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Der Tag der Kröte

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12.07.2002
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Der Tag der Kröte

Das Licht, das hier herein wollte, hatte einen weiten Weg: Es musste von dort, wo es die Reichen und die Glücklichen erfreute, erst einmal den Weg in die Unterstadt finden. Dann in die Gasse hinein und dort die Wand des gegenüberliegenden Hauses emporklettern; nun ging es über große Stellen, von denen der Putz gefallen war, und Risse hinweg, und ein Sprung von drei Metern, der die Gasse überbrückte, brachte es vielleicht durch die Schmutzschicht auf meinem Fenster und zwischen den Ritzen der Jalousien hindurch, die stets heruntergelassen waren. Ich hatte gelernt, wie beruhigend Dunkelheit ist, wenn man einen Raubüberfall plant, und je mehr Zeit verstrich, desto mehr Beruhigung konnte ich gebrauchen.

Das bisschen Helligkeit, das es tatsächlich bis in meine Dachkammer schaffte, brach sich auf der glasierten Oberfläche meiner Neuerwerbung und brachte so in der Dunkelheit meiner Stube ein Juwel zum Funkeln. Der Anblick faszinierte mich so sehr, dass ich die Augen kaum von der Keramik lösen konnte. Aber es war weder ihrer glatte Oberfläche, die in einem Spektrum lebendiger Nuancen von kaltem Blau- bis zu leidenschaftlichem Grasgrün gestaltet war und mit verblüffender Detailversessenheit Warzen, Falten und Hautstrukturen der Tiere nachbildete, noch ihre meisterhaft kühn geschwungenen Linien, die mich fesselten, sondern ihre Bedeutung für das Ritual, dessen Zeitpunkt greifbar nah war. Ich drehte die Keramik um, aber auf ihrer Unterseite war kein Fabrikationshinweis zu finden. Die kleine Plastik, die zwei kopulierende Kröten darstellte, wirkte alt, aber tadellos erhalten.
Ich stellte die Figur auf meinen Schreibtisch, und ein Stapel Bücher und Aufzeichnungen ging zu Boden, wo frühere Lawinen dieser Art bereits unordentliche Haufen bildeten - die Endmoräne der rituellen Magie. In ihren Schichten verbargen sich Fossilien von unschätzbarem Wert, Schriften Bardons, Fortunes, Levis, Wirths, Regardies; nicht nur die Werke, die mittlerweile in jeder größeren Buchhandlung bereitgehalten wurden, sondern auch einige seltene Abschriften apokrypher, zugeschriebener oder nur für internen Gruppengebrauch bestimmter Texte, die Schlüssel zu den oft schwer zugänglichen veröffentlichten Schriften enthielten. Levis dunkles, andeutungsvolles Geraune, das mehr verschleiern als offenbaren wollte, wurde so klar, dass ein sechsjähriges Kind es verstehen konnte, wenn man über die geheimen Unterweisungen seines Schülers de Guaita verfügte. Ich tat es.
Ich gelangte an jedes Dokument, das ich für mein Ritual benötigte, als ob eine unsichtbare Hand mich mit sanftem Druck lenkte; tatsächlich hatte ich diese Kräfte in mir selbst erweckt, indem ich mich mit aller Entschlossenheit auf das eine Ziel konzentrierte, diesen schimmligen, Geist und Körper gleichermaßen tötenden Armutspferch, in den ich eingesperrt war, für alle Zeiten hinter mir zu lassen. Die Krötenplastik war der Schlussstein meiner Vorbereitungen, denn in ihr hatte ich ein Symbol gefunden, das meinen Altar vollendete. Das Ritual würde mich am Tag des Überfalls unbesiegbar machen.

