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Der Schwur

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10.07.2004
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Der Schwur

1
Jérôme ließ seinen Blick durch den dunklen Saal streifen. Langsam und konzentriert. Wie ein Adler, der sich seiner Beute sicher ist und geduldig auf den passenden Moment zum Angriff wartet. Alles eine Frage des Willens. Und der Selbstbeherrschung. Doch diesmal ging es nicht ums Jagen. Diesmal ging es um viel mehr.
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Da war sie. Ihre langen schwarzen Haare fielen über die Lehne des roten Kinosessels. Mit der rechten Hand spielte sie gedankenverloren in ihren Locken. Sie war zweifellos hübsch. Das hatte Jérôme gleich gesehen, als er sie gestern Abend beobachtete. Groß gewachsen, nicht besonders weiblich, aber mit zarten Gesichtszügen, die irgendwie traurig wirkten. Eine schöne Frau. Doch sie interessierte ihn nicht.
Jérôme war wegen ihres Begleiters hier. Als sein Blick auf ihm ruhte, krampfte sich sein Magen zusammen. Freude und Schmerz schlugen in ihn ein wie Blitze. Er rang nach Luft. Und dann kam ganz leise ein Name über seine Lippen.

2
Leon fühlte sich unbehaglich. Der Film war gut, keine Frage. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Und das lag nicht an Julia, die an spannenden Stellen immer wieder seine Hand fest drückte und sich an ihn kuschelte. Nur beiläufig nahm er ihr süßes Parfum wahr. Er fühlte sich beobachtet, spürte eindringliche Blicke in seinem Nacken. Mühsam widerstand er der Versuchung, sich umzudrehen. Warum eigentlich? Er wusste es nicht. Es lag etwas in der Luft. Eine Aura aus Verlangen und Schmerz. Da waren Schatten von Erinnerungen. Doch seine Gedanken griffen ins Leere, tapsten im Dunkeln auf der Suche nach der Lösung eines finsteren Rätsels. Etwas in diesem großen Saal hatte seine Fühler nach ihm ausgestreckt.
Leon lenkte all seine Aufmerksamkeit auf diese fremde Macht. Er musste sie exakt lokalisieren, musste genau wissen, ob er es mit einem Feind zu tun hatte. Die Möglichkeit bestand durchaus, denn Widersacher gab es genug. Und nicht alle waren harmlos. Erst vor ein paar Tagen hatte ihn ein Angreifer an den Rand einer Niederlage gebracht. Einer Niederlage, für die es keine Revanche mehr gegeben hätte. Doch Leon hatte seine Vorteile gut ausgespielt, den richtigen Moment abgewartet, um seinen Gegner vernichtend zu schlagen. Getötet hatte er ihn nicht. Aber seinen Willen gebrochen. Vielleicht war das sogar schlimmer.
Doch jetzt hatte Leon nichts zu befürchten. Das wurde ihm schnell klar. Er spürte nichts Feindliches. Dennoch war er sehr beunruhigt. Ein seltsames Gefühl hatte sich in seinen Geist geschlichen. Und dieses Gefühl war einmalig. Einmalig vertraut.

3
Jérôme folgte den beiden in sicherer Entfernung. Er wunderte sich wieder über seine Geschicklichkeit. Und über seine ausgeprägten Sinne. Wie war das früher gewesen? Anders, ja. Aber wie? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Dieses alte Leben lag schon nach so kurzer Zeit verschüttet unter schweren Steinen, die er allein nicht forttragen konnte. Es gab nur einen Menschen, der ihm helfen konnte. Nur einen, dem Jérôme bedingungslos vertraute. Er würde den richtigen Weg finden. So, wie er es immer getan hatte. Würde ihm sagen, was nun zu tun sei. Jérôme hoffte, die richtigen Worte zu finden. Es war alles so unglaublich. So unwirklich. Immer noch kam ihm alles wie ein Traum vor.

