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Der seltsame Anruf

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05.12.2002
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Der seltsame Anruf

Der seltsame Anruf
Kurzgeschichte von Anja Albus

Das Telefon schellt. Ich nehme den Hörer ab: „Restaurant Vier Jahreszeiten, mein Name ist Neumann, was kann ich für sie tun?“
Erst Stille, dann plötzlich haucht jemand in den Hörer, als würde er damit seinen letzten Atemzug tun: „Bin ich da richtig? Ist da Bestattungen Kaust? Hallo? Ich möchte bitte Herrn Kaust persönlich sprechen.“
„Was ist das denn bloß für ein Penner“ denke ich, doch freundlich wie immer antworte ich: „Hallo? Hören sie, sie sind falsch verbunden, hier ist das Restaurant Vier Jahreszeiten, mein Name ist Neumann und nicht Kaust!“
Wieder bleibt die Leitung für einige Zeit still, dann höre ich erneut die komische Stimme: „Ach Herr Kaust, gut dass sie am Aperrat sind. Ich bin froh, sie endlich erreicht zu haben. Wissen sie, hier spricht Martin Albert. Können sie sich an mich erinnern?“
Nun bin ich schon etwas genervt, doch natürlich würde ich es nicht wagen, einen potentiellen Kunden meines Restaurants am Telefon anzufahren, deshalb antworte ich immer noch mit freundlichem Ton: „Herr Albert, hier ist kein Bestattungsunternehmen, hier ist das Restaurant Vier Jahreszeiten. Sie sind falsch verbunden!“
„Ja, ja, Herr Kaust, ich weiß, um diese Jahreszeit sterben viele Menschen und sie haben viel zu tun in ihrem Geschäft. Sie brauchen sich aber nicht zu entschuldigen, dass sie so viele Aufträge bearbeiten müssen. Mit meinem Verständnis können sie rechnen“, kommt es mir aus dem Telefonhörer entgegen.
Ich verdrehe die Augen und es wandern blitzschnell Gedanken durch meinen Kopf, die ich hier nicht wiedergeben möchte, dann sage ich erneut: „Bitte Herr Albert, ich kann ihnen nicht helfen. Hier gibt es keine Leichen. Da müssen sie woanders nachfragen!“
„Schön, schön, ich kann mir denken, dass sie mit dem einbalsamieren der Leichen sehr beschäftigt sind, Herr Kaust, aber jetzt möchte ich mit ihnen über wichtigere Dinge sprechen, ich denke, es ist jetzt soweit!“ antwortet Herr Albert.
Verdutzt frage ich, bevor ich nachdenke: „Bitte Herr Albert? Was ist soweit?“
Spontan bekomme ich die Antwort, bevor ich noch weitere Wörter aussprechen kann: „Aber; aber Herr Kaust, sie wissen schon..., wir haben darüber doch schon persönlich gesprochen!“
Nun zögere ich etwas mit der Antwort, da ich nicht genau weiß, wie ich reagieren soll. Ich wüsste schon zu gerne, was die Beiden besprochen hatten, doch andererseits wollte ich den armen Mann am anderen Ende auch nicht bespitzeln: „Ja Herr Alberts, ich kann nur immer wieder sagen, wir sind kein Bestattungsunternehmen.....“
„Ist schon gut,“ fällt mir Herr Albert barsch ins Wort, bevor ich den Satz zuende sprechen kann, „ich weiß, dass sie ein Bestattungsunternehmen führen, darum geht es doch gerade. Ich brauche sie jetzt und hier. Ich brauche ihre Firma. Es ist soweit und es ist mir so wichtig.“
„So du Sack“ denke ich, "wenn du jetzt noch frech wirst, dann kannst du mir auch deine Geschichte erzählen, sie scheint dir ja unter den Nägeln zu brennen." Dann spreche ich ins Telefon: „Ach ja, Herr Alberts, ich kann mich doch noch etwas erinnern. Seien sie so lieb und helfen sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Um was ging es denn noch einmal?“
„Jetzt wollen sie mich veralbern Herr Kaust. Als ob sie das nicht am Besten wüssten. So lange ist unser Gespräch doch nun auch noch nicht her. Sie müssen das doch noch wissen! Ich glaube nicht, dass besonders viele Menschen mit so einer ungewöhnlichen Angelegenheit zu ihnen kommen.“ antwortet Herr Albert entrüstet.
„Es tut mir leid“ spiele ich die falsche Rolle, „wissen sie, durch meine Hände gehen täglich so viele Gesichter, und immer wieder rufen mich neue Leute an, um mir von dem Tod ihrer Angehörigen zu berichten. Das müssen sie verstehen, ich kann mir doch nicht alles behalten!“
Lange Zeit bleibt die Leitung auf der anderen Seite still und ich denke schon fast, Herr Albert hätte meinen Plan durchschaut, doch dann höre ich erneut seine erstickende Stimme: „Aber Herr Kaust, das kann nicht ihr ernst sein. Sie müssen es doch noch wissen. Es ist jetzt fast zu spät.“
„Was ist zu spät“ antworte ich und meine Stimme zittert vor Neugierde
Wieder herrscht unendlich lange Zeit Stille, dann dröhnt nur noch ein Röcheln durch die Leitung und ich höre, wie der Hörer von Herr Albert laut auf dem Fußboden aufschlägt.