Das Plärren des Fernsehers bildete wie jeden Abend die Hintergrundmusik zu meinen Vorbereitungen. Er lief der Nachbarn wegen; ich hatte mich inzwischen weit genug von der Normalität der Menschen entfernt, um auf solche Vorspiegelungen Wert legen zu müssen. Ein lärmender Fernseher erschien mir normal genug, um sie über das, was ich abends trieb, zu täuschen. Gelegentlich ließ ich einen Müllbeutel im Flur stehen, in dem ein paar leere Bierdosen zu sehen waren; solange sie sich für so scharfsinnig hielten, dass sie mir und meinem heimlichen Saufen auf die Schliche gekommen waren, würden sie bedingungslos daran glauben. Und solange sie glaubten, dass ich mich abends vor der Glotze besoff, um dann ins Bett zu gehen, würden sie mich für harmlos halten.
Harmlos! In ein paar Tagen würde ich ein Mörder sein.

Die Krötenplastik musste vorbereitet werden, und heute abend würde es geschehen. Später, wenn der Fernseher abgeschaltet und meine Nachbarn im Bett waren. Für die Weihung waren Stille und Kontemplation nötig, und Unterbrechungen konnte ich nicht gebrauchen.
Die letzte halbe Stunde hatte ich damit verbracht, meine Waffen zu überprüfen, eine automatische 45er Colt und eine Heckler & Koch-Maschinenpistole, die in eine Umhängetasche passte. Nun glotzte ich stumpf auf die bunten, zappelnden, Belanglosigkeiten stammelnden Körper auf dem Bildschirm, bis sich die Leere einstellte, die ich für meine Vorbereitungen brauchte.
Ich schaltete den Fernseher ab und begann ein Mantra zu sprechen, während ich ein dunkelblaues Ritualgewand anlegte und die Krötenplastik in den kleinen Verschlag trug, den ich als Altarraum hergerichtet hatte.

Die Reihenfolge der Ereignisse war so klar und logisch, dass ich darin die Handschrift höherer Mächte zu erkennen glaubte. Solange die arabische Friedensdelegation zu Besuch war, befand sich die Stadt im Belagerungszustand, und jeder Zweite auf der Straße würde ein Polizist oder ein Agent sein. Buchstäblich jeder Gullydeckel und jeder Laternenpfahl in der Stadt wurde auf Sprengfallen untersucht und verplombt. Unmöglich, in dieser Zeit einen Geldtransporter zu überfallen. Unmöglich, in dieser Zeit nicht verdächtig zu wirken.
Es war mir gleichgültig, ob es den Delegierten auf dem Treffen gelang, den bevorstehenden Krieg im Nahen Osten zu verhindern. Aber nach der Abreise der Araber kamen zwei Umstände zusammen, die für mich wichtig waren:
Erstens würde die Polizei für ein paar Tage die Zügel schleifen lassen. Nach einer Woche Hochspannung würden sie in Katerstimmung sein. Keine Kontrollen mehr auf der Straße.
Zweitens würde eine Truppe märchenhaft reicher Ölscheichs eine Menge Geld in der Stadt lassen, und ich wusste, wo zumindest ein Teil davon landen würde - und wann er dorthin transportiert werden sollte. Der Transport fiel auf den Tag nach der Abreise, den Tag, an dem die gestressten Bullen das größte Ruhebedürfnis hatten. Es würde keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen geben, und das Ritual würde meinen Erfolg sichern.
Wie für mich gemacht.

