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Der See

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10.04.2009
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Der See

Langsam nehme ich einen der grauen, flachen Steine vom Boden. Ich wiege ihn in meiner Hand und fahre mit dem Daumen über die raue, kalte Oberfläche. Dann hole ich aus und werfe ihn soweit ich kann. Leise taucht der Stein in das dunkle Wasser ein. Ich beobachte wie die Wellen, die er verursacht, langsam kleiner werden und schließlich ganz verebben. Nun liegt der See wieder vollkommen still da, als ob nichts geschen wäre. Wie ein schwarzer Spiegel, der das Grau des Himmels und das Grün der Bäume rings herum aufsaugt. So lange war ich nicht mehr hier. Ich schließe die Augen. Vor meinem inneren Auge sehe ich wieder sein Gesicht und seine Augen, die mich anstrahlen, an dem Tag, an dem ich das letzte Mal hier war.
Ich konnte nie genug von ihm kriegen. Von seinen Haaren, die so herrlich nach Heu dufteten, von seinen blauen Augen und seinem strahlendem Lächeln, das mich immer sofort mitriss. Ich vertraute ihm, ich liebte ihn. Die Welt schien mir so unglaublich perfekt. Mir war nicht bewusst, wie zerbrechlich ein solches Glück sein konnte. Und vor allem hätte ich mir niemals träumen lassen, wer es zerstören würde. Im Nachhinein denke ich, dass ich es vielleicht hätte ahnen können. Doch ich sah alles wie durch einen Schleier. Die Welt war mein persönliches Paradies geworden und er war mein Engel.
An diesem Nachmittag lag ich in seinen Armen und wir betrachteten gemeinsam den See. Damals schien er mir nicht dunkel, sondern klar und einladend. Schließlich nahm ich seine Hand. „Komm schon“, rief ich lachend und zog ihn zum Wasser. Ich zog meine Klamotten bis auf meinen Bikini, den ich schon drunter hatte, aus und sprang in das eiskalte Wasser. Er folgte mir und wir schwammen gemeinsam durch das kühle Nass. Wir hatten den See ganz allein für uns. Zu dieser Jahreszeit war es den meisten Leuten noch zu kalt zum Schwimmen.
Schließlich wurde es auch mir zu kalt und ich kletterte aus dem See und legte mich in die Sonne. Er folgte mir, doch er legte sich nicht neben mich sondern blieb stehen und sah mich an. Verwirrt fragte ich ihn was los sei, doch er antwortete mir nicht sondern sah mich nur weiter mit diesem seltsamen Blick an. Auf einmal kniete er sich zu mir und begann mich zu küssen. Er wurde immer fordernder, presste sich immer enger an mich. Der harte Boden drückte sich in meinen Rücken. Lachend versuchte ich ihn zur Seite zu schieben, doch er ließ sich nicht bewegen. Langsam wurde ich panisch „Was machst du da?“, fragte ich. „Bitte geh von mir runter, du tust mir weh.“ Ich liebte ihn, doch dafür war ich noch nicht bereit. Nicht an diesem Tag. Nicht an diesem Ort. Mit immer mehr Kraft versuchte ich ihn wegzudrücken, doch er war wie ein Stein, der schwer auf mir lag. Mir kamen die Tränen, ich hämmerte auf ihn ein, schrie, während seine Hände begannen ihren Weg auf meinem Körper zu suchen. Sein heißer, verschwitzter Körper war überall. Seine Hände krallten sich tief in meine Haut. Zerkratzten sie. Nach einer Weile hörte ich auf mich zu wehren. Meine Stimmte versagte, meine Arme wurden schwach. Schließlich lag ich nur noch da. Wie eine leblose Puppe und wartete. Wartete darauf, dass er fertig war. Ich schloss die Augen und sang in Gedanken ein Lied. Das einzige, das mir in diesem Augenblick einfiel:

Oh when the saints
go marchin´ in,
Oh when the saints go marchin´ in,
Lord I want to be in that number
When the saint go marchin´in.

