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Der Stein des Anstoßes

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08.08.2002
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Der Stein des Anstoßes

Der See liegt wie eine schwarze undurchsichtige Folie vor ihr. Der Wind hat nachgelassen, aber die klare Luft ist kalt. Der Mond verbirgt sich in der Einsamkeit des Erdschattens und lässt nur eine dünne Sichel im Licht zurück. Es ist völlig still. Um diese Stunde verirrt sich kein Fahrzeug herauf an den See. Einige Schritte geht sie ziellos dem Wasser entgegen, fühlt sich voll Energie und gleichzeitig verloren. Sie bückt sich, hebt einen kleinen Stein auf, versucht ihn kurz mit klammen Fingern zu kneten und zu quetschen. Dann holt sie aus, wirft, und die schwarze Folie vor ihren Augen zerreißt. Dort wo der Stein versinkt, bilden sich matt glänzende Kreise. Er dringt weit in die Tiefe vor und nichts an der Oberfläche bleibt wie es war. Abertausende Wassertropfen werden bewegt. Ein kleiner Stein bloß und doch hat er im begrenzten Raum die Macht alles zu verändern.

So wie Nadja die klösterliche Stille eines Tages mit einem unbeherrschtem „wo ist denn hier das Scheißtelefon?“ zerriss. Die Frau am See bleibt mit dem Saum ihrer schwarzen Schwesterntracht im Unterholz hängen. Wütend reißt sie den Stoff aus dem Geäst. Dann läuft sie. Läuft ohne Ziel durch die Nacht, nur um das Gefühl der Umklammerung loszuwerden. Sie ringt nach Luft. Doch sie möchte immer weiter laufen, möchte Nadjas warmem Atem in ihrem Nacken entkommen ….

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Nadja hatte sich vor zwei Tagen ein Moped bei einem Verleiher im Dorf gemietet und war damit in die Berge gefahren. Die Maschine war der steinigen alten Straße nicht gewachsen gewesen und war zwei Kurven vor dem Klostereingang am Straßenrand liegen geblieben. Nadja reagierte wie eine Furie als sie feststellen musste, dass das Kloster weder über Telefon noch Strom verfügte und sie der einbrechenden Dunkelheit wegen, in den Klostermauern festsaß.

Schon während des Abendessens begann sie ihre Kieselchen in das Meer der betenden Frauen zu werfen. Es machte ihr Mühe schweigsam den frommen Monologen der Schwestern zu lauschen. Sie seufzte, verdrehte die Augen und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Ihr ganzes Verhalten zeigte Abwehr. Wozu soll das gut sein, fragte sie, als das Beten endlich ein Ende gefunden hatte, dass man mit immergleichen Worten zur immergleichen Stunde, mit der immer gleichen lächelnden Maske bete. Wenn schon, dann solle man frei heraus mit Gott plaudern. Sie sprach von Zwang und von soldatenähnlichen schwarzen Uniformen die diese Rituale noch unterstreichen würden. Sie fühlte sich in der Rolle der Rebellin in ihrem Element und strahlte viel Leidenschaft aus.

Die Oberin reagierte heftig, sprach von ungedankter Gastfreundschaft und Anmaßung, während zwei Schwestern neben Nadja verständnisvoll lächelten und von der Liebe zum Herren und seinen verirrten Schäfchen sprachen. Sie meine das ja doch gar nicht so, nicht wahr? Das ist doch nur Unwissenheit, die Ärmste erkenne es halt nicht besser und man könne durchaus Nachsicht haben. Silvana fühlte sich von diesem unerwarteten Disput seltsam erregt. Sie fragte sich, wer denn nun tatsächlich anmaßend war. Die Frau, welche die Eigenständigkeit der betenden Schwestern in Frage stellte, oder jene die sich über sie erhaben fühlten. Und dort wo diese Frage in ihren Gedanken entstand, bildeten sich kleine Kreise.

Ohne ihr Einverständnis einzuholen, ordnete die Oberin an, dass Nadja in Silvanas Zimmer nächtigen solle. Silvana war das unangenehm, aber sie wusste, dass sie sich zu fügen hatte. Einer Anordnung der Oberin hatte man sich nicht zu widersetzen und Silvana hatte allein wegen der inneren Auflehnung bereits ein schlechtes Gewissen. Sie litt unter ständigen Schuldgefühlen. Schon seit damals als sie dem strengen elterlichen Haus entfloh. Ihre Mutter gab Silvana das Gefühl sie im Stich zu lassen. „Ist das der Dank für alles? Du bist egoistisch und denkst nur an dich. Wenn ich einst nicht mehr bin, wird es zu spät sein" heulte sie und verbarg ihren Zorn in einem zerknüllten Taschentuch.

Der Vater, der seiner Tochter jegliche freie Entscheidung, jede Selbsterfahrung untersagte, sprach von Verderbnis und Fegerfeuer als sie sich in die ausgebreiteten Arme jenes Mannes stürzte, von dem sie sich endlich Achtung und Liebe versprach. Doch diese Arme konnten auch zuschlagen und es dauerte fast drei Jahre ehe sie dieser unberechenbaren Gewalt entkam. Heimlich packte sie ihren Koffer und schlich geduckt davon. Sie war zerfressen von Selbstzweifel bis sie sich eines Tages durch einen Zufall in dem Kloster wiederfand. Sie war es gewohnt sich Regeln zu unterwerfen und fühlte sich schnell geborgen zwischen den Hilfsseilen der Gebote, welche ihr als Halt dienten. Vor allem aber fand ihre Hingabebereitschaft im Glauben ein neues Ventil. Ein Gott den man nicht sehen, nicht greifen aber an den man glauben konnte, war manipulierbar. Sie konnte gar nicht enttäuscht werden.

Nadja wusch sich mit dem kalten Wasser, zündete sich eine Zigarette an und legte sich entspannt auf das mit gestärkter weißer Wäsche überzogene Bett. „Du wirst frieren, die Nächte sind sehr kalt hier oben. Im Schrank ist ein zweites Nachthemd. Du kannst es gerne haben.“ bot Silvana an. Sie fühlte sich durch die Nacktheit der fremden Frau provoziert. Nadja rollte sich zur Seite, sog an der Zigarette und blies kleine Kreise in die Dämmerung. Sie gab keine Antwort.

Silvana zog sich verlegen die Robe aus, fühlte sich durch die Blicke Nadjas gedemütigt und schutzlos. „Du musst sehr schönes Haar gehabt haben. Sogar jetzt wo es kurz geschnitten ist, sieht man noch den ungebändigten Wuchs, wie kraftvoll es ist." Sie kam herüber und streifte sacht mit der Hand über Silvanas Kopf. Silvana spürte den warmen Atem in ihrem Nacken und schloss die Augen. Nadja zeichnete mit einem Finger Nadjas Hals und ihre rundlichen Schultern nach, ließ den Finger den Rücken hinab gleiten. Dann wandte sie sich wieder ab.

Schnell zog Silvana ihr Nachthemd über und kniete zum Abendgebet nieder. Dann legte sie sich hin und zog die Decke hoch bis ans Kinn. Seltsame Gefühle machten sich breit in ihr. Wann hatte ein anderer Mensch sie zuletzt zärtlich berührt? Zwei Jahre vielleicht, oder mehr? Dort wo der Finger der fremden Frau in die Tiefe verdrängter Leidenschaft eintauchte, entstanden kleine Wellen der Erregung die Silvanas Innerstes aufwirbelten. Tränen traten in ihre Augen und sie hatte Mühe ihr Weinen zu unterdrücken.

Nadja kam durch den Raum, setzte sich an Silvanas Bettkante, zündete sich erneut eine Zigarette an. „Erzähl, was ist denn mit dir? Wieso versteckst du dich denn bloß hier in diesem alten Gemäuer? Wir sind Mädchen unter uns, das große Ohr der ehrwürdigen Mutter Oberin kann uns hier ja wohl nicht hören?" spottete sie. Silvana richtete sich langsam auf. Sie blickte Nadja direkt in die Augen und schien nun sehr gefestigt. Der Angriff auf ihre Mitschwester ließ sie ihre Scheu vergessen. „Musst du alles verhöhnen, nur weil du es nicht verstehst? Diese Frauen hier sind wunderbare Menschen die viel Gutes tun. Ich war ohne Hoffnung und sie haben mich aufgenommen und mich mit ihrer Wärme umgeben. Das sind keine Relikte vergangener Zeit wie du vielleicht denkst, sondern Menschen voll Lebenslust und von Demut erfüllt.“

„Ja, aber natürlich. Und vor allem ist es so bequem ihnen die Verantwortung für dein Leben zu überlassen nicht wahr?" Nadja drückte die Zigarette im Wasserglas aus und ging zu Bett. Silvana rollte sich zusammen. Den Polster umarmend und mit angezogenen Knien lag sie da und starrte in die Dunkelheit. „Warum bist du so voller Zorn?“ fragte sie. Nadja drehte sich zur Wand. „Warum gestehst du dir nicht ein, dass ich recht habe?" Die Worte blieben unbeantwortet im Raum stehen. Beide fanden lange keinen Schlaf.

Das Morgengebet fand in der Dämmerung statt. Silvana machte sich auf den Weg und betrachtete beim Hinausgehen verstohlen den Körper Nadjas. Sie hatte das Laken zwischen den Beinen eingeklemmt und sah seltsam verletzlich aus. Der dunkelrote Nagellack wirkte wie Blutstropfen auf dem weißen Laken. Die junge Schwester senkte den Blick und gemahnte sich ihre Aufwallung zu unterdrücken. Sie schloss leise die Tür und lief hinüber in die Abtei. Sie schob gewohnheitsmäßig die Hände unter die Ärmel ihres schwarzen Kleides und ließ sich von der feierlichen Stimmung in der Kapelle auffangen. Die Anspannung der letzten Nacht ließ nach und sie stimmte in den vertrauten Gesang mit ein. Nach der Messe gingen die Nonnen ihren gewohnten Arbeiten nach. Im Klostergarten wurde es still.

Als Silvana später am Vormittag oberhalb der Straße, auf einer kleinen Terrasse, Wäsche zum Trocknen an die Leine hängte, vernahm sie das Knattern eines alten Lastwagens. Der Mopedverleiher war aus dem Dorf heraufgekommen und brachte sein beschädigtes Fahrzeug und die bereits vermisste Lenkerin zurück ins Tal. Silvana unterbrach ihre Arbeit und sah dem Wagen nach. Sie war erfüllt von einer Wehmut ohne Namen. Als der Wagen eine Kehre nahm, winkte sie der Frau am offenen Seitenfenster zu. Diese sah durch dunkle Sonnenbrillen zu ihr hoch und fast schien es als würde sie den Gruß nicht erwidern. Erst im letzten Moment hob sie langsam die Hand und winkte zurück.

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Der Abend ist warm, die Luft nicht so klar und frostig wie oben auf dem Berg wo sie die vergangene Nacht verbracht hatte. Das Lokal ist zum Bersten gefüllt mit modisch gekleideten Menschen. Rauchschwaden ziehen durch die Menge. Sprechblasen, gefüllt mit unzusammenhängenden Wortfetzen dringen vermischt mit Musik in Nadjas Ohr. Sie tanzt lasziv. Der Mann an den sie sich schmiegt ist ihr unbekannt. Er riecht nach gutem Parfum, summt „knock knock knocking on heavens doo-or“ und bleibt ein Fremder.

Nadja fühlt sich durch die Nähe des Mannes plötzlich bedrängt. Sie murmelt eine Entschuldigung und geht hinaus. Auf der Toilette benetzt sie vorsichtig das geschminkte Gesicht. Was ist denn nur los mit ihr? Ständig muss sie an die vorwurfsvollen Worte Silvanas denken. Ein Freigeist wie sie wehrt sich eben gegen jede Bevormundung und kann nicht begreifen wie ein junger Mensch sich freiwillig für das Unterordnen entscheiden konnte. War es nicht geradezu ihre Pflicht das Mädchen auf ihr eingeengtes Dasein hinzuweisen, ihr mangelnden Stolz zu unterstellen?

Zornig wirft sie das Papierhandtuch in den Abfalleimer. Sie zieht ihre Lippen mit rotem Stift nach und hält in der Bewegung inne. Neid, es ist Neid, den sie in sich aufkeimen fühlt, stellt sie fast wehrlos, eher verwundert, fest. Neid auf das einfach gestrickte Lebensmuster dieser Frauen. Es scheint ohne Knoten und mit warmer Wolle gefertigt zu sein. Sie hatte die Schwestern trotz der hierarchischen Führung nicht als unselbständig erlebt. Sie tun was zu tun ist und genießen danach die Stille der Natur, fernab vom schrillen Licht und lauten Geräuschen. War sie deshalb so sehr dagegen wie diese Frauen lebten, weil sie selbst nicht den Mut hatte sich für etwas Bleibendes zu entscheiden? War die Angst sich zu verlieren, vor Kontrollverlust jene Macht, der sie selbst sich unterwarf ohne es zu erkennen? Vielleicht waren diese Frauen am Berg längst am Ziel, während sie stetig auf der Suche nach unbekannten Bahnhöfen und immer neuen Zügen war.

Sie blickt, während sie sich eine neue Zigarette anzündet in den Spiegel. Ihr Blick scheint matter als sonst, müde vielleicht. Und kleine Wellen der Sehnsucht nach Ankommen und Beständigkeit durchfluten sie.

 

Hallo schnee.eule,

Du beschreibst zwei suchenden Frauen, die sich durch einen Zufall begegnen und sich trotz (oder gerade wegen) ihrer Gegensätze beeinflussen. Durch den ersten Absatz weiß man schon, wie sehr die Nonne betroffen ist, erst am Schluß erfährt man, welche Spuren die Begegnung bei dem „Stein des Anstoßes“ hinterlassen hat. Das ist geschickt gemacht, auch das verwendete Anfangsbild mit dem See passt gut, wie eine kleine Zusammenfassung des Geschehens.
Den Übergang: So wie Nadja (wahrscheinlich Komma nach „So“) finde ich etwas abrupt.
Die als Bild wiederkehrenden Kreise (Wellen, Zigarettenrauch) sind ein schöner Kunstgriff, doch bei:

„Und dort wo diese Frage in ihren Gedanken entstand, bildeten sich kleine Kreise.“ Finde ich zu weit her geholt (eher: die Gedanken kreisen um die unbequeme Frage).

Schön, diese kleine Beobachtung am Rande, wohl eine Anspielung auf das Blut von den Wundmalen:
„Der dunkelrote Nagellack wirkte wie Blutstropfen auf dem weißen Laken. Die junge Schwester senkte den Blick“.

Die eigentliche Thematik ist aber das Wechselspiel zwischen Geborgenheit und Freiheit, das „Halt finden in Geboten“, das sich Wiederfinden in der Routine, dem „vertrauten Gesang“. Vertrauen wird aus vertrautem gewonnen- leider vernachlässigt, in unserer Gesellschaft.

Noch eine Kleinigkeit:
„in den Klostermauern“ - müsste es nicht `hinter´ heißen?
(Na, das Vorkommen des prügelnden Mannes ist nicht so mein Ding, aber das kennst Du ja schon von mir…).

Alles Gute,

tschüß… Woltochinon

 

Liebe Eva!

Grad das Anfangstbild, der See als shcwarze Folie, die zerreißt, diese Ruhe irgendwo und doch die Veränderung in dem Bild, fand ich wunderbar.

Ich empfinde es ähnlich wie Wolto: dieses Zusammenführen der oberflächlich so verschiedenen Frauen, die aber eigentlich das selbe suchen, nur mit komplett anderen Wegen finde ich sehr gut, feinfühlig und zart beschrieben. Wie viel äußere Regeln braucht man/kann man aushalten, um Freiheit und ein eigenes Leben zu finden? In der Geschichte finde ich diese Spannung nachvollziehbar und geschickt umgesetzt, ohne, dass es aufgesetzt wirkt.
Und das Anfangsbild, der See, wirkt noch immer....

liebe Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe Eva,

Ich bin beeindruckt, in welchen Bildern du die Gegensätze der beiden Frauen erzählst. Vor allem der verhallende Dialog in Silvanas Kammer ist hervorragend, denn als Leser möchte man beiden Recht geben. Beide Lebensmodelle stehen in ihren Vorzügen und Nachteilen wertungsfrei nebeneinander und wirken nach bis zum Abschied.

