. Das Vogelgezwitscher und die Morgensonne untermalten die schöne Atmosphäre am Morgen.
Wieder dieser Traum ... Dieses ewige Knallen und ständig diese Schreie. Das Weinen eines Kindes... Man hört die Verzweiflung heraus. Und trotzdem Feuer. Entfernte Sirenen.
Heute ist ein freier Tag. Nicht ganz, wie ich bemerkte, als ich auf den Terminkalender schaute und zugleich den Zucker in meinen frisch zubereiteten Kaffee rührte. Ein Termin beim Psychologen. Ich habe seit einiger Zeit Schlafprobleme und vor allem Schlafangst. Schon gefühlt einen Monat habe ich diesen Traum. Selbst Mitten in der Nacht leide ich unter starken Panikattacken. Manchmal fühlt es sich so an, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Als würde ich im Schlaf ersticken. Mein Schlafrhythmus ist unregelmäßig. Alle zwei Stunden überschwappt mich eine Welle der Müdigkeit. Mittlerweile bin ich vollkommen ausgelaugt und schwach, so oft wie ich einige Nächte durchgemacht habe ...
"Beschreiben Sie den Traum. Was hatten Sie diesmal genau geträumt?"
Ich hielt kurz inne.
"Ich habe einige Teile meines Traumes schon wieder vergessen ...", sagte ich nachdenklich.
Ich saß auf einem gemütlichen Sessel gegenüber dem Psychologen, der die Beine überschlagend einen Notizblock und ein Stift in den Händen hielt.
"Ja, das ist vollkommen normal. Denken Sie in Ruhe nach, lassen Sie sich Zeit", erwiderte der Psychologe.
Ein Dr. Raw, wie ich auf den Namensschild lesen konnte. Sein Büro war gemütlich eingerichtet ... doch die Bilder ... die waren seltsam. Im Moment der Ruhe hörte man das Ticken der Uhr. Es war eine angenehme Stille. Während ich eine Weile die markanten Rottöne der Gemälde anstarrte, kam es mir wieder in den Sinn und plötzlich, für ein kurzen Moment, fühlte es sich an, als ob ich schon einmal hier war. Als ob alles hier schon passiert ist. So wie ein Déjà-vu.
Ich holte tief Luft:
"Ich hab mich irgendwo versteckt. In einem kleinen Laden mit anderen Leuten ... Dann hieß es irgendwie, dass es nicht mehr sicher sei. Wir sind los gelaufen ..."
"Detaillierter. Was haben Sie gehört?" Unterbrach mich der Psychologe und kritzelte eifrig seine Notizen, ohne mich dabei anzusehen.
Ich überlegte.
"Das erste waren Sirenen. Ein lauter Knall. Nein mehrere. Wie die von Bomben. Die Leute in dem Laden, die sich dort mit mir versteckt hatten wurden zusehends immer unruhiger. Einige haben angefangen aus dem Laden hinauszulaufen, als die Bomben immer lauter wurden. Dann bin ich auch raus. Die Straße entlang. Sie war voll von Leuten, die vor den immer lauten Geräuschen entfliehen wollten. Ich wurde von der Menge mitgerissen."
"Was war das Letzte woran Sie sich noch erinnern können, bevor Sie aufgewacht sind?" hakte er weiter nach.
"Es knallte laut neben meinem rechten Ohr und ich spürte eine massive Wucht von rechts. Dann bin ich aufgewacht."
"Wie fühlen Sie sich im Traum?" fragte mich der Psychologe. Diesmal schauten mich seine tiefen und raubtierartigen, dunklen Augen durch seine braune Hornbrille an.
Wieder überlegte ich. Das Ticken der Uhr ... es war kein Ticken ... eher ein leises Pochen.
"Da war dieses Kind ... nicht älter als fünf. Es hatte offensichtlich seine Mutter verloren ...", murmelte ich, während ich spürte wie eine Träne meine linke Wange herunterlief und sich mein Blick gedankenverloren in das Gemälde vertiefte, "Ich konnte es nicht zurücklassen ..."
Es zeigte ein Mann inmitten einer Explosion. In seinen Händen ... ein Kind.
Es piepte wieder leise am rechten Ohr und meine Beine fühlten sich immer tauber an.
Ich erhob mich von meinem Platz und trat näher an das Gemälde, die Hände in meinen Hosentaschen. Von außerhalb des Raumes ertönten entfernte Krankenwagensirenen.
"Dieser Mann im Bild ... das bin ich?"
Ich schlug die Augen auf.