Mein Atem ging langsam ein und aus, und meine Hände strichen über die Plastik. Wie glatt die Oberfläche war, wie reich die Fülle von Details! Ich hörte meine Stimme die heiligen Namen Cheseds intonieren und erzeugte in meiner Vorstellung Bilder verschwenderischen materiellen Überflusses. Die Kröte war ein Tier des Erdelements und in der Lage, Reichtum anzuziehen. Ich visualisierte ein unendliches Meer aus Krötenlaich, Millionen fruchtbarer Zellen, jede ein Leben darstellend, und mein Geist öffnete sich für die Vorstellung grenzenloser Möglichkeiten. Ich ließ den Laich in goldenem Licht erstrahlen. Die Gesichter der Kröten waren konzentriert, ihr Blick nach innen gerichtet; sie waren völlig in ihr Tun vertieft wie Teilnehmende an einem tantrischen Ritus, zwei Adepten in der Ausführung eines magischen Aktes. Ich wiederholte die heiligen Namen, um die Kraft herabzuziehen, die mir zu Reichtum und Ansehen verhelfen würde.
Die Luft entwich pfeifend aus meinen Lungen, als ich eine geistige Präsenz herannahen fühlte, so stark, wie ich sie noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Monatelang hatte ich nichts anderes im Sinn gehabt, als mich auf eine solche Begegnung vorzubereiten, und nun fühlte ich mich nichts weniger als vorbereitet. Fühlte es sich so an, wenn ein Gott sich zu einem Menschen herabbeugte?
Etwas umfing mich wie der Griff einer riesenhaften Hand, und die Vorstellung unendlicher Fülle zerstob, als die Wesenheit in meiner Wahrnehmung zu einer derart gigantischen Gestalt heranwuchs, dass sie mein gesamtes Bewusstsein bis in den letzten Winkel ausfüllte. Ich empfing keine Offenbarung und keine visuelle Vorstellung der Wesenheit, aber etwas wie ein wohlwollendes sardonisches Lächeln und einen wortlosen, archaischen Segen, ein Angenommenwerden, das jede einzelne Zelle meines Körpers zum Singen brachte.

Nach der Weihung der Krötenplastik lag ich für Stunden betäubt auf dem Boden meiner Altarnische, während Kerzen und Räucherwerk zu Stummeln und Aschehäufchen herabbrannten. Als ich wieder zu mir kam, war mir, als ginge ein inneres Leuchten von mir aus; ich hob die Hand vor die Augen, sah aber nur ihren vagen Schattenriss vor dem gestreiften Karree meines Dachstubenfensters.
Es war tiefe Nacht. Körperlich zerschlagen, aber mit einem rauschhaften Hochgefühl wischte ich die Zeichen und den Kreis fort, verstaute die geweihte Plastik in einem Verschlag, der mit Seide ausgekleidet war, legte das Ritualgewand ab und fiel erschöpft auf mein Bett, wo ich nur noch für einen Gedanken Zeit hatte, bevor ich in einen totenähnlichen Schlaf fiel:
Es ist zu mir gekommen. Es ist zu mir gekommen und hat mich berührt!

Spät am Mittag erwachte ich. Obwohl ich jeden Knochen in meinem Leib spüren konnte, war ich voller Tatendrang, also rasierte ich mich und zog frische Sachen an, um mir in der Stadt die Vorbereitungen für den Empfang der arabischen Delegation anzusehen. Duftend, gekämmt und gutgelaunt öffnete ich den Verschlag, in dem die Krötenplastik ruhte. Ich hielt ihr die Handflächen entgegen und konnte deutlich die Kraft spüren, die von ihr ausging. Die Aufladung war gelungen; in drei Tagen, wenn Jupiter am Himmel den Ort erreichte, an dem zu meiner Geburt die Sonne stand, war der Zeitpunkt für mein Ritual gekommen. Zwei Tage später würde die arabische Delegation die Stadt wieder verlassen, und vom nächsten Tag an würde mein Leben für immer in anderen Bahnen verlaufen.
Ich schloss den Verschlag, warf mir eine leichte Jacke über und tanzte pfeifend das Treppenhaus hinunter in einen Tag, der lang und verheißungsvoll vor mir lag.

