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Der Taxifahrer

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05.11.2010
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Der Taxifahrer

Als die Sonne schon untergegangen war, und der Himmel sich von einem kühlen Weiß-Blau in ein noch kühleres Dunkelblau verfärbte, schritt eine junge, schwer bepackte Frau durch die frische Herbstluft auf eine Reihe von Taxis zu.
Als sie am vordersten Taxi angekommen war, ließ sie die Einkaufstüten auf den Boden sacken und öffnete die Beifahrertür. Der Taxifahrer schien zunächst gar keine Notiz von ihr zu nehmen, er murmelte leise vor sich hin und kritzelte etwas in ein kleines rotes Notizbuch. Dann schaute er auf, schnaufte einmal und steckte es weg. Er ließ den Kugelschreiber in seine Hemdtasche gleiten.
„Guten Abend, Madame“, sagte der Taxifahrer. Seine Stimme war kratzig und rau, aber nicht unsympathisch.
„Hinein mit Ihnen in die gute Stube“.
Er stieg aus dem Taxi und ging zum Kofferraum des Wagens. Anne fiel auf, dass er humpelte, und er lud die Tüten ein. Als er fertig war, schloss er den Kofferraum und kehrte zur Fahrertür zurück. Er stieg ein und schloss die Tür. Eine warme Welle unangenehmen Geruchs schwappte zu ihr rüber, irgendeine fiese Mischung aus Zigaretten, Alkohol und verfaulten Stofftiere.
„Wohin soll’s denn gehen Madame?“
„Zu den Eichen einundvierzig, bitte“.
„Kein Problem“. Er startete den Motor. “War wohl ein erfolgreicher Tag für sie, hä?“
„Jawohl.“
„Ich hoffe, sie haben noch genug Geld fürs Taxi übrig, wenn ich mir ihren Einkauf so ansehe.“
„Ich denke schon, ja“.
„Na dann ist ja gut“.
Er lächelte. Dann fuhren sie los.

***

Anne wandte ihren Blick ab. Ein sechsstündiger Shopping-Marathon lag ihr in den Knochen, die Beine schmerzten vom vielen Gehen und auf den Handflächen hatten sich durch die Last der Einkaufstüten rote Striemen gebildet.
Das monotone Brummen des Fahrzeugs machte sie schläfrig.
Sie ließ ihren Blick durch das Taxi schweifen und entdeckte im Augenwinkel eine Stoffpuppe.
Sie hing am Rückspiegel des Wagens und baumelte hin und her wie das Pendel eines Hypnotiseurs. Die Schnur war um ihren Hals gebunden, sodass sie wie eine gehenkte Person aussah. Sie trug ein hellblaues, knielanges Kleidchen und hatte zwei blonde, geflochtene Zöpfe, die ihr über die Schultern hingen.
Eines ihrer aufgenähten Augen fehlte, stattdessen war das Auge mit Filzstift aufgemalt worden; die Lippen waren rot geschminkt und zu einem fröhlichen Grinsen verzogen.
Zuerst wollte sie den Taxifahrer fragen, wem diese Puppe gehörte, dann verwarf sie diesen Gedanken gleich wieder.
Sie bemerkte, dass sie wie gelähmt die Puppe anstarrte, ihren hypnotisch pendelnden Bewegungen folgte.
War sie von seiner Tochter? Oder etwa von seiner Frau?
Sie sah relativ neu aus, zwar gebraucht, aber neu.
Sie hatte das seltsame Gefühl, dass ihr wahrer Besitzer sie brauche. Irgendwie war sie hier falsch.

Ihr war heiß. Es ist so unbequem hier drinnen.
„Darf ich bitte das Fenster einen Spalt öffnen?“, fragte sie.
„Ziehen Sie doch Ihre Jacke aus, wenn Ihnen warm ist“ Der Taxifahrer grinste.
„Wie bitte?“, fragte Anne verdutzt.
„War nur ein Scherz, machen Sie ruhig“.
Anne lief es eiskalt den Rücken runter. Der Taxifahrer wirkte zunehmend unsympatisch auf Anne. Zu scherzen war ihr gerade nicht zumute.
„Vielen Dank“

***

Die Minuten verstrichen quälend langsam.
Im Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als zu Hause sein, ein heißes Bad zu nehmen und anschließend in ihrem warmen weichen Bett zu liegen.
Ihr Hintern tat ihr weh vom Sitzen.
Als sie sich in eine bequemere Sitzposition bringen wollte, streifte sie versehentlich den Oberschenkel des Taxifahrers. Der drehte den Kopf zu Anne und starrte sie an. Ein Eiswürfel schien ihr die Speiseröhre runter zu laufen.
„Verzeihung, das habe ich nicht gewollt.“, sagte sie in einer eigenartig schrillen Tonlage. Ein schleimiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus, als er wieder grinste.
Muss wohl am Essen liegen ...
„Macht nichts“, sagte er. “Ach übrigens: wir sind bald da. Wir fahren wir eine Abkürzung, wenn es ihnen recht ist. Spart so ungefähr zehn Minuten. Ist das okay für sie?“.
„Ja ja, ist okay.“ Sie hatte einen Kloß im Hals, als sie sprach.
Sie lenkte ihren Blick wieder auf die Puppe; diese baumelte leicht hin und her und grinste sie fröhlich an. Anne erwiderte unbewusst das Lächeln der Puppe und fühlte sich gleich etwas besser.
Was für eine schöne Puppe, dachte sie sich. Nicht makellos, aber schön.
Anne dachte darüber nach, ob diese Puppe, dem Mädchen, dem sie gehörte (wenn sie denn überhaupt einem Mädchen gehört hatte) viel bedeutete.

***

Das Taxi bog von der Autobahn in die Ausfahrt ein und fuhr jetzt auf einer Landstraße durch einen dichten Wald. Mittlerweile war es dunkel geworden.
„Sind sie auch sicher, dass sie hier richtig sind?“, fragte Anne.
Der Taxifahrer lächelte.
„Wieso? Zweifeln sie etwa an meiner Kompetenz als Taxifahrer?“
„Nein es ist nur …“
„Es ist nur was? Sie haben mir doch zugestimmt, eine Abkürzung zu fahren, oder etwa nicht?“
„Ja, es ist nur so – das sieht ziemlich verlassen aus hier.“
Plötzlich fühlte sie in ihrem Magen erneut ein flaues Gefühl aufsteigen und ihre Nackenhaare sträubten sich. Eine Frau am späten Abend in einem dunklen Wald – und dazu noch mit einem wildfremden Mann. Was wenn er … Sie schob diesen Gedanken beiseite, bevor sie ihn zu Ende bringen konnte.
„Sie werden schon wissen was sie tun“, fügte sie kleinlaut hinzu.
„Das will ich hoffen. Schließlich bin ich nicht umsonst Taxifahrer geworden“. Er lachte. Es klang wie ein schmerzender Husten. Sie schaute irritiert aus dem Beifahrerfenster und beobachtete die Schatten der Bäume, die in die entgegengesetzte Fahrtrichtung wanderten und fühlte, wie die Müdigkeit immer mehr Besitz von ihr ergriff.