 

Hi Anja!

Vorweg eine Kleinigkeit: Die Anrede "Sie" schreibt man in wörtlicher Rede immer groß. Ach ja, und Du meinst vermutlich "Leichen", oder? "Laichen" ist, wenn Frösche ihre Eier legen.

Inhaltlich finde ich die Geschichte gelungen. Die Gesprächspartner reden zuerst aneinander vorbei, um danach nicht zur Sache zu kommen. Ein wunderbarer Seitenhieb auf die gestörte Kommunikationsfähigkeit in unserer Gesellschaft (war das Deine Absicht?).

Leider habe ich keine Idee, was Herr Albert mit Herrn Kaust vereinbart hatte. Ich hatte gehofft, das am Ende der Geschichte in Form eines überraschenden Endes zu erfahren, stattdessen stirbt Herr Albert einfach (ehrlich gesagt dachte ich am Anfang, er sei bereits tot).

Die Story erinnert mich übrigens an einen Kurzfilm, den ich mal gesehen habe. Ich weiß den Titel nicht mehr, aber vielleicht hast Du den Film auch gesehen ;-)

Fazit: Sehr interessante Idee, nicht ganz konsequent umgesetzt, sprachlich in Ordnung.

Uwe

 

Hallo friedfertig,

der Dialog ist prima gemacht, der Schluß enttäuscht doch ein wenig. Ich kann mir ja jetzt willkürlich etwas denken, doch das ist unbefriedigend. Natürlich entspricht der Schluß der Realität, die der Angerufene erlebt.

Tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ihr beiden!

Danke für Eure Kommentare.
Ich weiß, ich schreibe oft Geschichten, in die ich meiner ganze Fantasie lege und erwarte einfach vom Leser, daß er erkennt, worauf ich eigentlich hinaus möchte. Nur leider gelingt mir die Klarheit des öffteren nicht so gut und es bleibt dann an mir, meinen Lesern den Inhalt meiner Geschichte, also, was in meinem Kopf vorging als ich sie schrieb, zu erleutern.

Zuerst wollte ich einfach etwas lustiges schreiben, so ein einfach nerviges Telefonat, wie es eigentlich jede Bürokauffrau oder Telefonistin schon einmal erlebt hat. Doch dann ist mir eingefallen, ich könnte der Geschichte noch einen, na sagen wir mal, nachdenklichen, bis unheimlichen Touch verpassen.

Eigentlich ist es doch recht simpel. Herr Albert muß unbedingt das "Leichenaufbewahrungscenter" anrufen, denn er hat mit dem Bestatter vorher bereits persönlich ausgemacht, daß er vor hat, sich selbst umzubringen (aufzuhängen) und damit seine Leiche nicht tagelang dort hängen würde, ruft er halt den Bestatter an, damit der ihn abholen kommt.
Doch der Bestatter reagiert nicht auf den Mann, sondern tut Herrn Albert einfach als einen Spinner ab, den man nicht für voll nehmen kann und kümmert sich nicht weiter darum.
Als der Mann nun schließlich seine Drohung wahr macht, und praktisch schon mit dem Strick um den Hals nach dem Hörer greift, ruft er auch noch ausgerechnet den Falschen an, und vertut somit unbeabsichtigt die letzte Chance, vieleicht doch noch gerettet zu werden.

Ich weiß, das Ganze kommt beim Lesen nicht so raus, ich hätte es vieleicht noch weiter ausbauen müssen, doch dann wäre das Gespräch wohl nicht mehr realistisch geblieben.

Liebe Grüße an Euch beide!

Anja

 

ahh, so ähnlich dachte ich das auch.
Blos hatte ich das gefühl, dass Albert ganz einfach merkt, er müsse bald sterben und nun da anruft.
Die Idee ist gut beim Telephongespräch ist es nur manchmal zu unrealistisch, dass Albert ständig das Gegenteil versteht.
Das könnte man ausbauen, in dem die beiden von etwas reden, aber gar nicht mitkriegen, dass sie etwas ganz anderes meinen. Siht man ja in so vielen Filmen!

 

Hallo Fanny,

Na ja, es war meine erste Kurzgeschichte in dieser Art und eigentlich hatte ich vor, sie nur aus Gesprächen bestehen zu lassen. Dann jedoch habe ich gemerkt, daß es gar nicht so einfach ist, ein sinnvolles Telefonat aufzubauen.
Ich gebe zu, es mag unrealistisch sein, daß Herr Albert immer etwas Falsches versteht, andererseits sollte man auch bedenken, in welcher Lage er sich befindet. Vieleicht hängt er ja schon am Strick!

Trotzdem Danke für die Kritik!

Liebe Grüße
Anja

 

Gut stimmt, Humor würde nicht zum Thema passen.
Aber der Herr Albert könnte ja panisch wirken.
Das könnte man z.B. zeigen, wenn man schreibt, dass er immer kurze abgehakte Sätze hervorstößt.
mfg
Fanny

 

Hi Anja!

Deine Kurzgeschichte hat mich gut unterhalten. Sicherlich mag die Verwechslung von dem Restaurant und dem Bestattungsunternehmen auf Dauer etwas weit hergeholt sein (früher oder später müsste der Anrufer ja merken, dass er falsch verbunden ist – soo schwerhörig kann er ja gar nicht sein), trotzdem war es interessant, das Gespräch zu verfolgen (zu belauschen) und ich war gespannt, was am Ende dabei herauskommen würde; ein netter Schluss. Allerdings dachte ich auch, dass Albert nur glaubt, bald zu sterben. Auf die Idee mit dem Selbstmord bin ich nicht gekommen. Ich finde, das müsste am Ende der Geschichte noch irgendwie erwähnt werden.

Ein paar Dinge im einzelnen:

Direkte Ansprachen wie "Sie" oder "Ihnen" werden groß geschrieben (Uwe hat's ja bereits angesprochen).

Schön, schön, ich kann mir denken, dass sie mit dem einbalsamieren der Leichen sehr beschäftigt sind
Einbalsamieren
Aber; aber Herr Kaust
Komma statt Semikolon
So du Sack denke ich, "wenn du jetzt noch frech wirst, dann kannst du mir auch deine Geschichte erzählen,[...]."
Falsche Anführungsstriche vor "wenn"

Fazit:
Ein unterhaltsames und ungewöhnliches Telefongespräch. Aus dem Ende könnte man noch einiges mehr machen.

Viele Grüße,

Michael :)

 

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