4
Seit drei Tagen sah er die Welt mit anderen Augen. Er war in einem kalten Gewölbe erwacht, das nur durch ein paar Kerzen schwach erhellt wurde. Der Geruch von Schimmel und Moder mischte sich mit dem Gestank von verwesendem Fleisch. Mühsam richtete sich Jérôme auf. Sein Rücken und seine Beine schmerzten entsetzlich. Angewidert starrte er das Kissen an, auf dem sein Kopf gelegen hatte. Vor sehr langer Zeit war es wohl einmal weiß gewesen. Mit einem Anflug von Panik nahm Jérôme mehrere Blutflecken wahr, die bedenklich frisch aussahen. Er sah an sich herunter. Auch sein Hemd war blutverschmiert. Er riss es sich vom Leib, um an seinem Körper nach Wunden zu suchen. Nichts. Nur ein paar blaue Flecken. Nichts Ungewöhnliches. Und dann fiel sein Blick auf die Frau.
Sie saß in einer dunklen Ecke des Raums. Dort standen keine Kerzen, doch Jérôme sah sie ganz deutlich. Ihre rötlichen Haare bedeckten die linke Hälfte ihres mädchenhaften Gesichts. Obwohl Jérôme mindestens fünf Meter entfernt stand, konnte er alle Details auf ihrem Gesicht erkennen. Den dezenten Lippenstift, den kleinen Fleck auf der rechten Wange, den grünlichen Lidschatten. Sie schien zu schlafen. Doch Jérôme wusste es besser. Und das nicht nur wegen der roten Flecken auf ihrem weißen Kleid, die wie ein beabsichtigtes fröhliches Muster wirkten. Oder wie Rosen auf einem mit Schnee bedeckten Grab.
Jérôme war verwirrt und verängstigt. Wo war er hier? Und was war geschehen? Auf jeden Fall musste er von hier verschwinden. Denn wenn man ihn hier allein mit dieser Frau fand, würde dies mit Sicherheit viele unangenehme Fragen nach sich ziehen. Fragen, die er nicht beantworten konnte. Er musste weg von hier. Doch der Raum hatte keine Fenster und keine Türen. Langsam ging Jérômes Blick nach oben. In der Decke, direkt über ihm, befand sich ein Loch. Mit etwas Mühe konnte man sich sicher hindurchzwängen. Aber es war unmöglich, dorthin zu kommen. Doch da täuschte sich Jérôme.

5
Julia hatte langsam genug. Klar war dieser Typ ein ziemliches Brett. Und er konnte auch durchaus charmant sein. Doch ehrlich gesagt fand sie es nicht besonders romantisch, mit ihm endlos durch dunkle Straßen zu laufen. Sie hasste diese Gegend. Und das nicht erst, seit vor drei Wochen hier diese Frauenleiche gefunden worden war. Wo war nun diese verdammte Kneipe, zu der Leon unbedingt noch wollte? Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte er sie gleich abschleppen können. Aber irgendwie war er heute komisch. Und auch etwas abweisend.
Während des Films hatte sie immer wieder seine Nähe gesucht. Hatte sich an ihn gekuschelt und an den passenden Stellen sogar leise aufgeschrien, um seinen Beschützerinstinkt auf Touren zu bringen. Alles umsonst. Einmal hatte er wie beiläufig ihre Hand gedrückt. Das war alles. Schöne Scheiße. Gestern konnte es ihm nicht schnell genug gehen, und heute schien er schon jedes Interesse an ihr verloren zu haben. Warum fiel sie nur immer wieder auf diese Typen rein?
„Ist es noch weit?“, fragte sie Leon, der etwas vor ihr ging und irgendwie angespannt wirkte.
„Nein“, sagte er abwesend. „Wir nehmen die Abkürzung durch den Park. Dann sind wir in fünf Minuten da.“
„Muss das sein?“, fragte sie und fröstelte. „Du weißt schon, dass man hier die Leiche von dieser Frau gefunden hat, oder? Ehrlich gesagt hab ich keine Lust, aufgeschlitzt zu werden.“
„Sie wurde nicht aufgeschlitzt“, sagte er trocken und drehte sich zu ihr um. „Ich pass schon auf dich auf.“
Und da war es endlich wieder: dieses entwaffnende Lächeln, das sie gestern völlig willenlos gemacht hatte. Gut, vielleicht hatte dieser Mistkerl doch noch eine Chance verdient. Trotzdem war Julia äußerst mulmig zumute, als sie den Park erreichten. Doch Leon war plötzlich wie ausgewechselt. Er nahm ihre Hand und schaute ihr sehnsüchtig in die Augen.
„Komm, Süße. Kein Grund zur Sorge. Wird schon nichts passieren. Kein Mörder ist so blöd, zweimal am selben Ort zuzuschlagen.“
Julia war sich da zwar nicht so sicher, sagte aber nichts. Immerhin schien Leon langsam wieder normal zu werden. Dennoch war sie beunruhigt. Und auch noch etwas genervt. Warum hatte dieser Typ sie nicht einfach mit dem Auto abholen können? Sein angekündigter romantischer Spaziergang war dann doch eher eine unheimliche Nachtwanderung geworden. Doch jetzt war es zu spät.
Wie recht sie damit hatte.