Nach einer Weile drehte sie den Kopf langsam wieder zurück zum Rückspiegel, um die Puppe zu betrachten. Eine eiskalte Welle des Schocks lief über ihren Rücken und ihr Herz pochte jetzt so laut, dass es scheinbar die Fahrgeräusche des Kombis übertönte.
„Was zum …“, formten ihre Lippen tonlos.
Das war unmöglich. Das kann nicht sein.
Mit einem Mal war sie hellwach und Adrenalin schoss durch ihren Körper. Sie kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder, aber sie sah, was sie vorher auch gesehen hatte: Das fröhliche Gesicht der Puppe hatte sich verändert. Jetzt zeigte es einen entsetzten Ausdruck.
Der Mund, der sie vorher fröhlich angelächelt hatte, war zu einer entsetzten Fratze geworden, aus dem einen Auge der Puppe floss eine Träne, die aussah wie Blut. Sie war frisch; sie lief ihr über die Wange bis in den verzogenen Mund, und hinterließ einen dunkelroten Streifen.
Nein. Eine optische Täuschung dachte Anne. Das Licht im Auto war nur sehr schwach, und ihre müden Augen spielten ihr wahrscheinlich einen Streich.
Anne kniff erneut die Augen zusammen. Dann öffnete sie sie wieder.
Und sie erkannte deutlich den entsetzten Gesichtsausdruck der Puppe. Plötzlich überfiel sie Panik. Ihre Lippen zitterte, auf einmal war ihr eiskalt. Nervös klopfte sie mit ihren Fingern auf den Oberschenkel.
Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen glitschigen Aal in die Bluse gesteckt.
„Madame? Was ist denn los?“, fragte der Taxifahrer.
„Es – Wie – Die Puppe!“, platzte es aus Anne raus, bevor sie es sich verkneifen konnte. Sie musterte die Puppe und betete, dass das Gesicht jetzt wieder normal aussah. Aber die Puppe starrte sie einäugig und entsetzt an. Die Blutspur der Träne war jetzt ein wenig angetrocknet.
„Madame, ich verstehe nicht –„
„D-die Puppe mit dem blauen Kleid, sie …“
„Was für eine Puppe denn?“ Jetzt hörte sich der Taxifahrer ungeduldig an. Er tippte mit den Fingern auf sein Lenkrad und schnaufte zwei Mal.
„Es gibt keine Puppe, es gibt keine Scheißpuppe!“ beim letzten Wort schlug er mit der flachen Hand auf das Lenkrad. Anne schreckte zusammen. Ihr Herz pochte jetzt noch schneller als ohnehin schon. Ihr wurde abwechseln heiß und kalt und die Welt drehte sich.
„Willst du mich verarschen?“, schrie er. „Welche Puppe, welche Puppe?“.
Anne spürte, wie sie einige Speicheltropfen abbekam. Panik stieg jetzt wieder in ihr hoch. Sie wollte jetzt einfach nur noch raus. Das Auto war eng, wie ein .. Sarg.
Sie atmete laut und schnell.
„I-ich … B-bitte, ich wollte nicht …“, piepste sie und schaute unwillkürlich dahin, wo die Puppe gehangen hatte.
Doch sie war verschwunden.
Zuerst dachte sie, sie sei auf das Armaturenbrett gefallen, doch als sie nachschaute, war sie nicht dort. Auch auf dem Boden am Schalthebel war die Puppe nicht. Vor Angst kamen ihr die Tränen und der Kloß in ihrem Hals schien anzuwachsen.
„Sie wollten was nicht, Madame?“
„Ich w-wollte nicht – k-können Sie ...“
„Sie haben es von Anfang an gewusst, oder? Verlogene Schlampe!“, brüllte er. Dann trat er in die Bremse. Reifen quietschten. Die Gurte schnitten sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Sie stieß einen überraschten Schrei aus.
Du weißt es, du Miststück!“, schrie der Taxifahrer, als das Auto zum Stehen gekommen war.
Er drosch wie von Sinnen auf das Lenkrad ein.
„Mmpf!“ Er schnaufte wie ein wild gewordener Silberrücken.
„NEIN!“, schrie sie. Sie hielt sich die Ohren zu.
Der Taxifahrer tobte.
„Ich hätte es wissen müssen, du bist eine von Ihnen!“
„Nein, nein, nein“, jammerte sie. Sie sah ihren Freund vor sich. Er zeigte mit dem Finger auf sie und lachte sie aus.
Jetzt brachen alle Dämme. Sie heulte laut auf.
„Bitte lassen sie mich raus hier. Bitte!“
Sie bemerkte eine Bewegung im Rückspiegel. Jetzt schrie Anne richtig auf.
Auf dem Rücksitz des Autos saß ein Mädchen, etwa acht Jahre alt. Es trug ein weißes, knielanges Kleid und seine Haare waren dunkelblond und zu zwei Zöpfen geflochten.
Sie starrte Anne mit gequältem Blick an, ihr Gesicht war Aschfahl. Sie weinte, Rotz lief ihr aus der Nase und die Augen waren rot und gequollen.
„DU weißt, was ich getan habe! Und ich werde es wieder tun!“.
Die Angst lähmte Anne. Sie starrte in die traurigen Augen des Mädchens, wollte sich abwenden und erneut schreien, doch sie war wie versteinert. Ihr Herz drohte zu zerspringen.
Das Mädchen öffnete den Mund um zu sprechen. Anne winselte vor Angst.
Das Mädchen begann leise zu sprechen. „Lauf“, flüsterte es. „Lauf weg. Er ist böse! Steig aus und lauf weg!“.
Ihre Stimme hörte sich an, als würde sie durch einen langen Tunnel zu ihr flüstern.
Dann lächelte der Taxifahrer dämonisch und entblößte seine schiefen, gelben Zähne. Er verriegelte die Türen.
KLICK!
Anne zuckte zusammen. Sie zitterte am ganzen Leib.
