Hallo Martin,
Willkommen im Forum!
Ich werde gleich auch noch etwas zu deiner Geschichte sagen, aber der Grund, warum ich hier einen Kommentar schreibe, ist ein anderer. Peeperkorn hat Recht: Die Art, wie du mit Kommentaren umgehst, geht so nicht. Ich schreibe das nicht, um dich öffentlich abzukanzeln, ich habe zuerst auch überlegt, dir das hier per Privatnachricht zu schreiben. Ich habe mich dagegen entschieden, weil es öfter vorkommt, dass neue Mitglieder erst einmal in die Forumskultur hineinwachsen müssen - das, was ich hier schreibe, kann also eventuell auch anderen von Nutzen sein. Nimm es also nicht persönlich, aber wenn irgend möglich, nimm es dir zu Herzen.
Wenn jemand dir einen Kommentar schreibt - auch wenn es ein kritischer, oder gar ein stichelnder Kommentar ist - dann schenkt er dir etwas von seiner Lebenszeit und letzten Endes auch von seiner Arbeitskraft. Du darfst dich ruhig ärgern, wenn jemand dich in einer Art und Weise kritisiert, die dir nicht fair vorkommt oder deine Gefühle verletzt. Das ist allen von uns schon mal so gegangen. Aber das ändert nichts daran, dass der Kommentator für diese Zeit und Mühe mindestens ein Dankeschön verdient. Und nach einer Weile solltest du in der Lage sein, über den Ärger hinwegzusehen und dich mit dem Kommentar so auseinanderzusetzen, dass du etwas daraus lernst.
Auf einen Kommentar, der dich nicht ärgert, gar nicht bzw. erst nachdem man drauf hingewiesen wird zu reagieren, und auf einen anderen, der dir nicht gefallen hat, mit einem einzigen schnippischen Satz zu antworten, ohne mit einem Wort auf die Kritikpunkte einzugehen ... stell dir mal vor, jemand würde sich im sogenannten "richtigen Leben" so verhalten, zum Beispiel am Arbeitsplatz. Spätestens dann sollte dir aufgehen, dass das kein angemessenes Verhalten ist. Und das gilt online genauso! Das Internet ist nämlich auch richtiges Leben, und die Tatsache, dass du nur einen Monitor vor dir hast und keine Person, ist keine Entschuldigung für schlechte Umgangsformen.
Du schreibst in deinem Profil, du seist hier für "Qualitätsprüfung und Weiterbildung". Gut so - das sind Dinge, die dir hier tatsächlich angeboten werden. Kostenlos, werbefrei und ohne Verpflichtungen. Aber vergiss bitte nicht, dass das Dienstleistungen sind, für die man anderswo bezahlen muss. Du bekommst hier etwas geschenkt, Mann! Ja, manchmal gibt es zusätzlich ein paar ironische Seitenhiebe oder jemand hat ein bisschen Spaß auf deine Kosten oder verbeißt sich in einen Kritikpunkt, den du völlig unwichtig findest. Damit musst du leben können, wenn du in diesem Forum Freude haben und einen Nutzen daraus ziehen willst. Ich hoffe, das gelingt dir in Zukunft.
Wenn deine Reaktionen allerdings immer so ausfallen wie hier, werden sich nicht mehr viele die Zeit nehmen, um die Qualität deiner Werke zu prüfen oder dich weiterzubilden. Niemand hat etwas davon, wenn er für die Zeit, die man dafür aufwenden muss, bloß einen sarkastischen Einzeiler zurückbekommt - auch du selbst nicht.
Gut, wie versprochen noch ein wenig Feedback zur Geschichte:
Sprachlich finde ich den Text in Ordnung. Ein paar Absätze würden ihn lesefreundlicher machen - er ist zwar kurz, aber insbesondere beim Lesen am Bildschirm ist es angenehmer, wenn die Geschichte nicht aus einem einzigen großen Block besteht.
Probleme hat die Geschichte mit der Logik. Natürlich kann sich ein Text aus der Perspektive eines Kirschbaums viele Freiheiten erlauben, weil Kirschbäume sich in der Realität nicht selbst mitteilen können und so alles der Fantasie des Autors überlassen bleibt. Das ändert aber nichts daran, dass ein Ich-Erzähler, der seine Geschichte in der Vergangenheitsform erzählt und am Ende tot ist, nicht funktioniert.
