Was ist neu

Der Tod

Mitglied
Beitritt
26.09.2002
Beiträge
46

Der Tod

Er traf mich so heftig, dass ich dachte, ich würde sterben. Nichts war mehr da an dem ich mich hätte festhalten können. Ich fühlte nur noch Wasser und Feuchtigkeit, meine Lungen sehnten sich wahnsinnig nach ein bisschen Luft, doch das Schicksal schien mir keine zu gönnen. Immer tiefer sank ich und hörte nichts mehr, fühlte nichts mehr, sah nichts mehr. Bald war ich in einen Zustand übergangen, der dem Tod so nahe war, dass ich dachte, ich hätte es endlich geschafft. Vergeblich versuchte ich meine schweren Lider zu öffnen, doch kaum hatte ich das versucht, fühlte ich kurz wieder diese grausame Kälte, das Wasser, was überall in mich gedrungen war. Ich überließ mich meinem Schicksal und kämpfte nicht mehr um mein Leben, obwohl ich wusste, wieviel Kummer ich meiner Mutter bereiten würde. Sie hatte schon einen Mann und ein Kind verloren, es war nicht gerecht.
Die Schwärze, die mich immer mehr einhüllte, wurde auf einmal unterbrochen. Ganz weit in der Ferne sah ich etwas helles, etwas, das an ein Licht, vielleicht eine Kerze, erinnerte. Ich sehnte mich schon seit der ganzen Zeit hier unten nach ein wenig Wärme und ich zögerte nicht, nein, ich wünschte mir mit meinem ganzen Körper, von ganzem Herzen, bei diesem wärmenden Licht zu sein. Doch ich hatte keine Kraft, dahin zu gelangen. Es war hoffnungslos, dachte ich. Ich wundere mich, dass ich damals so viel denken konnte, aber in so einem Moment geht einem sehr, sehr viel durch den Kopf. Ich dachte über mein ganzes, bisher viel zu kurzes Leben nach und wollte mich gegen meinen Körper stemmen, ich wollte zurückfinden in die Wärme und in das Licht des Lebens, ich wollte meine Lungen mit Luft füllen, bis sie platzten, doch mein Körper war stärker als mein Wille. Er strömte und schwebte dem Licht entgegen und ich konnte nichts tun. Ich hatte meine Augen geschlossen, trotzdem fühlte ich wie das Licht da war und wie es immer näher kam. Ich wusste, es war der Tod. Er würde nicht auf mich warten, er würe einfach da sein, das hatte mein Vater gesagt. Zwei Minuten später war er tot gewesen. Es hatte uns alle sehr bewegt, wir lebten jahrelang in Trauer. Mir wurde wärmer und ich wusste, ich würde gleich angekommen sein, meinen Vater, meinen Bruder sehen. Vielleicht würde meine Großmutter auch da sein. Aber was würden sie sagen, was würde meine Mutter ohne mich tun? Ich konnte sie nicht einfach alleine lassen. Wieder und wieder versuchte ich mich gegen das Streben und Drängen meines Körpers zu wehren. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung war er da. Er war so plötzlich gekommen, dass ich mich nicht mehr erinnere, woher. Ich wusste nur, er war gut. Er war gekommen, um mir zu helfen, nicht um mir weh zu tun oder mich wieder zurück zu stoßen. Ich zögerte keine Sekunde, als ich seine Hand um meine Taille spürte. Er war da, um mich hochzuziehen, um mich zu retten. Jetzt hoffte ich, noch einmal kurz das Licht zu sehen, an meine toten Familienmitglieder zu denken. Doch mein Kopf war leer gefegt, als hätte er nie vorher etwas gedacht. Der Arm zog mich höher und höher, ich spürte nur noch den Arm und dann teilte sich die Wasseroberfläche und mein kaltes und gefühlsloses Gesicht tauchte in die Kälte des wunderschönen Winterabends. Ich hatte keine Kraft meine Lungen mit dem Lebenselixier zu füllen, was Menschen zum Leben brauchen und betete, man möge mir helfen. Ich hatte das Gefühl, als läge ich immernoch im Wasser und würde darüber schweben. Mit kräftigen Stößen glitt ich mit meinem Retter über die nasse Fläche, die mir beinahe zum Verhängnis geworden war. Ich begann wieder in einen undefinierbaren Zustand überzugehen und nahm nichts mehr von außen wahr, sondern konnte wieder die Wärme des kleinen Lichtes spüren. Es war da und lockte mich mit wunderschönen Bildern meines Vaters und meines Bruders. Ich dachte, nochmal könnte ich diesem Kerzchen nicht entkommen, nochmal würde ich nicht die kalte, schöne Winternacht spüren, meine Mutter sehen, meine Lungen mit Luft füllen können. Doch kaum hatte ich diese Gedanken gehabt, fühlte ich wie mein Herz pochte. Widerstrebend und ehrgeizig wollte es nicht aufgeben und ich schämte mich, dass ich schon wieder an mein Ende gedacht hatte. Mein Kopf wurde schwerer und schwerer und ich verfiel wieder der Schwärze, die meinen ganzen Körper einnehmen wollte. Nur das kleine Licht veränderte kurz die Eintönigkeit. Wie würde sich das anfühlen, wie würde mein Körper nach dem Tod aussehen? Ich schlief ein und gleich, dachte ich, gleich bist du da... Gleich hast du es geschafft... Das Licht wurde größer, es öffnete sich, wie ein Tor. Es wirkte so warm, freundlich und gut. Ich sah es so deutlich, als hätte ich meine Augen offen gehabt. Plötzlich schloss es sich wieder und ich brauchte kurz, um das zu begreifen, doch dann war ich der Verzweiflung nahe. War ich etwa nicht gut genug für dieses Tor gewesen? Immer weiter weg driftete ich in der Schwärze. Ich weinte, schrie, doch es war nichts zu hören, nichts zu fühlen. Alle meine Gefühle und Sinne waren taub und stumpf. Das druchdringliche und bedrohende Schwarz lichtete sich auf und ich schien jetzt rückwärts zu schweben. Das merkwürdige und neue Gefühl verwunderte mich. Und dann spürte ich wieder und dieses Gefühl werde ich nie vergessen. Es war wie eine warme angenehme Speise, die ich zu mir nahm. Immer mehr und mehr strömte in mich davon hinein, bis ich spürte, wie meine Lungen praller und praller wurde, es war wunderschön. Ich wollte die Luft nie mehr aus mir hinaus lassen, sie sollte für immer in mir bleiben. Ich wagte es auch garnicht sie wieder auszuatmen. Doch dann tat ich es doch. Und ich spürte einen weiteren Luftstoß, er kam in meinen Hals, ohne, dass ich etwas getan hatte und ich mochte dieses Gefühl. Völlig entkräftet und glücklich begann ich wieder mehr von meiner Umwelt wahrzunehmen und ich spürte die Nacht, die kalte, klare Nacht, den Mondschein und den Kies unter mir. Ich roch die wunderbare Luft, füllte meine Lungen mit Hilfe von irgendwas immer wieder mit ihr und konnte nicht genug von ihr kriegen. Die Kälte in meinem Körper klang ab, es wurde wärmer. Doch diesmal war kein Licht dafür zuständig.
Ich danke Gott dafür, dass ich leben durfte und ich danke ihm auch heute noch. Der Mordversuch gegen mich vor einem Jahr hat mein Leben verändert. Ich genieße jeden Tag, ich atme bewusster. Ich liebe das Leben!