„Nein, bitte nicht, nein, lassen sie mich bitte gehen!“ Sie griff den Türgriff und versuchte die Tür zu öffnen. Vergebens. In Panik löste sie ihren Gurt und versuchte aufzustehen. Sie stieß sich den Kopf.
„Bitte – ich gebe ihnen Geld, aber lassen sie mich bitte raus!“
„O nein, sie bezahlen nicht mit Geld Madame.“ Er lächelte wie ein Wahnsinniger, seine Augen glitzerten im schwachen Abendlicht.
Anne winselte wieder lauter. Tränen liefen ihr über das Gesicht, bis sie ihren salzigen Geschmack schmecken konnte.
„Bitte tun sie mir nichts“, jammerte sie. „Ich habe Geld – Ich habe Schmuck, bitte nehmen sie das!“ Sie streifte ihre Golduhr ab und hielt sie dem Taxifahrer hin.
„Schnauze, ich will deine Drecksuhr nicht!“, fauchte er und donnerte sie gegen die Windschutzscheibe. Dann packte er Anne am Hals und zog sie zu sich.
„Du weißt es, nicht wahr?“
„Nein“, winselte sie.
Der Taxifahrer begann Anne mit beiden Händen zu würgen.
Lüg' nicht!“, brüllte er und drückte zu. Sie krallte sich mit ihren Fingernägeln in die Hände des Taxifahrers fest, sodass Blut in dünnen Rinnsalen auf den Schalthebel tropfte.
Schlampe!“, schrie er. Dann ließ er sie los, zog blitzschnell aus einer Hosentasche ein Klappmesser und lies es aufschnappen.
„Du steckst da mit drinn', denkst wohl, das wäre lustig, was?“
Anne konnte nicht antworten, weil sie immer noch um Luft rang. Die Welt drehte sich ...
„Du weißt, dass ich diese Schlampe und ihre verzogene Göre ermordet habe, oder? Sie saßen hier, in diesem Taxi und haben sich über mich lustig gemacht, ja, sie haben's nicht laut gesagt, aber im Inneren haben die mich ausgelacht! Die ganze Zeit über! Ausgelacht haben die mich! Aber da sind sie an den falschen geraten. Und weißt auch über diese scheiß Puppe Bescheid, wie ich sie sehe, überall, diese verfickt hässliche Puppe von dieser Göre. Sie ist überall! Du wusstest es! Aber weißt du was? Ich habe der Mutter zuerst die Kehle aufgeschlitzt, und diese kleine Göre hat es mit angesehen. Es war hier, in diesem Wald. Und es war ein gutes Gefühl, ja! Das Lachen ist denen vergangen!“. Der Taxifahrer lachte hysterisch.
„Bitte, bitte nicht, lassen sie mich gehen, ich flehe sie an!“, heulte Anne. Er hielt das Messer an ihren Hals und zog er sie weiter an sich ran. Sie konnte seinen fauligen Atem in ihrem Gesicht spüren. Sie würgte.
„Die Kleine drückte ihre Puppe an sich, während sie starb. Eine hässliche, einäugige Puppe mit einem blauen Kleid. Ich hab sie zusammen mit den beiden in dem Wald da vergraben. Seitdem sehe ich diese Puppe überall, überall! In meiner Wohnung, sie liegt in meinem Bett wenn ich schlafe, sie sitzt auf dem Tisch, wenn ich esse, ich habe sie verbrannt, weggeworfen, vergraben, sie taucht immer wieder auf. Sie ist ÜBERALL DIESE SCHEIß PUPPE! Und dann kommst du Schlampe und ziehst mich noch damit auf! Kann die mich nicht einfach in Ruhe lassen!“
„Bitte!“
Schnauze! Die beiden haben sich angesehen, als die Mutter starb. Und als sie tot war, war die Kleine dran“. Er grinste wie ein Irrer. Dann lachte er, hielt die Klinge weiter an Annes Kehle.
„Ich habe es schon mal getan und ich werde es wieder tun! Mich verarschen, dazu kommt’s noch! Wahrscheinlich lachst du auch über mich! Jetzt gerade lachst du mich aus!“
Er wird mich UMBRINGEN! Oh Gott, er wird mich töten! Was soll ich tun? Oh Gott, was soll ich nur tun?, dachte Anne panisch. Sie schloss die Augen und winselte leise.
„Bitte, lassen Sie mich gehen, bitte!“. Kaum mehr als ein ersticktes Flüstern.
Sie sah keine Möglichkeit zu entkommen. Das war’s.
Dann, als sie die Hoffnung gerade aufgeben wollte und sich mit ihrem tragischen Schicksal abgefunden hatte, sah sie den Kugelschreiber blau in den Augenwinkeln aufblitzen, der dem Taxifahrer aus der Brusttasche seines Hemdes ragte. Sie überlegte keinen Augenblick, jetzt oder nie, schnappte blitzschnell nach dem Stift und zog ihn aus der Tasche.
Der Taxifahrer schnaufte überrascht, und stieß einen lauten, schrillen Schrei aus, als Anne ihm den Kugelschreiber in das linke Auge rammte. Sie hörte ein widerwärtig knackendes Geräusch, als der Stift den Augapfel durchstieß. Der Taxifahrer ließ vor Schmerz sein Messer fallen, doch Anne dachte nicht daran, es zu suchen. Sie entriegelte die Fahrertür, öffnete sie und stürzte sich kopfüber aus dem Auto.
Bleib hier du Miststück!“, kreischte der Taxifahrer hysterisch. Doch Anne rappelte sich auf und begann zu rennen. Die Kühle Nachtluft strömte in ihre Lungen. Sie hatte sich noch nie so befreit gefühlt.
„Mist! Verfluchte Scheiße! Aaaahhh! Du Miststück! Ich kriege dich, und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du über die ganze Straße verteilt sein! Das schwör' ich dir!“
Anne stolperte über einen Ast, stieß einen schrillen, überraschten Schrei aus, kippte nach vorne und prallte hart mit dem Gesicht auf den Boden.

