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Der Sinn des Lebens
Der Sinn des Lebens
Wir kamen auf die Welt und gingen schon nach einer relativ kurzen Zeit.
Es gab vieles, was man als Außenstehender nur dann begreifen konnte, wenn man selbst ein Mensch war.
Es gab viele Paradoxien im Leben der Menschen.
Nicht jeder verstand alles und nicht jeder wollte alles verstehen.
Wir schenkten uns gegenseitig Blumen, ob es zur Geburt oder des Todes eines Menschen war.
Stets schenkte man sich zu besonderen Anlässen Blumen.
Man könnte meinen, die Pflanzen hätten einen sehr hohen Wert für die Menschen.
Doch dem war nicht so.
Wie bei so endlos vielem anderen, was den Menschen betraf.
Wir wussten nicht, woher wir kamen. Und auch nicht, wohin wir gingen.
Wir waren mehr auf einer uns sinnlos erscheinenden Reise, denn Reisende auf einem bestimmten Weg. Mit einem bestimmten Ziel.
Doch wir kannten Religionen, Nationen und ethnische Zugehörigkeiten. Und auch Stolz und Ehre.
Wir zogen willkürliche Grenzen und wähnten uns bestimmten Menschen näher, als anderen. Die einen sahen wir von oben herab, während wir zu anderen wiederum hinauf sahen.
Wir kannten Rassismus und teilten und trennten uns voneinander.
Ob es in der eigenen Familie, der Gesellschaft, dem Beruf oder wo auch immer war, stets gab es immer ein wir und ein sie.
Selbst in unserer Freizeit gab es immer ein wir und ein die anderen.
Wir waren begabter darin, uns gegenseitig auszugrenzen, denn uns gemeinsam zu ergänzen.
Und inmitten all dieser Widersprüchlichkeiten entschied sich der kleine Michel, von Zuhause auszureißen und den Sinn des Lebens zu suchen.
Er bereiste die schönsten und interessantesten Länder der Welt.
Er sprach mit den unterschiedlichsten Menschen und sah die ganze Vielfalt des Lebens.
Während seiner Reise hatte er endlos viele Menschen kennengelernt.
Die verschiedensten Sprachen gehört, die besten Speisen gegessen und die seltsamsten Kulturen erlebt.
Wo auch immer Menschen lebten, wie auch immer sie aussahen, welche Sprache sie auch immer sprachen und was ihre Kultur und Mentalität auch immer ausmachte, sie unterschieden sich in nichts von Tieren, die der gleichen Spezies angehörten, aber in unterschiedlichen Gefilden lebten.
Im Grunde waren sie alle gleich.
Mit allen Vor- und Nachteilen.
Nur sie selbst waren nicht selten der Meinung, dass sie unterschiedlich seien.
Zum Teil sogar unterschiedlicher als alles mögliche.
Obwohl sie sich dennoch mehr ähnelten, als den meisten bewusst war.
Und neben vielen Menschen, Tiere und Pflanzen, unterschiedlichen Vegetationen, Länder und allem anderen, was es sonst noch auf der Welt gab, sah und erlebte Michel natürlich auch viele Abenteuer.
Und er lernte und lernte. Sah und lernte.
Man könnte sogar sagen, dass er sich in all den Jahren zu einem doch sehr wissenden Menschen entwickelt hatte.
Und so ging er eines Tages wieder zurück in seine Heimat.
Dort, wo seine Wurzeln lagen und alle aus dem kleinen Dorf hörten von seiner Rückkehr.
Viele fragten sich, wie er nun wohl aussähe. Manche auch, zu welch einem Mann der einstmals kleine Michel wohl herangewachsen sei.
Doch niemand war so gespannt auf seine Rückkehr, wie seine alte Mutter.
Die Leute hatten sich alle am Ortseingang des Dorfes versammelt und ganz vorne stand und wartete seine Mutter.
Doch anstatt eines großen Trosses kam ein einsamer Mann mittleren Alters, der gar ärmlich zu sein schien, langsam auf sie zu.
Ein Mann aus dem Dorf begrüßte ihn und bat ihn aber gleichzeitig darum, aus dem Weg zu gehen, da sie eine sehr wichtige Persönlichkeit erwarten würden.
Michel wunderte sich, doch er ahnte, dass sie alle auf ihn warteten und so fragte er sich, ob es richtig gewesen war, seiner Mutter vorab eine Postkarte zu schicken und sie darüber zu informieren, dass er endlich zurück kehren würde.
Nur seine Mutter erkannte ihren Michel sofort und warf sich in seine Arme.
Die versammelten Menschen staunten nicht schlecht und der eine oder andere war gar etwas beschämt.
Doch Michel war niemand, der jemandem etwas vorwerfen würde.
Und so gingen sie gemeinsam in ihr altes Haus. Michel konnte sich jedoch nicht lange ausruhen.
Die Leute im Dorf hatten ein großes Fest zu seiner Ehre und Rückkehr vorbereitet und so tanzten und vergnügten sie sich alle gemeinsam.
Es dauerte nicht lange und alle hatten endlos viele Fragen.
Es war Michel sehr peinlich, da sie ihn nun als eine besondere Person behandelten.
Aber er konnte auch nicht so unfreundlich sein und wollte die Leute nicht vor den Kopf stoßen.
Also beantwortete er ihnen geduldig und verständnisvoll alle möglichen Fragen.
Die seltsamsten, die dümmsten, die lustigsten, die spannendsten, alle möglichen Fragen und noch viel mehr Antwort.
Der Abend war längst vorbei und die Nacht war angebrochen doch niemand schien gehen zu wollen.
Alle hatten noch endlos viele Fragen.
Und Michel beantwortete ihnen geduldig alle Fragen, so gut er konnte.
Eine alte Dame fragte ihn, ob er das Glück gefunden hätte.
Nein, antwortete Michel. Man könne Glück nicht fassen, nur fühlen. Und wer Glück suchen würde, würde sich nur von diesem entfernen. Niemand könne Glück suchen und finden.
Ein anderer wollte wissen, ob er denn der Meinung sei, mehr zu wissen, als vorher. Da man ja gemeinhin sagte, dass es einem umso klarer wird, wie wenig man wisse, je mehr man erfuhr.
Doch die Antwort auf diese Frage irritierte so manchen.
Michel meinte, dass er umso unglücklicher sein würde, je mehr er wisse.
Denn mit all dem Wissen kämen auch all die Zusammenhänge unseres Handelns und unserer Taten zum Vorschein.
Nein, sagte er. Wissen vermittelt kein Glück, sondern eher Unglück.
Denn mit Wissen fangen wir an, vieles besser zu verstehen und müssen erkennen, wie oft völlig sinnlos der Mensch handelt.
Der Dorfälteste stellte ihm die Frage, was denn seiner Meinung nach das größte Unglück dieser Welt sei.
Dabei erwartete jeder mehr Antworten, die in Richtung Krieg, Hunger usw. gingen.
Doch Michel meinte nur trocken: „das größte Unglück dieser Welt ist die Geduld der Armen.“
Da niemand mit solch einer Antwort gerechnet hatte, der Dorfälteste aber sofort erkannte, in welche Richtung sich Michel und seine Ansichten entwickelten haben könnten, wollte er den Abend beenden.
Doch ein sehr alter Mann bat darum, Michel eine letzte Frage stellen zu dürfen und sie gestatteten ihm seinen Wunsch.
Er fragte Michel, ob er denn wenigstens gefunden hätte, weshalb er sich erst auf die Reise gemacht hatte.
Michel lächelte den alten Mann an und sagte nur: „Ja“, ich habe den Sinn des Lebens gefunden!“
Alle schauten Michel an und warteten gespannt darauf, dass er endlich sagte, was denn der Sinn des Lebens sei und noch ehe er irgendetwas sagen konnte, sprachen sie nun alle durcheinander und fast alle gleichzeitig.
Doch das missfiel dem alten Mann und er bat um Ruhe und wollte nun vor allen erfahren, was denn der Sinn des Lebens sei.
Michel lächelte ihn erneut an.
Mit einem warmen, sehr herzlichen Lächeln sagte er zu ihm:
„Der Sinn des Lebens besteht darin, dem Leben einen Sinn zu geben.“