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Der silberne Kasten und seine Bilder
Es war vor gar nicht langer Zeit, aber sehr, sehr weit weg, also hat hier keiner etwas davon mitbekommen.
Es war auf einem anderen Planeten, auf dem nur ein Mann wohnte, desswegen hat der Planet auch keinen Namen.
Das ist nicht schlimm, denn der Mann hatte keinen, mit dem er über seinen Planeten reden konnte.
Er hatte eine kleine Hütte, in der war ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl aus Holz, und einen Wald mit einem Fluss hinter dem Haus.
Es gab keine Tiere auf dem Planeten, aber genug Pflanzen, Beeren und Früchte.
Tag ein, Tag aus lebte der Mann in seiner Hütte und war glücklich.
Ihm fehlte nichts. Er war glücklich. Er hatte alles da, was er zum Leben brauchte, er vermisste nichts.
Abends, wenn er sich in sein Bett legte, dachte er an seine Hütte und an seinen Wald, aber niemals kam ihm in den Sinn, dass es andere Planeten geben könnte, oder gar andere Menschen.
Deswegen war er auch nicht traurig, dass er so allein war.
Armer, dummer Mann, er wusste es ja nicht anders.
Eines Tages, dieser eine begann wie jeder andere Tag, entschied der Mann, einen Spaziergang zu machen.
Und als er so durch den Wald ging, stand auf einmal ein kleines Wesen vor ihm.
Der Mann war sehr erschrocken, weil er noch nie etwas Vergleichbares zu Gesicht bekommen hatte.
Nach einer Weile begriff er, dass dieses Ding vor ihm ungefähr so aussah wie er selbst, als er sich einmal im Fluss gespiegelt hatte.
Es war nur etwas kleiner und stämmiger.
Plötzlich fing das Wesen an zu sprechen, aber da der Mann nie zuvor Sprache gehört hatte, verstand er nichts.
Für ihn klang es wie das Gurgeln seines Flusses oder Geräusche, die der Wind in seinem Wald machte.
Das kleine Wesen zog einen kleinen, metallernen Würfel aus der Tasche seines Anzuges und reichte ihn dem Mann.
Dieser betrachtete den Würfel in seinen Händen und entdeckte eine Erhebung an der Seite, als er sie berührte flackerten Lichter, wie Feuer, auf dem Bildschirm auf und der Mann sah.
Er begriff, was der Ausserirdische ihm sagen wollte, denn die Bilder auf dem Schirm zeigten Menschen, die so aussahen wie er selbst.
Andere von seiner Sorte.
Sie redeten miteinander, umarmten sich und hatten sich lieb.
Er sah Liebespaare, Freunde und eine Mutter mit ihrem Kind.
Irgendwann, es könnten Minuten oder Stunden gewesen sein, blickte er auf und sah, dass das Wesen verschwunden war.
Zurück blieb nur der silberne Kasten.
Der Mann ging zurück in seine Hütte und schaute sich die Bilder immer und immer wieder an.
Plötzlich vermisste er Freunde.
Ihm wurde klar, dass er einsam war.
Und er merkte, dass er keine Mutter und keinen Vater hatte.
Sein gewohnter Tagesablauf veränderte sich, er blieb tagelang in seiner Hütte und schaute sich die anderen Menschen an.
Er vergaß zu essen und ernährte sich von der Liebe in den Bildern.
Sein Leben war bestimmt von der Hoffnung, jemanden von seiner Art zu sehen.
Der Kasten war das Fenster zu einer anderen Welt.
Aber nach Tagen, Wochen, Monaten.. auf jeden Fall, nach einer gewissen Zeit fing der Mann an, zu verstehen, dass er allein auf seinem Planeten war, und nie etwas Anderes sehen würde als seine Hütte, den Wald und den Fluss.
Er begann den Kasten und die Menschen zu hassen, sie verspotteten ihn in seiner Einsamkeit.
Und jeden Abend schlief er ein und dachte an die anderen Menschen und war traurig.
Armer, dummer Mann, jetzt wusste er es ja besser.
Eines Tages starb der Mann in seiner Hütte, der Silberkasten lag neben ihm, als es geschah, es war aus gebrochenem Herzen.
Die Tragik jedoch war, dass der Mann niemanden kannte, der ihn betrauern konnte, und niemanden, der ihn beerdigen konnte.
Das einzige Wesen, mit dem er je Kontakt hatte, war der kleine Außerirdische, der ihm die Bilder geschenkt hatte.
Es war Glück, dass genau dieser Außerirdische sich an den Mann erinnerte, und er kam kurz nach dem Tod des Mannes wieder auf den kleinen Planeten um, neugierig, zu sehen, was aus ihm geworden war.
Als der Außerirdische sah, dass der Mann tot war, war er sehr betroffen.
Er verstand, dass sein Geschenk Schuld an seinem Tod war, und es tat ihm sehr Leid. Ganz vorsichtig beugte er sich über den Toten und schloss mit den Fingern ganz behutsam seine Lieder.
Und dann tat er etwas, was in seiner Heimat eine weit verbreitete Gabe war: er schenkte dem Mann einen Traum.
Einen langen, schönen, endlosen Traum, mit lauter Menschen, viel Liebe und Lachen, und der Mann war mitten unter den Menschen und lebte mit ihnen in seinem Traum. Und so war er nach seinem Tod doch noch glücklich.