 

Hi Mary-Lou,

fast hätte ich deine Geschichte ignoriert, wegen des abstrakten Titels. Abstrakt insofern, als ich mit Titeln wie eben "Der Tod" oder "Das Leben" oder ganz profan "Hass", "Liebe", etc. nicht wirklich was anfangen kann, weil sie alles und nichts bedeuten können.
Es liegt aber auch eine andere "Gefahr" in solch unspezifischen Titeln, wie ich finde (abgesehen von der "Gefahr" evtl. nicht beachtet zu werden, weil auf den ersten Blick zu uninteressant). Meiner Meinung nach stellen Geschichten mit solchen Titeln den Anspruch auf die ultimative Abhandlung zu diesem Thema, den sie, realistisch gesehen, nie erfüllen können. Und nicht selten ist es doch so, dass man sich, wenn man so einen Titel wählt, doch nur deshalb dafür entscheidet, weil einem nichts treffenderes oder originelleres eingefallen ist, ist es nicht so? ;)

Der Inhalt, eine sehr stimmungsvolle Beschreibung, hat mir aber sehr gut gefallen.
Etwas verwirrt hat mich die Information zum Schluss, dass es sich um einen Mordversuch handeln soll. Ich gehe einmal (hoffend) davon aus, dass es keine wahre Geschichte ist. Wenn dem so ist, sehe ich keinen Sinn in dieser Information. Denn mehr als eine Info ist es ja nicht, weil wir auch nicht mehr darüber erfahren. Sie macht die Geschichte aber nicht tragischer, als sie ohnehin schon ist. Insofern empfinde ich den Satz als überflüssig, denn ich schätze ich hätte nichts anderes im Nachhinein empfunden, wenn es ein Unfall gewesen wäre, wovon ich eigentlich bis zum Schluss ausgegangen bin. Es sei denn, es hängt irgendwie mit dem Verlust ihres Vaters und ihres Bruders zusammen. Aber das erfahren wir ja eben auch nicht genauer.

Anders sieht die Sache natürlich aus, wenn es auf einer wahren Begebenheit beruht, aber das wollen wir ja mal nicht hoffen.

