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Der Tag danach

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19.08.2001
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Der Tag danach

Als ich aufwachte, dachte ich für einen kurzen Moment, ich wäre gestorben. Für einen kurzen Moment spürte ich meinen gesamten Körper nicht und weißes Licht blitzte permanent vor meinen Augen auf. Ich hatte die Augen geöffnet, war aber vorerst nicht imstande mich zu bewegen und beschloß daher mich umzusehen. Okay, zumindest lag ich in meinem Schlafzimmer. Da drüben hing das Fight Club Poster mit dem guten alten Edward Norton und seinem Kumpel Brad Pitt. Daneben hingen ein paar Fotos von mir beim Snowboarden und Skaten. Okay.

Es vergingen einige Minuten, ehe ich den ersten Versuch unternahm, mich zu bewegen. Der Schmerz rollte auf mich zu wie ein Laster und begrub mich unter sich. Die Blitze wollten nicht aufhören mich zu blenden. Ich hatte das Gefühl, als hätte mir jemand den Schädel aufgesägt, Säure hineingegossen und wieder zugemacht. Nach einer kurzen Pause konnte ich mich schließlich aufrappeln und aufrecht hinsetzen. Alles verschwamm vor meinen Augen und ich hatte plötzlich das Gefühl, als müßte ich jeden Moment kotzen. Unter großer Anstrengung schaffte ich es schließlich aufzustehen und zur Schlafzimmertür zu gehen. Auf halbem Wege schoß mir der Saft heiß und ätzend die Kehle hoch und landete prasselnd auf dem Parkettboden. Ich lehnte mich ein paar Minuten an die Schlafzimmertür um wieder zu Kräften zu kommen, ehe ich weiter ins Bad schlich um mir eine kalte Dusche zu verpassen.

Als ich vor dem Spiegel stand kam mir das Grauen. Ich hatte noch nie im Leben so schlecht ausgesehen. Ich hatte dunkle Ringe unter den geröteten Augen, getrockneter Rotz klebte auf meinen Nasenflügeln und Erbrochenes klebte an meinem Kinn. Ich sah einfach erbärmlich aus. Als ich den Kopf leicht zur Seite drehte bemerkte ich, daß mein linkes Ohr blutig war. Ich fuhr mir mit einem Finger in die Ohrmuschel. Scheiße, ich war am Ohr verletzt! Mit meinem Zeigefingernagel hatte ich eine Blutkruste aufgekratzt und nun begann wieder Blut aus meinem Ohr zu sickern. Ich wusch mir schnell die Hände ab, schnappte mir ein Handtuch, tränkte es im kalten Wasser, hielt es mir ans Ohr und setzte mich an den Rand der Badewanne.

Ein Gefühl der Ohnmacht stieg in mir auf. Verzweifelt blickte ich auf die Knöchel meiner rechten Hand, sie waren aufgeschürft und blau. Nicht schon wieder! Ich schloß die Augen und wartete, daß das Pochen in meinem Ohr und das Dröhnen in meinem Kopf nachließen.

Als ich mich schließlich wieder halbwegs im Griff hatte, stieg ich in die Wanne und duschte mich ab. Das kalte Wasser raubte mir den Atem und ich mußte die ganze Zeit drauf achten, daß nichts davon in mein Ohr gelangte. Nicht so einfach, wenn man sich den Strahl des Duschkopfes genau auf den Kopf hält. Ich seifte meine Hände ein und massierte die Knöchel meiner zerschundenen Hand. Was zum Teufel war gestern Nacht geschehen? Egal, wie ich es auch drehte und wendete, ich fand keine Antwort auf diese Frage. Nachdem ich das Wasser ein wenig wärmer gedreht und den Strahl auf meinen Körper gerichtet hatte, stieg ich schließlich aus der Badewanne, trocknete mich ab und holte einen Putzlappen um die Schweinerei im Schlafzimmer zu beseitigen.

Ich hielt gerade den Atem an und wischte Erbrochenes vom Parkettboden auf, als das Telefon klingelte. Ich schnappte den Fetzen und warf ihn im Bad ins Waschbecken. Wie spät war es überhaupt? Ich hatte keine Ahnung wo ich meine Uhr gelassen hatte. Langsam ging ich zum Telefon, das neben meinem Bett stand und hob ab.

