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Der Schwarze Tod
Im Jahr 1987 entdeckt ein tschechischer Archäologe bei Ausgrabungen in einer kleinen mittelalterlichen Burg einen in dickes Leder eingewickelten Stapel uralten Pergamentpapiers, der sich bei näherer Betrachtung als ein Manuskript herausstellte. Das Schriftstück ist in schlechtem Zustand und lässt sich erst nach langer und harter Arbeit restaurieren. Sofort beginnt man mit der Übersetzung, die die Forscher so sehr in Erstaunen versetzt, dass sie das Schriftstück für eine Fälschung halten. Doch die genaue Analyse des Pergamentpapiers bestätigt dessen historische Echtheit und datiert seinen Ursprung etwa auf das 13. Jahrhundert. Das Manuskript ist nicht vollständig, viele Seiten fehlen. Was mit ihnen passiert ist, bleibt ein Rätsel. Nach einem Verfasser, dem Benediktinermönch Antonius, wurde es das Antonius-Manuskript genannt. Im Folgenden wird die Übersetzung aus dem mittelalterlichen Latein möglichst genau wiedergegeben.
„Wir schreiben das Jahr des Herrn 1287. Ich, Antonius, Mönch vom Orden des Heiligen Benedikt, schreibe diesen Bericht in der Hoffnung, dass er eines Tages Seine Heiligkeit in Rom erreicht, damit der Heilige Vater all Seine Gebete und Gedanken dem Leid zurichtet, das hier passiert ist. Denn wenn ein Landstrich Gottes Gnade am meisten nötig hat, dann sind es die Ländereien des Burgherren und Ritters Woldemar von Boskowitz. Sie werden von einer furchtbaren Plage heimgesucht, die noch nie zuvor ein christliches Land heimgesucht hat. Die Dörfer und Weiler an den Bergen waren zuerst betroffen und die Überlebenden erzählten von Dämonen mit blutbesudelten Klauen und schrecklichen Augen. Die Menschen fliehen in Angst zu...“
Dann fehlt ein Abschnitt.
„...in großer Zahl. Burgherr Woldemar verkündet, dass es sich um einen Aufstand der Bauern handeln müsse, der von Bergmenschen angeheizt und verstärkt worden sei. Darum lässt der Burgherr seine Ritter und Krieger versammeln. Burgherr Woldemar, Ritter Johann von Weißquell, Ritter Tobias von Boskowitz, Ritter Jaroslaw von Cernahora und vier freie Ritter stellen ein Heer aus 7 Rittern, 45 berittenen Knappen und 140 Wehrbauern auf. Ich soll den Heerzug als Chronist begleiten. Rasch bricht das Heer auf und alle sind froh und eifrig. Uns begegnen viele Menschen, die vor dem Schrecken fliehen und viele von ihnen sehen elendig aus. Viele sind kränklich und schwach und Burgherr Woldemar schickt sie zum Kloster des heiligen Stephanus, wo sie Schutz suchen sollen. Sie sind so verängstigt, dass sie uns kaum beschreiben können, was sie derart erschreckt hat. Lediglich ein Jäger sagte dem Burgherren Woldemar, dass die Dämonen keine Waffen brauchen, während Waffen von menschlicher Hand ihnen keinen Schaden zufügen können. Die Männer, die bei Kräften waren, sollen das Heer begleiten und wurden dem Tross zugewiesen, denn sie weigern sich sogar unter Androhung einer schweren Strafe, die Reihen des Heeres zu stärken.
Die Vorhut unter Ritter Johann von Weißquell trifft auf eine Gruppe Menschen, die sie in Empfang nehmen. Doch statt sich vor dem Ritter zu verbeugen, greifen ihn die Menschen unvermittelt an. Sie sind unbewaffnet und kämpfen mit bloßen Händen und Zähnen und unter großem Geschrei. Als sie den Ritter von seinem Pferd zerren und ihn in Stücke reißen wollen, schritten seine Männer ein. Wie rasend erschlagen sie die Menschen mit Schwertern und Äxten, denn die Menschen ertragen ihre Verletzungen ohne Klage und hören nicht auf, schreckliche Schreie auszustoßen. Ritter Johann von Weißquell bleibt dank seines Kettenhemdes unverletzt, doch sein Pferd wird verwundet und verendet. Dann ergreift ...“
Erneut fehlt ein Abschnitt.
