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Der schwarze Spiegel

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19.07.2021
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Der schwarze Spiegel

Ich fühlte mich seit dem Aufstehen wie ausgehöhlt. Als hätte etwas mein Wohlbefinden mit einem Schaber herausgekratzt. Nachdem ich meine Arbeit in der Bibliothek beendet hatte, beschloss ich, den Flohmarkt auf dem alten Industriegelände zu besuchen. Ich glaubte nicht ernsthaft daran, dass mir das Betrachten von Ramsch zwischen den Betonmauern der alten Industriegebäude helfen würde, mich besser zu fühlen. Aber diese Idee war besser als einfach nach Hause zu gehen.
Der Flohmarkt auf dem alten Industriegelände war an diesem grauen Tag im Oktober nur spärlich besucht. Nach den Mienen der Verkäufer zu urteilen, war die Kundschaft den ganzen Tag über größtenteils ausgeblieben. Einige Händler räumten bereits ihre Waren weg, während andere trübsinnig vor sich hinstarrten und an dampfenden Plastikbechern nippten.
Ich wühlte mich durch eine Bücherkiste mit Groschenromanen, wandte mich aber schnell wieder ab und ging weiter. In dem fahlen Licht sahen die Stände trostlos aus und kein Tisch brachte mich dazu, stehenzubleiben und mir die Angebote anzusehen.
Am Ende der Reihe mit Ständen fiel mir ein Mann auf, welcher bereits seine Waren in einen schwarzen Transporter lud. Die altbackenen kleinen Möbelstücke und Dekorationsartikel, welche ich beinahe als anstößig empfand, besaßen eine eigenartige Anziehungskraft. Die Leere in mir verwandelte sich in stechende Kälte, was aber nicht an den Waren lag. Der Mann selbst erzeugte dieses Gefühl in mir. Sein fahriger Blick huschte über seinen Kram und er hievte mit unkoordinierten Bewegungen die Sachen in seinen Transporter. Sein Gesicht hatte eine Farbe wie die Betonwände der alten Industriegebäude um uns herum. Auf den ersten Blick hielt ich ihn für einen alten Mann, aber als ich langsam auf ihn zuging, bemerkte ich, dass er nicht viel älter als Anfang dreißig sein konnte. Das unbehagliche Gefühl in mir schwoll an und dennoch schaffte ich es nicht, meinen Schritt zu verlangsamen oder die Richtung zu wechseln. Etwas zog mich zu ihm hin. Ich stellte mich direkt vor seinen Stand. Er lud eine bunte Tischlampe auf die Ladefläche, drehte sich zu mir um und zuckte zusammen.
»Oh. Hallo. Wie kann ich helfen?«
Seine Stimme kratzte und klang als würde er höher sprechen als üblich.
»Ich sehe mich nur um, danke.«
Er betrachtete mich noch einen Augenblick, zwang sich zu einem Lächeln, drehte sich von mir weg und belud weiter seinen Transporter. Ich beschaute seine Waren und stellte fest, dass die Gegenstände auf eigenartige Weise zusammenpassten. Als stammten sie aus einem Haushalt.
Mir fiel ein mannshoher Spiegel mit einem schwarzgestrichenen verschnörkelten Holzrahmen auf. Die Spiegelfläche war mit einer Schutzfolie abgeklebt.
»Der Spiegel. Was kostet der?«
Der Mann stellte eine Kiste ab und betrachtete den Spiegel. Er legte seine Stirn in Falten und sein Blick wurde hoffnungsvoll und Erleichterung schien ihn zu überkommen.
»‘n Zwanziger.«
Ich gab ihm das Geld. Er packte mir den Spiegel in Luftpolsterfolie ein.
Auf dem Weg nach Hause fragte ich mich, warum ich diesen Spiegel gekauft hatte, obwohl er mir überhaupt nicht gefiel. Aber das Gefühl der Leere und der Kälte war verschwunden.
Als ich in meinem kleinen Haus am Stadtrand ankam, stellte ich den eingepackten Spiegel im Wohnzimmer ab und ging in die Küche. Ich schenkte mir ein Glas Rotwein ein, ging zurück ins Wohnzimmer, setzte mich auf die Couch und überlegte, wo ich den Spiegel aufstellen würde. Mein Kater Houdini sprang auf die Couch und legte sich hin. Ich kraulte ihn und wir starrten gemeinsam den eingepackten Spiegel an. Ich beschloss, mich am nächsten Tag um den richtigen Platz für den Spiegel zu kümmern. Es war Freitag und ich musste am nächsten Tag nicht zur Arbeit. Ich trank noch einen Rotwein, wonach ich mich schwer fühlte und ins Bett ging. Kurz nachdem ich die Augen geschlossen hatte, schlief ich ein.
Ein heftiges Unwetter war aufgekommen, als ich aufwachte. Dicke Regentropfen schlugen gegen das Fenster und der Wind wehte ums Haus, was wie ein anhaltender Schrei eines alten Mannes klang. Aber deswegen war ich nicht aufgewacht. Ein Albtraum, den ich mit dem Aufwachen vergessen hatte, riss mich aus dem Schlaf. Ich war nassgeschwitzt, fühlte mich fiebrig und in meinem Mund lag der Geschmack von schlechtem Hammelfleisch. Ich stieg aus dem Bett und holte mir ein Glas Wasser in der Küche. Als ich den Wasserhahn aufdrehte, ließ mich ein lauter Donnerschlag zusammenfahren. Houdini fauchte und knurrte im Wohnzimmer. Ich ging ins Wohnzimmer, schaltete eine kleine Lampe ein und sah den Kater stocksteif mitten im Raum stehen. Sein Schwanz war aufgeplustert und seine Augen hatte er weit aufgerissen. Ich streichelte ihm über den Kopf, um ihn zu beruhigen. Aber Houdini schien mich nicht wahrzunehmen. Er starrte in die Ecke und murrte. Ich folgte seinem Blick mit meinem. Als ich die Stelle erreichte, die Houdini anstarrte, fühlte sich der Boden unter meinen Füßen an wie ein Moosfeld. Meine Füße schienen im Boden ungleichmäßig zu versinken und ein leichter Schwindel überkam mich. Mir wurde heiß, als würde mein gesamtes Blut in meinen Kopf schießen und hinter meinen Schläfen spürte ich ein starkes Pochen.
In der Ecke stand der Spiegel. Das Verpackungsmaterial war heruntergerissen und lag zusammengeknüllt auf dem Boden. Meine Gedanken fingen an zu rasen. Ein Einbruch schloss ich sofort aus, da etwas anderes viel wahrscheinlicher war. Ich war schlafgewandelt. Wieder. Bereits als Kind war ich oft nachts unterwegs. Mein Unterbewusstsein wollte wohl mit dem Auspacken des Spiegels nicht warten.
Langsam ging ich auf den Spiegel zu, der in dem schummrigen Licht der kleinen Lampe besser als im grauen Tageslicht aussah. Und erstmals sah ich die Spiegelfläche ohne Folie. Da sie auf dem Flohmarkt bereits abgeklebt war, vermutete ich, dass etwas damit nicht in Ordnung sei. Ein Riss oder ein Sprung. Etwas, was die perfekte Spiegelfläche verunstaltete. Aber die Oberfläche war makellos.
Ich sah mir selbst im Spiegel dabei zu, wie ich auf mich zugelaufen kam. Mit einer eigenartigen Faszination starrte ich auf mein Spiegelbild. Irgendetwas stimmte nicht. Dies war nicht mein normales Spiegelbild. Nicht, dass ich etwas nüchtern benennen konnte, was mir eigenartig vorkam. Mir schien bloß, dass dort ein winziges unsichtbares Detail vorhanden war, welches dort nicht hingehörte. Ich stand direkt vor dem Spiegel und betrachtete mich eine Weile. Plötzlich meinte ich etwas zu entdecken. Oder eher eine Ahnung zu bekommen. Ich sah ein weiches Flimmern in der Spiegelung.
Ich rieb mir die Augen und schob die Einbildung auf meine Fiebrigkeit. Meine Lunge rasselte beim Einatmen und ich begann zu husten. Wahrscheinlich habe ich mir etwas eingefangen, dachte ich und beschloss mich wieder zurück ins Bett zu legen. Meine Beine fühlten sich auf dem Weg in das Schlafzimmer schwer und träge an. In meinem Kopf spürte ich ein monotones Rauschen wie bei einer Empfangsstörung. Im Bett fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Einige Stunden später wachte ich wieder auf. Mein Mund war ausgedorrt und in meinem Kopf schlug etwas mit einem Paukenschlägel auf meine Nervenstränge. Ich fror so stark, dass sich meine Hände und Füße taub anfühlten. Das Unwetter war vorüber und der Morgen dämmerte bereits. Ich stand auf und spürte, dass sich meine Beine noch immer schwer anfühlten. Aus dem Kleiderschrank holte ich mir die dickste Wolldecke, die ich besaß, und schlang sie mir um.