***

Filmriss.

***

Der Taxifahrer umklammerte mit heftig zitternden Händen den Kugelschreiber, der in seinem Auge steckte, schnaufte laut auf und zog ihn raus. Ein schleimiges Geräusch.
Der anschließende Schrei war so laut, dass sein Echo mehrmals widerhallte. Er brach zusammen und hielt sich das Auge, Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor und tropfte auf den Boden.
Als er den Kopf hob und aufschaute, grinste er.
Blut schoss ihm aus der Wunde, er warf den Kugelschreiber weg.
Die Schlampe hätte es doch verdient, oder etwa nicht? Sie hat es provoziert.
„Ich kriege dich, du Miststück!“, rief er in Richtung der am Boden liegenden Frau, die benommen versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

***

Seine Worte kamen aus weiter Ferne. Vielleicht aus der Hölle. Sie spürte mit ihren Händen das kühle feuchte Laub. In ihrem Kopf hämmerte es wie bei einer heftigen Migräne. Alles, was sie sah war ein Strudel aus Schwarz- und Blautönen.

***

Der Taxifahrer schnaufte vor Schmerz wie ein Mann, der gerade einen Marathon gelaufen war. Wie gerne er dieser Schlampe doch den Hals umdrehen wollte …
Als er aus dem Auto stieg, hörte er ein Kinderlachen, das durch den Wald hallte. Er zuckte er vor Schreck zusammen und wurde starr wie eine Salzsäule.
„Wer ist da?“
Seine Frage wurde durch ein kindliches Kichern erwidert. Diesmal war es sehr nah.
„Ich finde dich, und wenn ich mit dir fertig bin -“
Plötzlich sah er im Scheinwerferlicht des Wagens ein kleines Mädchen stehen, mit dunkelblonden Haaren, die zu Zöpfen geflochten waren. In ihrer Hand hielt sie eine Stoffpuppe, die nur ein Auge hatte und dicke Bluttränen weinte. Sie hielt sich mit der rechten Hand das linke Auge zu und lachte dabei hämisch.
Der Taxifahrer schrie auf.
Sie ist tot! Ich habe sie eigenhändig umgebracht! Sie und ihre Mutter! Das ist …
„Was ... zum ...“, brachte er stotternd heraus.
Sein Herz hämmerte stärker und stärker, er versuchte zu Schreien, aber aus seiner Kehle drang nur ein ersticktes Wimmern. Das letzte, was er fühlte war starkes Stechen in der Brust. Dann blieb sein Herz stehen.
Die Welt vor seinen Augen verschwamm.
Das Mädchen im weißen Kleid lachte.

 

Hallo Gilead

Die Idee der Geschichte fand ich an sich nicht schlecht, doch die Umsetzung bot mir einige Stolpersteine. Du hast da teilweise Füllsel drin, die den Lesefluss behindern. Manches ist umständlich beschrieben, liesse sich direkter formulieren und dem Handlungsablauf dadurch mehr Spannung geben.
Ohne spezifisch darauf zu achten, bin ich doch über einige Flüchtigkeitsfehler gestolpert, die ich den nachfolgenden Bemerkungen anfügte:


Als die Sonne schon untergegangen war, und der Himmel sich von einem kühlen Weiß-Blau in ein noch kühleres Dunkelblau verfärbte, schlenderte eine junge, schwer bepackte Frau Anfang dreißig durch die frische Herbstluft auf die Reihe von Taxis zu, die in einer Reihe an der anderen Straßenseite parkten.

Dieser Satz als Einstieg erscheint mir als Leser nicht direkt einladend. Es beginnt mit der ausführlichen Beschreibung des Himmels, der für die Geschichte keine weitere Bedeutung mehr hat. Auch die Darstellung der Frau, ist sie nun jung oder Anfang dreißig? Ist es von Bedeutung für dich, dass die Taxis auf der andern Seite parkieren, es reicht, dass sie auf diese zugeht? Hier hat es viel Füllsel, zudem ist es ein unendlich langer Satz zum Lesen.

(Ein Clown!)

Die Klammern braucht es nicht, es ist für den Leser vom Inhalt her und durch die kursive Schrift klar, dass es ein Gedanke von ihr ist.

Hatte ihr Freund, das Arschloch,

Denkt sie so, das Arschloch? Bis da hatte ich nicht den Eindruck, dass ihr Vokabular so ausgerichtet ist. Na gut, das nachfolgend gezeichnete Milieu von ihr scheint mir nicht sehr kultiviert zu sein. Aber im folgenden Satz erscheint die Titulierung nochmals in Klammern, was mir beides überflüssig erscheint.

Irgendwie hatte sie das seltsame Gefühl, dass ihr wahrer Besitzer sie brauche. Irgendwie war sie hier falsch.

Wortwiederholungen sind Störenfriede im Lesefluss. Auch bedarf es des irgendwie nicht um das Gefühl zu benennen, mit seltsam kommt dessen Ausrichtung schon zum Ausdruck.

Außerdem würde er fragen, was sie mit seinem Geld gemacht hätte, und sie würde antworten: ich habe mir ein schönes leben gemacht, das, was du mir nie bieten konntest.

Leben (grossgeschrieben)

Man, hatte sie diese Puppe geliebt.

Mann (Zwar nicht die beste Redensart für eine Frau.)

Die Fahrt zog sich hin wie Kaugummi.

Den Vergleich finde ich zu konstruiert, nicht der Sache dienlich. Es gibt da sicher eine bessere Definition.

Jetzt schaute sie Puppe entsetzt an.

Hier fehlt ein die im Satz.

Das Licht im Auto war nur sehr schwach, gerade einmal eine Lampe beleuchtete das Taxi, dieses Licht befand sich aber genau über der Puppe.

Unwahrscheinlich, dass ein Taxi mit angezündeter Leselampe fährt. Plausibler wäre das Licht der Instrumente am Armaturenbrett.

„Du weißt es[KOMMA] du Miststück!“, schrie der Taxifahrer, als das Auto zum Stehen gekommen war.

Sie vernahm eine Bewegung im Rückspiegel.

Wie ist das möglich, in einem Spiegel eine Bewegung zu hören? Allenfalls sah.

(Cindy! Wo bist du?)

Auch hier, es reicht Gedanken kursiv zu setzen, Klammern weg.

Dann ließ er Los und zog blitzschnell aus einer Hosentasche ein Klappmesser und lies es aufschnappen.

los (kleingeschrieben) Ein sie davor würde es noch präzisieren.

Und weißt auch über diese scheiß Puppe bescheid, wie ich sie sehe, überall, diese verfickt hässliche Puppe von dieser Göre.

Komma nach Puppe und Bescheid grossgeschrieben.

Der Taxifahrer umklammerte mit heftig zitternden Händen den Kugelschreiber, der in seinem Auge steckte, schaufte laut auf und zog ihn raus.

schnaufte

Blut schoss ihm aus der leeren Augenhöhle, er warf den Kugelschreiber, auf dem sein Auge aufgespießt war, weg.

Ein durchstochenes Auge fällt keineswegs aus der Höhle und müsste extra abgetrennt werden. Also realitätsfern beschrieben.