„...nähern sich. Die Späher berichten von zahlreichen Menschen, die unbewaffnet in großen Haufen ohne Gepäck umher wandern und viele scheinen verletzt oder krank zu sein. Als einer der Späher ihnen Wasser geben wollte, wurde er von seinem Pferd gezogen und bei lebendigem Leib zerrissen. Burgherr Woldemar untersagt daraufhin den Umgang mit kranken oder verletzten Menschen und solchen solle auf der Stelle der Kopf abgeschlagen werden. Viele Verwundete werden daraufhin enthauptet und hastig verscharrt. Die Späher berichten, dass die Menschen überall in Gruppen durch das Land streifen und viele laufen dabei auf das Heer zu. Ihre Zahl übersteigt die verbliebene Zahl des Heeres um das Dreifache. Daraufhin befiehlt Burgherr Woldemar das Heer auf einen Hügel, der von lichtem Wald umgeben ist. Dort sollen sie Befestigungen bauen und einen Graben graben. Burgherr Woldemar ermuntert die Männer oft, dass die Menschen vom Bösen befallen seien und dass ihre einzige Hoffnung in Jesus Christus, dem Feuer und dem Schwerte liege. Nach einem Tag wurden die Arbeiten fertiggestellt und Burgherr Woldemar lässt einen Gottesdienst abhalten. Diese ehrenvolle Aufgabe muss ich übernehmen, da Bruder Vermius drei Tage zuvor krank geworden und verstorben war. Um das Heer nicht aufzuhalten, lässt Burgherr Woldemar zwei Dutzend Mann an einem verlassenen Hof zurück, um die vielen Toten anständig beizusetzen, doch die Männer verspäten sich. Bald darauf nähern sich die Dämonen unserem Hügel. Sie kommen in einzelnen Gruppen und nähern sich von Süden. Burgherr Woldemar lässt die Männer aufstellen und gibt den Bogenschützen den Befehl, zu schießen. Die erste Salve lässt keinen der Dämonen umfallen oder wanken. Sie beginnen zu heulen und zu schreien und viele Männer des Heeres bekommen Angst. Salve um Salve geht auf die Dämonen nieder, aber kaum einer von ihnen wird getötet. Weitere dieser Kreaturen kommen auf uns zu und ihr Heulen wird immer lauter. Sie alle tragen nun unverhüllbare Anzeichen des körperlichen Verfalls wegen ihrer Besessenheit. Burgherr Woldemar trägt mir auf, während der Schlacht etwas erbauliches aus der Bibel vorzulesen, was ich auch tue. Dann erreichen sie die Befestigungen und ihr Heulen wird kaum noch erträglich. Mit Mühe können die Männer sie abwehren, bis ein Krieger ruft, dass man den Dämonen den Kopf ein- oder abschlagen müsse. Die Männer kämpfen härter und schon bald war der Hügel gesäumt von Toten. Doch dann greift uns die Masse der Dämonen an. Es sind Hunderte und sie kommen wie eine schreckliche, der Hölle entsprungene Flut. Burgherr Woldemar sammelt seine Ritter und Knappen um sich und greift die Dämonen von der Seite an. Die Reiter können viele Dämonen niederstrecken, doch diese hängen sich rasch in Trauben an die Pferden und reißen sie zu Boden. Die Männer schreien fürchterlich und ebenso schreie ich, als Burgherr Woldemars Pferd zu Boden gerissen wird. In der Zeit sind die Wehrbauern allmählich überrannt worden und ich wage nicht zu beschreiben, welche Gräuel ich dabei erblicken musste. Voller Schrecken muss ich...“
Wieder fehlt ein Abschnitt.
„...alle wehrfähigen Männer. Die Burgtore werden geschlossen und alle, die krank oder verwundet sind, werden der Burg verwiesen. Wir hören sie schreien und flehen, bis die Schreie nach und nach verstummen. Doch stattdessen hören wir in der Nacht das grässliche Heulen, das wir auch auf dem Hügel vernahmen. Es mischt sich mit Schreien der Angst und des Schmerzes. Doch Ritter Johann von Weißquell befahl, dass jeder, der die Burg verlässt, sie nicht wieder betreten wird. So bleiben wir auf den Mauern und hören ununterbrochen die grässliche Schreie und das schreckliche Heulen. Nach und nach geht auch das Schreien in das Heulen über und es wird lauter, denn die Dämonen strömen von überall her und werden immer zahlreicher. Nun können wir es nicht länger leugnen. Die Dämonen ergreifen Besitz von den Körpern Verstorbener, sodass diese den segnenden Stahl der Anhänger Jesu Christi nicht zu fürchten brauchen, außer wenn ihnen der Kopf abgeschlagen oder gespalten wird. Pfeile und Speere sind nahezu wirkungslos, nur mit Schwertern, Äxten und Streitkolben kommt man ihnen bei. Bald schon sind so viele von ihnen da, dass wir die Burg nicht mehr verlassen können, wenn wir gedurft hätten. Doch unsere Vorräte werden schnell knapp werden und wir werden schon bald Hunger leiden. Nun beschreibe ich, was ich mit eigenen Augen gesehen habe: ein Mensch wird nach seinem Tod von einem Dämon besessen. Es ist einer der Knappen, der eine Verwundung erhielt und sie geheim gehalten hatte. Er wurde krank und schließlich konnte er seine Krankheit nicht mehr verbergen. Ritter Johann von Weißquell ließ ihn einsperren und ich sollte ihm vor der Hinrichtung die letzte Beichte abnehmen. Als ich die Kammer betrete, ist er noch am Leben. Ich bete mit ihm und reiche ihm die heiligen Sakramente, als er sein Leben aushaucht. Seinen letzten Blick voller Qual kann ich nie wieder vergessen. Ich schließe seine Augen und bete für seine Seele, als er sie plötzlich wieder öffnet und mich anheult. Schrecken packt mich und ich will fliehen, aber er setzt mir nach und verletzt mich. Ich laufe weg und rufe nach Hilfe, als ein Mann ...“
Erneut fehlt ein Stück. Ab da verändert sich die Schrift. Sie wird krakeliger und unordentlicher und der Text weist viele Fehler auf, sodass eine genaue Übersetzung nicht möglich ist.
„...in die große Halle. Wir schlossen die Türen und verriegelten sie, als wir sie draußen dagegen hämmern hörten. Zwei Knappen bewachen die Tür, während Ritter Johann von Weißquell nach dem Geheimgang von Burgherr Woldemar sucht, der in seine Gemächer führen soll. Ich schreibe diese Zeilen, weil mir die Hoffnung fehlt, dass wir diese Burg lebendig verlassen können. Noch ist die Tür geschlossen, aber wir haben weder Nahrung noch Wasser. Ich fühle mich elend und mein Körper schmerzt. Meine Gedanken sind schwergängig. Ritter Johann sammelt alle Vorhänge und Teppiche, um sie zu einem Seil zu knoten. Er will hinausklettern und andere Burgbewohner suchen. Er will, dass wir mitkommen, aber ich werde diese Halle nicht verlassen und bete beim Schreiben. Noch weiß er nicht, dass ich verletzt wurde und wahrlich muss einer von Gottes Engeln sein Augenlicht trüben, dass er nicht sieht, wie elend ich mich fühle. So es Gottes Wille ist werde ich diesen Text rechtzeitig fertigstellen und Ritter Johann mitgeben, auf das er es nach Rom vor den Heiligen Stuhl trägt. Der Heilige Vater muss sich dieser Invasion aus der Hölle annehmen und wir müssen unseren Glauben stärken und in unseren Herrn Jesus Christus vertrauen. So sollen sie vernehmen, welchen Befehl Ritter Johann zuletzt an seine Männer gab, bevor die Dämonen es irgendwie in unsere Burg schafften. Jeder Soldat sollte seinen Helm ablegen und nicht wieder anziehen, denn sollte ein Dämon von seinem Körper Besitz ergreifen, wäre er viel schwieriger wieder zur Ruhe zu legen. Sein Plan ist es, in die Rüstkammer des Burgherren zu gelangen und so viele Männer wie möglich mit gutem Rüstzeug auszustatten. Ich bete inständig für ihn und hoffe, dass der Herr seine schützende Hand über Ritter Johann von Weißquell legt, denn keiner verhielt sich ritterlicher und tugendhafter im Angesicht solcher Schrecken, derer Zeuge wir verflucht wurden, zu werden. Und...“
An dieser Stelle bricht der Text endgültig ab und wird zu unleserlichem Gekritzel. Einige einzelne Wörter ließen sich noch erkennen und übersetzen, aber es waren Variationen und Wiederholungen des Wortes "Hunger", sodass es für das Forscherteam, das mit der Übersetzung betraut war, keinen Sinn ergab. Sie fügten dies lediglich der Vollständigkeit halber in ihren Abschlussbericht zur Übersetzung des Manuskripts hinein. Danach musste sich jemand von den Forschern an den Vatikan gewandt haben, wohl in der Hoffnung, dass sie Experten für mittelalterliches Kirchenlatein zur Unterstützung der Übersetzungsarbeit entsenden würden. Der Vatikan entsendete stattdessen eine verschwiegene Kommission, die das Manuskript kurzerhand beschlagnahmen und zur weiteren Forschung nach Vatikanstadt bringen ließ. Die offizielle Begründung lautet: Auf äußerst dringliche Anfrage des Papstes wurde der Text als historisches christliches Dokument deklariert und den Historikern des Vatikans mit sämtlichen bisherigen Übersetzungen auf unbestimmte Zeit zur Erforschung überstellt. Angebote zur Kooperation mit dem Forscherteam, das bis dahin am Manuskript gearbeitet hatte, wurden freundlich, aber bestimmt abgelehnt.