Immer wieder wiederholte ich in Gedanken die Strophen des Liedes. Versuchte die Schmerzen und die Angst zu ignorieren, bis ich spürte, wie das Gewicht von meinem Körper genommen wurde. Ich schlug die Augen auf und sah wie er sich anzog. Er sah mich an. „Das war das schönste Geschenk, das du mir machen konntest.“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, während er sein Fahrrad nahm und davon fuhr.
Ich lag am Boden. Zitternd. Zerrissen. Dann stand ich auf und ging zum See. Ich wusch meinen nackten, bleichen Körper. Wusch den Dreck und den Schweiß ab. Tauchte unter.
Salziges Wasser vermischte sich mit süßem. Immer tiefer ließ ich mich sinken, während ich hoffte, dass der See auch die Erinnerungen fort waschen könnte.

Noch einmal nehme ich einen der Steine vom Boden. Ich balle meine Hand zu einer Faust. Tränen steigen in meinen Augen auf. Ob vor Wut, vor Schmerz oder vor Trauer ist mir selber nicht klar. Alle diese Gefühle ringen in mir um die Oberhand. Erneut hole ich aus und werfe den Stein in das dunkle Wasser. Wieder sinkt der Stein auf den Grund, verschwindet in den Fluten. Und während ich beobachte wie die Wasseroberfläche wieder ruhiger wird, wünsche ich mir mit dem Stein würden auch all die Bilder des Tages versinken und auf dem Grund des Sees in Vergessenheit geraten. Doch sie sinken nicht. Die Erinnerungen sind wie Blätter, die weiterhin auf dem See treiben.

 

Hallo Finchen,

und herzlich willkommen hier.

So meine erste Kurzgeschichte mit dem Titel: "Der See"
Ich freue mich über umfangreiche,konstruktive Kritik,über Lob etc
Aber bitte beachtet: Es ist meine erste Kurzgeschichte;)
Solche Kommentare in Zukunft aber bitte immer in einem gesonderten Beitrag unterhalb der Geschichte.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Sim
tut mir Leid,das wusste ich nicht.
In Zukunft werde ich mich natürlich daran halten =)
Nun würde ich mich auch über Kritik zur Geschichte freuen:)

Liebe Grüße
Finchen

 

Willkommen Finchen hier im Forum,

Deine Geschichte fängt stark an, leider hältst Du nicht konsequent durch, was sehr schade ist.

... Ich beobachte still wie die Wellen, die er Verursacht, langsam kleiner werden und schließlich ganz verebben. Nun liegt der See wieder dunkel und still da.

"still beobachten?", geht beobachten auch laut? Da kannst Du still gut wegnehmen, dann wiederholt es sich auch nicht gleich im nächsten Satz wieder.
"Verursacht" = Verb und darum klein
Satzanfänge mit "Nur" sind oft Schönheitsfehler und der See war doch auch beim Steinwurf dunkel, also ist wieder dunkel nicht richtig. Er war und ist dunkel, niemals hell gewesen. Vielleicht solltest Du diesen Satz nutzen, um in Deine Geschichte einzuführen, so in der Art, er hat den Stein geschluckt, er ist verschwunden, seine Oberfläche wieder glatt, wie als wäre nichts geschehen.

Die Vergewaltigung hast Du gut rüber gebracht. Allerdings unterstreiche mal jeden "See" in diesem Teil und überlege Dir, ob da nicht der eine oder andere nerven könnte :).

Wartete darauf, dass er fertig war, dass er bekommen hatte was er wollte.

Für mich fügt sich der Halbsatz nicht so richtig ein. Ich kann mir schwer vorstellen, dass Deine Prot in ihrer Situation noch irgendetwas für den Typen denkt. Das sie darüber nachdenkt, was ER will. Ich würde ihn streichen.

Dein Ende funktioniert bei mir leider gar nicht. Ich halte es schlicht für falsch, auch wenn ich es schön finde, dass Du das Seemotiv wieder aufgreifst.

Der See verschluckt sie, genau wie die Bilder jenes Tages. Alles spiegelte sich in ihm, alles nahm der See auf. Die Bilder sanken hinab auf den tiefen Grund wie Steine. Von Schwärze umschlungen wird der See sie nun nicht mehr preisgeben.

(allein hier 3 Seen in vier Sätzen ;))

Erst spiegelt der See die Bilder, dann aber hält er sie für immer und ewig verschlossen, wieder ein Widerspruch.
Ich glaube auch nicht, dass ein solches Erlebnis verschwinden kann, wenn man den See als Metapher ihrer Seele sieht.

Jetzt hab ich hier ne Menge Kritik von mir gegeben, aber eigentlich hat sie mir gut gefallen. Ich glaube, Du könntest mehr erreichen, wenn Du hier und da noch mal rüber gehst.

Danke für Deine Geschichte.
Beste Grüße Fliege

PS: Kleiner Tipp am Rande, Kritik bekommen ist schön, selber sich ins Forum einbringen noch besser ;).

 

Vielen Dank Fliege für deine Kritik.
Ich habe die Geschichte bereits überarbeitet und versucht alles zu beherzigen, was du kritisiert hast.
Ich habe nun auch einen etwas anderen Schluss verfasst, allerdings "verschwinden" die Bilder immer noch in den Tiefen des Sees.
Meine Idee dabei ist, dass das Mädchen das alles natrülich nicht vergessen kann, aber versucht es zu verdrängen bzw in einer "Ecke" ihrer Gedanken zu verstecken, weil sie Angst hat, sich jemandem anzuvertrauen.
Allerdings muss ich zugeben, dass es mir etwas schwer gefallen ist, dies auszudrücken. Ich werde in den nächsten Tagen nochmal versuchen etwas daran zu arbeiten.
Also nochmal danke ;)
Liebe Grüße
Finchen

P.S: Ja, ich weiß. Aber schließlich bin ich erst seit gestern im Forum, deswegen muss ich mich erstmal zurecht finden:D

 

Hallo Finchen,

eine Vergewaltigungsgeschichte zu schreiben ist keine einfache Sache. Prinzipiell finde ich, dass Du das gut gemacht hast, mit dem See als Motiv.
Besonders gut fand ich die Stelle mit dem Lied. Das ist sehr realistisch, dass einem dann ein völlig zusammenhangloses, blödes Lied im Kopf herumgeistert, an dem man sich festhält, wie an einem Mantra.

Den Schluss fand ich allerdings ein bisschen zu lakonisch. Eine Vergewaltigung vergisst man nicht, da kann sie noch so lange am See sitzen und ins Wasser gucken. Zumal dies offenbar das erste Mal in ihrem Leben war, dass sie überhaupt Sex hatte? Noch traumatischer.
Und irgendwie stößt es mir auch auf, dass sie dadurch sich noch mehr zum Opfer macht – er schwingt sich auf sein Rad und fährt pfeifend davon, offenbar ohne jegliche, auch spätere Konsequenz und sie hat nur den See als Trost?
Ich weiß nicht. Das kann schon sein, dass es im wahren Leben so ist, aber irgendwie hinterlässt das einen schalen Nachgeschmack. Wo ist ihre Wut?
Ich sehe hier nichts als Resignation und das schon mit sechzehn, oder wie immer alt sie sein soll.

Aber Du kannst ganz gut schreiben und ich glaube auch, dass die Geschichte Potential hat.

