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Der Tänzer
Leise huschte die schwarze Katze in das Zimmer und strich ihr um die Beine.Sie saß auf ihrem Zimmerboden und hielt eine Schachtel in der Hand.Sie wollte eigendlich nur einmal Ordnung in ihre vielen Sachen bringen, da war sie auf diese Schachtel gestoßen. Als sie sie geöffnet hatte, wusste sie nicht das auf einmal ihre Vergangenheit sie wieder einholen würde und sie schmerzhaft an ihre erste Liebe erinnern würde. Sie starrte auf den Inhalt und erinnerte sich noch gut daran, wie sie dieses Plakat Nachts heimlich klaute.
Ihre Leidenschaft war das Theater gewesen. Einfach dasitzen und in fremde Welten eintauchen. Und an einem dieser typischen kalten Herbsttage ging sie wieder ins Theater. Es war ein Gastauftritt einer fremden Gruppe, sie sollten für eine Woche in ihrer Stadt auftreten und spielten ihr Lieblingsstück. An diesem Tag war es kalt draussen und windig. Sie war die erste die die große Eingangshalle des Theaters betrat. Sie hatte sich wie immer eine Karte für die erste Reihe gekauft und langsam ging sie durch die vielen Reihen der leeren Sitze, die bald besetzt werden würden. Tief atmete sie die Luft des etwas stickigen Saales ein, schmeckte den leichten Staub der sich auf die alten roten Sitze gelegt hatte und lauschte dem leichten knarzen der alten, durchgelaufen Dielen. Allmählich begann sich der Saal zu füllen und die Menschen strömten auf ihre Plätze. Der Vorhang hob sich und das Publikum verstummte. Zu leiser Klaviermusik begannen die Schauspieler zu tanzen, die erste Szene spielte auf einem Ball. sie kannte das Stück, sie liebte es. Doch in diesem Augenblick war es ihr egal. Es war ihr egal, ob die weibliche Hauptrolle nun gleich in Ohnmacht fliegen würde oder nicht. Das leise Raunen das durch die Reihen ging, als die Hauptrolle zu Boden fiel, nahm sie nicht wahr. Sie war wie gelähmt, ihr Blick war starr auf einen der Tänzer gerichtet. Gerade beugte er sich über die in Ohnmacht gefallene Dame. Sie sah nur ihn, hörte nur seine Stimme, nahm jede seiner Bewegungen auf, prägte sich sein lächeln ein, seine kleinen Lachfalten.
Das Stück war zu Ende.Das Publikum verließ langsam den Saal, sie blieb alleine zurück. Alleine in der ersten Reihe und sie starrte auf die Bühne. Sie weiß nicht mehr wie lange sie das so saß, aber irgendwann kam einer der Aufsichten und schickte sie nach Hause. Es war inzwischen spät Nachts und eisig kalt. Der Wind zerzauste ihr Haar und ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen. Sie atmete tief den vertrauten Geruch des herbstlichen Kopfsteinpflasters ein und machte sich auf den Weg nach Hause.
Am nächsten Tag fand sie sich noch früher im Theater ein. Sie setzte sich auf den gleichen Platz in die erste Reihe, und voller Ungeduld wartete sie, bis sich endlich der schwere Vorhang heben würde und die Musik des Klaviers ertönen würde, bis die Dame in Ohnmacht fallen würde und ER sich zu ihr beugen würde und wunderbar sanft zu ihr sprechen würde. Sie stellte sich vor das statt der Dame sie auf diesem Ball in einem wunderschönen Kleid tanzen würde, und dann würde er sich zu IHR beugen...
Der Vorhang schloß sich unter tosendem Beifall. In der ersten Reihe saß sie, in der Hand ein paar verwelkte Blümchen. Langsam kullerte ein dicke Träne ihre kindlichen Wangen hinunter. Das war die letzte Vorstellung gewesen, sie war in jeder gewesen. Das Theater leerte sich und zurück blieb sie alleine, in der Hand die Blumen. Zögernd stand sie auf und lief bis vor zur Bühne. Sie legte die Blumen auf die Bühne und eine weitere Träne lief ihr die Wange hinunter, als sie auf die Bühne kletterte und tanzte. Sie tanzte alleine, doch in ihrer Fantasie hielt sie den wunderbaren Tänzer im Arm.
Noch immer saß Claire auf dem Boden, das Plakat in der Hand. Es zeigte einen Mann und eine Frau, lächelnd tanzend. Eine einsame Träne kullerte auf das Plakat.