In den nächsten drei Tagen gelang es mir nicht, gelassen zu bleiben, so sehr ich mich auch anstrengte. Ich meditierte, dann nahm ich meine Waffen auseinander, reinigte sie, lud sie, entlud sie, stellte mir den kommenden Reichtum vor, meinen Aufbruch in ein goldenes Zeitalter, betete wieder um Gelassenheit und prüfte nochmals meine Waffen. Pingelig hielt ich meine Mahlzeiten und meine Ruhezeiten ein, so dass die Tage wie von einem höheren Plan gesteuert verliefen. Die Spannung in mir nahm stetig zu, als habe die Anspannung der Stadt, der Welt, die in den nächsten Tagen eine Entscheidung über Krieg oder Frieden erwartete, in mir einen Brennpunkt gefunden, der mich aufglühen ließ wie einen Funken Zunder. Nun, über Krieg und Frieden entschieden andere; sollten sie die Weltgeschichte verändern - ich war zufrieden damit, meine eigene Geschichte neu zu schreiben.

Als der Abend des Rituals gekommen war - die Planetenkonstellation, die meinen Erfolg symbolisierte, würde wenige Minuten vor zwei Uhr früh in der Himmelsmitte stehen - war ich von einem tiefen Gefühl der Verbundenheit erfüllt. Alles, was ich nun tun musste, hatte ich im Geiste vorher so oft geprobt, dass die Räucherungen, die Rezitation der Beschwörungstexte, die Intonation der heiligen Namen, das Umwandeln und Ziehen des Kreises, das Anbringen der Zeichen wie in Trance vonstattengingen, während ich mein Bewusstsein fest auf die Ausstrahlung der Wesenheit konzentrierte, die mich Tage vorher berührt hatte. Nicht die geringste Ablenkung schwächte meine Konzentration.

Ehrfürchtig entnahm ich dem Schrein die Krötenplastik, die ein tiefes Summen und einen schwachen Geruch von Ambra und Zimt zu verströmen schien. Ich hielt sie mit beiden Händen vor mich und stellte sie in die Mitte des Altars.
Kerzen und Räucherwerk erloschen wie von einer unsichtbaren Hand erstickt. Mein Mund formte Worte, die ich nicht kannte und die meine Zunge und meinen Gaumen zu schmerzhaften, ungewohnten Bewegungen zwangen. Sie hatten nicht das geringste mit den Anrufungen zu tun, die ich kannte. Entsetzt sah ich zu, wie meine Füße den Kreis zerstörten und die heiligen Zeichen verwischten, die mich schützen sollten, während mein Atem in sinnlose, harte, kratzende Silben zerhackt wurde, die sich kantig wie Grubenschotter durch meinen Rachen drängten. Ich schrie vor Angst und Schmerz auf, doch mein Schrei ging unter in der barbarischen, plappernden Flut, die ich von mir gab.
Dann zog sich die Welt mit einem scharfen Ruck zusammen und kippte unter mir fort ins Leere.

Ich schwebte. Der Raum um mich herum war von Klagelauten erfüllt, die von weit her kamen und meine eigenen Gefühle zu spiegeln schienen. Ich erkannte die Präsenz wieder, die mich beim Eintritt in das, was ich für die Sphäre Cheseds gehalten hatte, begrüßte. Sie war unendlich viel mächtiger und kraftvoller, als sie mir bei der ersten Begegnung erschienen war. Stück für Stück nahm ich die gewaltige Größe dieser Wesenheit in meinen Geist auf, bis sie mein Fassungsvermögen völlig überstieg. Ich begann zu schreien, und bis zu diesem Augenblick hat mein Schrei nicht wieder aufgehört.
Die Wesenheit besaß eine Gestalt, die grenzenlos zu sein schien, und ihr Blick, der mit vernichtender Gewalt mein Innerstes traf, entstammte dem monumentalen Gesicht zweier übereinanderstehender Krötenköpfe.
Die Wesenheit befasste sich nicht lange mit mir. Ich begriff, welches Schicksal sie mir zudachte. Mehr war nicht nötig zu wissen.