Was würde dagegen sprechen, hier einen personalen Erzähler zu verwenden? Vielleicht ist es nicht ganz einfach, ein Personalpronomen zu wählen - "er" oder "sie" passt streng genommen nicht zu dem Baum, weil er wie die meisten Pflanzen zwittrig ist. "Es" wäre auch nicht optimal, weil die Geschichte ja gerade betonen möchte, dass der Baum ein lebendes Wesen ist und kein Gegenstand. Aus meiner Sicht wäre es völlig in Ordnung "er" im Sinne von "der Baum" oder "sie" im Sinne von "die Kirsche" zu benutzen, also dem Protagonisten einfach ein grammatisches Geschlecht zu geben, weil man nun mal eins braucht, um über ihn schreiben zu können.
Wenn du großen Wert auf den Ich-Erzähler legst, wäre es noch möglich, im Präsens zu erzählen - dann wäre es noch halbwegs logisch, dass der Baum seine Geschichte in der Phase seines langsamen Sterbens erzählt.
Ein anderes Logikproblem für mich ist, dass der Baum eine merkwürdige Art von selektiver Allwissenheit an den Tag legt. Er spricht über Sauerstoff und Kohlendioxid und kennt sogar die Mengen, die er im Laufe seines Lebens ein- und ausgeatmet hat, er kennt Bienen und Menschen und Eichhörnchen und Igel und kann die alle benennen - aber er hat keine Ahnung, was eine Kettensäge ist.
Aus meiner Sicht kann man bei einer Geschichte aus der Perspektive eines Wesens, dem menschliches Denken fremd ist, zwei verschiedene Wege beschreiten. Entweder man versucht, sich in diese fremdartige Sicht hineinzuversetzen. Das ist schwierig, weil man dann alles - die Würmer, die Eichhörnchen, die Wurzeln und die Kettensägen - beschreiben muss, ohne die menschlichen Begriffe dafür zu benutzen. Das gut hinzubekommen und trotzdem noch verständlich zu machen, worum es geht, ist eine echte Herausforderung. Der leichtere Weg ist, dem Protagonisten einfach für die Zwecke der Geschichte einen menschlichen Verstand zu verpassen und ihm all das Wissen zu geben, was auch der Leser hat. Das ist im Prinzip der Weg, den du gewählt hast - bis zu dem Moment, wo die Säge auftaucht. In dem Moment kaufe ich dem quasi allwissenden Baum aber nicht mehr ab, dass er nicht weiß, was das ist, und fühle mich von der "huch, was ist das denn bloß?"-Nummer leicht verschaukelt.
Den Schluss finde ich auch nicht gut. Das ist auf die Tränendrüse gedrückt, und zwar ebenfalls auf Kosten der Logik. Ich weiß, dass die neuere Forschung vieles über Pflanzen herausgefunden hat, was man früher nie vermutet hätte - dass sie die Fähigkeit haben, ihre Umgebung wahrzunehmen und sogar in gewisser Weise miteinander kommunizieren. Aber dass ein Baum wochenlange Agonie empfindet, nachdem er umgesägt wurde, ist nicht besonders wahrscheinlich. Tiere, einschließlich uns selbst, empfinden Schmerz, weil es evolutionär vorteilhaft ist, wenn man Schäden am eigenen Körper bemerkt und sich möglichst schnell aus der Gefahrenzone begibt, das steigert natürlich die Überlebenschancen enorm. Pflanzen sind nicht in der Lage, zu fliehen oder zu kämpfen, wenn etwas sie "angreift" - maximal können sie Abwehrstoffe produzieren. Außerdem können sie im Gegensatz zu uns sehr viele Teile ihres Körpers einfach nachwachsen lassen, wenn die verloren gehen. Schmerzen zu empfinden, würde für sie also keinen Selektionsvorteil darstellen.
Soll man trotzdem nicht achtlos mit Pflanzen umgehen und sich lieber zweimal überlegen, ob ein Baum wirklich gefällt werden muss? Absolut! Aus vielen Gründen: Naturschutz, Landschaftsbild, Mikroklima etc. Aber nicht wegen: das tut dem Kirschbaum weh. Ich meine, ich rette Regenwürmer vorm Überfahrenwerden und fange Spinnen in Gläsern, um sie vorsichtig aus dem Haus zu tragen, und bin überhaupt sehr empfänglich für "Ehrfurcht vor dem Leben"-Botschaften. Aber vom Schluss deiner Geschichte bin ich überhaupt nicht überzeugt, weil ich das als extrem durchsichtigen Versuch empfinde, die Leser emotional zu manipulieren.
Und noch ein letzter Punkt: ich frage mich so ein bisschen, ob "Gesellschaft" wirklich die richtige Kategorie für diese Geschichte ist. Klar kann man eine Gesellschafts-Geschichte über das Fällen von Bäumen schreiben - aber darunter würde ich mir etwas anderes vorstellen. Das kannst du dir ja überlegen, ob vielleicht ein anderes Stichwort besser passt.
Grüße von Perdita