In der Küche setzte ich Wasser auf. Ich füllte Houdinis Fressnapf mit Katzenfutter und stellte ihn klappernd auf den Boden. Erst als ich heißes Wasser über den Teebeutel goss, fiel mir auf, dass Houdini nicht wie üblich zum Fressen gekommen war. Ich rief ihn einige Male, ging ins Wohnzimmer, sah im Schlafzimmer nach. Allerdings konnte ich ihn nirgends finden. Ich setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer und versuchte durch den dichten Nebel in meinem Kopf zu blicken. Meine Erinnerungen an letzte Nacht waren undeutlich wie die an einen Traum. Ich starrte in den Spiegel und der Nebel in meinem Kopf wurde immer dichter. Alles in meinem Kopf begann sich zu drehen, als wäre ich in einen Fiebertraum gefallen. Ich bildete mir ein, tiefes und höhnisches Gelächter und immer lauter werdende Schläge auf hohle Metallrohre zu hören. Mein Körper setzte sich wie von allein in Bewegung. Ich ging langsam auf den Spiegel zu und nahm im Vorbeigehen eine leere Blumenvase aus Keramik in die Hand. Als ich vor dem Spiegel stand, hob ich die Vase hoch und wollte sie gerade in den Spiegel werfen, als mir schwarz vor Augen wurde und ich das Bewusstsein verlor.
Ich erwachte und lag auf dem Boden. Wieder war ein Unwetter aufgekommen. Starker Wind peitschte den Regen gegen die Fensterscheiben und die Nacht war bereits hereingebrochen. Ich setzte mich aufrecht hin und starrte in den Spiegel. Nur der Mond und die Straßenlaterne vor meinem Haus brachten ein wenig Licht ins Wohnzimmer. Aber für das was ich im Spiegel sah, brauchte ich kein Licht. Ich wollte kein Licht. An der Stelle, an der ich mich im Spiegelbild sitzen sehen sollte, saß ein Wesen. Eine Gestalt, die nichts Menschliches an sich hatte. Ich konnte in dem schwachen Licht keine Gesichtszüge auf dem viel zu schmalen und langen Kopf ausmachen, aber ich war mir sicher, dass dort etwas Schreckliches war. Die ganze Gestalt schien in die Länge gezogen zu sein. Die Extremitäten waren viel zu dünn und lang und nicht proportional zu dem kleinen Körper. Und hinter dem Etwas entdeckte ich zwei Auswüchse, die mich an ausgefranste dünne Flügel erinnerten.
Das Wohnzimmer wurde einen Augenblick von einem Blitz erhellt. Und dieser Augenblick, in welchem ich dem Anblick im Spiegelbild ohne den Schutz der Dunkelheit ausgesetzt war, überzeugte mich restlos davon, dass Dinge und Wesen in unserer und auch in jeder anderen unbekannten Welt existieren, die unsere Vorstellungskraft weit übersteigen. Dieses Wesen im Spiegel, abscheulich und surreal, war mit nichts aus meinen alten Erinnerungen zu vergleichen. Und dieses Etwas saß genau an jenem Platz, an dem ich doch mich selbst hätte sehen müssen. Ich spürte, wie ich schrie, aber ich hörte mich nicht. Ich hörte nur noch ein Geräusch, welches wie monotone Schläge auf ein hohles Metallrohr klangen. Sie dröhnten immer lauter, bis ich instinktiv die Augen schloss und mir die Hände auf die Ohren presste. Als meine Hände meinen Kopf berührten wich jegliche Wärme aus meinem Körper und mein Denken verwandelte sich in Schlacke. Ich spürte etwas anderes auf meinen Ohren. Mich berührte in diesem Augenblick, der Augenblick, welcher momentan geschah und demnach existieren und real sein musste, etwas völlig anderes als menschliche Hände. Es waren missgestaltete Pfoten mit Klauen, deren Kälte und Feuchtigkeit mir meinen Verstand raubten und niemals wieder zurückgeben würden.​

