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Der Sklave

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08.06.2018
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Der Sklave

Der Sklave

Janus erinnerte sich noch gut an die Blicke der anderen Sklaven. Sie verachteten ihn. Man sah es in ihren hasserfüllten Gesichtern. Vielleicht lag der Grund dieser Geringschätzung an dem starken Kontrast, der sich aus der riesenhaften Gestalt des Wärters und dem kleinen Gerippe des Janus ergab. Wohl aber auch die Erscheinung der zwei. Dass Janus am Wärter hing, sich an seinem mächtigen Oberarm festhielt, um nicht laufen zu müssen, sodass er eher mit geschliffen wurde, als dass er eigenständig ging. Und das am ersten Tag. Eine erbärmliche Szene, mit beschämender Wirkung. Doch warum sie ihn immer noch verabscheuten und ausgrenzten, konnte sich Janus nicht erklären. Er hatte seit seiner Gefangennahme immer einen höflichen Ton und ein zuvorkommendes, mitfühlendes, fast schon hündisches Verhalten an den Tag gelegt. Keiner der Mitgefangenen hatte dieses Verhalten bemerkt.
Immerhin wurde er während der Arbeiten nicht von stärkeren Sklaven geschlagen, wie es so manch anderem Sklaven passierte.
Die Wärter griffen in solchen Fällen nur dann ein, wenn ein ernsthaftes Risiko für den Verlust der Arbeitskraft bestand. Das hatte Janus noch nie erlebt, da die geschlagenen Sklaven schon nach kurzer Zeit des Kampfes bewusstlos wurden und auf den sandigen Boden zusammensackten.
Das die anderen Sklaven ihn komplett ignorierten, wenn er sich in Gespräche einmischte, bedauerte Janus nicht. Diese handelten ausschließlich von Belanglosigkeiten und er hielt es für nicht nötig, diesen beschränkten und begriffsstutzigen Menschen, seine Weltkundigkeit zu beweisen.
Waren es denn wirklich Menschen? Natürlich, in biologischer Hinsicht sicher – aber konnte man diese verwirrten Wesen denn Menschen nennen?
Die ohne Ziel oder gar korrekten Werten, auf dessen Fundament sie ihre Identität hätten behaupten können, vor sich hin leben, oder besser gesagt existieren, denn leben impliziert eine aktive Tätigkeit.
Die ihren Geist durch Anspruchsdenken verwahrlosten und dabei unausstehlich waren?
Weil sie aufgrund ihrer Haltung nicht imstande waren Situationen zu begreifen, oder in einen richtigen Kontext zu stellen, um diese angemessen bewerten zu können?
Geschweige denn entsprechend reagieren zu können?
Nein, Janus war sich sicher, diese Menschen waren mechanische Wesen, und das bedauerliche daran war, dass sie es selbst nicht wussten.
Auch wenn sie es täten, sie waren so geschickt darin, sich, sobald die Lage komplex wurde, oder eine Distanz zum Sachverhalt im Zuge einer entsprechenden Reflexion gefordert war, über jegliche Realitäten hinwegzutäuschen, und sich somit einem klaren Blickpunkt zu verschließen.
Besonders deutlich war dies, in der Rationalisierung einiger Verhaltensweisen der Sklaven festzustellen. Zum Beispiel, wenn diese an die Grenzen ihres engstirnigen Denkens stießen. So waren sie einmal außerstande, die Auberginen in ihrer Suppe als diese zu identifizieren. Sie einigten sich, dass Gemüse nur etwas für Frauen sei und aßen weiter.
Janus glaubte festzustellen, dass sie in solchen Situationen das gesuchte Wissen als nutzlos abtaten, um ihrem Selbstbild nicht zu schaden.
Immer wenn Janus solch eine Situation wahrzunehmen glaubte, fragte er, worum es sich denn handle und dass er durchaus gewillt sei, zu helfen – er sei ja schließlich nicht umsonst ein Gebildeter. Die Sklaven ignorierten diese Aussagen immer, jedoch drangen sie zu ihnen vor, lösten wahrscheinlich eine Unsicherheit aus, die zur Ausgrenzung des Janus nur noch mehr beitrug.

Zwei Wochen verbrachte Janus in diesem Zustand der sozialen Isolation, bis eines Morgens ein ausländischer Sklave in das Arbeitslager gebracht wurde.
Janus begegnete ihm das erste Mal auf dem Vorplatz der Katakomben, auf dem die Sklaven ihre Mahlzeiten einnahmen, wenn sie nicht gerade arbeiten mussten.
Er reinigte gerade seine Lehmschüssel, als er hinter sich das Klirren von Fußfesseln vernahm. Er drehte sich augenblicklich um, gierig, seinen Augen eine Abwechslung zu den bekannten Bildern zu präsentieren, seinen Geist mit etwas neuem in Kontakt bringen, als ständig dieselben, irreführenden Gedanken zu denken.
Das Klirren wurde lauter und nun begannen auch die anderen Sklaven, ohne Scheu zu gaffen.
Janus schämte sich für seine Mitgefangenen. Er wusste seine Neugier geschickt zu verstecken, indem er ab und zu eine natürlich wirkende Bewegung machte, die es ihm ermöglichte, unerkannt die Szene in sein Blickfeld zu rücken.
Der Wärter ging neben einem Gefangenen, der des Wärters Größe mit der seinen relativierte, ja fast zu übertrumpfen schien.
Er war schlank, in einem jugendlichen Körper, dennoch aber mittleren Alters, und unglaublich schön. Seine Wangenknochen lagen hoch in seinem symmetrischen Gesicht, mit großen weichen Lippen, die Haut glatt, rein und braun gebrannt, die Augen groß, dunkel und wach.
Doch es war nicht primär die unbestreitbare Schönheit dieses Mannes. Es war die Aura, die er ausstrahlte, die Art wie er neben dem ihm überlegenden Werter ging, als würde dieser ein niederer Diener, in Begleitung seines Herrn, darstellen.
Jetzt musste sich Janus doch umdrehen, um den Anblick so lange es noch möglich war zu genießen. Wie konnte dieser Mann so gelassen und so mit sich selbst im reinen sein und solch eine Strahlkraft zu besitzen?
Anmutig und elegant schritt er über den Vorplatz, als er plötzlich stehen blieb, den Kopf drehte und Janus Blick kreuzte. Dieser erschrak fürchterlich und getroffen von der geballten Energie, die von den leuchtenden Augen und der starken Miene des Mannes ausging, wandte sich ab, suchte Halt in den Fratzen der anderen Sklaven, fand ihn nicht, blickte, vorsichtig, erneut auf die Stelle, wo sich der Mann befand. Zu Janus großer Verwunderung, stand dieser immer noch, ruhig, am selben Fleck, schaute jedem Sklaven einzeln in die Augen, als würde er die Existenz derer, durch bloße Abstimmung des Augenkontaktes, wahrnehmen und bestätigen. Noch verwunderlicher war es, dass der Wärter nichts dagegen unternahm. Es kam Janus fast so vor, als wäre der Wärter diesem vollkommenen Mann unterstellt.
Einige stille Augenblicke verstrichen, bis der Mann sich, gefolgt vom Wärter, wieder in Bewegung setzte und auf den Eingang der Katakomben zuging. Zu tiefst berührt schaute Janus ihnen nach, bis sie im Dunkeln der Höhlen verschwanden.