Viele liebe Grüße,
Sammamish

 

Hallo sammamish
Ersz einmal vielen Dank,dass du dir die Zeit genomman hast meine Geschichte zu lesen und zu kommentieren.
Mit dem Schluss wollte ich auf keinen Fall ausdrücken,dass sie alles vergisst und weitermacht sondern eher das Gegenteil: Sie würde gern vergessen, die Erinnerung verdrängen, doch die Bilder kommen immer wieder hoch.
Ich habe mir gedacht,dass sie sich niemandem anvertraut,weil sie Angst hat und auch nicht weiß wem und wie. Deswegen folgen auch (zumindest bis zu diesem Augenblick) keine Konsequenzen. Das mit der Wut kann ich nachvollziehen und werde mir überlegen wie ich auch diese Seite noch zum Vorschein bringen kann.
Den Schluss wollte ich sowieso ( wie ich schon gesagt habe) nochmal überarbeiten :)
Nochmals Dankeschön
Liebe Grüße
Finchen

 

Hallo Finchen!

Auch von mir noch ein Willkommen auf kg.de.

Als ich deinen Text (erste Version) gelesen habe, war ich erstmal ein wenig geschockt. Nicht weil dein Text schlecht geschrieben wäre, sondern weil das Geschehen sehr realistisch ist (aber meinem Sinn für Gerechtigkeit widerspricht).
Realistisch, weil viele Vergewaltigungen nicht angezeigt werden, realistisch, weil sich deine Protagonistin mit Selbstvorwürfen herumschlagen muss ("Im Nachhinein denke ich, dass ich es vielleicht hätte ahnen können."), realistisch, weil "er" gar nicht kapiert, was er tut („Das war das schönste Geschenk, das du mir machen konntest.").

Kleiner Kritikpunkt: Du hast das Ende inzwischen überarbeitet - und ich fand die erste Version besser. Natürlich können die Erinnerungen nicht verschwinden, das Mädchen kann nicht wirklich vergessen - aber das ist genau das, was alle, die in einer solchen Situation sind (die mit niemandem über die Vergewaltigung reden [können]) versuchen und versuchen müssen, um nicht daran kaputt zu gehen.
Wäre das Ende noch das von Version eins, könnte man das (gerade in einem Jugend-Text) als Anlass nehmen, darüber nachzudenken: Ist es wirklich so, kann das Mädchen vergessen?

Aber es ist deine Geschichte, also auch deine Entscheidung.
(Übrigens: für eine erste Geschichte ist das wirklich verdammt gut!)

Ich freue mich auf weitere Texte von dir.

Grüße
Chris

 

Hi Finchen,

der Anfang liest sich so, als ob sie einen guten Freund verloren hat - ich glaube auch dass, das so gemeint ist von Dir. Dann wird dem Leser klar, dass es sich um eine Vergewaltigung oder zumindest eine aus dem Ruder gelaufene beginnende Liebe handelt, die abrupt zerstört wird.

Ich finde es sehr schön geschrieben - fast schon romatisch - obwohl es sich um ein finsteres Thema handelt.

"betrachteten den gemeinsam den See" da ist ein "den" zuviel...

lg gdeki

 

Hallo
erst mal danke für die Kommentare von euch 2 ;)
Chris Stone: Danke für dein Lob darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut!
Das mit dem Ende ist natürlich Geschmackssache. Da mir gesagt wurde,dass das Ende nicht so gut sei, habe ich es geändert. Dem einen gefällts so besser, dem anderen so. Im Moment schwanke ich selber ein bisschen...Ich werde mir das noch überlegen!

gdeki: Auchdir danke für das Lob =)
Das mit dem "den" habe ich natürlich gleich geändert :D

Liebe Grüße
Finchen

 

Hallo Finchen,
ich finde, du hast deine Geschcihte sehr gut ummalt. Also, ich sehe den See, sehe den Jungen, sehe das Mädchen und wie sie Spaß haben, dann aber die Stimmung kippt und diese schlimme Sache geschieht. Du hast das sehr realistisch dargestellt und das ist nicht einfach.
Ich finde die Geschichte wirklich gut.
lg
muckel

 

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