Als ich wieder zu mir kam, war ich über die Toilettenschüssel gebeugt und würgte so heftig, dass es mich fast zerriss. Endlich zwängte sich ein glitschiger Klumpen durch meinen Hals und landete im Wasser. Es war eine Kröte.
Das Tier kletterte an der glatten Porzellanwand empor und hüpfte über den Rand, während mein Würgen kein Ende nahm. Schwallweise würgte ich die Tiere hervor, eins, dann zwei, dann Dutzende, ohne Pause, außer um schluchzend nach Luft zu ringen.
Langsam begann sich das Zimmer mit Kröten zu füllen.

Meine Waffen sind bereit. Ich blicke auf den Fernsehschirm. Da sind sie; ich kenne den Platz.
Sie schütteln einander die Hände. Blitzlichter.
„Der Tag der Taube“, steht auf einem Transparent.
Das Bild zeigt für ein paar Sekunden einen Polizisten. Eine Kröte hüpft auf den Bildschirm und bleibt neben seinem Gesicht hocken. Er blickt mich an, lächelt, als würde er mich erkennen.
Mein Meister wird mich zu ihm führen, und er wird es sein, der mich durchlässt.

[ 03.08.2002, 13:48: Beitrag editiert von: Jimi ]

 

Hallo Jimi,

krasse Geschichte. Krass und gut. Es hat Spaß gemacht, sie zu lesen, wenngleich mir manche Absätze aufgrund der Fülle der (mir) ungewohnten Begriffe (tantrisch, Adept, sardonisch, Ambra etc.) etwas schwergefallen sind.

Kannst Du mir erklären, was die "Endmoräne der rituellen Magie" ist? Moräne kenne ich ja im Zusammenhang mit einem Gletscher, aber ...

Im zweiten Absatz ist ein kleiner Tippfehler: "Aber es war weder ihrer glatte Oberfläche..." >>> "ihre"

Kurze Frage zum viertletzten Absatz:
"Mein Mund formte Worte, die ich nicht kannte..." >>> Kannte er die Worte nicht oder kannte er ihre Bedeutung nicht?

Gruß

Christian

 

Hi Jimi,

ich persönlich konnte mit deiner Geschichte nicht soviel anfangen.
Sprachlich und stilistisch gesehen kann ich wirklich nicht meckern.
Da hast du nämlich echt was auf dem Kasten!

Was mich an deinen vielen "Fachbegriffen" in dieser Story gestört hat ist folgendes.
Ich habe in der gesamten Geschichte keinen richtigen Bezug zu dem Protagonisten aufbauen können.
Vielmehr war es für mich ein Blitzgewitter aus Gedanken, Visionen und spiritistischen Ritualen.

Für mich fehlte einfach die Spannung und eine gewisse Nähe zu den Charakteren bzw dem Protagonisten.

Ich glaube einfach diese Story ist ganz klar eine Geschmackssache.
Deine Sprachlichen Mittel und dein Satzbau sind jedenfalls top...obwohl ich grade zu anfang einige Sätze als viel zu überladen empfand.
Fängt an bei dem Licht, das seinen Weg in das Zimmer des Protagonisten sucht.

Hier noch eine Frage zum Schluss, glaube da nämlich nicht ganz hinter gestiegen zu sein.
Was bezwecken die ganzen Frösche die er da auswürgt?
Hat sie dieser "Gott" geschickt um ihn bei seinem Überfall zu helfen?
Das hab ich irgendwie nicht ganz gerallt, wäre dankbar für eine kurze Erläuterung!

Ansonsten hoffe ich das deine nächste Story wieder so "knackig" wird wie die mit Antef!
Da hat mir dein Erzählstil nämlich um einiges besser gefallen!