„Hallo?“
„He, Alter! Georg hier.“
„Hi!“ Ich rieb mir die Stirn, der Typ plärrte immer so laut ins Telefon, daß ich Kopfweh bekam. „Was gibt’s?“
„He, ich hab erfahren, daß du gestern abend höllisch auf den Putz gehauen hast.“
Ich überlegte kurz, „Ach ja? Von wem denn?“
„Michi hat’s mir erzählt. Er meinte, du wärst vor einer Bar ziemlich ausgerastet wegen irgendeinem Typen oder so.“
Ich kam nicht ganz mit. Ich war nach der Arbeit nach Hause gefahren und hatte mich zeitig ins Bett gelegt. Und heute morgen sah ich aus, als hätte mich ein Bus angefahren.
„Mann, ich hab’ keine Ahnung, wovon du redest!“ gab ich schließlich zurück.
„Was? He, außer Michi waren noch Tim und Dennis dabei, die behaupten das Gleiche! Was zum Geier war los?“
Ich rieb mir weiter die Stirn und setzte mich auf die Bettkante. „Was soll los gewesen sein?“
„Ach komm schon, ich will wissen, was da passiert ist. Michi meinte, er habe dich noch nie so ausrasten gesehen. Du hast dem Typen das Kinn pulverisiert und seinem großen Hornochsenfreund ein paar Arschtritte verpaßt. Worum ging es überhaupt?“
Die weiße Blitze tauchten wieder auf. Ich schloß die Augen und versuchte mich zu erinnern. Ich war gestern abend definitiv nicht fortgegangen, schon gar nicht mit Michi, Tim und Dennis. Und ich hatte mich auch mit niemandem geschlagen.
„Michi hat gemeint, der Typ hat dich böse am Ohr erwischt.“, riß mich Georg aus meinen Überlegungen. „Sehr schlimm?“
Ich fuhr mir unbewußt mit der linken Hand ans Ohr. „Nein, nicht so arg.“, gab ich müde zurück.
„Okay, hör mal“, sagte Georg schließlich „Ich komme hier heute gegen sechs Uhr raus. Ich schnappe mir einfach ein paar Biere und komm rauf zu dir, okay?“
Gesellschaft konnte ich derzeit auf jeden Fall gebrauchen, ich hatte das unglaublich starke Bedürfnis, mit jemandem über diese Sache zureden. „Ja, klar. Komm’ einfach vorbei.“ sagte ich schließlich und legte auf.

Ich blieb noch eine Weile auf dem Bett sitzen und dachte nach. Nein, keine Chance, gestern war ich definitiv zu Hause geblieben. Oder? Wie hätte ich an einer Schlägerei teilhaben können? Aber wie konnte ich mich so zerschunden fühlen, wäre ich tatsächlich zu Hause geblieben? Und was war mit meinem Ohr? Ich wurde langsam panisch. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit dieser Sache umgehen sollte. Das war nun schon das vierte Mal, daß mir so etwas passierte. Ich betrachtete wieder die Knöchel meiner Hände. Die Narbe vom vorletzten Mal war noch nicht ganz verheilt. Ein zackiger, teilweise noch verkrusteter Strich, der vom Knöchel des kleinen Fingers aus quer über meinen Handrücken verlief. Ich hatte keine Ahnung, wie ich dazu gekommen war. Es war genauso wie heute morgen. Ich wachte auf und hatte das Gefühl, als hätte man mich gerädert. Wieso bekam ich plötzlich diese… Blackouts? Dies schien mir eine wirklich treffende Bezeichnung zu sein.

Ich legte mich schließlich flach auf das Bett und schloß die Augen. Ich brauchte ein wenig Ruhe. Ich mußte mich ein wenig beruhigen, ein paar klare Gedanken fassen, dann würde ich das Rätsel schon lösen. Irgendwie würde sich das ganze schon aufklären. Ich konnte unmöglich gestern an einer Schlägerei beteilt gewesen sein. Ich hatte noch niemals jemandem mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Eigentlich hatte ich überhaupt noch nie eine Schlägerei gehabt. Es mußte eine andere Erklärung geben. Das Telefon läutete.

„Hallo?“. Es war Michi.
„Was gibt’s?“. Er wollte wissen, was gestern abend in mich gefahren war.
„Mann ich hab’ keine Ahnung, wovon du sprichst!“. Er fragte mich, wovon zum Teufel ich rede und daß ich dem Typen das Kinn aus dem Hinterkopf rausgeschoben hätte.
„Scheiße, Mann! Ich war die ganze Nacht zu Hause und hab’ gepennt!“. Er fragte mich, ob ich gerade auf was drauf sei und daß er gerade mit Georg telefoniert habe und heute Abend auch vorbeikommen würde.
„Ja, ist gut. Bis dann!“ Ich legte auf.

Ich lag auf meinem Bett und versuchte an nichts zu denken. Mir fiel auf, daß ich nicht einmal wußte, welcher Tag heute war. Ich langte nach unten und schnappte mir die Decke, die ich mir bis zum Kinn hochzog. Das war definitiv nicht mein Tag heute. Ich spielte mit dem Gedanken, einen Arzt aufzusuchen und ihm mein Problem zu schildern, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Ärzte laberten viel und im Ernstfall konnte man sich nicht auf sie verlassen. Die Lungenoperation meines Vaters hatten sie auch vermurkst. Er war ein paar Wochen danach elendig zugrunde gegangen. Nein, sollte ich einen Dachschaden haben, wollte ich ihn auch auskosten, komme was wolle. Irgendwie fühlte ich mich langsam besser. Ich dachte gerade daran mir etwas zum Essen zu bestellen, als erneut das Telefon läutete.