Als er aus dem Auto steig, hörte er ein Kinderlachen, das durch den Wald hallte.

stieg

Zum Schluss, die Nummerierungen 1 bis 7 sind störend und überflüssig. Bei einem Wechsel von Handlungsszenen reicht eine Leerzeile zwischen den Absätzen.

Dennoch, nicht ungern gelesen, wenn ich manchmal auch aus dem Takt fiel.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

erstmal bedanke ich mich herzlich für deine Zeit und Mühe, meinen Text zu korrigieren! Ich weiß das wirklich zu schätzen :)

Erschreckend, wie viele Fehler sich auch nach mehrmaligem Korrekturlesen einschleichen konnten, umso dankbarer bin ich für die Verbesserungen.

Ich habe versucht, all deine Vorschläge zu berücksichtigen!

Ich bin noch sehr unerfahren was das Schreiben angeht, und brauche, denke ich, noch viel Übung darin.

Und eines noch:

Dennoch, nicht ungern gelesen, wenn ich manchmal auch aus dem Takt fiel.

Danke :)


lg
Marvin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei Marvin, Gilead,

sori, dass ich nur deinen Komm kommentiere - aber ich hatte diesen Text bereits kommentiert, lang & breit, und bin auch sicher, ich war nicht die einzige.

Dann hast du den löschen lassen und nach einem Jahr oder so neu eingestellt?

Mal ganz ehrlich, ab davon, dass so was schon gelöscht wurde, aber mir solls egal sein: sicher hatten dir Leute auch Tipper, Aufbau, Stil und Plot kommentiert. Ich weiß nicht mehr, was ich geschrieben habe, aber es war eine ziemlich lange Liste an Zeugs. Jetzt steht das Ding hier mit all den Fehlern und Problemen wieder drin.

Wenn du tatsächlich am Lernen interessiert bist (was ich, wenn ich nochmal schnell drüber schaue, dringend raten möchte), dann arbeite an Fehlern. Schleif an dem Text, bis er passt. Kommentiere andere hier, damit du besser blickst, was warum funktioniert und was eben nicht. Man behebt keine Unsicherheiten, indem man immer mehr desselben macht - also, wartest du jetzt darauf, dass sich zufällig ein neuer User das durchliest und was Gutes findet, damit du ein besseres Gefühl zum Text hast? Guck dir lieber an, was wir damals kritisiert hatten - und mache es besser. So wird das nix, sori.

P.S.
Ach ja - an eine Sache erinnere ich mich: "schlendert mit Einkaufstaschen bepackt". Das ist und bleibt falsch, wie gesagt. Weil Schlendern ein lockeres, entspanntes Gehen bedeutet. Das hatte ich Dir gesagt, und so was ist keine Geschmacksache oder 'dichterische Freiheit' - du verwendest hier ein Wort, dessen Bedeutung du nicht genau kennst, und du verwendest es schlichtweg falsch.

Und jetzt bedankst du dich bei Anakreon wie so ein großäugiges Hasi, als hättest du noch nie gehört, dass hier etwas nicht korrekt sein könnte. Also, das finde ich echt ärgerlich.

Viele Grüße,
Katla

 

Hallo Katla,

ich möchte nicht, dass etwas falsch rüberkommt, von daher lass mich bitte einige Dinge klar stellen:

Dann hast du den löschen lassen und nach einem Jahr oder so neu eingestellt?

Jein, ich habe den alten, korrigierten Text nach zwei Jahren nochmal rausgekramt, überarbeitet und um einige Passagen ergänzt.
Diesen Text habe ich neu reingestellt und, auf Anraten eines Moderators, den veralteten Text löschen lassen.

Das heißt, die Fehler, die hier freundlicherweise von Anakreon aufgelistet wurden, waren im alten Text nicht enthalten, sondern haben sich leider größtenteils in die neu geschriebenen Parts eingeschlichen.

Von daher ist der Vorwurf

Jetzt steht das Ding hier mit all den Fehlern und Problemen wieder drin.

nicht unbedingt richtig, da ich damals Versucht habe, den Vorschlägen gerecht zu werden.

Ich weiß, dass ich nicht der talentierteste und perfekteste Autor bin, aber manchmal schreibe ich halt gerne und lasse mir sehr gerne von den Mitgliedern Tipps und Verbesserungsvorschläge geben.
Das war einer der Hauptgründe, warum ich die Geschichte, so amateurhaft und hölzern sie auch geschrieben sein mag, überhaupt rein gestellt habe.

"schlendert mit Einkaufstaschen bepackt". Das ist und bleibt falsch, (...)

Danke für den Hinweis, ich werde mir einen neuen Ausdruck überlegen.

lg
Marvin

 

Hi Gilead,

die alte Version der Geschichte kenne ich nicht, habe also keinen Vergleich, wieviele Verbesserungen du schon vorgenommen hast. Aber es gibt auch bei dieser Version hier noch vieles, was ich dir raten würde zu überarbeiten.

Grundsätzlich ist die Idee, dass ein Mörder von den Geistern seiner Opfer verfolgt wird, natürlich nicht neu, aber das heißt nicht, dass eine Geschichte mit so einer Handlung nicht trotzdem spannend und gut erzählt sein kann. Bei deiner Geschichte überzeugt mich leider die Charakterisierung der Figuren überhaupt nicht, und die Horrorelemente sind sehr klischeehaft. Beides sind aber Sachen, an denen du weiter arbeiten kannst.

Ich versuche meistens, inhaltliche Kritikpunkte und Textkram in meinen Kommentaren auseinanderzuhalten, aber dieses Mal werde ich einfach die Geschichte von oben nach unten durchgehen, weil ich denke dass sich auch die inhaltlichen Punkten am besten an Textstellen festmachen lassen. Also, ich leg los:

Als die Sonne schon untergegangen war, und der Himmel sich von einem kühlen Weiß-Blau in ein noch kühleres Dunkelblau verfärbte, schritt eine junge, schwer bepackte Frau durch die frische Herbstluft auf eine Reihe von Taxis zu.
Abgesehen davon, dass es kein sehr fesselnder Einstieg ist, wie Anakreon schon angemerkt hat, stellt sich die Frage: Wer erzählt das? Du hast eigentlich in der ganzen Geschichte einen personalen Erzähler, also du erzählst aus der Perspektive der jungen Frau, Anne, und das finde ich auch sinnvoll. Warum steigst du dann mit einem allwissenden Erzähler ein, der sie von außen beschreibt?

Eine warme Welle unangenehmen Geruchs schwappte zu ihr rüber, irgendeine fiese Mischung aus Zigaretten, Alkohol und verfaulter Stofftiere
verfaulten Stofftieren - die gehören ja noch zur Mischung, also müssen die grammatisch auch der Präposition "aus" folgen.
Ist aber ein merkwürdig spezifischer Geruch, mich wundert eigentlich, woher sie das weiß. Ich wüsste zum Beispiel nicht, wie verfaulte Stofftiere riechen (ich hab mich immer gut um meine gekümmert :p).

Ein sechs stündiger Shopping-Marathon lag ihr in den Knochen,
sechsstündiger (ein Wort)

Typen wie der sammeln möglicherweise Puppen, sprechen mit ihnen und behandeln sie wie ihre eigenen Kinder … alles war doch möglich, oder nicht?
Was heißt das, "Typen wie der"? Bis jetzt hat der Taxifahrer ihr noch keinen Anlass gegeben, ihn schräg anzusehen und als seltsam abzustempeln, abgesehen von dem unangenehmen Geruch. Diese Schlussfolgerungen allein anhand einer Puppe am Rückspiegel machen für mich keinen Sinn. Was du sicher erreichen möchtest, ist dass deine Protagonistin ein zunehmendes Gefühl der Verunsicherung und Bedrohung bekommt. Das erreichst aber nicht, indem sie den Taxifahrer ohne ersichtlichen Grund so abwertend und misstrauisch betrachtet.

Hatte ihr Freund, ihr nicht einmal von einem Typen erzählt (vielleicht war es sein Arbeitskollege, oder sein bester Kumpel, sie hatte es vergessen), der Stoffpferde von 'My Little Pony' sammelte? Er hätte es viele Jahre lang geheim gehalten, bis es ihr Freund erfahren hatte.
Was hat das mit der Geschichte zu tun? Sollte das ein kleiner Seitenhieb auf "My Little Pony" sein, weil sich das gerade so großer Popularität erfreut? Das hat wirklich null Relevanz für die Geschichte, das lenkt bloß ab.

Obwohl sie sich fragte, wie man eine Sammlung von siebenhundert Stoffpferdchen so lange geheim halten konnte - wahrscheinlich hatte er sie auch in dieser Hinsicht belogen.
Du willst mir hier sagen: Annes Freund belügt sie häufig. Okay - aber an dieser Stelle ist das sehr ungeschickt. Anzunehmen, dass er sie über eine solche Geschichte belogen hat, die gar nicht ihn selbst betrifft, sondern einen Bekannten, ist wieder eine sehr fragwürdige Schlussfolgerung von ihr. In der Regel lügt man, um etwas zu erreichen - und bei der Ponygeschichte kann ich mir wirklich beim besten Willen nicht vorstellen, wie man daraus einen Vorteil ziehen sollte.

Aber er würde die Folgen schon noch früh genug zu spüren bekommen, da war sie sich sicher. Spätestens, wenn er die Rechnung seiner Kreditkarte überprüfen würde. Er würde sie anbrüllen, vielleicht sogar wieder schlagen. Er würde fragen, was sie sich dabei gedacht hätte, ihn zu bestehlen, ihn, dem größten Macker überhaupt auf diesem Planeten. Außerdem würde er fragen, was sie mit seinem Geld gemacht hätte, und sie würde antworten: ich habe mir ein schönes Leben gemacht, das, was du mir nie bieten konntest.
Ihr "Freund" (hat der eigentlich einen Namen?) ist also ein fieser Typ, der sie sogar schlägt. Da frage ich mich natürlich, warum sie mit ihm zusammen bleibt. Vielleicht hat sie zuviel Angst vor ihm, um ihn zu verlassen. Aber wenn sie ihn fürchtet, würde sie wohl kaum seine Kreditkarten ausreizen ... wo war ich noch mal? Ach ja, deine Geschichte. Nur hat diese ganze Sache mit Annes Freund überhaupt nichts damit zu tun. Du musst dir im klaren sein, was du hier erzählen willst. Ist es die Geschichte von Anne und ihrer schlechten Beziehung, oder ist es die Geschichte des Taxifahrers, der von den Opfern seiner Verbrechen heimgesucht wird und die Anne als Zeugin, praktisch als Stellvertreterin des Lesers, miterlebt? Ich denke mal letzteres, und deshalb bin ich der Ansicht, diese ganze Sache mit dem Freund hat hier überhaupt nichts zu suchen. Deine Figuren sollten natürlich einen Hintergrund, eine Geschichte und einen Charakter haben. Aber die Frage ist, wann es angemessen ist, solche Details einzustreuen. Das braucht ein bisschen Geschick - und die Details sollten für die Geschichte auch relevant sein.

Aber: sie hatte eine Puppe – sie hieß Cindy und begleitete sie überall hin, auf die Toilette, in den Kindergarten, zum Zahnarzt; Sie tröstete sie, wenn sie traurig war, stand ihr bei, wenn sie Angst hatte, und freute sich mit ihr, wenn sie glücklich war. Sie hatte diese Puppe geliebt. Sie war ihr bester Freund gewesen, ihr treuester Zuhörer, sie stritt nicht mit ihr, widersprach nicht, war immer für sie da. Wo sie wohl heute steckte?
Anne hatte plötzlich das innige Bedürfnis, sie ganz nah bei sich zu haben.
Ich hatte auch einige heiß geliebte Spielzeuge als Kind (Puppen waren weniger mein Ding, aber ist ja egal), und ich habe die auch teilweise aufgehoben und denke manchmal mit Nostalgie an sie zurück. Aber ich habe mir noch nie aus heiterem Himmel gewünscht "sie ganz nah bei mir zu haben". Viele Menschen haben irgendeinen kleinen Talisman, den sie in stressigen Situationen in die Hand nehmen, aber das ist wieder was anderes. Sich als erwachsene Frau plötzlich zu wünschen, man hätte die Puppe aus der Kindheit bei sich ... nee, das kauf ich dir nicht ab.
Es gibt häufiger so was in Horrorgeschichten, dass der Protagonist intensiv an etwas denkt, und das wird dann später in irgendeiner Weise relevant und rettet ihn am Ende. Stephen King macht das oft. Ich habe das Gefühl, du versuchst hier so etwas zu imitieren, ohne es aber wirklich durchdacht zu haben. Die Erinnerung an diese Puppe hilft deiner Protagonistin nicht und hat keine echte Bedeutung für die Geschichte, das führt nur dazu, dass man sich fragt, wie alt Anne eigentlich sein soll.

