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Der Sonnenuntergang
Als die junge Frau den Strand betrat, versank sie in eine Rot leuchtende Welt. Die Sonne, kurz bevor sie im Wasser eintauchte und die wenigen Wolken, die sie begleiteten, färbten alles ein. Selbst der weiße Strand, wo die sanften Wellen schäumten, war von dem Abendrot durchdrungen.
Der Strand war überfüllt von Menschen; die halbe Stadt wollte den Tag dort ausklingen lassen.
Die junge Frau ging durch die Massen auf ihren Badetüchern. Sie wollte sich jedoch nicht zu ihnen setzten, sondern sich auf der Felseninsel alleine erholen.
Als sie durch das Wasser watete, kreischten die Möwen über ihr. Was für ein schrecklicher Tag!
Immer noch hallte Anettes Ruf durch ihren Kopf nach: «Seht euch die an! Wie peinlich!»
Das darauffolgende Gelächter über ihre schwarz gefärbten Haare wiederholte sich in ihren Gedanken und jedes Mal fühlte sie sich weniger verstanden.
«Die sieht ja aus wie ein Vampir!»
Inzwischen war sie bereits so tief im Wasser, dass sie schwimmen musste. Ein Vampir! Hör auf, dachte sich die junge Frau. Das Rot, im Himmel und im Wasser, leuchtete überwältigend. Und die dämliche Anette hatte hier nichts verloren.
Sie versuchte, gedanklich Abstand zu nehmen; vom Strand war sie bereits ein gutes Stück entfernt. Wie herrlich still es war. Sie hörte nur das leise Plätschern ihrer eigenen Bewegungen.
Da vorne befand sich die Insel, eingetaucht im flammenden Rot des Sonnenuntergangs. Sie war klein und felsig. Dort war es nicht bequem, aber das spielte keine Rolle. Hier fand sie ihren Frieden.
Behutsam stieg sie an Land und setzte sich.
Seltsam, überlegte sie sich. Seit ich ins Meer gegangen bin, scheint die Sonne nicht tiefer gesunken zu sein.
Ihre Nackenhaare sträubten sich plötzlich. Sie spürte einen Blick im Nacken.
Einen Moment wog sie ab, ob sie sich drehen sollte, aber sie kam sich bei diesem Gedanken blöd vor. Es war still auf der Insel. Nicht mal den Wind hörte sie. Wär’ etwas gekommen, um sie zu beobachten, dann hätte sie dieses Etwas bemerkt. Man gelangte nicht geräuschlos auf die Felseninsel.
Sie fixierte die Reflexion der Sonne im Wasser, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, steigerte sich. Da war etwas!
Sie blickte über die Schulter. Da war nichts. Sie wandte sich wieder der Sonne zu. Sollte sie zum Strand zurück? Irgendetwas hier gefiel ihr nicht. Sie senkte ihren Blick auf das Wasser.
Falls es ein «Etwas» gab, dass sie beobachtete, dann konnte dieses «Etwas» ja unter der Wasseroberfläche lauern. Ein Lachen entwich ihren Lippen und sie schüttelte ihren Kopf. Was für paranoide Ideen! Selbst ein Hai im Wasser konnte sie ja nicht an Land beobachten.
Nein, hier gab es nichts. Hier waren nur sie, die Felsen, das Meer und der Sonnenuntergang.
Und doch, ehe sie ihren Gedanken beendet hatte, fühlte sie einen Blick auf sich ruhen. Es fühlte sich an, als ob ihr jemand über den Nacken streichelte. Ruckartig stand sie auf und wirbelte herum. Da war nichts!
«Wer ist da?», rief sie in die Stille.
Keine Antwort. Natürlich nicht. Es war ja niemand da!
Entspann dich endlich! Sie setzte sich abermals hin und tauchte ihre Zehen ins Wasser.
Sie blickte wieder auf die Sonne. «Seltsam», flüsterte sie die Stirn runzelnd. «Sie hat sich keinen Millimeter bewegt.»