Dieser Mann würde ihn verstehen, ihm könnte Janus sich mitteilen, endlich hatte er jemanden zum Reden. Endlich würde er sich öffnen können, endlich hatte er eine Person gefunden, der er zutrauen konnte seine anspruchsvollen Ansichten zu durchdringen.
Die Sonne brannte auf Janus Haupt, doch die neu geschöpfte Hoffnung ergoss sich über Janus Gemüt, wie ein erfrischendes Bad in kaltem Wasser und ließ ihn, die sonst so unerträgliche Hitze vergessen.
Prüfend blickte er in die Runde. Dort saßen zwei Sklaven, im Schatten eines mächtigen Eukalyptus Baumes, dessen saftig grüne Blätter einen kräftigen Kontrast, zur braunen Wüstenlandschaft boten. Sie ruhten ihre schwachen, von der Arbeit ausgelaugt Körper, die Augen geschlossen und trotz ihres beschämenden Anblicks, trugen sie zu einer allgemeinen Stimmung des Friedens und der Entspannung bei, die sich im Lager ausbreitete. Man schaute sich zufrieden in die Augen, nickte sich zu und war von einem Gefühl der Sinnhaftigkeit, ihrer tatsächlich sinnlosen Unterfangen, erfüllt.
Janus beobachtete gerade zwei Sklaven, die sich gegenseitig ihre langen Haare lausten und hingerissen von dieser, ihm bisher unbemerkten Zuneigung, sprang er auf und lief, ohne überhaupt über den weiteren Verlauf seiner Handlung nachzudenken, mit hastigem Schritt auf die beiden Lausenden zu.
Doch er kam nicht weit.
Ein schriller Ton beendete abrupt die Ruhe, die Sklaven sprangen auf. Die Wärter traten aus den Katakomben und kündigten das Ende der Pause an. Der Zeitpunkt war gekommen, voller Vorfreude auf die bevorstehende Begegnung mit dem neuen Sklaven ging Janus heiteren Ganges über den Vorplatz, um beim Wärter eine Axt zu erhalten. Der stämmige Mann, dessen kleiner Kopf auf einem viel zu kurzen Hals auf breiten Schultern lag, zeigte eine äußerst ungewöhnliches Mienenspiel. Seine kleinen, eng beieinander liegenden Augen, waren zu kleinen Schlitzen verzogen, seine wulstigen, vertrockneten Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, sodass es nur Absicht sein konnte, dass er solch eine Grimasse schnitt. Doch es war keine Absicht. Der Mann lachte tatsächlich.
Janus drehte sich hastig um, um den Grund der ungewohnten Erheiterung, des sonst so stummen, mürrischen Wärters zu erfahren. Jetzt sah auch Janus, was den Mann so ungemein freudig gestimmt hatte. Jedoch war es für Janus gleichermaßen enttäuschend wie verwirrend.

Der neue Sklave befand sich in einem hitzigen Wortgefecht mit einem Sklaven, der für seine unkontrollierten Wutausbrüche bekannt war. Der dazu neigte, ohne Grund schwache Sklaven zu verprügeln.
Dieser große Sklave schleuderte dem Ausländer wüste Beschimpfungen ins Gesicht, schubste ihn mit hasserfülltem Gesicht. Um die beiden hatte sich bereits eine Gruppe von Zuschauern gebildet, die sensationsgierig wie sie waren, aus sicherer Entfernung den Verlauf des Kampfes verfolgten, um die nächste Woche unentwegt drüber zu sprechen. Ja die Faustkämpfe waren unter den Sklaven sehr beliebt.
Doch als Janus sich dem Geschehen näherte, bemerkte er, dass etwas an dieser Auseinandersetzung merkwürdig, anders, gar befremdlich war. Der Ausländer unterließ es, im Gegensatz zu allen bisherigen, in ein Gefecht verwickelten Sklaven, auf die Beleidigungen mit noch verdorbeneren zu antworten. Er sprach leise, den Blick fest auf die des Kontrahenten gehaftet, Worte in seiner, Janus unverständlichen, aber rätselhaft schön klingenden Sprache. Den Aggressor reizte dieses Verhalten ungemein, er erwartete ein Duell mit Einsatz des Körpers als Waffe und er erfüllte sich, im Zuge seines emotionalen Chaos, eben diese Erwartung.
Er hieb mit einer Wucht und Rage auf den Ausländer ein, die Janus bis ins Mark erschütterte. Der Anblick war abscheulich, doch Janus konnte sich nicht abwenden, das Verhalten des Ausländers war zu unverständlich, sodass Janus sich in der weiteren Beobachtung eine Erklärung erhoffte.
Der Ausländer betete weiter, inzwischen lauter, seine Verse, wehrte sich nicht gegen die brutalen Schläge des Feindes, starrte mit entschlossenem Blick seinem Peiniger in die Augen und schien sich mit aller Kraft auf etwas zu konzentrieren.
Getrieben vom Teufel der Wut, war der große Sklave außerstande dieses Verhalten einzuordnen und konnte nicht anders reagieren, als seine Schläge mit noch größerer Kraft auszuführen. Doch als der Ausländer auf den Boden stürzte, sein schönes Gesicht blutverschmiert, die großen Lippen geschwollen und aufgeplatzt, die Nase schief, immer noch eine entschlossene Miene zeigte, inzwischen fast schreiend die Luft mit den fremden Worten füllte und der bullige vom Zorn regierte Sklave dazu ansetze ihm mit Fußtritten bis zur Bewusstlosigkeit zu bearbeiten, geschah etwas, das in seiner Abnormalität alle vorangegangenen Ereignisse in den Schatten stellte.
Mit einem lauten Schrei stürmte der Wärter auf den Schläger zu, zerschmetterte mit einem präzisen und gewaltigem Schlag den großen Schädel des Streitsüchtigen und befreite den Ausländer von seiner Marterung.

Es war totenstill geworden. Die Sklaven, starr vor Schrecken, wagten es nicht, sich zu bewegen. Ungläubige Blicke wurden ausgetauscht und voller Spannung erwartete man die Reaktionen des Wärters und des Ausländers ab. Dieser kniete inzwischen vor dem Leichnam, stammelte unter großen Mühen und geschlossenen Augen immer noch seine Verse. Der Wärter stand reglos mit gesenktem Haupt vor ihm, ließ lange Momente der Stille verstreichen und erst als der Ausländer aufblickte, regte er sich, bot ihm den Arm und half ihm in die Katakomben zu gehen.
Kaum hatte das Schwarz der Höhlen die beiden verschluckt, brach unter den Sklaven eine lautstarke Diskussion aus. In ihrer Aufgebrachtheit schrien sie, um ihren Worten Gehör zu verleihen, doch vergebens, denn alle redeten aufgewühlt durcheinander.
Janus starrte fassungslos auf den hingerichteten Sklaven, dessen eingeschlagener Schädel einen widerwärtigen Anblick bot.
Warum, hatte der Wärter eingegriffen? Er hatte es noch nie getan, auch nicht bei den schlimmsten Torturen, des nun toten Streitsuchers. War es eine aufgestaute Wut, die sich nun, durch die Art des Ausländers entfesselt hatte?
Janus Überlegungen wurde durch eine Bewegung im Augenwinkel gestört. Etwas näherte sich ihm mit großer Geschwindigkeit. Janus konnte sich gerade noch rechtzeitig umdrehen, als ihn der Wärter grob am Arm packte, und ihn an den Sklaven vorbei Richtung Katakomben schliff. „Ich habe nichts getan, lasst mich los! Ich habe kein Wort verloren, packt die andren, die sich das Maul zerreißen! Warum ich? Lass mich frei, ich bin unschuldig!“ Nichts half, der Wärter lockerte seinen Griff erst, als sie in einen, schwach von einer Kerze beleuchteten, Raum in den Katakomben traten, und riss Janus am Kragen seiner Leinen so nah zu sich, dass Janus seinen schlechten Atem riechen konnte. Er starrte ihn mit durchdringender Miene in die Augen, bevor er Janus in die Zimmermitte schubste und den Ausgang mit seinem kolossalen Körper versperrte.

Am hinteren Ende des Raumes stand ein Bett. Obwohl Janus ahnte, wer in diesem Bett lag, sträubte sich sein Verstand gegen diese eigentlich unlogische Vermutung, denn den Sklaven war es auch bei einer Verletzung nicht gestattet, sich außerhalb der Schlafenszeiten in ihre Betten zu legen. Eingewickelt in weiße Laken lag der schlimm zugerichtete Ausländer. Sein Befinden hatte sich wohl sehr verschlechtert, denn seine Augen waren nur einen schmalen Spalt geöffnet und er sog schwer atmend die Luft durch den leicht geöffneten Mund, was ein schauderhaftes Geräusch verursachte. Von der einst so ergreifenden Schönheit des Mannes war nichts mehr wieder zuerkennen.
Hier lag ein Todgeweihter. Doch er lag nicht wie ein gewöhnlicher Mensch, voller Angst und von der Suche nach Versöhnung mit Gott und der Welt gefesselt, in seiner Agonie.
Erst jetzt, als Janus nahe am Bett stand, sich fast über den Ausländer beugte, trafen sich ihre Blicke. Sofort erfüllte Janus die Aura des Mannes, dessen herrliche Energie ihn bereits bei der Begegnung auf dem Vorplatz überschwemmt hatte.
„Bruder!“, sagte der Mann, mit starkem Akzent und rollendem R, in einem heiseren, krächzenden Ton. „Bruder!“ Ein scheußliches Husten unterbrach ihn. „Mein Vater, mein Vater…„ stöhnend packte er Janus am Arm, dieser erschrak und wollte zurückweichen, doch die Kraft des Mannes war stark.
„Bruder, ihr seid gefangen, es hat keinen Sinn, eure Gedanken haben keinen Sinn. Ihr habt euch abgewandt von eurem wahren Herrn, hörst du Bruder, ihr könnt nur dann frei sein...“
Erneutes, stärkeres Husten, gefolgt von einem Röcheln nach Luft.
„...nur dann frei sein, wenn ihr euch vor eurem wahren Herren verbeugt, für ihn Lebt, euer Leben seinem Sinn unterordnet.“
„Wer? Wer ist unser wahrer Herr? Mit Verlaub, ich kenne niemand anderen, der die Gewalt über meinen Körper innehat, als unser allmächtiger Besitzer.“
„Kein Körper..“ er stieß einen kratziges Lachen hervor, seine Pupillen sprangen hastig hin und her. Plötzlich, als sei ihm etwas von großer Wichtigkeit eingefallen, sprach er in einem gehetzten Ton, seine Verse in fremder Sprache.
Nach einigen Augenblicken schloss er die Augen, lächelte, legte den Kopf in den Nacken und fiel in ein verrücktes Lachen. Mit einer ruckartigen Bewegung, griff er erneut Janus Arm, diesmal fester, seine Miene wurde Ernst und er verzog sein Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse und starrte Janus direkt in die Augen.
„Ihr seid nicht Herr über eure Gedanken, ihr habt vergessen, wer ihr seid. Euer Herr… Euer Herr wird... Geht zu ihm, ihr seid frei. Ihr seid frei, ihr seid frei! Wieso geht ihr nicht zu ihm, ihr seid doch frei.“
Er verfiel in ein krankhaftes, schauderhaftes Gelächter, das ab und zu von heftigen Hustenanfällen unterbrochen wurde. Janus, verstört und verwirrt, schüttelte den Arm des armen Verrückten ab und wandte sich um.
„Nach draußen, ihr seid getrieben nach draußen zu hasten. Draußen ist die Bestätigung nicht, ihr findet sie vielleicht, weil alle immer draußen nach ihr suchen. Nein…“ Ein schrecklicher Schmerzensschrei erfüllte die Luft. Er flüsterte:
„Nein... Draußen ist sie nicht, sie ist drinnen, in Wirklichkeit ist sie drinnen. Ihr bedauernswerten Geschöpfe... Der Herr, der Herr… Ihr seid frei.“
Janus befand sich bereits an der Tür, hörte nur noch leise die konfusen und sinnlosen Sätze des verrückt gewordenen und blickte fragend in das Gesicht des Wärters. An seinen besorgten Gesichtsausdruck konnte sich Janus noch lange erinnern. Als hätte er etwas Wichtiges vergessen, es nun aber gemerkt und sich der Konsequenzen bewusst gemacht, die man hätte vermeiden können, wäre man nicht so nachlässig gewesen.

 

Hi, @Castle

Ich finde Deine Geschichte tatsächlich allein von der Handlung her gut aufgebaut. Verzeih mir also in diesem Zusammenhang, dass ich ausschließlich auf die Form eingehen werde. Da hakt und holpert es in meinen Augen nämlich gewaltig (obgleich vieles davon Geschmackssache und freche Deutung meinerseits sein mag).

Fangen wir mit den Absätzen an. Du lieferst hier sechs fette Textblöcke aka Absätze. Ist echt anstrengend zu lesen, das kann ich Dir sagen. Schonmal was von Zeilenumbrüchen gehört? :p Wann immer Du einen neuen Gedanken verfolgst, könntest Du einen Zeilenumbruch einfügen. Beispiele, wo sich in meinen Augen einer anbietet:

Diese Szene der Unterwürfigkeit
Immerhin wurde er während der Arbeiten nicht
Schmerzlich fand Janus das Ignorieren seiner Worte,

Und so weiter. Nur so als Vorschläge, wo ich sagen würde, da beginnt jetzt ein neuer Gedanke, da könnte man mal einen Zeilenumbruch machen und würde damit die Lesbarkeit deutlich erhöhen.

Auch im Folgenden möchte ich ausschließlich auf die Lesbarkeit eingehen.

Vielleicht lag der Grund dieser Geringschätzung an dem starken Kontrast, welcher sich aus der riesenhaften Gestalt des Wärters und dem kleinen Gerippe des Janus ergab.

Ich erinnere mich noch recht gut an die "welche/r/s"-Diskussion unter Deiner letzten Geschichte, und ich sehe auch keinen Grund, nicht "der/die/das" zu schreiben, außer, dass Du versuchst, wie es dort so schön ausgedrückt wurde, über Deinem Niveau zu schreiben. Ich habe auch sonst im Text, weshalb ich auf das "welcher" nicht weiter eingehen werde, das Gefühl, dass Du versuchst, in einem Stil zu schreiben, den Du (noch) nicht vollständig durchdrungen hast.

Einerseits ist es ein bisschen witzig, dass Du extrem viele Zeichensetzungsfehler machst, während ich gleichzeitig das Gefühl habe, der/die Autor/in versucht, sich sehr gebildet auszudrücken. Nach meiner Beobachtung machen Leute, die schon einmal verstanden haben, was Haupt- und Nebensätze sind, in der Regel einen von zwei Fehlern: 1) fehlende Kommata an Infinitivsätzen oder 2) überflüssige Kommata an adverbialen Bestimmungen.

Du machst Zweiteres, wie ich gleich exemplarisch am ersten Absatz zeigen werde, und möglicherweise ist es eine Notlösung, denn Du gebrauchst extrem viele Nomen und gleichzeitig sehr lange Sätze. Weißt Du, was der Trick ist? Verben. Einfach mehr Verben benutzen. Verben sind eine tolle Wortart, vor allen Dingen, da sie Bewegung in die Sprache bringen, ganz anders als die statischen Nomen. Sie zwingen Dich, aus der Abstraktation auf die Ebene des Sichtbaren, des Lebendigen zu treten. Bewegung und in diesem Sinne Leben und Szenen, das geht Deiner Geschichte, möchte ich mal behaupten, an vielen Stellen ab. Schwulstig formulierte Überlegungen scheinen wichtiger gewesen zu sein. Und dabei erscheint mir die Wortwahl dann häufig übertrieben oder sogar verkehrt.

Aber bevor ich nur behaupte, bestimmte Dinge gesehen zu haben, gehen wir mal an die Beispiele:

Janus erinnerte sich noch gut an die Blicke, die ihm die anderen Sklaven seines Besitzers zuwarfen, als dieser sich, am ersten Tage seiner Gefangenschaft noch in Ketten zu seiner Pritsche schleppte.

Hier ist am "dieser" der Bezug unklar. So, wie es da steht, könnten die Sklaven auch dem Besitzer die Blicke zuwerfen. Uuund da kommt auch das erste überflüssige Komma: Komma weg vor "am". "am ersten Tage seiner Gefangenschaft" ist eine adverbiale Bestimmung der Zeit. Sie gehört zum Nebensatz wie das Prädikat, wie das Subjekt, wie jedes andere Satzglied auch. Du kannst sie nicht einfach abhacken. Wobei es natürlich, wenn Du den Satz auf bestimmte Weise betonen möchtest, möglich wäre, aber dann müsstest Du sie schon konsequent einkasteln, also nicht nur vor "am" ein Komma setzen, sondern auch nach "Gefangenschaft". Aber ich würde es hier nicht machen.

Wohl aber auch, die Erscheinung der zwei - das völlige Hängen an des Wärters Person, an dessen mächtigen Oberarm sich Janus festhielt, um gewissermaßen die Arbeit des Laufens an eben diesen zu übertragen, hatte zur Folge, dass Janus eher mit geschliffen wurde, als dass er eigenständig ging.

Komma weg vor "die Erscheinung". Dann benutzt Du an anderen Stellen einen Gedankenstrich – im Unterschied zu einem Bindestrich -, ich würde deshalb empfehlen, konsequent den "richtigen" Gedankenstrich zu benutzen. "mächtigem Oberarm" statt "mächtigen Oberarm".

Und hier hast Du sogar Verben nominalisiert, keine Ahnung, warum. Um den Satz weniger anschaulich zu machen? Man könnte es ja so schreiben: Wohl aber auch die Erscheinung der zwei – dass Janus am Wärter hing, sich an seinem mächtigen Oberarm festhielt, um nicht laufen zu müssen, sodass er eher mitgeschliffen wurde, als dass er eigenständig ging.

Ich möchte nämlich eine Sache sagen: Natürlich können Dinge, wenn sie sehr komplex werden, nicht konsequent einfach geschrieben sein. Es gibt Stellen, an denen das nicht mehr geht. Aber Du beschreibst hier das Mitschleifen einer schwachen Person in übertrieben komplexer Sprache. Ich sehe den Sinn dahinter einfach nicht, außer dass der/die Autor/in sich gerne verschwurbelt ausdrücken möchte. Kann sein, dass Dir das Spaß macht, als Leserin vergrault es mich schneller, als Du "Autonomie der Täuschung" sagen kannst. Ich würde immer (auch an meine Sprache) die Forderung stellen:

So einfach wie möglich und so komplex wie nötig. Wir wollen ja verstanden werden, oder ist das nicht Dein oberstes Ziel?

Diese Szene der Unterwürfigkeit mochte seine Wirkung gehabt haben, das wusste Janus mit Gewissheit.

"Diese Szene der Unterwürfigkeit wirkte" bedeutet übrigens genau das gleiche. :p "wusste mit Gewissheit" ist auch überflüssig, widerspricht sich auch mit möglicherweise "mochte". Die Gewissheit fügt dem Wissen keinerlei neue Facette hinzu. Nur der Satz klingt irgendwie schlauer. Auf den ersten Blick. Also, wenn Du mich diesen Satz schreiben ließest: Diese Szene wirkte auf die anderen Sklaven, das wusste Janus.

Doch warum sie ihn immer noch und das taten sie bewusst, verabscheuten und kollektiv ausgrenzten, das konnte sich Janus nicht erklären.

"und das taten sie bewusst" eignet sich wirklich, um es einzukasteln, also Komma vor "und". "kollektiv" kann raus. Es wurde niemand benannt, der da nicht mitzieht, und Du sprichst sowieso schon von allen Sklaven, die da sind.

Immerhin wurde er während der Arbeiten nicht, wie es so manch anderen Sklaven passierte, von stärkeren Sklaven mit Schlägen gestraft, wenn diese, in einer hitzigen Diskussion den anderen beleidigten, oder die stärkeren gar einen anderen Grund fanden.

"so manch anderem Sklaven" statt "so manch anderen Sklaven", und hier fällt das "passierte" für mich aus der Form. Wäre es nicht eher innerhalb des Stils (so sehr ich Dir auch empfehlen würde, ihn nicht weiter zu verfolgen) "widerfuhr" zu schreiben? "passierte" klingt so plötzlich lapidar. Komma weg vor "in einer hitzigen" und vor "oder". "Stärkeren" groß. Und was für einen anderen Grund? Die davor genannte Szene ist, dass ein Sklave einen anderen beleidigt und ihn dann schlägt. Da ist kein Grund sichtbar, es kann also auch keinen anderen Grund geben.

Oooh, ich glaube, das Problem ist wieder der Bezug. Hier ist nicht klar, ob mit "diese" "die anderen Sklaven" oder "die stärkeren Sklaven" gemeint sind. Wenn nämlich die stärkeren Sklaven gemeint sind, heißt dass, dass der Stärkere jemanden beleidigt und ihn dann haut. Halt grundlos. Wenn aber der andere Sklave den stärkeren beleidigt und der ihn dann haut, dann hat der Schläger einen Grund.

Die Wärter griffen in solchen Fällen nur dann ein, wenn ein ernsthaftes Risiko für den Verlust der Arbeitskraft bestand, was jedoch nie vorkam, da die geschlagenen Sklaven schon nach kurzer Zeit des Kampfes bewusstlos wurden und auf den sandigen Boden zusammensackten.

Ist Dein Prot nicht ein Gelehrter und ein mitfühlendes Wesen? Im Prinzip aber übernimmt er ja die Sprache seiner Peiniger, betrachtet Menschen als Sachen, indem er vom "Risiko für den Verlust der Arbeitskraft" spricht. Stattdessen könntest Du Deinem Satz Leben einhauchen, indem Du schreibst: "wenn ein Risiko bestand, eine Arbeitskraft zu verlieren/dass ein Sklave starb". "was jedoch nie vorkam" ... Hm, das wirft jetzt einige Fragen auf. Wenn das nie vorkommt, woher weiß der Erzähler dann, wann für die Wärter der Zeitpunkt zum Eingreifen ist? Das kann er ja noch nie beobachtet haben. Watch your words! "auf dem sandigen Boden" statt "auf den sandigen Boden". Sie können "auf den sandigen Boden sacken", aber nur "auf dem sandigen Boden zusammensacken".

Schmerzlich fand Janus das Ignorieren seiner Worte, die er hie und da in eine Konversation einstreute, nicht.

"das Ignorieren seiner Worte", wunderbar. Passiver geht nicht. Und ein komplett abgekasteltes "nicht", das den gesamten vorherigen Satz ins Gegenteil verkehrt, ganz am Ende, ganz allein. Oh wow, das habe ich beim entspannten Lesen gar nicht gesehen, bemerke es jetzt erst beim dritten Mal! :lol: Sorry, aber noch umständlicher und schwerer verständlich hast Du es nicht hingekriegt, oder? Eine schöne Leserinnenfalle. Gegenvorschlag: Schmerzlich fand Janus nicht, dass die anderen seine Worte ignorierten, die er hier und da in eine Konversation einstreute. Viel verständlicher, würde ich sagen.

Denn diese handelten ausschließlich von Belanglosigkeiten und er hielt es für nicht nötig, diesen beschränkten und begriffsstutzigen Menschen, seine Weltkundigkeit zu beweisen.

Komma weg vor "seine".

Natürlich, in biologischer Hinsicht sicherlich – aber konnte man diese verwirrten Wesen denn Menschen nennen, die, ohne Ziel oder gar korrekten Werten, auf dessen Fundament sie ihre Identität hätten behaupten können, ihren Geist durch Anspruchsdenken verwahrlosten, dabei unausstehlich waren, da sie aufgrund ihrer Haltung nicht imstande waren Situationen zu begreifen, oder in einen richtigen Kontext zu stellen, um diese angemessen bewerten zu können und dementsprechend zu reagieren?

Okay, wow. Jetzt kommt ein langer Satz. Tief durchatmen, wir konzentrieren uns mal beide. "ohne ... korrekte Werte" statt "ohne korrekten Werten". "auf dessen" bezieht sich auf Singular, Du hast aber zuvor einen Plural, also "auf deren". "hätten behaupten können", ist das Konjunktiv III? Was spricht gegen "behaupten könnten"? Komma vor "Situationen", Komma weg vor "oder". Dass sich ein paar Punkte lohnen würden, brauche ich wohl nicht extra zu sagen. Im Wesentlichen sagst Du ja: Diese Menschen haben keine Ziele und Werte, gleichzeitig aber viel zu hohe Ansprüche, benehmen sich schlecht, weil sie die Situationen, in denen sie sich befinden, nicht richtig bewerten können und deshalb falsch reagieren. Okay. Beispielsituationen würden die Verständlichkeit übrigens auch erhöhen.

Nein, Janus war sich sicher, diese Menschen waren mechanische Wesen, und das bedauerliche daran war, dass sie es selbst nicht wirklich wussten.

"Bedauerliche" groß, "wirklich" könnte wirklich weg, das ist ja wirklich nur ein Füllwort, in den meisten Fällen macht es wirklich keinen Unterschied, ob man "wirklich" wirklich schreibt oder "wirklich" wirklich nicht schreibt.

Auch wenn sie es täten, sie waren so geschickt darin, sich, sobald die Lage komplex wurde, oder eine Distanz zum Sachverhalt im Zuge einer entsprechenden Reflexion gefordert war, über jegliche Realitäten hinwegzutäuschen, und sich somit einem klaren Blickpunkt zu verschließen.

Komma weg vor "oder". "eine Distanz zum Sachverhalt im Zuge einer entsprechen Reflexion" ... Ui. Wie wäre es mit: "es nötig war, sich vom Sachverhalt zu distanzieren, um ihn entsprechend zu reflektieren"? Auch nicht schön, aber etwas entzerrter. Komma weg vor "und sich somit".

Sie trieben dieses Spiel schon so lange, wie Janus bemerkte, dass sich eine gewisse Autonomie der Täuschung in ihren Gedankenprozessen einstellte.

"Autonomie der Täuschung in ihren Gedankenprozessen". I love it. Wirklich. Was soll das sein, die "Autonomie der Täuschung in ihren Gedankenprozessen"? Jedes einzelne Wort davon muss ich mir erklären und sie dann selbst in Beziehung zueinander setzen, weil Du diese Beziehung nicht von Anfang an vornimmst. Eigentlich ist doch dem Inhalt Genüge getan, wenn man schriebe: "sie täuschten sich immer wieder selbst, ohne es zu merken". Aber das würde natürlich nicht so schlau klingen, es wäre sogar verständlich.

Besonders deutlich war dies, in der Rationalisierung einiger Verhaltensweisen der Sklaven festzustellen, wie zum Beispiel, wenn diese an die Grenzen ihres engstirnigen Denkens stießen.

Komma weg vor "in der".

Puh, ich höre erstmal auf. Ich habe das Gefühl, dass Du die Dinge deutlich komplexer ausdrückst, als sie wirklich sind, und dass Du zugleich die Sprache nicht immer einwandfrei beherrschst, was sich dann in Zeichensetzungsfehlern, Bezügefehlern, Kasusfehlern und Füllwörtern ausdrückt. Das sorgt dann auch dafür, dass mir der Text unauthentisch vorkommt, eben nicht in der Sprache des Autors oder der Autorin geschrieben.

Ich würde vorschlagen, dass Du eine von zwei Dingen tust, um Deinen Stil zu entwickeln: Entweder, Du orientierst Dich am Stil einer Person, der Du im Stil ähnlich sein willst. Ich vermute, das tust Du schon, aber Du hast die Kunst noch nicht vollständig durchdrungen. Das müsstest Du zuerst tun. Ich habe einen Freund, der eine Zeitlang Geschichten abgeschrieben hat. Ganze Sätze von Leuten, deren Stil er faszinierend fand. Und dann hat er durch das Austauschen von Wörtern (aber nicht der Wortarten) eine eigene Geschichte daraus gemacht. Oder Du schreibst in Deiner eigenen Sprache. Ganz unaufgesetzt und unverschwurbelt.

Denn einen verschwurbelten Eindruck macht der Text momentan auf mich, und ich hoffe, ich konnte Dir zeigen, wie dieser Eindruck zustande kommt. Und ich glaube, die Prämisse des Schreibens soll nicht sein: Ich schreibe so schlau wie möglich. Meine Prämisse ist: Ich schreibe so verständlich und eindrücklich wie möglich. ;)

Denn die Geschichte, wie gesagt, der reine Handlungsaufbau, den finde ich gut. Daran würde ich nicht mehr viel drehen. Aber jeden Satz nochmal umdrehen, jedes Wort, die wahre Bedeutung filtern und verständlich präsentieren, anstatt immer noch verschwurbelter zu werden.

Köpfchen hoch, Ärmel hoch, make it work!

Wer übrigens hier im Forum seine Sprache wirklich beherrscht, das ist der gute Friedrichard. Lesen hilft, also schau doch mal hier.

Verschwurbelte Grüße,
Maria

 

Hallo, @TeddyMaria

Dein Kommentar hat mich wirklich sehr gefreut. Ich wusste, dass ich sprachlich noch große Schwächen habe und ich stehe (wie man vielleicht merkt) noch am Anfang der Erzählkunst. Umso dankbarer bin ich, für so eine fundierte und für mich professionelle Kritik! Generell auch das Forum ist absolut klasse, hier kann man wirklich was lernen! Und ich bin darauf angewiesen, weil sonst niemand meine Geschichten gegenliest, wie es hier getan wird.

Das mit den Zeilenumbrüchen ist gebongt, wird überarbeitet und zukünftig angewandt. Danke!

"Welcher" wird erst dann benutzt, wenn ich absolut stilsicher bin. Auch das nehme ich mir zu Herzen.

Bei der Sache mit den Verben ist mir wirklich ein Licht aufgegangen. Grund genug sich ausgiebig damit zu beschäftigen. Und natürlich werde ich auch mein Bestes geben, mir die Kommaregeln und die damit verbundene Grammatik anzueignen. (Meine Deutschlehrerin wird es mir danken)

Aber Du beschreibst hier das Mitschleifen einer schwachen Person in übertrieben komplexer Sprache. Ich sehe den Sinn dahinter einfach nicht, außer dass der/die Autor/in sich gerne verschwurbelt ausdrücken möchte.

Du hast recht, ich hab das nur gemacht, um sprachlich komplex zu schreiben.

Den verschwurbelter Satz mit den Werten werde ich umschreiben (und Punkte machen). Er ist wirklich verdammt unverständlich. Ich glaube, ich werde versuchen Beispiele einzubauen.

Aber das würde natürlich nicht so schlau klingen, es wäre sogar verständlich.

Damn right! Verständllichkeit > schlau klingen! Ist gebongt!

Hm, das wirft jetzt einige Fragen auf. Wenn das nie vorkommt, woher weiß der Erzähler dann, wann für die Wärter der Zeitpunkt zum Eingreifen ist? Das kann er ja noch nie beobachtet haben. Watch your words!

Oh, Du hast recht... Ich werde gründlicher sein!

Aber jeden Satz nochmal umdrehen, jedes Wort, die wahre Bedeutung filtern und verständlich präsentieren, anstatt immer noch verschwurbelter zu werden.

Wird gemacht! Auch die Idee um meinen Stil zu verbessern finde ich klasse.

Großes Dankeschön für diesen Kommentar! Ich weiß jetzt konkret, woran ich arbeiten muss und sogar wie ich das angehen kann! Das ist wirklich Gold wert! Ich hoffe, meine Dankbarkeit kommt hier genug zum Ausdruck, ich kann aus Deinem Kommentar nämlich unglaublich viel lernen und das ist wirklich genau das, was ich gerade wirklich brauche!

Liebe Grüße,
Castle

 

Hallo @Castle,
zu Deinem Text möchte ich nur anmerken, dass meine Motivation, mich daran zu ergötzen, bereits von den ersten Sätzen erschlagen wurde. TeddyMaria hat Dir die Probleme erläutert und ich muss nicht noch mehr Senf hinzufügen. Nachdem ich auch Deine andere Geschichte angelesen habe, regt sich in mir der Wunsch, an dieser Stelle meine persönliche Sicht auf das Schreiben darzulegen. Das Bildungssystem krankt an seinem Selbstverständnis; Sowohl im naturwissenschaftlichen, als auch im musischen Bereich, wird hauptsächlich das Nachäffen gelehrt. Die gelehrigsten Papageien werden durch gute Zensuren belohnt. Kreatives Denken, die Lust am Probieren brauchen Freiraum und die Gelegenheit, Fehler zu machen, ohne sanktioniert zu werden. Doch meist ist man umgeben von Klugscheißern, die sich gegenseitig an Arroganz übertreffen. Da wird die Verwendung des Genitivs zum Bildungsbeweis, die Pluralbildung des Kommas zum Statement über die Klassenzugehörigkeit. Du erwähnst Deine Deutschlehrerin, und in diesem Moment wurde mir klar, was Deine Texte zeigen. Du bemühst Dich, so zu schreiben, wie Du gelernt hast, was gute Literatur ist. Hör auf damit! Kafka war gut, weil er sich nicht an Konventionen hielt und einen Weg fand, sein Inneres in Worte zu fassen. Es war sein Inneres. Niemand kann sein Inneres mit den Worten eines Anderen formulieren, daher wird es immer nur ein blasser Schatten des Originals sein. Dieses selbstgefällige Bildungsbürger-Geschwafel, das immer noch an Schulen gelehrt wird, hat nichts mit Deiner oder meiner Wirklichkeit zu tun. Es ist Literaturgeschichte, Vergangenheit. Wir leben jetzt und sehen in die Zukunft. Das Modernste, was zur Zeit an Schulen gelehrt wird, ist Gesülze, wie Kehlmann. Und das nur, weil er genauso überheblich, belehrend und altbacken schreibt, wie die Lehrer gute Literatur definieren. Vergiss einfach, was andere Dir als Kunst beigebracht haben. Beobachte, wie Du in Gedanken etwas formulierst, oder wenn Du mit Freunden redest. Nimm das als Basis und arbeite es aus. Denn dann hörst Du auf, nachzuäffen und findest Deine Sprache. Versuch nicht, mit Klugheit zu beeindrucken! Beeindrucke mit Wahrhaftigkeit!
Gruß!
Kellerkind

 

Hallo @Kellerkind,
es ist schwer für mich, die passenden Worte zu finden, also verzeihe mir, dass ich nur sehr kurz antworte. Dein Kommentar hat mir sehr zu denken gegeben und ich bin froh so ein Feedback bekommen zu haben. Ich stimme dir zu und gestehe mir die genannten Dinge ein. Es ist eine wichtige Erkenntnis, die du mir hier beschert hast, also sage ich Danke!
Beste Grüße,
Castle

 

Hallo Castle,
deine konstruirte Geschichte, um die zwei Sklaven hat mir sehr gut gefallen. Es gelingt dir, durch den ganzen Text hindurch, das Show don't tell -Prinzip perfekt anzuwenden. Trotz der etwas zu komplexen Wortwahl und der, für diese Textsorte, ungewöhnlichen Länge, liest sie sich von Anfang bis Ende gut durch und verliert an keinem Punkt etwas an Spannung.

Der Wärter ging neben einem Gefangenen, der des Wärters Größe, mit der seinen relativierte, ja fast zu übertrumpfen schien.
Ich liebe diesen Wendepunkt im zweiten Absatz, wo der stabile Gefängniswärte, der am Anfang Janus getragen hat, plötzlich von eben einem anderen Sklaven übertrumpft wird.
Klassisch dem Motto: "Jeder findet seinen Meister":lol:

Hier und da haben sich bei dir auch ein paar Grammatik und Rechtschreibfehler bzw. Tippfehler eingeschlichen
als kleines Beispiel:

die er hie und da in eine Konversation
da fehlt ein r am Ende von hier, solche Kleinigkeiten sind dir im Laufe des Textes öfters passiert, aber sind nicht gerade tragisch.

Und auch mehrere verschachtelte Sätze sind dir im Verlauf deines Plots hereingerutscht, die das Verständnis beim erstmaligen Lesen dieser etwas beeinträchtigen.

Waren es denn wirklich Menschen? Natürlich, in biologischer Hinsicht sicherlich – aber konnte man diese verwirrten Wesen denn Menschen nennen, die, ohne Ziel oder gar korrekten Werten, auf dessen Fundament sie ihre Identität hätten behaupten können, ihren Geist durch Anspruchsdenken verwahrlosten, dabei unausstehlich waren, da sie aufgrund ihrer Haltung nicht imstande waren Situationen zu begreifen, oder in einen richtigen Kontext zu stellen, um diese angemessen bewerten zu können und dementsprechend zu reagieren?
Ich würde hier nicht so komplex an den Satzbau herangehen und versuchen mehrere einfache Satzstrukturen zu verwenden, z.B.:
Waren es denn wirklich Menschen? Natürlich, in biologischer Hinsicht sicherlich. Aber konnte man diese verwirrten Wesen denn Menschen nennen? usw... , ich denke du weißt was ich damit meine, da würdest du bei diesem Satz, aber um eine Umformulierung auch nicht herum kommen, da sie in dieser Wortfolge nicht recht funktionieren würden.

Abgesehen von diesen Kleinigkeiten ist dein Text sehr gelungen und mit deinem Stil hast du etwas, was ihn und dich selbst auszeichnet.

Ich freue mich auf weitere Geschichten von dir.

Viele Grüße,
Checkmate

 

Hi, @Castle

Ich nochmal:

Umso dankbarer bin ich, für so eine fundierte und für mich professionelle Kritik!

... denn ich habe ja ein schlechtes Gewissen dabei, mich einfach so als "professionell" bezeichnen zu lassen. Genau wie Du suche ich nach einer Stimme, einem Ziel, will ich gute Geschichten erzählen. "Professionelle Hilfe" können wir beide uns aber an diversen Stellen holen, und deshalb möchte ich noch ein Buch empfehlen.

(Meine Deutschlehrerin wird es mir danken)

In der Schule hat er mich fürchterlich gequält, doch zu meinem Geburtstag in diesem Jahr habe ich "Deutsch für Profis" von Wolf Schneider geschenkt bekommen. Schneider schreibt zwar vornehmlich für Journalist/inn/en, aber ich denke, dass sich jede/r eine Scheibe abschneiden kann, der/die gut schreiben möchte. Oder, wie er es definiert:

"Der gute Text besteht aus saftigem Fleisch mit einer appetitlichen Schale und einem harten Kern. Oder: Unsere Sprache sei korrekt, verständlich, gut und interessant. Versuchen wir's mit diesen vier."

Also: korrekt, verständlich, gut, interessant. Denn ...

Verständllichkeit > schlau klingen!

Ich denke nicht, dass Verständlichkeit und Schlauklingen sich gegenseitig ausschließen. Dies erscheint möglicherweise auf den ersten Blick so, aber wenn ich genauer hinsehe, klingen Leute, die versuchen, schlauer zu klingen, als es der Inhalt notwendig macht, doch eher doof. Aufgesetzt, würde ich sagen, eben nicht schlau. Leute, die verständlich formulieren können, was sie sagen wollen, die klingen doch bei genauerem Hinsehen schlauer. Denn sie sind so schlau, dass sie ihre Sprache beherrschen. Toll!

(Ich habe auch eine relativ umfangreiche Leseprobe des Buches von randomhouse gefunden, umfasst die ersten vier Kapitel: Deutsch für Profis.)

Ich glaube, auch wenn Du Dich umfangreich mit anderen Schreiber/inne/n und ihrem Stil auseinandersetzt (ein Unterfangen, das ich für sehr nützlich halte), sollte am Ende das oberste Ziel sein, Deine eigene Stimme, Deine eigene Sprache zu finden. Zu sehen, zu lesen, dass Menschen ihre Sprache beherrschen, auch wenn sie eigenwillig ist, ist ein Genuss für Leser/innen. Es gibt übrigens viele Rapper/innen, die ihre Sprache wirklich beherrschen, zum Beispiel Alligatoah. Sehr eigenwillig, aber da ist nichts zufällig. Jedes Wort steht immer am richtigen Fleck, um die allerkrasseste Wirkung zu erzielen.

Generell auch das Forum ist absolut klasse, hier kann man wirklich was lernen!

Und natürlich empfehle ich auch das Forum. Die intensive Beschäftigung mit anderer Leute Texte kann Dich im eigenen Schreiben sehr weit bringen. Wer sagen kann, was an anderen Texten stört, wo Stolperer entstehen, Langeweile aufkommt, sich Fragezeichen häufen, wo die Spannung steckt, die Atemlosigkeit, das Jauchzen über einen wundervollen Satz, wer geschult ist, solche Stellen zu sehen, der sieht sie auch an eigenen Texten. Also lies ruhig auch Wortkrieger-Texte, kommentiere ruhig, hab keine Scheu, Deine Meinung zu äußern. Ich bin fest davon überzeugt, dass gute Leser/innen gute Schreiber/innen sind. Es lohnt sich also, das Leseauge zu schulen, kritisch zu werden. Bei anderen und bei sich selbst.

Gute Nacht,
Deine Maria

 

Hi @Castle,

ich lasse dir mal schnell nur eine kleine Anmerkung zur Verständlichkeit da. Verständlichkeit ist ja eigentlich bisher das Hauptthema der Kritik hier, deswegen wärme ich das nicht noch mal von vorne auf, sondern steuere nur einen Happen bei:

-- "Janus erinnerte sich noch gut an die Blicke, die ihm die anderen Sklaven seines Besitzers zuwarfen, als dieser sich, am ersten Tage seiner Gefangenschaft noch in Ketten zu seiner Pritsche schleppte."
- Heißt genau genommen: ... als der Besitzer sich am ersten Tage seiner Gefangenschaft noch in Ketten zu seiner Pritsche schleppte. Klar, man merkt gleich, dass das so nicht stimmen kann, aber ohne unschönes Ruckeln liest es sich trotzdem nicht. Dieser/r/s bezieht sich immer auf den, die, das zuletzt Genannte (und das wäre an anderer Stelle - "packte er Janus am Arm, dieser erschrak" - genau genommen sogar der Arm).
Wenn es Janus sein soll: "... als er sich ..."

Hm, und damit die Anmerkung doch nicht so kurz wird, hab ich noch mal schnell rumgeschaut, ob das überhaupt immer so gilt, und siehe da, es stimmt vielleicht nur bedingt:
"So verwies dieser ursprünglich auf das zuletzt Genannte, jener auf das zuerst Genannte. Da laut der Dudengrammatik aber die kontrastive Wirkung von dieser und jener abnimmt und dieser im heutigen Sprachgebrauch eher neutral gebraucht wird, werden Verweise dieser Art nicht mehr recht entschlüsselt und sollten daher eher nicht verwendet werden." Das ist ein aufgeschnapptes Zitat, keine Ahnung, ob die Einschätzung richtig ist, aber angenommen, sie ist es: Dein Text klingt absichtlich altertümlich, da musst du dich, würde ich sagen, im Zweifel immer noch an der Bedeutung messen, die der Stil nahelegt, also an der ursprünglichen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @Checkmate,
es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat!
Das "hie und da" ist tatsächlich so gewollt.
Das mit der Schachtel-Sätzen stimmt, die werden/wurden in der Nachbearbeitung verbessert!
Danke fürs Lesen und die Meinung!
Grüße
Castle

Hallo, @TeddyMaria
Ui noch einen informativen Kommentar, danke! Ich meinte mit professionell, dass es für meine Verhälnisse und Möglichkeiten einen Text analysiert zu bekommen, schon "professionell" wirkt. Mir ist kein anderes Wort dafür in den Sinn gekommen.
Das Buch werde ich mir aufjedenfall besorgen, ich war schon auf der Suche nach geeigenter Literatur. Erneut, danke!
Grüße
Castle

Hi, @erdbeerschorsch
Erstmal danke fürs Lesen und den Kommentar. Sehr interessant, ich werde den Text aufjedenfall dahingehend überprüfen und falls möglich den ursprüpnglichen Methoden anpassen.
Grüße
Castle

 

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