Mit Bedauern las ich die drei letzten Absätze, denn da schien mir doch eine Wertung einzufließen. Die Fragen, die sie sich stellt, kamen mir schon in der Kammerszene, es hätte also meines Erachtens keiner Wiederholung oder Verdeutlichung bedurft.
Da wäre es schön, wenn du entweder noch einmal einen Schnitt in die Kammer von Silvana machen würdest, in der sie sich ihre Fragen der vorangegangenen Nacht stellt, um wieder ein Gegengewicht zu haben, oder die Fragen von Nadja wieder ein bisschen abmildernd runterfährst. Sonst schadest du für mein Gefühl deiner ansonsten tollen Geschichte.

Ganz liebe Grüße, sim

 

Hallo Eva!

Vieles haben meine drei Vorredner ja schon geschrieben.
Anders als sim hat mich das zum-Klosterleben-hintendieren am Schluss nicht gestört.
Ich denke, man kann hier gar nicht von zwei "gleichwertigen Lebensmodellen" sprechen, da Silvana ja nie wirklich die Wahl zwischen beiden hatte.
Wer weiß, vielleicht wären die Rollen der beiden Frauen ja vertauscht, wenn Nadja die Schicksalsschläge hätte einstecken müssen, die Silvana ins Kloster getrieben haben.

Die Dialoge waren mir persönlich etwas zu literarisch, zu wenig natürlich, da sie teilweise sogar noch stärker ausformuliert sind als der Rest des Textes.
Sicher klingen Sätze wie "Warum bist du so voller Zorn?" irgendwie schön, aber "Warum bist du so zornig" liest sich wesentlich authentischer.

Die vielen Bilder und den geschickten Aufbau haben die anderen ja schon gelobt ;)

Gruß
Christoph

 
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Lieber Woltochinon!

Um die kreisenden Gedanken bin ich selbst gekreist – werde mir eine Alternative überlegen die hineinpasst – hinter den Klostermauern erscheint mir richtig - danke.

Das Bild mit dem blutroten Nagellack - eine egozentrische junge Frau schlafend, also nicht willentlich agierend, verliert wie alle Schlafenden die Kontrolle über die eigene Maske. Der pure Mensch bleibt über. Neben dieser Natürlichkeit wirkt das Künstliche extrem. Die Interpretation mit den Wundmalen hat in diesem Zusammenhang sicher einen gewissen Reiz.

Das Wechselspiel an sich war mir wichtig. Ein Mensch dem nie die Möglichkeit gegeben wird sich selbst zu erfahren, wird sich instinktiv wieder und wieder in Routine und Regeln einfügen und es als Geborgenheit erleben.

Wenn ein Stein ins Wasser fällt schmeckt der Tropfen vielleicht das Salz des Meeres in welches er an der Mündung des Flusslaufes geschleudert wurde.

Dieser Moment fasziniert mich - wenn du noch ein Wassertropfen aus dem Fluss bist und doch schon Meer. Wo gehörst du dann hin? Das Wasser hat keine Wahl – der Mensch schon.

Lieben Gruß an dich – Eva

Liebe Maus!

Das Bild vom See welches du mitgenommen hast ist auch der Ursprung der Geschichte und es freut mich, wenn es dir gefällt.

Wieviele Regeln braucht man bzw. kann man aushalten um Freiheit und ein eigenes Leben zu finden? Ich denke, in dem Ausmaß in welchem man sich traut sich selbst und die eigenen Wahrheiten einmal völlig in Frage zu stellen. Dass man immer so handelt und denkt weil Manches richtig erscheint und Anderes falsch, sagt ja in Wahrheit nichts darüber aus wie man zu seinen Wertmaßstäben eigentlich gekommen ist.

Lieben Gruß an dich - Eva

Lieber Sim!

Es ist schön, wenn die Bilder dich erreichen konnten und dir die Geschichte an sich gefällt.