Grüße
Visualizer

 

Hi Visualizer!
Danke für deine Kritik! Und du hast Recht, mir fiel die Titelwahl diesmal wirklich besonders schwer, aber im Nachhinein fand ich "Der Tod" eigentlich ganz passend.
Nein, die Geschichte ist frei erfunden, aber ich habe vor kurzem eine Art Bericht von jemandem gelesen, der so was in der Art erlebt hat. Ich habe das mit dem Mordversuch zum Schluss gescxhrieben, weil es eine Art Auflösung sein sollte, aber nicht alles verraten wollte, sondern immernoch etwas ungewisses haben sollte. Ist schwer zu erklären... Merkst du wahrscheinlich schon!! ; )
Bye, Mary-Lou

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Mary-Lou,

mir hat die Geschichte ehrlich gesagt nicht so besonders gefallen. Ich finde darin weder sachlich noch sprachlich etwas, was mich vom Hocker reißt.

Noch ein paar Kritikpunkte von mir:

- Absätze wären nicht schlecht gewesen, finde ich.

- "Ich wundere mich, dass ich damals so viel denken konnte."
Da reißt du den Leser aus dem Geschehen heraus. Man erlebt den nahenden Tod der Ich-Erzählers und merkt plötzlich, dass einem da jemand was erzählt, was schon lang vergangen ist. Das ist grausam.

- Bezüglich der Wünsche des Ich-Erzählers (oder der Ich-Erzählerin) finde ich, es gibt zu viel Hin-und-her: Zuerst sträubt er sich nicht mehr gegen den Tod, dann tut es ihm aber doch leid um die Mutter, er will zum Licht (d.h. sterben), dann findet er aber wieder sein Leben bisher viel zu kurz, er versucht "wieder und wieder" sich gegen den Tod zu wehren. Das ist für mich verwirrend.

- Bei einer Ich-Erzählung, die von einem Ertrinkenden handelt, ist von vornherein die Spannung raus. Man nimmt instinktiv an, dass der Erzähler überlebt. Oder täusche ich mich? Vielleicht mal überlegen, ob du besser personal aus der Er-Perspektive erzählst?

- Wenn "Er" nach ihm greift könntest du vielleicht zunächst offen lassen, ob der Ertrinkende nun gerettet wird oder ob der Tod nach ihm greift. Mit dem Satz "Jetzt hoffte ich, noch einmal kurz das Licht zu sehen, an meine toten Familienmitglieder zu denken." machst du aber alles klar.

Grüße,
dein leixoletti

 

Hi Rasumichin und Leixiletti!!

Erstmal danke, dass ihr meine Geschichte gelesen habt!
Bisher haben alle, die meine >Geschichte gelesen haben geschrieben, dass ihnen der letzte Teil nicht so gut gefallen hat. Ich hatte das als eine kleine Aufklärung gedacht, doch anscheinend kommt das nicht so gut an. Daher werde ich mal eine Geschichte ohne "Aufklärung" schreiben!!
Zu den Absätzen, Leixiletti: In allen Geschichten, die ich bisher hier veröffentlich habe waren fast keine Absätze und das hat viele gstört, aber ich fand es immer sehr passend und es würde, wie ich finde, die Geschichte auseinander reißen, wenn man da zuviel Platz dazwischen lassen würde! Aber das ist meien Meinung...
Naja, zu den anderen Sachen kann ich nicht viel sagen, Leixiletti! Und zwar, weil es deine Auffassung ist! Andere finden soetwas gut, und einige, wie du, finden es doof, bzw. verwirrend oder unlogisch! Aber, stell du dir doch mal vor, wie es wäre, wenn du an Stelle des Protagonisten ertrinken würdest! Ich meine, würdest du nicht zuerst auch einfach nur wieder an der Oberfläche sein wollen und dir dann später vielleicht doch noch wünschen, dass die Qual einfach aufhört und du sterben "darfst"?

Bye, Mary-Lou!

 

Hallo Mary-Lou!

Vieles wurde schon gesagt. Mir hat der Großteil der Geschichte sehr gut gefallen, eben diesse Beschreibungen, die Stimmung, das kommt gut rüber.

Allerdings, wie leixoletti hätte ich mir SEHR Absätze gewünscht, die den Text gliedern, ich wollte fast nicht anfangen zu lesen! Sinnabschnitte gibt es auch in dieen Text!

Der ich- Erzähler passt m.E. n. schon, aber bei den restlichen Kritikpunkten muss ich leixoletti recht geben, da könntest Du noch mehr rausholen. Und natürlich, ist eine subjektive Kritik, aber ich denke eine recht sachliche und überlegte, die es verdient hat, dass man darüber nachdenkt.

 

Hi Maus!
Schön, dass du meine Geschichte gelesen hast! Und ich freue mich, dass dir der Großteil so gut gefallen hat! = )
Wie ich schon Visualizer, Rasumichin und Leixiletti geschrieben habe, werd ich mal eine Geschichte mit Absätzen schreiben, obwohl ich das persönlich nicht so gut finde! Doch du hast natürlich Recht, eine gut gegliederte Geschichte ist immer leichter zu lesen!

Bye, Mary-Lou!!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom