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Der Tag des ersten Donners
Der Tag des ersten Donners
„Papa! Papa!“ weckte ihn eine klare Stimme auf. Er sah einen kleinen Sonnenschein vor sich stehen, seinen kleinen Sonnenschein: zwei blonde Zöpfchen, ein paar süße Sommersprossen um die kleine Stupsnase und ein herzerweichendes Grinsen. Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus und er atmete die Frühlingsluft tief ein während er weiterhin auf einer mit Blumen gesprenkelten Wiese lag. Hinter seiner kleinen Tochter sah er nun auch die anderen stehen. Seine Frau, mit ihren schwarzen Locken, stand mit dem Rücken zum ihm und sein Blick blieb liebevoll einige Zeit bei ihr hängen, wobei er auch schamlos ihren Po betrachtete.
Ihm fiel auf, dass sie grade eine Decke für ihr Picknick ausbreitete, seine Mutter klappte gerade einen Korb auf, aus dem es nach Honig duftete. An einem Baum lehnend saß sein Vater, sein Gesicht blickte zufrieden in die Welt, seine schwere Krankheit sah man ihm in diesem Augenblick nicht an. Dem Blick seines Vaters folgend sah er wie die beiden Zwillinge tobend auf der Wiese Räuber und Soldat spielten. Ihre roten Haarschöpfe verschwanden hinter einem Hügel, als sein kleiner Sonnenschein diesmal etwas eindringlicher Papa sagte und endlich seine Aufmerksamkeit wollte.
Er erwachte. Der erfrischende Duft eines schönen Sommernachmittags war verschwunden, stattdessen hing abgestandener Schweiß in der Luft. Braune eintönige Zeltwände beherrschten sein Blickfeld und von rechts kam ein lautes grunzendes Schnarchen.
Ein Sonnenstrahl kitzelte sein Gesicht und hatte ihn wohl geweckt, er hörte die Vöglein den Morgen begrüßen und dachte an seinen Traum. Es war eigentlich gar kein Traum gewesen, denn vor etwa drei Wochen hatte er noch genau so einen Tag erlebt. Am selben Abend jedoch hatte ihn auch die Einberufung erreicht. Einmal mehr herrschte Krieg im Land. Er hatte sich tränenreich verabschiedet, mehrmals versprochen zurückzukehren und war dann in die Kutsche gestiegen, die ihn zu seinem Regiment brachte. Die Begrüßung litt wie immer unter der bedrückten Stimmung, zwar kannten sie sich alle und hatten schon mehr als einmal Seite an Seite gekämpft, doch waren sie alle keine Berufssoldaten. Ein jeder von ihnen hatte Familie zu Hause, dazu einen Hof oder ein kleines Geschäft. Sie waren einfach Leute aus derselben Provinz, im selben Alter und hatten zum größten Teil ihren Wehrdienst zusammen absolviert. 11 Jahren war das jetzt her. Drei Jahre musste jeder junge Mann seinem Land dienen. Drei Jahre trainieren und regelmäßig an Kämpfen, zumeist in Grenzkonflikten, teilnehmen. In einem kriegsgeprüften Land wie diesem, mit so vielen feindlich gesinnten Nachbarn musste jeder seinen Anteil zur Erhaltung des Friedens und zum Schutz der seinen beitragen, so hart es auch war und so ungern man es auch tat. Die drei Jahre waren die längsten und beschwerlichsten seines Lebens gewesen und er war froh sie überlebt zu haben. Doch seit damals hatte es auch noch zwei richtige Kriege gegeben, zu denen er auch eingezogen worden war. Die Ausbildung, seine Kameraden und eine riesige Portion Glück hatten ihn trotzdem immer wieder unbeschadet nach Hause gebracht.
Er schüttelte die Erinnerungen ab, versuchte noch einmal an seine Familie zu denken und stand auf. Als er aus dem Zelt trat, sah er, dass das Lager noch ruhig war, nur ein paar wenige waren schon auf den Beinen. Es war ein schöner Tag und er war innerlich sonderbar gelassen. Er dachte bei sich, dass es daran liegen musste, dass er bald wieder bei seiner Familie sein würde. Heute an diesem wunder schönen Frühlingstag sollte die entscheidende Schlacht stattfinden. Nach ein paar Scharmützeln in den letzten Wochen hatten sich die beiden Armeen nun auf den beiden sich gegenüberliegenden Hügeln dieses Tales aufgestellt und wollten es endlich hinter sich bringen. Ein Krieg war immer teuer und wurde nicht nur in Menschenleben bezahlt. Seine Kameraden und er selbst werden auf den Feldern gebraucht, die Aussaat war schon überfällig. Er sah zum anderen Hügel hinüber, auch dort herrschte noch Stille.