„Hallo?“ Es war Tim.
„Tim, mein Freund. Hab’ gerade an dich und eine große Salami-Pizza mit Mozarella gedacht!“ sagte ich in meiner besten Gute-Laune-Stimme und suchte mit den Augen schnell das Schlafzimmer nach Zigaretten ab, ehe mir einfiel, daß ich gar nicht rauchte. Etwas verwirrt hielt ich kurz inne, ehe ich mich wieder lang legte und mit Tim über dies und das plauderte. „Ja“, sagte ich zu Tim, „auch du kannst heute abend vorbeischauen. Und weißt du was? Bring Tom und Dennis auch gleich mit, dann können wir alles bereden, okay?“

 

Hallöchen erstmal,
Die KG is wirklich toll! Man kann richtig mitfühlen und mitschmecken (manchmal vielleicht ned so toll hehe)
Aber SUPER!
Nur das Ende daugt mir garnicht.
Es ergibt für mich keinen Sinn. Was ist nun der Hintergrund der Geschichte? Was passiert mit dem Protagonisten in der Nacht?
Apropos Nacht: da würd mir gleich die Frage einfallen Wo ist die Spannung? Es würd mich brennend interessieren was ist in dieser Nacht passiert? Kam die Polizei? Ich mein bei so einer Schlägerei muss doch was unternommen worden sein.
Was hat am Ende das Gespräch mit Tim zu bedeuten?
Was besprechen sie genau bei diesem Treffen?
Hmm.... das waren wohl zu viele Fragen ;)
Aber Hauptfrage bleibt:
Was passiert mit dem Protagonisten in der Nacht????
Frozen

 

Hi Frozen. Ja, du hast recht, die Story wirft wirklich viele Fragen auf. Wenn ich Geschichten schreibe, verknüpfe ich sie gerne miteinander, obwohl sie scheinbar überhaupt nichts miteinander zu tun haben. So gesehen machen viele meiner Stories erst dann Sinn, wenn man andere gelesen hat, bzw. verwende ich sehr gerne irgendwelche Verweise auf meine anderen Stories. Erst wenn du die richtigen, dazugehörigen Stories von mir gelesen hast, könnte dir möglicherweise ein Licht aufgehen. Und einen Teil davon findest du sogar auf dieser Website! ;)

 

Naja, eine Fortsetzung im üblichen Sinne ist es nicht wirklich. Manchmal verstecke ich auch Hinweise zu Geschichten, die ich noch nicht mal geschrieben habe. Aber in diesem Fall muß ich dir Recht geben, hat was mit dieser geschichte zu tun, ja.

 

Interessantes Konzept, mehrere Geschichten in einen vagen Zusammenhang zu stellen. Aber muss ich jetzt wirklich die andere Story lesen, um diese zu kapieren? Hm, ich werde es mal nicht tun und diese Geschichte für sich alleine nehmen.

Sprachlich habe ich nichts zu meckern. Du erzählst souverän und spannend.

Aber der Inhalt - nun, der lässt sich quasi auf einen Satz zusammenfassen: ein Typ hat einen Filmriss. Vielleicht handelt es sich auch um eine multiple Persönlichkeit, das Fight Club Poster könnte da ein Hinweis sein. Nun ist der Gag an Filmriss-Geschichten normalerweise deren Aufklärung. Die fehlt aber völlig. Am Ende hat man den Eindruck, der Rest der Story sei irgendwie verschütt gegangen. Es ist kein offenes Ende, es ist überhaupt keins. Du hörst mitten drin auf. Das finde ich nicht gelungen und es führt dazu, dass ich nichts mit der Geschichte anfangen kann. Es ist wie Sex ohne Organsmus: Schön, aber es fehlt was :D

Fazit: sprachlich okay, inhaltlich ein Filmriss ohne Erklärung - zu wenig für meinen Geschmack.

Uwe
:cool:

 

He Uwe!

Nein, du mußt überhaupt keine anderen Stories von mir lesen um diese hier zu kapieren. Ist ja nicht so, daß ich so philosophische Kost anbiete, daß niemand was damit anfangen kann. Ich baue halt sehr gerne Querverbindungen zwischen meinen Geschichten ein, die einfach ein gewisses Aha-Erlebnis hervorrufen sollen, sollte jemand die Verbindung überhaupt herstellen können. Dazu muß er ja eine andere Story von mir überhaupt gelesen haben. Nein, meine geschichten stehen eigentlich jede für sich alleine, obwohl ich, wie ich Häferl bereits in einer anderen geposteten Story von mir mitgeteilt habe, gerade dabei bin, etwas Neues auszuprobieren. Diese Story gehört eigentlich schon dazu, aber eigentlich kann von einem Ganzen immer noch keine Rede sein. Warte einfach mal ab, was ich zukünftig so für Stories poste, vielleicht stoplerst du ja demnächst über eine neue von mir. :)

Was das Ende anbelangt, hast du absolut recht. Ich bin ehrlich gesagt auch noch nicht besonders glücklich damit. Trotz mehrmaligem Umschreiben konnte ich kein passendes Ende finden, das mir nicht den Weg für folgende Stories verbaut. Aber mit dieser Lösung kann ich halbwegs leben. Mal sehen, was mir noch so einfällt.

 

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