„Ziehen sie doch ihre Jacke aus, wenn ihnen warm ist“ Der Taxifahrer grinste.
Sie als Anrede immer groß schreiben (das muss im ganzen Text noch korrigiert werden)

Anne lief es eiskalt den Rücken runter. Zu scherzen war ihr gerade nicht zumute.
Warum? Vielleicht habe ich es ja verpasst, weil du die ganze Zeit was von Ponys und Kreditkarten und Puppen erzählt hast, aber nach meinem Eindruck ist bis jetzt nichts passiert, was so eine ängstliche Reaktion rechtfertigen würde. Der Taxifahrer riecht nicht gut und macht unlustige Scherze, das war bis jetzt alles. Das ist kein Grund für kalte Schauder. Wenn du willst, dass ich als Leser ein ungutes Gefühl bekomme, dann musst du dich darauf konzentrieren, eine entsprechende Atmosphäre zu schaffen.

Sie lenkte ihren Blick wieder auf die Puppe; diese baumelte leicht hin und her und grinste fröhlich an.
grinste fröhlich oder grinste sie fröhlich an.

Er lachte. Es klang wie ein schmerzender Husten. Sie schaute irritiert aus dem Beifahrerfenster und beobachtete die Schatten der Bäume, die in die entgegengesetzte Fahrtrichtung wanderten und fühlte, wie die Müdigkeit langsam immer mehr Besitz von ihr ergriff.
Adjektive und Adverbien sollten sparsam verwendet werden. Schau dir der Text auch in der Hinsicht noch mal an, da kannst du noch einiges an "Ballast" loswerden.

Das fröhliche Gesicht der Puppe hatte sich verändert; Jetzt starrte sie in das entsetzte Antlitz der Puppe.
Nach einem Semikolon wird nicht groß geschrieben. Abgesehen davon finde ich den Satz nicht so gelungen, es ist zweimal "der Puppe" drin, und das Wort Gesicht wiederholt sich nur deshalb nicht, weil du das altmodische "Antlitz" aus dem Thesaurus gekramt hast. Vorschlag: Das fröhliche Gesicht der Puppe hatte sich verändert. Jetzt zeigte es einen entsetzten Ausdruck. (oder so was in der Art).

Ihre Lippen zitterte, auf einmal war ihr eiskalt. Nervös zappelte sie hin und her.
Anne piepste, als sie einen erstickten Schrei ausstieß. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen glitschigen Aal in die Bluse gesteckt.
Das wirkt lächerlich. Ich muss ihre Angst ernst nehmen können, wie soll das sonst als Horrorgeschichte funktionieren? Ich hab das Gefühl, du hast Schwierigkeiten, weil deine Protagonistin eine Frau ist, und du bist keine, und du bist dir unsicher, wie du ihre Gefühle beschreiben sollst. Wenn das ein Mann wäre, würde er bei dir auch "piepsen" und "nervös zappeln"? Bestimmt nicht. Versuch es mal damit - stell dir vor, was du in dieser Situation empfinden und wie du reagieren würdest. Dann gelingt es dir vielleicht besser, Anne wie einen erwachsenen Menschen zu beschreiben und nicht wie die Karikatur eines kleinen Mädchens.

Er droch wie von Sinnen auf das Lenkrad ein.
drosch

„Aaahhh!“ Er schnaufte wie ein wild gewordener Silberrücken.
Aaahh! ist kein Schnaufgeräusch. :klug:

Auf dem Rücksitz des Autos saß ein Mädchen, etwa acht Jahre Alt.
alt klein

Es starrte Anne mit gequältem Blick an, ihr Gesicht war Aschfahl. Es weinte, Rotz lief ihr aus der Nase und die Augen waren rot und gequollen.
Du wechselst immer zwischen "es" für "das Mädchen" und "sie". Entscheide dich für eins. aschfahl klein.

Sie krallte sich mit ihren Fingernägeln in die Hände des Taxifahrers fest, sodass Blut in dünnen Rinnsalen auf denn Schalthebel tropfte.
den

Dann ließ er sie los und zog blitzschnell aus einer Hosentasche ein Klappmesser und lies es aufschnappen.
ließ

SCHNAPP!
Das ist kein Comic. Ich würde von "Geräuscheffekten" wie "Klick!" und "Schnapp!" abraten. Unter Umständen kann so was funktionieren, aber aus meiner Sicht eher in humorvollen Geschichten. Hier finde ich es fehl am Platz.

„Schnauze! Die beiden haben sich angesehen, als die Mutter starb, o ja. Und als sie tot war, war die Kleine dran, o jaaaa“
Der Taxifahrer wirkt allgemein schon nicht sehr glaubwürdig als geisteskranker Mörder. Aber dieses "O jaaa" macht es mir vollends unmöglich, ihn ernst zu nehmen.

Sie dachte an ihre Mutter, und an Cindy. Jetzt hätte sie sie am dringendsten gebraucht.
Warum? War Pfefferspray in der Puppe versteckt? Ich bitte dich, lass mir doch eine Möglichkeit, die Figur ernst zu nehmen.

Sie überlegte keinen Augenblick, jetzt oder nie, schnappte blitzschnell nach dem Stift und zog ihn mit der Geschicklichkeit eines Zauberers, der gerade einen Trick vorführt, aus der Tasche. Der Taxifahrer schnaufte überrascht, und stieß einen lauten, schrillen Schrei aus, als Anne ihm den Kugelschreiber in das linke Auge rammte.
Zaubertrick, hmm? Ist Anne der Joker? Einen anderen Grund, warum du ausgerechnet diesen Vergleich verwendest, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Das würde ich weglassen.

„Mist! Verfluchte Scheiße! Aaaahhh! Du Miststück! Ich kriege dich, und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du über die ganze Straße verteilt sein! Das schwör' ich dir! Na warte!
"Na warte" ist so was von nicht bedrohlich. Das rufen Eltern, die mit ihren Kindern fangen spielen. Das passt in dem Kontext wirklich nicht.

Filmriss.
Ich finde es nicht sinnvoll, für die letzte Etappe die Perspektive zu wechseln und aus der Sicht des Taxifahrers zu erzählen. Lass sie meinetwegen hinfallen und sich den Kopf verletzen, aber sie kann doch genausogut sehen, wie das kleine Mädchen zurückkehrt um sich zu rächen. Dafür brauchst du diesen Perspektivwechsel nicht.

Grüße von Perdita

 

Hallo Perdita,

erstmal ein herzliches Dankeschön für deine Zeit und Mühe!

Die ganzen angesprochenen Rechtschreib- und Zeichenfehler habe ich korrigiert, die inhaltlichen Vorschläge habe ich, soweit wie möglich, versucht zu berücksichtigen.