Ein Sonnenstrahl fiel ihm in die Augen und er zog sich die muffige Decke über den Kopf. Grummelnd wälzte er sich herum, so wie schon die ganze Nacht zuvor. Er hatte sehr schlecht geschlafen. Träume von der Geburt seines Sohnes und dem damit verbundenen Tod seiner Frau hatten sich mit solchen abgewechselt in denen er ihn fröhlich herumtollen sah oder in denen sie alle drei vereint waren. Mürrisch warf er die Decke beiseite, stand auf und streckte sich ausgiebig. Es stank erbärmlich und als er aus dem Zelt hinaus trat, sah er sich einem grauen und eintönigen Tag gegenüber. Die Sonne ging gerade auf, doch wollte sie der Szenerie des Lagers keine richtige Farbe spenden und auch die Vögel hörten sich etwas verstimmt an. War ja auch kein Wunder, wenn man bedachte, dass in ein paar Stunden das gräserne Tal unterhalb des Lagers voller Blut, Gedärme und anderen menschlichen Ausscheidungen sein sollte. Er lehnte sich leicht an die Zeltstange und versuchte seine Gedanken zu beruhigen, schließlich wollte er den Tag ja überleben. Er fing vorne an und dachte sich quer durch sein Leben, das half ihm immer sich zu fokussieren. Bei all den Problemen, die er hatte brauchte er Ruhe und Kraft, um seinen Lebensmut, seine Tatkraft für den Jungen nicht zu verlieren. Seine Kindheit war hart und kurz gewesen, er war mit Prügeleien und Vergewaltigungen und allem, was es eben in einem dreckigen Hafenviertel noch so gab groß geworden. Mit 17, nachdem ein unzufriedener Freier seine Mutter totgeprügelt hatte, hielt ihn dann nichts mehr. Sein versoffener Vater hatte sich eh einen Dreck um ihn und seine Mutter geschert, also lief er davon. Er trat der Armee bei und lernte einige Grundlagen, doch schon bald verstand er, dass die einfachen Soldaten in seinem Land als bloße Masse betrachtet wurden, als Schutzwall für Ritter, als Knochenmühle für die Feinde. Der Eintritt in die Akademie jedoch war für eine ungebildete Hafenratte wie ihn unmöglich. Zum Glück lernte er in dieser Zeit Sina kennen, seinen ganz persönlichen Engel, er verliebte sich sofort in sie. In ihr Gesicht, ihre Haare und Augen, ihren Humor und ihre Ansichten übers Leben, einfach alles. Sie war sein Ein und Alles. Es war nicht übertrieben zu sagen, dass sie sogar sein Leben gerettet hatte, so kurz wie er, dank einiger Schulden, davor gestanden hatte von der Unterwelt der Stadt verschlungen zu werden.
Sie zogen aufs Land zu ihren Eltern und heirateten. Danach kamen die beiden wunderbarsten Jahre seines Lebens, mit ehrlicher harter Arbeit auf dem Hof und gemütlichen Abenden, mit freundlichen Nachbarn und liebevollen Schwiegereltern. Mit der Geburt seines Sohnes endete diese glückliche Zeit. Es war eine schwierige Geburt und Sina starb an den Folgen zu hohem Blutverlustes. Kurz darauf verstarb auch Sinas Vater und die Pacht des Hofes verfiel. Also musste er sich mit seiner alten und kränkelnden Schwiegermutter und seinem kleinen blonden Buben durchschlagen. Er nahm jeden noch so schlechten Job an, um ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen, doch die hohen Steuern machten ihnen zu schaffen.
Als alleinerziehender Vater wurde er normalerweise auch nicht einberufen, doch dieses Mal hatte die Armee Nachschub Probleme und so wurde auch er zusammen mit vielen anderen abgeholt. Gerade in dieser Woche war der erste Schultag seines Sohnes und seine Schwiegermutter konnte kaum noch laufen. Vorgestern war er geholt worden und morgen war der erste Schultag. Irgendwie musste er auch völlig aus der Übung, ohne Vorbereitung diesen Tag überleben. Wer weiß, wie lange die Schwiegermutter noch sein würde. Sein Sohn wäre ganz alleine und er wollte ihm doch ein besseres Leben bieten, eines ohne die Schrecken der Straße. Doch bei einer so großen Schlacht, in der ersten Reihe, unvorbereitet, schlecht ausgerüstet und unter lauter fremden, ebenfalls unerfahrenen Kämpfern waren seine Chancen mehr als schlecht. Er hatte Angst um seinen Sohn, sein eigens Leben war ihm relativ gleichgültig und so blickte er traurig über das Tal hinweg Richtung Schicksal.
