Was ist neu

Der Sklave

Mitglied
Beitritt
23.07.2002
Beiträge
13

Der Sklave

Es war nur ein kleiner Moment, der sein Leben in einer anderen Geschwindigkeit ablaufen ließ. Ein Moment, so verschwindend kurz, mit der Dauer von 25 Herzschlägen, die sich pochend, schlagend, hämmernd in seiner Brust bemerkbar machten. Ein Moment der verweilte, ihn in sich gefangen hielt, ihn an sich gefesselt hatte, dass er schweren Schrittes den Moment mitschleppen musste, anstatt ihn abzuschütteln, denn es war einer der wenigen merkwürdigen Augenblicke, die ihm nur zu selten vergönnt waren.
Er sah zum Eingang, und das was er sah, brachte ihn aus seiner schon obligatorischen Ruhe. Mit dem Mund weit offen, stand er da, während das Treiben um ihn langsamer wurde, einfror, ein Ende nahm, fixierte er seinen Blick. Mit der Dauer, geringer als der eines Wimpernschlages, wand er sein Bewusstsein vom Geschehen ab, und suchte nach Antworten, zu denen er die Frage nicht kannte, zu denen sein Geist ihm jedoch Bilder zeigte, Bilder aus der Vergangenheit. Zu oft ist er ausgewichen, hat sein Leben nicht in die Hand genommen. Er war beharrlich, jedoch auf seine Weise, trotz allem gehörte ihm sein Leben längst nicht mehr, es gehörte seiner Routine, Abenden vor dem Fernseher, seiner Arbeit.

Plötzlich schoss ihm das Blut in seinen Kopf und brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Hinter seiner Stirn und seinen Schläfen pochte das Blut, und es schien ihm als ob es auch mit all seiner Kraft den Schweiß aus den Poren presste. Ein leichter Hauch fuhr ihm über die schweißbenetzten Hände als er sich in Bewegung setzte, sein Ziel immer noch im Auge. Der verdunstende Schweiß, der sowieso eiskalt war, fror ihm seine Hände ein dass er sie krampfhaft zu Fäusten ballen musste. Während er einen Fuß vor den anderen setzte, immer bestimmter, trotz dem Umstand dass er auf seinen zitternden Beinen jeden Moment umfallen könnte, kam die Menge um ihn wieder in Bewegung, langsam und kaum merkbar. Er nahm sie nicht wahr, und rempelte einzelne Leute auf seinem Weg an. Seinem Ziel kam er immer näher, und damit wurde er auch energischer in seinem Gang, während sich das Blut in seinen Adern weiter voran schob. Mit einem Mal wurde ihm schlecht, er war Stresssituationen nicht gewohnt, und er hätte sich am liebsten auf der Stelle übergeben, am besten mit seinem Blut das ihn zur Verzweiflung trieb, sein Herz fast zerspringen ließ, mehr aus Adrenalin bestand. Noch wenige Schritte, dann hätte er sie abgefangen.

Sie, eine wunderschöne Frau. Schulterlange braune Haare, tiefblaue Augen, eine kleine Nase mit einzelnen Sommersprossen, weiche Gesichtszüge, ein zierlicher Körperbau, das alles zog schon viele verliebte, gaffende Blicke auf sie. Er bildete keine Ausnahme. Mittlerweile zog es ihn schon fast ferngesteuert zu ihr, und mit einem schnellen Schritt stellte er sich ihr in den Weg. Sie blickte ihn fragend an, sprach jedoch kein Wort. Er wollte etwas sagen, machte den Mund auf und überlegte. Seine Suche nach Antworten war erfolgreich, die Fragen jedoch, hatte er immer noch nicht gefunden. Die Leute bewegten sich wieder schneller, die Zeit nahm wieder ihren Lauf, und lief immer schneller um das Vergangene aufzuholen. Um so schneller schlug sein Herz, so dass man das Blut, in den Adern pochend, schon sehen konnte. Es schnürte ihm die Kehle zu, nicht einmal ein Krächzen konnte er hervor bringen. Sie wurde ungeduldig. Doch bevor sie sich entschloss zu gehen, nahm er Reißaus. Er musste sich übergeben, und das so schnell wie möglich, zu schlimm ist es geworden.

Nach einer Viertelstunde kam er aus der Herrentoilette, und entschloss sich die Disco zu verlassen. Der Abend war gelaufen. Er würde nach Hause fahren, zu seiner Frau, seinen drei Kindern. Er würde übermorgen wieder zur Arbeit gehen, sein stumpfes Leben fortsetzen, am Schreibtisch Akten durchwühlen. Alles das ging er in Gedanken durch, während er seinen Mantel von der Garderobe holte. Die Zeit zog ihn noch immer, noch schneller mit sich. Viel nahm er in der Geschwindigkeit nicht mehr wahr, nur noch dass er den Autoschlüssel im Zündschloss umdrehte, auf die Hauptstraße einbog, ein Auto überholte, das Glas der Windschutzscheibe ihm die Kehle aufschnitt.

Eine Frau berichtete einem Polizist später, dass dieser Kerl es wohl auf sie abgesehen hatte. Er hatte sich vor einer Stunde so merkwürdig ihr gegenüber verhalten. Blut floss an ihrem Arm hinunter und tropfte auf die Straße, wo es langsam und kaum merkbar vertrocknete.
--------------------

Meine zweite Kurzgeschichte, und meine erste mit frei erfundener Story. Ist schon ein paar Monate her.
Btw.: Schreibt ihr auch immer auf, wo und wann euch der Einfall für eine Kurzgeschichte gekommen ist?

 

Kein Interesse?
Wäre schade. Würde mich freuen, wenn jemand was dazu schreiben könnte.
Tschö,

Mephisto

 

Geschrieben von Mephisto
Kein Interesse?
Wäre schade. Würde mich freuen, wenn jemand was dazu schreiben könnte.
Tschö,

Mephisto


Ja, das wäre tatsächlich schade, denn die Geschichte las sich gut.
So hoffe ich, dass du die Mailbenachrichtigung für Antworten auf deine Beiträge angeschaltet hast und dadurch mitbekommst, dass es eine Antwort gibt.
Manche gute Geschichte geht in der Flut wohl einfach unter.
Er würde nach Hause fahren, zu seiner Frau, seinen drei Kindern. Er würde übermorgen wieder zur Arbeit gehen, sein stumpfes Leben fortsetzen, am Schreibtisch Akten
Ich habe für die Kritik diese beiden Zitate deiner Geschichte einmal umgedreht, denn auch wenn ich überraschende Wendungen in Geschichten mag, kommt es doch sehr unvermittelt und plötzlich, dass zu der Routine seines Lebens Frau und Kinder gehören. Diese solltest du entweder schon an dieser Stelle einführen,
Er war beharrlich, jedoch auf seine Weise, trotz allem gehörte ihm sein Leben längst nicht mehr, es gehörte seiner Routine, Abenden vor dem Fernseher, seiner Arbeit.
oder sie ganz fortlassen, denn so erweckst du den Eindruck, als wollest du den ohnehin ja schon dramatischen Tod deines Protagonisten noch ein bisschen dramatischer und effektvoller gestalten.

Insgesammt finde ich es sehr schön, wie du der Geschichte Stück für Stück Details hinzufügst, allerdings lockst du den Leser zu Beginn fast wie in einem Krimi auf eine falsche Fährte. Deine Eingangsbeschreibung könnte auch die Erlebnisschilderung eines Herzinfarktes sein. Diesen Eindruck hatte ich ungefähr, bis er in die Toieltte lief. Der Tod deines Protagonisten war als leider keine Überraschung, sondern die Überraschung lag lediglich darin, dass er nicht an einem Infarkt gestorben ist.

Als etwas unlogisch empfand ich auch diesen Satz:

Plötzlich schoss ihm das Blut in seinen Kopf und brachte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück.
Für mein Gefühl wäre deine Geschichte hier zu Ende, wenn ihn sein Blut wieder in die "Wirklichkeit" zurückgebracht hätte. Er hätte die schöne Frau gesehen, sich verboten, sie zu begehren, an seine Frau und an seine Kinder gedacht (hier hättest du eine zweite Chance auf einen diesbzüglichen Verweis gehabt), hätte sich vielleicht ein Bier geholt oder wäre gleich zu seinem Auto gegangen.
Wenn er keine Frau hat, hätte er "in die Wirklichkeit zurück gebracht" diese Frau jedenfalls nicht angeglotzt wie ein Sittenstrolch.

denn es war einer der wenigen merkwürdigen Augenblicke,
ich würde merkwürdig hier gegen einen positiv wirkenderen Begriff austauschen, denn wenn der Augenblick nur merkwürdig ist, erklärt er den Aufruhr im Herzen deiner Figur nicht.

Er sah zum Eingang, und das was er sah, brachte ihn aus seiner schon obligatorischen Ruhe

Er sah zum Eingang und das, was er sah, brachte ihn aus seiner schon obligatorischen Ruhe.

Das doppelte sah känntest du hier leicht vermeiden, die Wiederholung schient mir nicht wichtig für die Stimmung der Geschichte zu sein.

Du hast öfter diese Komma vor und. Das ist nach der neuen Rechtschreibung eher unüblich.

Hinter seiner Stirn und seinen Schläfen pochte das Blut, und es schien ihm als ob es auch mit all seiner Kraft den Schweiß aus den Poren presste.
Hinter seiner Stirn und seinen Schläfen pochte das Blut und es schien ihm, als ob es (auch) mit all seiner Kraft, den Schweiß aus den Poren presste.
Warum das auch?
Der verdunstende Schweiß, der sowieso eiskalt war, fror ihm seine Hände ein dass er sie krampfhaft zu Fäusten ballen musste.
Die Passage der sowieso eiskalt war würde ich fortlassen.
Vorschlag:
Der verdunstende Schweiß gefror ihm die Hände, sodass er sie krampfhaft zu Fäusten ballen musste.

Sie, eine wunderschöne Frau.
An dieser Stelle zerstörst du die Wirkung ganz bestimmt nicht, wenn du einen vollständigen Satz schreibst.
Sie war eine wunderschöne Frau.
Was spricht dagegen?

Einen inhaltlichen Aspekt, der sich aufdrängt finde ich noch schade.

Zu oft ist er ausgewichen, hat sein Leben nicht in die Hand genommen.

Im Zusammenhang mit dem Schluss der Geschichte wirkt es so, als ob das bis dahin lebensrettend gewesen wäre, denn kaum hat er es versucht, stirbt er. Hast du diese Aussage bezweckt?

Ich habe dir nicht alle Zeichensezungsfehler hier aufgelistet. Ich verstehe diese Kritik als Anstoß zu einer eigenständigen Überarbeitung.
Und bevor du verzweifelst, wenn ich deinen Formulierungen nicht etwas Potential für gute Geschichten abgewonnen hätte, hätte ich mir die Mühe nicht gemacht.

Lieben Gruß, sim

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom