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Der seltsame Anruf
Der seltsame Anruf
Kurzgeschichte von Anja Albus
Das Telefon schellt. Ich nehme den Hörer ab: „Restaurant Vier Jahreszeiten, mein Name ist Neumann, was kann ich für sie tun?“
Erst Stille, dann plötzlich haucht jemand in den Hörer, als würde er damit seinen letzten Atemzug tun: „Bin ich da richtig? Ist da Bestattungen Kaust? Hallo? Ich möchte bitte Herrn Kaust persönlich sprechen.“
„Was ist das denn bloß für ein Penner“ denke ich, doch freundlich wie immer antworte ich: „Hallo? Hören sie, sie sind falsch verbunden, hier ist das Restaurant Vier Jahreszeiten, mein Name ist Neumann und nicht Kaust!“
Wieder bleibt die Leitung für einige Zeit still, dann höre ich erneut die komische Stimme: „Ach Herr Kaust, gut dass sie am Aperrat sind. Ich bin froh, sie endlich erreicht zu haben. Wissen sie, hier spricht Martin Albert. Können sie sich an mich erinnern?“
Nun bin ich schon etwas genervt, doch natürlich würde ich es nicht wagen, einen potentiellen Kunden meines Restaurants am Telefon anzufahren, deshalb antworte ich immer noch mit freundlichem Ton: „Herr Albert, hier ist kein Bestattungsunternehmen, hier ist das Restaurant Vier Jahreszeiten. Sie sind falsch verbunden!“
„Ja, ja, Herr Kaust, ich weiß, um diese Jahreszeit sterben viele Menschen und sie haben viel zu tun in ihrem Geschäft. Sie brauchen sich aber nicht zu entschuldigen, dass sie so viele Aufträge bearbeiten müssen. Mit meinem Verständnis können sie rechnen“, kommt es mir aus dem Telefonhörer entgegen.
Ich verdrehe die Augen und es wandern blitzschnell Gedanken durch meinen Kopf, die ich hier nicht wiedergeben möchte, dann sage ich erneut: „Bitte Herr Albert, ich kann ihnen nicht helfen. Hier gibt es keine Leichen. Da müssen sie woanders nachfragen!“
„Schön, schön, ich kann mir denken, dass sie mit dem einbalsamieren der Leichen sehr beschäftigt sind, Herr Kaust, aber jetzt möchte ich mit ihnen über wichtigere Dinge sprechen, ich denke, es ist jetzt soweit!“ antwortet Herr Albert.
Verdutzt frage ich, bevor ich nachdenke: „Bitte Herr Albert? Was ist soweit?“
Spontan bekomme ich die Antwort, bevor ich noch weitere Wörter aussprechen kann: „Aber; aber Herr Kaust, sie wissen schon..., wir haben darüber doch schon persönlich gesprochen!“
Nun zögere ich etwas mit der Antwort, da ich nicht genau weiß, wie ich reagieren soll. Ich wüsste schon zu gerne, was die Beiden besprochen hatten, doch andererseits wollte ich den armen Mann am anderen Ende auch nicht bespitzeln: „Ja Herr Alberts, ich kann nur immer wieder sagen, wir sind kein Bestattungsunternehmen.....“
„Ist schon gut,“ fällt mir Herr Albert barsch ins Wort, bevor ich den Satz zuende sprechen kann, „ich weiß, dass sie ein Bestattungsunternehmen führen, darum geht es doch gerade. Ich brauche sie jetzt und hier. Ich brauche ihre Firma. Es ist soweit und es ist mir so wichtig.“
„So du Sack“ denke ich, "wenn du jetzt noch frech wirst, dann kannst du mir auch deine Geschichte erzählen, sie scheint dir ja unter den Nägeln zu brennen." Dann spreche ich ins Telefon: „Ach ja, Herr Alberts, ich kann mich doch noch etwas erinnern. Seien sie so lieb und helfen sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Um was ging es denn noch einmal?“
„Jetzt wollen sie mich veralbern Herr Kaust. Als ob sie das nicht am Besten wüssten. So lange ist unser Gespräch doch nun auch noch nicht her. Sie müssen das doch noch wissen! Ich glaube nicht, dass besonders viele Menschen mit so einer ungewöhnlichen Angelegenheit zu ihnen kommen.“ antwortet Herr Albert entrüstet.
„Es tut mir leid“ spiele ich die falsche Rolle, „wissen sie, durch meine Hände gehen täglich so viele Gesichter, und immer wieder rufen mich neue Leute an, um mir von dem Tod ihrer Angehörigen zu berichten. Das müssen sie verstehen, ich kann mir doch nicht alles behalten!“
Lange Zeit bleibt die Leitung auf der anderen Seite still und ich denke schon fast, Herr Albert hätte meinen Plan durchschaut, doch dann höre ich erneut seine erstickende Stimme: „Aber Herr Kaust, das kann nicht ihr ernst sein. Sie müssen es doch noch wissen. Es ist jetzt fast zu spät.“
„Was ist zu spät“ antworte ich und meine Stimme zittert vor Neugierde
Wieder herrscht unendlich lange Zeit Stille, dann dröhnt nur noch ein Röcheln durch die Leitung und ich höre, wie der Hörer von Herr Albert laut auf dem Fußboden aufschlägt.