Der Morgen war an ihm vorüber geglitten. Er hatte sich gewaschen, etwas mit seinen Kameraden geplaudert, seine Ausrüstung kontrolliert und war schließlich gerade noch pünktlich beim Appell erschienen, weil er noch einmal zu seinem Zelt zurückkehren musste, um den Glücksbringer seiner Tochter zu holen. Es war ein kleiner Reif, den sie aus Blumen geflochten hatte. "Der ist dafür, dass die Blumenfee dich beschützt und du bald zu mir zurückkommst. Die Blumenfee ist meine Freundin und sie sagt, dass sie nie zulassen würde, dass meinem Papa etwas geschieht." Er hatte den Klang ihrer Stimme immer noch in den Ohren. Ihr Offizier hatte dem Trupp anhand einer Karte ihren Teil der Schlacht erklärt, sie mussten ja nicht alles wissen. Ihr Regiment gehörte zur dritten Phalanx. Das bedeutete großer Schild, langer Speer, erbitterte Gegenwehr. Sie wurden an der linken Flanke eingesetzt und waren dafür verantwortlich, dass die berittenen Bogenschützen sicher zu ihrem Einsatz Ort gelangen konnten. An seiner Flanke wurden keine starken Gefechte erwartet und in einer Phalanx war man für ein Schlachtfeld verhältnismäßig sicher. So hatte er es gelernt und so war es bisher immer gewesen. Getragen von den Gedanken an seine Familie war er heute gelassen durch den restlichen Morgen gegangen. Als zur Schlacht geblasen wurde, war diese Gelassenheit immer noch nicht verschwunden und das machte einen Teil von ihm stutzig. Er sollte Angst haben und aufgeregt sein, so etwas macht den Körper aufmerksam. Als sie in ihrer Aufstellungszone ankamen, betrachtete er noch einmal das Schlachtfeld. Er sah Blumen, Vögel und sogar einen Schmetterling und all dies erfreute ihn und brachte seine Gedanken einmal mehr zu seinem eigenen kleinen Sonnenschein. Zwar sah er auch die gegnerischen Truppen aufmarschieren, doch interessierten diese ihn eher wenig und er widmete sich wieder dem Schmetterling. Kurz landete dieser auf seiner Hand, direkt an dem rot, blau, gelben Blumenreif seines Sonnenscheins, den er sich um das Handgelenk gelegt hatte. Alles in allem war er gelassen und freute sich auf Morgen. Er sah sich schon in den Armen seiner Frau.
Der Morgen hatte sich nur so dahin geschleppt, alles wirkte irgendwie zäh und langsam und seine Bewegungen waren unkontrolliert und fahrig. Er war einfach zu müde und seine Alltagsprobleme, die ihm den Schlaf geraubt hatten, nahmen ihm nun auch noch seine Konzentration. Nachdem er sich etwas Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, hatte er versucht seine Ausrüstung zu kontrollieren, aber es blieb auch bei dem Versuch. Es mangelte ihm einfach an Übung und Erfahrung. Daher hatte er sie einfach nur angezogen, leichte Lederrüstung, Rundschild und Schwert. Leichte Infanterie eben. Die Lederrüstung hatte sogar schon ein Loch. Wahrscheinlich war das Loch sogar der Grund dafür, dass sie zur Verfügung stand. Mit etwas Fantasie hatte das Loch die Form eines Sterns oder einer Blume. "Was solls, der Blitz schlägt ja auch nicht zweimal im selben Baum ein", dachte er bei sich. Danach war er viel zu früh beim Appell erschienen. Von der Ansprache des Offiziers bekam er dennoch nicht alles mit. Er würde in einer der vorderen Reihen der Schlacht stehen, auf der rechten Flanke direkt den gegnerischen Infanteristen gegenüber. Er verfluchte Gott und die Welt für sein Leben und hasste sich dafür, dass er seinem Sohn kein Besseres würde bieten können. Der restliche Morgen verlief auch nicht besser. Die Schwertübungen, die er machte zeigten einmal mehr wie viel er vergessen hatte und seine Kameraden zu beobachten machte ihm auch keinen Mut. Es waren allesamt entweder Rekruten mit nicht abgeschlossener Kampfausbildung oder ältere Männer, die schon wider alles vergessen hatten. Er hatte Angst, Angst um seinen Sohn, Angst davor wieder einmal zu versagen, doch er wurde ruhiger. Die Angst half ihm jetzt kurz vor der Schlacht Aufmerksamer zu werden, ihm viel auf das er doch alles gehört hatte, was der Offizier gesagt hatte, denn ihm ging jedes Wort noch einmal durch den Kopf. Seine Hände hörten in dem Moment auf zu zittern, als er an seinem Platz ankam. Er stand einsam und alleine an vorderster Front, zusammen mit anderen, die eben so einsam und alleine waren wie er. Als er hinübersah, sah er noch mehr einsame Gestalten, Tausende von ihnen. Die Welt lag grau vor ihm, alles war zum Stillstand gekommen und er hörte nur noch seinen Herzschlag. Die Angst saß tief in seinen Knochen, es war so weit. Gleich würde auf dieser kleinen traurig wirkenden Wiese die Hölle losbrechen und er war mittendrin, einer der Ersten. Er sah zu Boden und wartete auf das Signal zum Angriff.
Er flog mit einer ganzen Schar seiner Brüder und Schwestern hoch über dem grünen Hügelland. Heute sollte ein Festtag sein. Unter ihm tummelten sich Abertausende von Menschen und viele Hundert Pferde. Auf ein solches Treffen konnte wie so oft zuvor nur eines folgen: unzählige Tote, die einfach zum Verrotten liegen gelassen werden würden. Ein Festschmaus für ihn und seine Freunde. Heute, da war er sich ganz sicher, würden es genug Tote sein, dass nicht einmal Streit ausbrechen würde. Weder zwischen ihm und seines gleichen noch mit den Wölfen oder anderen, die ebenfalls später zur Party erscheinen würden. Heute würde er sich einzig an saftigen Augäpfeln satt fressen. Er liebte es wie sie in seinem kräftigen Schnabel zerplatzten und ihr Saft dann seine Kehle herunter lief.
Es war eine alte Tradition seiner Art anderen die Arbeit zu überlassen. Sie waren zwar wenn es sein musste auch geschickte Jäger, aber die Jagt war doch eher etwas, an der nur der begrenzte Intellekt eines Adlers gefallen finden konnte. Warum sollte man sich der Gefahr aussetzen verletzt zu werden oder gar leer auszugehen, wenn man auch Futter haben konnte, dass sich nicht wehrte oder weglief. Nein, ein cleverer Vogel, wie er und seine schwarze Sippe, überließ die Arbeit anderen und wurde dafür sogar noch mit einer reicheren Auswahl an unterschiedlichen Sorten Fleisch belohnt. Seit Anbeginn der Zeit lockten Raben die großen, starken, aber körperlich wie geistig behäbigen Bodenräuber zu lohnenden Zielen, wie etwa einem lahmen Stück Wild oder sogar einem schon Toten. Bei Letzterem war es von Nöten, da ihr Schnabel leider nicht in der Lage war die Karkasse eines großen Tieres alleine aufzubrechen. Aber nachdem die plumpen Vierbeiner vollgefressen waren, blieb immer genug über für einen Boten des Todes.
Mit den Menschen ging dies sogar noch einfacher. So sonderbar sie auch aussahen, dumm waren diese Zweibeiner nicht. Leichter als Wölfe oder eine der großen Katzen verstanden sie es wenn man ihnen etwas Lohnendes zeigen wollte. Außerdem hatten sie die Gewohnheit mehr zu töten als nötig war und warfen später das würzige, gereifte Fleisch fort. Zumindest früher war das so gewesen. Heutzutage achteten die Menschen leider weniger auf die Hinweise, die man ihnen gab, sie waren einfach zu sehr mit sich selbst und ihrer Umgebung beschäftigt. Aber sie hatten auch daraus einen Nutzen ziehen können. Die Menschen sorgten nun eben unbewusst oder noch unbewusster für reichlich Nahrung. Die Jagt war nur mehr Unterhaltung für sie und Kühe, Schafe und Schweine hielten sie nah bei sich, um sie zu töten, wann immer es ihnen gefiel. So unziemlich das auch schien, für einen begeisterten Nekrophagen gab es immer genug zu futtern.