Du hattest Recht mit den unnötigen Textpassagen, die habe ich ganz gestrichen.

Wegen des Absatzes am Anfang: Da muss ich mir noch einen gelungereren Einstieg ausdenken - irgendwie fällt mir gerade keiner ein :)

Grüße von Gilead

 

Hallo, Gilead!

Deine Geschichte fand ich interessant.
Einige Fehler, besonders fehlende Kommas, hast du noch im Text. Schau noch mal solche Satzkonstruktionen wie Ich töte dich, Miststück! o.ä. Da hast du meistens Komma vergessen. Manchmal findet man auch doppelten Punkt, z.B. „Ich töte dich, Miststück!“.

Am Ende der Geschichte hatte ich mehrere Fragen: Was hatte Anne überhaupt für eine Rolle in der Geschichte? Wer hat den Taxifahrer getötet? Wenn Anne, - was hat sie dazu benutzt? Denn sein Messer war irgendwo im Auto verlorengegangen. Und Geister können keine Messer für etwaige Ziele benutzen und sie dazu noch zielgenau einsetzen.

Hier einige Stellen, die ich rausgesucht habe:

Als die Sonne schon untergegangen war, und der Himmel sich von einem kühlen Weiß-Blau in ein noch kühleres Dunkelblau verfärbte, schritt eine junge, schwer bepackte Frau durch die frische Herbstluft auf eine Reihe von Taxis zu.

Warum nennst du nicht sofort am Anfang den Namen der Prot.? Das Ende des Tages kann man dann später einfügen, sowie dass es Herbst ist: Durch Dialog mit dem Taxifahrer, oder einen Blick durch das Seitenfester des Autos.

„Guten Abend, Madame“, sagte der Taxifahrer. Seine Stimme war kratzig und rau, aber nicht unsympathisch.

Hier könnte man für WAR klang wählen, damit es im Text etwas Abwechslung gibt.

„Hinein mit Ihnen in die gute Stube“.

Dieser Satz ist für mich hier fehl am Platze.

Er stieg aus dem Taxi und ging zum Kofferraum des Wagens. Anne fiel auf, dass er humpelte, und er lud die Tüten ein. Als er fertig war, schloss er den Kofferraum und kehrte zur Fahrertür zurück. Er stieg ein und schloss die Tür.

Das Ganze kann man knackiger formulieren, so liest es sich irgendwie roboterhaft. Dazu gefällt mir der zweite Satz gar nicht.

Eine warme Welle unangenehmen Geruchs schwappte zu ihr rüber, irgendeine fiese Mischung aus Zigaretten, Alkohol und verfaulten Stofftiere.

StofftiereN

„Wohin soll’s denn gehenKOMMA Madame?“

Sie ließ ihren Blick durch das Taxi schweifen und entdeckte im Augenwinkel eine Stoffpuppe.
Sie hing am Rückspiegel des Wagens und baumelte hin und her wie das Pendel eines
Hypnotiseurs.

Die Puppe kann man doch sofort sehen, wieso denn Augenwinkel, sie hängt ja buchstäblich vor der Nase.

Ihr war heiß. Es ist so unbequem hier drinnen.

Vielleicht, WURDE?

„Ziehen Sie doch Ihre Jacke aus, wenn Ihnen warm ist“PUNKT Der Taxifahrer grinste.

Anne lief es eiskalt den Rücken runter. Der Taxifahrer wirkte zunehmend unsympatisch auf Anne. Zu scherzen war ihr gerade nicht zumute.

Zwei Mal Anne in so kurzen Abständen liest sich nicht so gut.
Hier verwendest du wieder das Adjektiv UNSYMPATHISCH (übrigens fällt hier ein H), dies könnte man schon als Ironie bezeichnen, da der Taxifahrer ihr am Anfang der Geschichte nicht unsympathisch war.

„Verzeihung, das habe ich nicht gewollt.PUNKT WEG“, sagte sie in einer eigenartig schrillen Tonlage.

„Macht nichts“, sagte er. “Ach übrigens: wir sind bald da. Wir fahren wir eine Abkürzung, wenn es ihnen recht ist. Spart so ungefähr zehn Minuten. Ist das okay für sie?“.

Ein WIR zuviel

Anne dachte darüber nach, ob diese Puppe,KEIN KOMMA dem Mädchen, dem sie gehörte (wenn sie denn überhaupt einem Mädchen gehört hatte) viel bedeutete.

Sie war frisch; sie lief ihr über die Wange bis in den verzogenen Mund, und hinterließ einen dunkelroten Streifen.

Hier würde ich Semikolon weg tun und SIE durch ein und austauschen.

Nein. Eine optische TäuschungKOMMA dachte Anne.

Dachte Anna kann eigentlich weg, davor hast du ja ihre Gedanken auch kursiv und ohne diesen Zusatz stehen.

Ihre Lippen zitterte, auf einmal war ihr eiskalt.

zitterteN

Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen glitschigen Aal in die Bluse gesteckt.

Ehrlich gesagt kann ich mir darunter nichts vorstellen. Ich meine, wie fühlt man sich, wenn so etwas passiert? Heißt das, sie war angewidert? Oder war sie unruhig?

„Es gibt keine Puppe, es gibt keine Scheißpuppe!“ beim letzten Wort schlug er mit der flachen Hand auf das Lenkrad.

Beim

Das Mädchen öffnete den MundKOMMA um zu sprechen.

Die Kühle Nachtluft strömte in ihre Lungen.

kühle

Ein schleimiges Geräusch.

Wie hört sich dieses Geräusch an? Ein bildlicher Vergleich muss her…

Blut schoss ihm aus der Wunde, er warf den Kugelschreiber weg.

Und wo ist das Auge, da müssen doch irgendwo Reste davon sein...

Er zuckte er vor Schreck zusammen und wurde starr wie eine Salzsäule.

Ein ER zu viel

Sein Herz hämmerte stärker und stärker, er versuchte zu Schreien, aber aus seiner Kehle drang nur ein ersticktes Wimmern.

schreien


mfg Geert

 

Hallo, ich bins nach langer Zeit mal wieder.

Ich habe zu Halloween auf meinem Youtubekanal HeimKinoDeluxe meine Kurzgeschichte als kleines Hörspiel veröffentlicht.

Ich hoffe, der ein oder andere findet es interessant und hört mal rein. :)

[ame="http://www.youtube.com/watch?v=O3FV6O5ZHkI"]HIER KLICKEN FÜR DAS HÖRSPIEL[/ame]

lg
Marvin

 

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