Einen Moment herrschte Stille, dann hörte sie, wie jemand eine Melodie summte. Es war eine schöne Melodie, leise und voller Sehnsucht.
Ein Mann, ähnlich alt, stand vor ihr im Meer. Die junge Frau erschreckte sich und zog ihre Füße aus dem Wasser. Wo war der hergekommen?
Er hörte auf die Melodie zu summen, lächelte und winkte ihr zu.
«Wer bist du?», fragte sie ihn und wich noch etwas mehr zurück.
Er kam näher, ohne dabei mit den Händen zu schwimmen.
Jetzt sah sie seine Augen. Sie waren dunkelblau und strahlten eine wilde Schönheit aus, die sie noch nie gesehen hatte.
«Magst du diesen Ort?», fragte er, als er nahe genug war. Seine Stimme klang sanft und tief.
«Wer bist du?», beharrte sie auf ihrer Frage und verschränkte die Arme.
«Das spielt doch keine Rolle», sagte der Mann. Er schenkte ihr erneut ein einladendes Lächeln und die junge Frau konnte nicht anders als zurück zu lächeln.
«Wichtig ist doch nur, dass wir beide hier sind. Was für eine schöne Fügung des Schicksals! Wir beide während dieses Augenblicks!»
Er deutete auf den Sonnenuntergang.
«Und? Magst du diesen Ort?», wiederholte auch der junge Mann seine Frage.
Einen Moment zögerte sie, ehe sie erwiderte: «Ja, ich mag diesen Ort. Hier fühle ich mich frei. Frei von den Zwängen der Anderen. Hier bin ich aus ihrem Käfig.»
«Ihr Käfig?»
Die Frau nickte und überlegte zuerst, ob sie darauf eingehen sollte. «Ja, ihr Käfig. Geschmiedet aus ihrem urteilenden Blick.»
Der Mann schenkte ihr ein freudiges Lächeln.
«Ja, das verstehe ich. Es gibt wohl keinen Ort auf der Welt, der mehr Freiheit bietet, als der Ozean.»
Sie erwiderte nichts und in der Stille wurde ihr bewusst, wie lautlos es auf der Insel war. Es fühlte sich in diesem Moment sehr einsam an. Sie wandte ihren Blick von dem Kerl ab und schaute die Sonne an. Noch immer hatte sie sich nicht bewegt.
«Möchtest du nicht ins Wasser kommen?», schlug der Mann vor. «Es ist wirklich sehr angenehm.»
«Ich bleibe noch etwas hier», antwortete sie.
Der Mann war hübsch, dachte sich die Frau. Sein Dreitagebart gefiel ihr.
Er streckte ihr eine Hand entgegen. «Ach, komm schon! Komm ins Wasser! Ich verspreche dir, du wirst dich wie neugeboren fühlen, wenn wir etwas zusammen schwimmen.»
Sie schüttelte den Kopf.
«Nein.»
«Du brauchst doch keine Angst zu haben. Ich werde auf dich aufpassen! Ich bin ein sehr guter Schwimmer», versicherte er ihr und schenkte ihr nochmals ein Lächeln.
«Ich kenne einen geheimen Ort, der dir sicher gefallen wird.»
Die junge Frau blickte ihm wieder in seine Augen. Diese dunkelblauen Augen! Die Wellen rauschten leise und rhythmisch, wobei das Rauschen immer etwas lauter wurde. Endlich stellte sich in ihr die Entspannung ein, für die sie zu der Insel gekommen war. Sie hörte den Wind und die Möwen. Die Geräusche wiegelten sie langsam in eine friedvolle Gelassenheit. Seine Augen waren wunderschön und sein Blick voller Zuneigung.
Ihre Augenlider wurden schwerer. In ihren Gedanken lagen sie am Strand, in einer kühlen Nacht unter Palmen, auf einer Insel fern der Welt. Sie lag in seinen Armen und er streichelte sie sanft. Seine Berührungen wärmten sie.
«Komm doch», flüsterte er ihr ins Ohr, «komm zu mir ins Wasser.»
Sie setzte, etwas gedankenverloren, zum Sprung ins kühle Nass an. In letzter Sekunde hielt sie aber inne. Tief in ihrem Innern stemmte sich etwas dagegen. Es war kein Gedanke, kein Satz der sich in ihrem Kopf formte, sondern ein Gefühl, dass Widerstand auslöste.
Entschieden wandte sie ihren Blick ab und starrte auf ihre Füße. Auf einmal verstummten die Geräusche.
«Warum willst du nicht kommen? Ich fühle doch, wie du verletzt bist! Du sehnst dich doch nach jemanden wie mir, der dich so nimmt, wie du bist. Was du suchst, ist doch nicht wirklich Freiheit, sondern Geborgenheit.“
Sein Gesicht spiegelte Anspannung wider. Sie antwortete nichts und wich seinem Blick aus. Es fühlte sich aufregend und gut an, mit ihm zu sprechen. Als sie ihn wieder ansah, versuchte er wieder Augenkontakt herzustellen.
«Ich verspreche dir», sagte er, «dass ich dich lieben werde. Genauso, wie du bist. Von diesem Moment bis in alle Ewigkeit. Ich erkenne deine Schönheit! Ich habe dich ausgewählt.»
Vermutlich, dachte sie, laufe ich gerade rot an. Sein Lächeln wurde zum Grinsen. Er streckte ihr abermals seine Hand entgegen.
«Komm mit mir, komm mit mir in den Ozean.»
Sie nickte, aber gab ihm ihre Hand nicht. Stattdessen ließ sie ihren Blick auf den Grund des Meeres schweifen. Weil die ganze Umgebung so rot leuchtete, war es ihr bisher nicht aufgefallen. Unten, tief im Wasser, schimmerte etwas Grünes.
Steinerne und teils eingefallene Häuser, grüne Kristalle in Türmen erleuchteten sie. Sie kannte diese Stelle des Meeres, dort gab es eigentlich nur Felsen. Und jetzt befand sich dort etwas, dass aussah, wie eine Stadt. War das real?
«Kommst du von dort?», wollte sie von ihm wissen und deutete dorthin.
Der Mann nickte.
«Gut, ich sage dir die Wahrheit. Das ist meine Heimat: Atlantis.»
«Atlantis?», lachte die junge Frau. «Erzähl keine Märchen!»
Der Mann schüttelte den Kopf: «Ich habe dir mein Herz gegeben, Liebste. Niemals könnte ich dich anlügen.»
«Unser Volk verliess vor mehr als 10'000 Jahren diese Welt. Wir flohen vor dem Tod durch Hunger, Krieg und Krankheit. Damals war ich noch ein Kind.»
«Ein Kind?», erkundigte sich die junge Frau. Die ganze Geschichte wirkte unglaubwürdig. Und trotzdem, dachte sie sich, konnte sie die Stadt am Grund sehen. Sie war gross, es gab Plätze, Tempel und auch Statuen. Ringförmig erstreckte sie sich über den Meeresgrund. Ihre Ausmasse mussten jede heute existierende Stadt bei weitem übertreffen.
«Ja, in unserem Exil fanden wir die Unsterblichkeit, nach der wir strebten.»
Sie schwieg einen Moment, sagte dann aber: «Bei uns erzählt man sich die Geschichte anders. Man sagt, Atlantis versank im Meer, weil die Götter es für ihre Sünden bestraften.»
Da lachte der Mann auf.
«Bestraften? Unsere Sünde war, dass wir selbst Götter wurden. Sieh her!»
Er hab seine Hand und schloss die Augen. Einige Sekunden später hielt er ein Feuer in der Hand. Im Schein der Flamme flackerten seine Augen schwarz.
«Der Bann der Stadt löst sich alle tausend Jahren für einen Sonnenuntergang, so dass wir Menschen auswählen und zu uns einladen können. Und ich habe dich ausgewählt. Glaub mir, es gibt noch viele Wunder, die ich dir zeigen möchte!»
Die Frau warf nochmal einen Blick auf Atlantis mit seinen Türmen und Plätzen. Da waren bleiche Gestalten, welche in die Stadt schwammen. Sie wirkten nicht menschlich, sondern verstümmelt und abgefault.
Schwimmende Leichen, dachte sie sich. Von der Vorstellung angeekelt blickte sie wieder auf den hübschen Mann vor ihr. Als sie ihn ansah, spürte sie wieder die Wärme in ihr. Sein Lächeln zeigte ehrliche Freude.
«Komm jetzt, Liebste», rief er. «Wir müssen uns beeilen.»
Er hob erneut seine Hand und sie die ihre. Sie zögerte, in seine Griffnähe zu gelangen. Wieder blickte sie in seine Augen. Sie waren so überwältigend, aber auch voller Ungeduld. Eigentlich mag ich seine Gegenwart ja, gestand sie sich ein. Wieder begann sie das Rauschen des Meeres zu hören.
«Komm mit mir», hörte sie seine Stimme in Gedanken. «Zusammen werden wir glücklich.»
Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie sie in seine Arme sprang und sie im Wasser schwammen. Engumschlungen küssten sie sich.
«Komm jetzt! Das Zeitfenster schliesst sich, wenn die Sonne untergegangen ist. Ich kann den Sonnenuntergang nicht ewig hinauszögern; das Beschwören des Feuers hat mich zu viel Kraft gekostet.»
Sie schloss die Augen. Wollte sie wirklich nach Atlantis gehen? In die Stadt der Unsterblichen am Grund des Meeres. Sie stellte sich vor, wie sie durch die Stadt schwamm. Schön war sie, schön und verfallen. Jahrhunderte lang würde sie mit ihm, der sie ausgewählt hatte, in den Ruinen leben. Feuer und Blitz würde sie beschwören können. Menschen wie Anette würden es nie wieder wagen über sie zu lästern. Und eines fernen Tages wäre sie eine der schwimmenden Leichen, welche die Menschen alle Tausend Jahre von der Meeresoberfläche aus sehen konnten.
Mächtig und unsterblich, eine Göttin – aber doch nur eine Gefangene, eine Gefangene in einer lebenden Leiche.
«Nein», erwiderte sie. «Ich will nicht mit dir gehen.»
Der Mann schlug auf die Wasseroberfläche. «Warum nicht? Du kannst ein sorgenfreies Leben haben und dazu noch die Unsterblichkeit. Das ist es doch, wonach sich die Menschen sehnen!»
Die Sonne berührte jetzt die Meeresoberfläche am Horizont.
«Das stimmt», sagte sie, ohne ihren Blick von der Sonne abzuwenden. «Aber was du mir versprichst, das ist nichts anderes als einen Käfig. Ein anderer und ewiger Käfig, der sich wohl nie wieder öffnen lässt.»
«Aber Liebste», schrie er sie an. «Ich habe dich ausgewählt!»
«Nein», erwiderte sie bestimmt. «Mein Mann wird keine Leiche sein. Und ich will kein Vampir sein.»
«Jetzt reicht es! Die Zeit läuft mir davon!», brüllte er und versank im Wasser.
Erleichtert atmete die junge Frau auf. Zum Glück war er weg. Sie blickte auf die Sonne. Seit er gegangen war, hatte sich das Versinken der Sonne normalisiert. Es vergingen einige Minuten und die junge Frau beruhigte sich. Wenn sie den Worten des Atlanters Glauben schenken konnte, würde der Spuk gleich vorbei sein. Die Sonne war schon fast untergegangen. Das Rot war intensiver geworden und ihr Kopf war angenehm leer.
Ein Plätschern zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ehe sie reagieren konnte, spürte sie, wie Seile auf sie niederfielen.
«Ich bin ein Gott!!», rief er und zog das Netz zu. „Als ob ich dir die Wahl lassen würde!“
Atmen, schoss es ihr durch den Kopf. Du musst atmen! Als sie sich aus ihrer Starre löste, griff sie sich an einen Felsen, aber er zog so an dem Seil, dass sie sich nicht halten konnte. Sie fiel ins Wasser.
Er stand grinsend neben ihr und zog das Netz weiter zu. «Gehen wir endlich nach Hause.»
Dann tauchte er hinab und zog sie mit sich. Sie wollte schreien, spürte aber nur, wie das Salzwasser ihren Mund füllte. Im Netz war es eng, aber trotzdem versuchte sie daran zu reissen.
Irgendwie musste sie doch entkommen können!
Als sie etwas tiefer waren, hielt er inne. Er schwamm zu ihr und packte sie mit seinen Pranken. Jetzt erkannte sie ihren Entführer. Er war überhaupt nicht mehr hübsch. Teile seiner grauen Haut hatten sich gelöst und waberten in der Strömung. An seinen Zähnen hingen noch Fleischreste und sein Gesicht erinnerte kaum an einen Menschen.
Eher an einen Anglerfisch.
Er näherte sich ihrem Kopf. Sie spürte seine längliche Zunge auf ihren Lippen. Sie wollte sich abwenden, aber er hielt sie fest. Seine Zunge drang ein und er küsste sie. Und wie er das tat, fühlte sie, wie etwas, eine Art flüssige Energie, in ihren Mund tropfte. Er füllte ihren Mund und die Flüssigkeit rann ihre Kehle runter. Einige Augenblicke später rumorte es in ihrem Bauch. Es fühlte sich an, als müsste sie sich gleich übergeben. Dann prickelte es an ihrem ganzen Körper. Sie wollte sich krümmen, aber das liess er nicht zu. Kleine Luftbläschen entwichen ihrer Haut und hüllten sie komplett ein. Sie sah nur noch die Bläschen und seine schwarzen Augen.
Plötzlich konnte sie atmen. Sie wollte ihren Hals berühren um sich zu vergewissern, ob da Kiemen waren, aber er hielt sie noch immer fest umklammert.
Er streichelte ihr Gesicht und löste sich von ihr.
«Jetzt gehörst du mir.»
Er tauchte tiefer, rasch der grün leuchtenden Stadt entgegen und zog sie im Netz mit sich. Sie versuchte irgendwie aus dem Netz zu entkommen, aber mit jedem seiner Schwimmzüge kam sie Atlantis unaufhaltsam näher.
Dann war es dunkel. Die Sonne war untergegangen. Die Stadt verschwand in einen Schatten. Nur noch Felsen waren an ihrer Stelle.
«Nein!», rief das Meeresmonster und krümmte sich vor Schmerzen.
Es löste sich in Luftbläschen auf. Dort wo er sich befunden hatte, schwamm jetzt Schlamm im Wasser.
Die junge Frau versuchte sich aus dem Netz zu befreien, aber es war zu eng, um zu schwimmen. Ungesehen sank sie hinab, dem dunklen Meeresgrund entgegen; als eine der Unsterblichen, aber nicht an die Stadt Gebundenen.
Zuhause, im Wohnzimmer der jungen Frau, lief der Fernseher. Eine Anzeige verriet, dass er sich in wenigen Augenblicken selber abschalten würde.
«Wir unterbrechen unser Programm wegen einer Sondersendung.»
Der Nachrichtensprecher blickte direkt in die Kamera. So ganz konnte er nicht fassen, was er verkünden sollte.
«An den Küstenregionen sind in der heutigen Dämmerung tausende Menschen verschwunden. Obwohl der Sprecher der Polizei in erster Linie beruhigen wollte, musste er einräumen, dass es noch keine Erklärung dafür gibt. Er kündigte die grösste Suchaktion in der Geschichte unseres Landes an. Hunderte Freiwillige sind bereits im Einsatz.
Die Polizei und die Behörden stehen vor einem Rätsel. Tausende Menschen versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude und in den Innenstädten. Sie skandieren «Wahrheit!» oder «Gerechtigkeit!». Die Regierung lehnte bisher eine Stellungnahme ab.»