Wie er so seinen Gedanken über den Gang aller Dinge nachhing, kam Bewegung in die Reihen der Menschen. Langsam marschierten sie aufeinander zu, erste Pfeile wurden abgeschossen und die ersten Schreie erschallten. So vorteilhaft die Beziehung zwischen Raben und Menschen für die Raben auch war und so gerne sie auch an einem Fressgelage wie dem heutigen Teil hatten, zu verstehen war dieses Verhalten nicht. Warum sollten sich so viele Menschen hier treffen um sich gegenseitig umzubringen. Zumal die Überlebenden die Toten einfach liegen ließen. Sie aßen sie nicht und machten auch sonst nichts mit ihnen. Es war fast wie ein Geschenk oder eine Opfergabe, aber eine völlig übertriebene. Und sie töteten sich auch nicht einfach mit Krallen und Zähnen, sie hatten sich die unterschiedlichsten Tötungswerkzeuge gemacht. Auf ihre verdrehte Art waren sie die perfekten Jäger, reinste Killer.
Nun fing das Hauen und Stechen an. Es wurde gerufen, geschrien, aus Zorn, Verzweiflung und aus Schmerz. Doch dann erschütterte plötzlich ein donnernder Laut einen der Hügel und kurz darauf zerbarsten auf der Ebene einige der Menschen geradezu. Körperteile flogen durch die Luft und blankes Entsetzen mischte sich in die Schreie. Auf dem Hügel standen einige metallene Röhren. Nacheinander gaben sie diese schrecklich lauten, markerschütternden Laute von sich. Rauch stieg aus ihnen empor, die Luft begann nach Schwefel zu riechen. Und auf der Ebene brach das pure Chaos aus. Immer mehr Menschen wurden von jetzt auf gleich zerrissen, in blutige Massen zerfetzt. Die Umstehenden drängten zurück, andere drängten weiter vor. Viele wurden niedergestoßen und zertrampelt. An andere Stelle wurde noch gekämpft, Pferde galoppierten mit den auf ihnen sitzenden Menschen den Hügel in Richtung der neuen Todbringer empor. Doch auch in ihren Reihen blühten plötzlich Tod und Zerstörung auf. Das viele Blut und die Schreie ließen die Pferde bocken und schon bald stoben sie in alle Richtungen auseinander.
Das heutige Massaker war viel schneller vorbei als üblich. Ein Teil der Menschen zog sich bald in wilder Flucht zurück, der andere Teil brach in Jubel aus und blieb eine Weile auf dem Feld. Nach und nach verstummten die Rufe, die freudig erleichterten wie die angsterfüllten. Es wurde eine Zeit lang geplündert, aber schon bald zogen sich auch die siegreichen Menschen zurück. Beklommener als üblich.
Bei einem niedrigeren Überflug sah er einen älteren Mann, an dessen Schultern allerlei Metall glänzte. Er war einer der Letzten, die noch auf dem Schlachtfeld waren. Schweigend starte er von einem Hügel in die Ebene hinab, den Blick auf all die Toten gerichtet. Tränen rannen ihm die Wangen hinab.
Die Sonne schien freundlich und wärmend. Vom Talgrund stieg Rauch auf und mischte sich mit dem Nebel, der nun aus den klammen Wiesen kroch. Die Szene hatte etwas Mystisches. Die Menschen hatte ihr Werk getan und den Raben ein Fest beschwert. Seine Brüder und Schwersten eröffneten rufend den Schmaus. Langsam segelten immer mehr von ihnen hinab und machten sich über die ersten Augen her. Er selbst drehte noch eine letzte Runde über diesem seltsamen Tal. Ihn beschlich das Gefühl etwas Bedeutendem beigewohnt zu haben.
Eine Weile später hockte er aber auch auf der Brust eines Toten, dessen Unterleib in Fetzen hing. Dadurch würde es nachher leichter sein an das noch warme Fleisch zu gelangen. Aber zunächst wollte er sich ein Auge genehmigen, also hüpfte er weiter zum Kopf. Der Arm des Toten hielt immer noch seinen spitzen Stock umklammert, der sich in die Brust eines anderen Menschen bohrte. Die Spitze war in die Brust des Anderen eingedrungen, mitten durch ein blumenförmiges Loch, dass nun vom Blut rot gefärbt, zu erblühen schien. Dem Mann mit der Blüte fehlte der gesamte linke Arm, wie abgerissen lag er einige Meter weiter.
Als er nun im Gras vor dem Kopf saß, sah er wie das Schwert des blühenden Mannes schräg aus dem Auge seines erwählten Mals ragte. Beide Köstlichkeiten waren geplatzt. Leicht verärgert wandte er sich um, der andere Mann hatte aber noch beide Augen. Auf dem Boden zwischen den beiden Männern lag eine Reihe echter Blumen aneinander gekettet im Gras...