Der Strand
Markus wanderte den Strand entlang und erfreute sich an der salzigen Luft, den Schaumkronen des Wassers und registrierte zufrieden den völlig wolkenlosen Himmel.
Andere Sonnenanbeter waren unterwegs, aber nur sporadisch. Die Hauptsaison hatte noch nicht begonnen und die wenigen Strandbuden waren noch nicht geöffnet. Markus stapfte schwitzend weiter, bis er die wenigen Menschen nur mehr als Pünktchen am Horizont ausmachen konnte und ließ sich dann zufrieden auf seine mitgebrachte Decke sinken. Schwerfällig wälzte er sich aus seiner Kleidung und betrachtete unmutig seine schwabbelige Figur, den Schwimmreifen um seine Hüften, die elefantenartigen Schenkel, die er an diesem einsamen Plätzchen nicht zu verstecken brauchte. Markus war dick, ein Koloss und er hasste diesen Zustand, der ihm den Zugang zu besseren Jobs und vor allem zu Frauen verwehrte. Besser gesagt, zu jenen Frauen, die ihm gefielen. Aber er war schwach, aß einfach zu gern, zu fett, zuviel. Er mochte Bier. Angewohnheiten, die sich negativ zu Buche schlugen. Seufzend schob er die unangenehmen Gedanken beiseite und ging ins Wasser. Er plantschte eine Weile herum, summte ein Liedchen und frönte seiner Faulheit, indem er sich ans Strandufer setzte, und die Wellen um seinen verfetteten Körper spielen ließ.
Dann piekste ihn etwas in seinem Oberschenkel und ziemlich erstaunt zog er einen viereckigen Gegenstand aus dem Sand, der starke Ähnlichkeit mit einem Würfel aufwies. Das Ding schimmerte in allen Farben und Markus schleuderte es nicht gelangweilt von sich, sondern inspizierte es mit Sorgfalt. Er hatte auch nichts Besseres zu tun, soviel sei angemerkt. Er glotzte ziemlich dämlich vor sich hin, als aus dem seltsamen Gerät eine kleine rotzgrüne Rauchwolke aufstieg und eine Stimme nörgelnd erklang „Fuck! Was ist denn schon wieder? Ich hab mir Ruhe und Frieden verdient, und verdammt noch mal, jetzt das ...“. Die Stimme schwieg, aber nur kurz. „Also, schau nicht so belämmert drein und sag, was du willst, aber mach schnell!“. Markus fasste sich, schaute nach links und rechts, checkte die Lage ab, aber er war noch immer allein. „Was sollte ich denn wollen?“ fragte er vorsichtig, sein Gesicht neugierig zu dem Ding gebeugt. „Ist mir doch egal, du dämlicher Pisskopf. Du hast einen Wunsch frei. In den Märchen die ihr Menschen kennt, sind`s zwar immer drei Wünsche, aber die Realität schaut ein bisschen anderes aus.“ Markus schwieg. „He!“ rief die nörgelnde Stimme, „ich wüsste schon einen guten Wunsch für dich, Big Boy. Wie wär`s, wenn wir dich erschlanken lassen? Schaden würd`s dir sicher nicht ... Also wie schaut`s aus?“ Markus schwieg. Die Stimme schwieg. Es war ein Wettkampf des Schweigens. Schließlich meldete sich die Stimme wieder, diesmal ziemlich kleinlaut, „Bitte, Junge, mach deine Gehirnwindungen mal senkrecht und sag endlich was du möchtest. Oder denk`s dir. Und dann versenk mich in den Tiefen des Ozeans, sonst kannst du dir deinen Wunsch sonst wohin stecken“.
Markus dachte, Markus versenkte.
Ein paar Monate später saß Markus mit seiner frisch angetrauten, wunderschönen Frau Nicole auf der Veranda seiner 20 Zimmer umfassenden Villa. Sie hielten Händchen und tauschten verliebte Blicke. Sie hatten zwei Butler, drei Hunde (seltene Rassen, versteht sich), Solarium, Whirlpool, etc., den ganzen Schnick-Schnack und noch einiges mehr. Markus spielte inzwischen Golf, Nicole war eine leidenschaftliche Reiterin (im Bett als auch im exklusivsten Reitclub der ganzen Gegend). Markus hätte gerne zum Polo übergewechselt, aber da er kein Tierquäler war, beschloss er, seine OP`s abzuwarten. Markus war froh, dass er sich für Reichtum entschieden hatte. So konnte er sich eine Magenverkleinerung und regelmäßige Fettabsaugungen leisten, ohne dass er strikte Diät halten musste.
Und irgendwann – ich bin zuversichtlich – wird er seinen Golfschläger gegen einen Poloschläger tauschen und sich leicht wie eine Feder in den Sattel eines feurigen Pferdes schwingen.