6
Leon war genervt. Er hatte jetzt endgültig die Schnauze voll von diesem ewigen Rumgezicke. Gestern Nacht war ihm die Kleine ja noch richtig sympathisch gewesen. Kurz hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, sie zu seiner Partnerin zu machen, sie in seine Welt zu führen. Kitschige Idee! So ganz hatte er sich wohl doch noch nicht von seinem früheren Leben verabschiedet. Vielleicht hätte er das Ding doch gestern schon durchziehen sollen. Aber irgendwie war seine weiche Seite noch nicht ganz hinüber. Und gegen eine heiße Nacht hatte Leon noch nie etwas einzuwenden gehabt.
Doch ihm war schnell klar geworden, wie sehr sich alles verändert hatte. Die laute Discomusik, dichter Nebel aus futuristischen Maschinen, schwitzende Körper, nur mit Stofffetzen bekleidet. Alles war wie immer. Nur er selbst eben nicht. Doch das wurde ihm erst so richtig bewusst, als er bei Julia zu Hause war. Nette kleine Wohnung ohne viel Schnickschnack, zum Glück kein grelles Licht. Kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, küsste sie seinen Hals und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Leon kam sich vor wie in einem schlechten Hollywoodstreifen. Doch er spielte mit, mehr Soapstar als Oscarpreisträger, aber immerhin. Sie zerrte ihn ins Schlafzimmer und stieß ihn aufs Bett. Dann entblößte sie ihre Brüste. Und da merkte Leon, dass es sinnlos war. Er konnte nicht mehr zurück in diese Welt. Der pralle Busen dieser Frau interessierte ihn kaum. Sein Blick hing wie gebannt an ihrem schönen langen Hals. Er stellte sich vor, wie es sich wohl anfühlen würde, ihn mit beiden Händen zu packen. Ihn in die geeignete Position zu bringen. Und dann zuzuschlagen.
Doch er beherrschte sich. Sie war betrunken. Ziemlich sogar. Das war kein guter Zeitpunkt. Er hatte es lieber, wenn sie nüchtern waren. Nur dann konnte er es so richtig genießen. Und morgen war schließlich auch noch ein Tag. Oder besser: eine Nacht.
Er lächelte sie an und griff gelangweilt nach ihren Brüsten.

7
Jérôme wurde kurz schwindlig. Einen Augenblick dachte er, dass er umkippen würde. Er konnte immer noch nicht glauben, was er dort sah. Er wollte aus den Schatten treten, wollte der Frau helfen, die mit weit aufgerissenen Augen in seine Richtung starrte. Als flehte sie ihn um Hilfe an. Doch Jérôme wusste, dass sie ihn nicht sehen konnte. Hier war es fast stockdunkel. Und er stand mehr als fünfzig Meter entfernt. Wieder spürte er den Impuls loszurennen. Er musste sie doch retten. Konnte doch nicht einfach hier stehen bleiben und tatenlos zusehen. Doch seine Füße bewegten sich nicht. Wie hypnotisiert beobachtete er die Szene. Ihm wurde übel, als er merkte, wie er sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Wie ein Gefühl in ihm aufstieg, das er kaum einordnen konnte. Eine Mischung aus unfassbarem Ekel und grenzenloser Lust.
Als die Frau zu Boden sank, wirkte sie irgendwie anmutig. Wie eine Balletttänzerin, die ganz in ihrer Rolle aufgeht. Die Augen waren immer noch geöffnet, starrten weiterhin genau zu Jérôme. Entsetzt. Und anklagend.
Jérôme war weit weg. In seinen Ohren dröhnte es. Gedanken überschlugen sich, stachen wie Nadeln in seinen ganzen Körper. Er nahm nichts mehr von seiner Umgebung wahr. Verlor sich in einer Welt, die unwiderruflich zusammenbrach. Er fiel, und nun war keiner mehr da, der ihn auffangen konnte.
Und plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter.

