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Der Steinhocker
Da sitzt man nun und wartet, aber nichts passiert. Also nicht, dass nichts passieren würde, so ist es ja nicht; nichts, was einen wirklich etwas anginge. Er schüttelte resigniert seinen Kopf. Sein Rücken begann schon zu schmerzen, was ja auch nicht verwunderlich war, dachte er etwas verärgert bei sich. Wer sollte denn bitte auf diesem verflixten Stein sitzen können, ohne, dass er sich den Rücken verderbe. Er rückte halbherzig etwas hin und her, obwohl er wusste, dass das nichts an seiner grundtiefsten misslichen Lage ändern würde, in der er sich befand.
Er holte tief Luft und blickte an den Baumstämmen empor, hoch zu den Baumwipfeln, die sich langsam wie in einem verträumten Tanz im Wind bewegten. Sein Blick wanderte zurück zu dem kleinen Waldweg, den er gekommen war, und der vor ihm lag, als ginge ihn das Ganze überhaupt nichts an. Er schnaubte verächtlich. Dieses Drecksstück! Er blickte ans Ende des Weges, das heißt dorthin, wo er sich im Wald zwischen den Bäumen und Sträuchern verlor. Er beugte sich etwas nach vorn, stützte sich auf seinen Knien auf, um nicht vorn über zu kippen, und kniff angestrengt die Augen zusammen. Nichts.“ Ist die Umwelt denn Nihilist?“ gab er laut in das Schweigen des Waldes zu bedenken. War er auf diesen Gedanken gerade noch etwas stolz gewesen, so gruselte ihn der nackte Klang seiner Stimme, die doch belustigt und überlegen geklungen haben sollte. Er rückte sich auf seinem Stein am Wegrand zurecht.
Er beschloss überhaupt nichts mehr zu sagen. Seine Finger trippelten auf seinen Knien. Als er sich dessen bewusst wurde, störte ihn sogar dieses Geräusch. Er zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte verärgert den Kopf. Man konnte hier nicht einmal vernünftig Krach machen. Dieser verfluchte Wald drängt sich einem auf, wie ein Flegel, schränkt einen förmlich in seiner Freiheit ein.
Ihm kam ein neuer Gedanke. Wenn er ein Geräusch machen würde, und es würden nicht alle hören, wäre es dann überhaupt ein Geräusch? Also natürlich im philosophischen Sinne. Er grinste dumm und etwas stolz.
Uh! Er hörte Schritte, aber seine anfängliche Hoffnung schlug plötzlich in Scham um, der andere würde sich bestimmt fragen, was er hier tat?
Sein Herz begann heftig zu schlagen. Was sollte er sagen, wenn er fragte?
Die Schritte kamen näher. Das Schlurfen der Schuhe, das Rascheln der Hosenbeine, nicht zu überhören.
Mit zitternden Händen beugte er sich vor und fingerte im Grass herum, die Schritte kamen näher. Im letzten Moment fanden seine Hände was er gesucht hatte, und er riss ein Blatt in die Höhe und hielt es ganz nahe vor seine Augen. Keine Sekunde zu früh, denn da kam er auch schon. Auf seinem Stein hockend, kniff er die Augen angestrengt zusammen als inspiziere er das Blatt ganz genau. Erst als der andere schon fast auf der Höhe des Steines war blickte er überrascht auf. „ Ah, Waldmannsheil!“ und wandte sich sofort wieder angestrengt dem Blatt in seinen Händen zu. „Ah, Waldmannsheil!“ kam die Antwort genauso überrascht.
Als ob man ihn nicht schon on weitem auf seinem Stein sehen würde, dachte er verärgert. Bildet sich ein was Besondere zu sein der feine Herr, weil er ja so beschäftigt ist.
Der Störenfried war nun an ihm vorbei und verschwand irgendwann, wie auch das Schlurfen und Hoserascheln am Ende des Weges.
Er warf das halb vermoderte Blatt weg und putzte seine Hände, ohne sich dessen bewusst zu sein an der Hose ab.
Lange würde er das nicht mehr mitmachen! Dachte er empört. Er hat ja immerhin Wichtigeres zu tun als auf einem Stein rumzuhocken. Das hoffte er zumindest.
Die Sonne sank allmählich tiefer und tauchte alles in ihr goldenes warmes Abendlicht. Nein! Noch so eine Nacht würde er nicht überstehen.