Zu deinem Bedauern folgendes:
Alles erscheint dir wertungsfrei bis du die letzten Absätze als wertend bewertest.:D

Wir erfahren anfangs wie aufgewühlt die junge Nonne ist. Ihre Wahrheit, ihr Geborgenheitsgefühl, hat eine Bruchstelle bekommen. Auch während des Essens, beim Auferlegen des Zimmerteilens gewährt die Geschichte einen Einblick in ihre unterdrückte Auflehnung.

Danach, in der Kammer prallen Meinungen aneinander, Vorwürfe werden ausgesprochen und treffen die Achillesfersen. Silvana erinnert sich an Vergangenes, und erfährt den Schmerz den diese unvermittelte Berührung ihrer Haut weckt. Sie nimmt etwas wahr, das sie bis dahin gar nicht fehlend erkannt hatte.

Was aber wissen wir bis dahin was in Nadja vorgeht? Sie ist Akteurin sonst nichts. Hätte ich die letzten Absätze nicht geschrieben, wäre sie bloß eine Steinlieferantin und leblos geblieben. Gerade um ein Gleichgewicht herzustellen, musste ich ihr die Möglichkeit geben auch ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Sie konfrontiert sich auf ihre Weise mit dem Erlebten. Dass sie das wertend tut indem sie sich ihrem müden Gesicht und den Fragen auch wertend stellt ist ihr Recht. Es ist ihr Weg zu erkennen was in ihrem Leben vielleicht zu kurz kam.

Sind dein Bedenken dennoch vorhanden?

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Liebe Eva,

leider nimmt das Schlechte in Kritiken immer so viel mehr Raum ein als das Gute, auch wenn es bei meinem Gefühl zu deiner Geschichte eher andersrum war.
Der kleine wehmütige Tropfen in dem See hat also auch bei meiner Kritik die ganze spiegelnde Wasseroberfläche bewegt.
Ich hatte, und das ist ein Kompliment, aus den Aktionen, aus der Gestik und Mimik, aus den Worten von Nadja schon gelesen, was du ihr an Gedanken in den letzten Absätzen mitgegeben hast. Du hast sie schon lange vorher mit viel mehr gefüllt als dass sie bloß Steinlieferantin wäre. Es ist ihr Recht, sich eigene Gedanken zu machen, und ich finde es auch sehr schön und passend, dass sie dies in der Bar beim Tanzen tut.
Duch die massive Ballung am Ende ist in mir beim Lesen nur leider der Eindruck entstanden, ihre Gedanken wären deine Gedanken, sozusagen dein Fazit einer Erörterung. Nicht Nadjas, sondern Evas Gedanken Nadja in den Kopf gelegt. Das war es, was mich störte.

Liebe Grüße, sim

 

Hoppla Wolkenkind - jetzt haben sich unsere Wege gekreuzt!

Habe Sim inzwischen meine Gedanken zu den beiden Frauenschicksalen geschrieben. Verschiedene Menschen sind auf verschiedenen Wegen unterwegs und dementsprechend reagieren und agieren sie auch auf verschiedenen Ebenen. Es ist im Leben oft ein Ungleichgewicht da.

Die Sprache mag eine Schwachstelle sein. Ich würde z.B. im Alltag sagen: woher kommt eigentlich dein Zorn? Das hat etwas mit meinem Gedankenmuster zu tun welches tatsächlich hinterfragenswert ist.
:D

Gut, dass du mich damit konfrontiert hast.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Lieber Sim - alles klar. Wäre meine Wertungswelt auch noch mit verwoben, müsstest du dich mit einer dritten Variante das Leben zu betrachten auseinandersetzen. In der Story agieren Nadja und Silvana, nur in den Antworten agiere ich selbst. :)

Ich wünsch dir eine gute Nacht - lieben Gruß, Eva

 

Hallo Eva,
ich habe Deine schöne Geschichte sehr gerne gelesen.
Besonders gut gefällt auch mir die Beschreibung des Sees und der Bezug zum Titel.
Gut fand ich auch die Aufteilung der Geschichte, im ersten Teil die Beschreibung der Gefühle und Gedanken von Silvana, danach in der Rückblende die Begegnung der beiden und am Schluss Nadjas Gedanken und Zweifel.
Die Wandlung von Nadja kommt sehr gut rüber, wie sie erst das Klosterleben ins Lächerliche zieht und dann aber doch soetwas wie Neid auf die Routine, Vertrautheit in der Lebendsweise der Nonnen empfindet, und auf deren Selbstständigkeit.
Zwei kleine Sachen sind mir noch aufgefallen:
"Den Polster umarmend und mit angezogenen Knien lag sie da..."
Hier müsste es meiner Meinung nach "das Polster" heißen. Was meinst Du mit Polster? Ein Kopfkissen?