8
„Hallo Bruderherz“, sagte Leon und sah Jérôme liebevoll an. „Du trampelst durch die Nacht wie ein betrunkenes Wildschwein!“
Er lachte, wie nur Leon lachen konnte. Laut und voller Inbrunst. Es war ein selbstbewusstes Lachen. Jérôme hatte es schon immer geliebt. Doch jetzt klang es für ihn falsch, fast schon mechanisch. Es war kraftvoll wie immer, doch es hatte einen Teil seiner Wärme verloren.
„Was hast du getan?“, flüsterte Jérôme.
„Getan?“, fragte Leon. „Meinst du das Mädchen?“
„Ich meine das alles, verflucht noch mal!“, schrie Jérôme. „Wo warst du im letzten Jahr? Wir dachten, du bist tot!“
„Na, so ganz falsch ist das ja auch nicht“, sagte Leon und grinste spöttisch. Dann schaute er Jérôme fest in die Augen. „Jérôme, was soll ich sagen? Verdammt noch mal, ich kann eben nicht ohne dich leben. Ich hab’s versucht. Ehrlich. Aber es geht nicht. Als ich ... mich verändert habe, bin ich nach Italien, zu meinem Mentor. Er hat mich angelernt. Es war eine gute Zeit. Hart, aber gut.“
„Was soll der Scheiß?“, schrie Jérôme. „Verändert? Mentor? Mann, wir sind hier fast verrückt geworden vor Sorge und du vergnügst dich in Italien!“
„Kapierst du’s immer noch nicht?“ Jetzt brüllte auch Leon. „Wir sind anders! Wir sind keine ... keine Menschen mehr! Ich nicht, und du auch nicht mehr! Ich wollte dir ja alles in Ruhe erklären, aber du bist ja einfach abgehauen! Hatte dir doch gesagt, du sollst warten, bis ich wieder da bin!“
Jérôme starrte seinen Bruder verständnislos an. Was war hier los? Warum konnte er sich an nichts erinnern?
„Ich weiß nicht, was passiert ist“, murmelte er. „Ich bin vorgestern nachts in diesem Gewölbe aufgewacht. Mein Hemd war blutverschmiert. In der Ecke lag eine Frau. Scheiße, sie war tot!“
„Ja, ich weiß“, sagte Leon lässig. „Sozusagen mein Willkommensgeschenk für dich.“
„Willkommensgeschenk? Für mich?“
„Ja, verdammt noch mal! Jetzt kapier es doch endlich. Wie bist du denn aus dem Gewölbe rausgekommen? Mal eben die Tür genommen?“ Leon lachte. Und dieses Lachen hatte nun nichts mehr mit früheren Zeiten zu tun.
„Ich bin ... Ich weiß nicht“, stotterte Jérôme. „Da war ein Loch in der Decke. Ich habe es nur angesehen ... und plötzlich war ich oben.“
„Ach wirklich?“, sagte Leon höhnisch. „Und das fandest du nicht irgendwie seltsam oder so? „Mann, Jérôme, du warst doch früher nicht so begriffsstutzig! Und jetzt schnapp dir die Kleine und lass es dir schmecken. Ich will dich ja nicht beleidigen, aber du siehst ganz schön schlapp aus. Könntest einen Happen vertragen.“
Leon kicherte. Jérôme starrte ihn immer noch ungläubig an. Doch langsam wurde ihm alles klar. Überrascht stellte er fest, dass er plötzlich ganz ruhig war. Und dass in ihm ein Gedanke reifte, der ihn gleichzeitig erschütterte und erleichterte. Es war alles so einfach. So schrecklich einfach.

9
Sie saßen einander schweigend gegenüber. Es war alles gesagt. Die Leiche der rothaarigen Frau kauerte immer noch in der Ecke. Alles war genauso wie vorgestern, als Jérôme in grenzenloser Verwirrung dieses Gewölbe verlassen hatte. Nur auf dem Loch in der Decke lag nun eine große Metallplatte. Viel zu schwer, um sie fortzubewegen. Selbst Leon konnte das nicht.
Jérôme wunderte sich immer noch, wie einfach alles gewesen war. Männer finden, die bei guter Bezahlung keine Fragen stellen, Benzin besorgen, Leon belügen. Alles kein Problem. Fast routiniert hatte er seinen Plan verfolgt. Doch den letzten Schritt wollte er seinem Bruder überlassen.
Aber Leon starrte nur ins Leere. Er hatte alles versucht. Immer wieder beteuert, dass er es doch nur gut gemeint hatte. Er wusste doch, wie sehr sie einander brauchten. So war das eben bei Zwillingen.
Und Jérôme hatte stets das Gleiche geantwortet: „Du hättest mich fragen müssen, Leon. Darum geht es mir. Nur fragen. Vielleicht hätte ich Ja gesagt. Eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher. Aber ich bin nicht du. Du kannst nicht entscheiden, was für mich das Beste ist.“
„Aber jetzt hast du einfach entschieden“, brüllte Leon schließlich und Tränen stiegen ihm ins Gesicht.
Zum ersten Mal wusste Jérôme nicht, wie er sie deuten sollte. Wut oder Trauer? Enttäuschte Liebe? Aufkeimender Hass? Er sagte nichts mehr. Starrte an Leon vorbei auf die Benzinkanister, die an der Wand standen. Alles war vorbereitet für den letzten Akt. Die Kerzen brannten, die Flammen tanzten. Träumten von einer großen Zukunft. Von einem famosen Auftritt in dieser traurigen Manege.
Als Leon schließlich aufstand und zu den Benzinkanistern ging, umspielte ein leichtes Lächeln Jérômes Lippen. Erleichtert und unendlich traurig.