 

Hallo Jimi,
leider muß ich mich der Kritik von Anima anschließen.
Ich bin nicht so DER Horrorleser und das ist es wohl auch.
Vom Ausdruck her: Hut ab.
Hab’s aber nicht bis zum Ende geschafft.
Gruß Manfred

 

Hallo Jimi,

sehr sprachgewaltig geschrieben, aber leider hat diese Story mich nicht so richtig erreicht. Jeder Satz ist eine Herausforderung, fordert beim Lesen ungeheure Konzentration. Hierdurch verlierst du die Leser. In diesem Falle wäre weniger mehr.
Auch sind die Handlungen des Protagonisten nicht nachvollziehbar. Was sind seine Motivationen, was bezweckt er. Er ist in einem rauschähnlichen Zustand, weil er durch ein Ritual berührt wurde. Am Anfang sprichst du von einem Raubüberfall, den er nach dem Besuch der arabischen Friedensrelegation durchführen möchte. Wozu benötigt er dieses Ritual? Weiß er um die Konsequenz? Ein Haufen Kröten, die er auskotzt. Wenn ja. Was will er mit diesen Kröten? Wie können die ihm behilflich sein?
Oder liegt er einem Irrtum auf? Haben diese Kröten nur einen Dummen gefunden, der sie auskotzt, damit sie die Weltherrschaft erlangen?

Man erfährt einfach zu wenig über das Ritual und den Sinn dahinter. Auch die Motivation des Protagonisten kommt zu kurz.

 

Hi Leute,

ich hab die Geschichte auch deswegen hier reingestellt, weil ich nicht recht einschätzen konnte, wie sie wirkt. War mir komplett unschlüssig darüber, ob der etwas überladene Stil nicht doch a bissl anstrengend ist. Und ich war mir nicht sicher, ob die Plotlogik funktioniert, die im Grunde vier verschiedene Stränge hat (den Überfall - das Ritual - die Delegation - der Hintergrund des Protagonisten), was sich für mein eigenes Gefühl ein wenig holprig zusammenreimt. Ich denke, eure Reaktionen haben mir gezeigt, dass ich das halbwegs richtig eingeschätzt habe. Zu euren Fragen/Anregungen:
"Endmoräne" sind diese Spuren, die Gletscher bei ihrer Wanderung hinterlassen. Ich hoffte, dies sei ein aussagekräftiges Bild für das langsame, zähe und unbeirrbare Forschen des Protagonisten in der rituellen Magie. Die Bücher liegen bei ihm übereinander herum wie in geologischen Schichten.
2. Er kannte weder die Worte noch ihre Bedeutung ("barbarische Namen" ist in der Literatur eine Bezeichnung für die unverständlichen Anrufungstexte).

ANiMA: Der Typ ist total durchgeknallt und denkt entsprechend kraus. Der lange Abstieg des Lichts in seine kümmerliche Bude zu Beginn der Story soll einen Gegensatz zu dem kometenhaften Aufstieg bilden, den er im Sinn hat. Die Frösche, die er rausreihert, haben mit der eigentlichen Aussageabsicht zu tun, die ich, glaube ich, nicht deutlich genug rübergebracht habe:

Im Grunde wird in der rituellen Magie, die er zitiert, eine Vereinigung mit den ordnenden Kräften des Kosmos angestrebt. Das soll der persönlichen Fortentwicklung des Magiers (=Adepten) dienen. Das hat der Typ komplett missverstanden. Für ihn geht es um Macht und Zerstörung. Relativ folgerichtig landet er nicht da, wo er hinzielt, sondern bei einem chaotischen Dämon, der eben diesen Kräften dient.
Die Kröten sind a) ein Bezug auf die "dienstbaren Geister", die spiritus familiaris, die in Mittelalter und Neuzeit den Magiern beigesellt wurden (s. "Faust", "Simplicissimus", b) wollte ich in einem Bild ausdrücken, dass Menschen, die von diesem Dämon besessen sind, dazu neigen, die Welt mit üblen Äußerungen aller Art zu überziehen. "Nicht was durch den Mund eingeht, macht euch unrein, sondern das, was hinausgeht".
Hart, ne? Muss man wirklich erstmal drauf kommen, deshalb denke ich, ist die Story nicht unbedingt die gelungenste - eine Geschichte, die man erst erklären muss, hat IMMER schwerwiegende Mängel.

André: Seine Motivationen hoffte ich erklärt zu haben - raus aus der Armut, mit allen Mitteln, auch indem man den Tod anderer in Kauf nimmt. Das Ritual soll ihm Unbesiegbarkeit verleihen und Kräfte des Reichtums anziehen. Die Kröten, die er auskotzt, beschreiben seine Inbesitznahme durch den Dämon. Dem geht es nicht um Weltherrschaft, sondern schlicht und einfach um einen Anschlag auf die Friedenskonferenz, damit es mal wieder kräftig rappelt im Karton.

Das ist nicht unbedingt leicht aus der Geschichte rauszuholen. Vielleicht stelle ich demnächst ein Rewrite der Story rein, das etwas mehr auf den Punkt geschrieben ist.

Habt Dank für eure Kritik, Leute!

[ 05.08.2002, 13:47: Beitrag editiert von: Jimi ]

 

Hallo Jimi,

da hast Du ja quasi eine ganze "Enzyklopädie" nachgeliefert.

Von dem, was Du darin erklärst, ist für mich beim Lesen der Geschichte vieles nicht rübergekommen. Ich finde allerdings, dass man nicht alle Details wissen bzw. erklären können muss, um dem Fortgang der Geschichte folgen zu können. Für mich war der Protagonist ein "durchgeknallter Typ", der sich auf etwas einläßt, von dem er eigentlich keine Ahnung hat. Er hat etwas vor und meint, von dunklen Mächten Hilfe zu bekommen. Er merkt dabei gar nicht, dass und wie er benutzt wird.

Wenn Dir allerdings daran liegt, dass Deine nachgeschobenen Erläuterungen in der Geschichte rüberkommen, dann müsstest Du einiges überarbeiten. Wäre die Arbeit vielleicht wert. Denn, wie ich schon beim ersten Mal gesagt habe, mir hat die Geschichte und die "krasse" Darstellung des Protagonisten und seiner Denk- und Handlungsweise eigentlich ganz gut gefallen.

Gruß

Christian

[ 06-08-2002, 18:56: Beitrag editiert von: criss ]

 

Hi Jimi!
Kann mich im Grunde meinen Vorrednern nur anschließen.
Sprachlich sehr gut bis leicht überzogen, verbirgt die Geschichte ihre inhaltlichen Mängel bezüglich der Umsetzung Deiner Idee.
Denn auch ich wäre nie darauf gekommen was Du uns wirklich erzählen willst.

Ich dachte, der Mann will einfach nur einen Geldtransporter mit der Unterstützung der Krötenmacht überfallen und dass die Beschwörung dann schließlich schief geht und er dadurch an Kröten erstickt. Daher verwunderte mich auch der letzte Absatz extrem.
Aber nungut..

Würde mich interessieren was Du doch noch aus der Geschichte rausholst, wobei meiner Meinung nach Deine ganzen Ideen in einer Kurzgeschichte schwer umzusetzen sind. Wird wahrscheinlich zumindestens eine lange Shortstory werden müssen.
Bau etwas mehr über den Krötenkult ein, achte auf den Spannungsbogen und Deine Wortwahl (auch mich haben die Fremdwörter ab einer gewissen Grenze gestört). Außerdem kommen einige Wörter wie z.B. "Fülle" und "Oberfläche" doch relativ häufig vor, vielleicht kannst Du hier ja noch etwas mehr variieren.

Aber insgesamt hat mir die Geschichte doch ziemlich gut gefallen, auch wenn die dann stattfindene und realtiv kanpp beschriebene letzte Beschwörung in Bezug auf die "Vorgeschichte" etwas zu kurz ausfiel.
Setz Dich noch mal dran, viel Glück und Spaß dabei!

Ugh

 

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