"Knock knock knocking on haevens doo-or..."
heaven

Eine rundum gelungene Geschichte!

LG
Blanca

 

Servus Blanca!

Lieben Dank. Es freut mich, wenn die Geschichte und die Lebensbetrachtungen, die durch irgendwelche Steine des Anstoßes in Bewegung geraten, gut bei dir ankommen.

Der Polster heißt es im Österreichischen, gegenüber steht das Polster im Deutschen - und es ist ein Kopfkissen gemeint.

Schönes Wochenende für dich - Eva

 

So sehr meine VorrednerInnen den ersten Abschnitt gelobt haben, so sehr vermieden sie es anschließend, den sexuellen Aspekt der Geschichte zu beleuchten. Dabei ist der Sex die treibende Kraft des Lebens schlechthin, und diese Geschichte, die ja einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben zweier Frauen darstellt, macht hier keine Ausnahme.

Sex treibt Silvana in die Flucht, Sex treibt Nadja dazu, sich plötzlich von einem Mann bedrängt zu fühlen, der sogar gut riecht und an den sie sich eben noch lasziv tanzend geschmiegt hat – nur das, was wir nicht haben, begehren wir.

Obwohl deine Geschichte, schnee.eule, gut geschrieben ist – vor allem das Bild von der reißenden schwarzen Folie hat mir sehr gut gefallen, weil es unseren Tagen entspringt, vor 50 oder 100 Jahren hätte man das nicht schreiben können -, enthält sie doch ein paar überflüssige Adjektive, Klischees und Ungenauigkeiten:

- eine Frau von außerhalb darf im Kloster niemals mit einer einzigen Nonne zusammen in einem Zimmer schlafen, und selbstredend darf sich eine Nonne auch nicht vor ihr nackt ausziehen.

- dass eine Frau nacheinander von einem herrischen Vater zu einem ebenso herrischen Mann und anschließend gleich zu nicht minder herrischen Obhut eines Klosters flieht, entspricht zwar oft der Wahrheit, aber auch dem Klischee, das Trivialromane gern aufwärmen

- das gleiche gilt auch, dass eine Frau durch unerwartete Begegnung mit dem Leben im Kloster plötzlich Erleuchtung oder zumindest Bedenken über das eigene Tun bekommt

Hättest du, schnee.eule, um das echte, ursprüngliche Motiv nicht so viel von diesem eben erwähnten überflüssigen Zeug drum rum geschrieben, wäre deine Geschichte perfekt geworden. Trotzdem, ich habe sie gern gelesen.

Dion

 

Servus Dion!

Danke für deine freundliche Antwort. Dein Spot ist nicht unbewusst auf einen Aspekt der Geschichte gelenkt. Das ist auch sehr fein, denn durch den Perspektivenwechsel kann ich schon gut nachvollziehen um was es dir geht. Dass sich Sexualität durch die Geschichte zieht, stimmt selbstverständlich. Dass ich mit Klischees um dieses, für dich vielleicht sogar eigentliche, Thema, gekreist sein könnte, finde ich sehr interessant, denn dadurch ergäbe sich ein zusätzlicher Stein des Anstoßes um den diese Kreise sich ausbreiten dürften.

Sex als zentrales Thema würde ich dennoch nicht meinen, denn es geht mir im Gleichmaß um Selbstbestimmung, Demut, Mut und Lebensfeigheit. Vor allem auch darum, die eigenen Wertmaßstäbe immer wieder zu hinterfragen, ebenso die eigenen Empfindungen. Trivial sind die Begleiterscheinungen des Lebens natürlich allemal und deshalb m.E. nach in Alltag ja auch recht gut angesiedelt.

Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

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