10
„Und jetzt schwöre“, sagte Leon und sah seinem Bruder tief in die Augen.
Jérôme merkte sofort, dass es ihm sehr ernst war. Er spürte es einfach. Also legte er feierlich seine rechte Hand aufs Herz. Genauso, wie er es letzten Samstag im Fernsehen gesehen hatte. Richtig gut war der Film gewesen, spannend bis zum Schluss. Doch am Ende hatte Jérôme geweint, denn der Mann hatte seinen Schwur gebrochen und wurde erschossen. Und auch die Frau, die er verraten hatte. Als Jérôme das einfiel, zögerte er kurz.
„Na was ist?“, drängte ihn Leon. Er konnte ganz schön hart sein. Aber wenn er ein Ziel hatte, dann musste er es auch erreichen. So war es schon immer gewesen.
„Ich schwöre dir die ewige Treue“, sagte Jérôme leise. Das Blatt in seiner Hand zitterte ein wenig. Doch er zwang sich weiterzulesen.
„Wir sind zwei Körper, doch eine Seele. Keiner lebt ohne den anderen. Und wenn einer stirbt, so muss der andere mit ihm gehen.“
Sie schauten einander an. Verwirrt, weil alles so ernst klang. Und stolz, weil sie sich erwachsen fühlten. Sie waren noch Kinder, doch sie hatten etwas Bedeutendes geschaffen. Nun waren sie unzertrennlich. Auch über den Tod hinaus.
All das sah Jérôme in den Flammen, die langsam aufstiegen und alles verbrennen würden. Nur die Erinnerung nicht.

 

Hallo coppelius,

ganz ehrlich, das war die erste Vampirgeschichte meines langen Lebens, die ich gelesen habe. Ist nämlich ein Genre, das mich nicht wirklich interessiert. Da das am Anfang deiner Geschichte aber noch nicht deutlich wurde, wurde ich gewissermaßen hineingezogen in das Thema. Nichts zum Bereuen.
Du schreibst sehr schön, und spannend ist die Geschichte auch.

Ab:

Der Geruch von Schimmel und Moder mischte sich mit dem Gestank von verwesendem Fleisch ...
bis
Doch da täuschte sich Jérôme.
würde ich die vollendete Vergangenheit verwenden.

War schön zu lesen!

Beste Grüße,

Eva

 

Hallo coppelius,

Der pralle Busen dieser Frau interessierte ihn kaum. Sein Blick hing wie gebannt an ihrem schönen langen Hals.
Da war der Groschen dann gefallen. Eine Vampirstory. Finde ich eigentlich nicht schlecht. Ich kann nicht verstehen, warum viele gleich so eine grundsätzliche Abwehrhaltung vor Vampirgeschichten hegen.

Du verstehst etwas von dem Handwerk. Wirklich. Nach dem ersten Kapitel konnte ich gar nicht anders, als weiterzulesen. Dann der Perspektivenwechsel der Brüder. Das las sich alles wie ein Sog. Ich fühlte geradezu, wie mich kalte, abschätzende Augen von irgendwoher beobachteten.
Nur hätte ich im fünften Kapitel nicht aus der Sicht von Julia geschrieben. Sie spielte für mein Verständnis in der Gesichte ja eh nur die Rolle des Opfers.

Ansonsten schaffst du wirklich eine düstere Atmosphäre, pflanzt eindringliche Bilder in meinem Kopf. Ja, und schaffst es sogar eine Nuance Humor einzubauen, ohne die düstere Stimmung zu kippen und alles ins lächerliche zu ziehen. Da musste ich echt schmunzeln:

Leon kam sich vor wie in einem schlechten Hollywoodstreifen. Doch er spielte mit, mehr Soapstar als Oscarpreisträger, aber immerhin.

oder so? „Mann, Jérôme,
Das Anführungszeichen muss weg, da du dich noch mitten in der direkten Rede befindest.

Würde mich freuen, bald wieder was von dir zu lesen.

Viele Grüße
Hacke

 

Hallöchen Coppelius,

ich geb's zu, ich mag fast jede halbwegs gute Vampirgeschichte, und deine... die sich erst nach und nach als Vampirgeschichte entpuppt... ist richtig gut.

Spannend bis zum Schluss. Kompliment!

MfG
Rick S

 

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