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Alex Henlein

Habe den Titel deiner Geschichte gelesen und gleich gedacht: Das kommt mir bekannt vor. Eine Horrorgeschichte mit einem Spiegel? Die gibt es doch schon zuhauf. Auch filmisch wurde das schon zahlreiche Male abgehandelt. Nun ja, ich liess mich davon nicht abhalten und habe deine Geschichte trotzdem gelesen. Schliesslich kann es ja sein, dass Du trotz meiner anfänglichen Bedenken eine innovative Geschichte entwickelt hast? Ich war jedenfalls gespannt.

Gleich zu Anfang hatte ich ein paar Probleme, in die Geschichte zu kommen:

Ich fühlte mich seit dem Aufstehen wie ausgehöhlt. Als hätte etwas mein Wohlbefinden mit einem Schaber herausgekratzt.
Vor allem der zweite Satz wirkt auf mich etwas plump, er drückt mir so ein wenig aufs Auge, was später kommt, ist also eine Art "foreshadowing". Ich fände es besser, dieses etwas nicht gleich im zweiten Satz zu benennen. Der erste Satz würde mir persönlich ausreichen, denn ich frage mich als Leser trotzdem, wieso er sich denn so fühlt (wird dann zwar nicht beantwortet). Auch wenn Du das hier nicht direkt angibst, aber das da etwas Übernatürliches ins Spiel kommen wird, merke ich an dieser Stelle bereits überdeutlich und das nimmt die Spannung. Ausserdem: Dein Prota fühlt sich offenbar schon ziemlich niedergeschlagen, es wäre mMn besser, an einem seiner "guten Tage" einzusteigen, dass erhöht die Fallhöhe (fröhlicher Mensch, normaler Alltag -> Verwirrtheit, Niedergeschlagenheit, Unwohlsein -> Transformation zu einem abscheulichen Wesen!).

Nachdem ich meine Arbeit in der Bibliothek beendet hatte, beschloss ich, den Flohmarkt auf dem alten Industriegelände zu besuchen. Ich glaubte nicht ernsthaft daran, dass mir das Betrachten von Ramsch zwischen den Betonmauern der alten Industriegebäude helfen würde, mich besser zu fühlen. Aber diese Idee war besser als einfach nach Hause zu gehen.
Der Flohmarkt auf dem alten Industriegelände war an diesem grauen Tag im Oktober nur spärlich besucht.
Das ist mir eindeutig zu viel Industrie. Vor allem, dass im letzten Satz dann nochmals das Ganze widerholt wird ("der Flohmarkt auf dem alten Industriegelände") fand ich etwas unschön und ermüdend zu lesen.

Nach den Mienen der Verkäufer zu urteilen, war die Kundschaft den ganzen Tag über größtenteils ausgeblieben.
Da der Tag grau ist, dachte ich daran, dass der wolkenverhangen und nieselig ist. Das die Kundschaft deshalb den ganzen Tag ausgeblieben ist, erachte ich somit als Wiederholung, denn mir ist zu diesem Zeitpunkt bereits klar, wieso die Verkäufer die Mundwinkel hängen lassen.

In dem fahlen Licht sahen die Stände trostlos aus und kein Tisch brachte mich dazu[,] stehenzubleiben und mir die Angebote anzusehen. Am Ende der Reihe mit Ständen fiel mir ein Mann auf, welcher bereits seine Waren in einen schwarzen Transporter lud.
Wortwiederholung Stände. Anstelle in dem vielleicht einfach Im? Würde sich mMn besser lesen. Trostlos ist einfach eine Beschreibung, das solltest Du besser zeigen. Wie sehen denn diese trostlosen Stände aus? Bin kein Komma-Experte, aber denke, das oben eingeklammerte kann weg oder Du könntest es umpflanzen, um die zweimal und zu vermeiden: Im fahlen Licht sahen die Stände trostlos aus, kein Tisch brachte mich dazu stehenzubleiben und mir die Angebote anzusehen. Nur ein Vorschlag. Bereits kannst Du rauskicken, ist nur Füllmaterial, das den Satz aufbläht.

Die altbackenen[,] kleinen Möbelstücke und Dekorationsartikel, welche ich beinahe als anstößig empfand, besaßen eine eigenartige Anziehungskraft.
Da sollte ein Komma hin mMn.
Ein Widerspruch. Er empfindet das Aussehen der Möbel und Dekorationsartikel als (beinahe, wieso nur beinahe?) anstössig, trotzdem wirken sie eine Anziehungskraft auf ihn aus? Was sind denn das für Möbel / Dekorationsartikel, dass sie anstössig wirken können? Darauf gehst Du leider nicht näher ein und deshalb bleibt bei mir ein Fragezeichen stehen, was mich im Nachhinein vermuten lässt, dass diese Passage des Textes völlig nebensächlich ist (obwohl es erst nicht danach klingt) und deshalb raus kann. Die stechende Kälte im Prota wird ja dann auch nicht von den Möbeln erzeugt, sondern von dem Mann, der diese auf den Transporter lädt. Das schreibst Du auch so direkt. Ich würde da am Anfang ein paar Dinge kürzen oder umschreiben.

Sein Gesicht hatte eine Farbe wie die Betonwände der alten Industriegebäude um uns herum.
Das hingegen gefällt mir sehr gut, ein passender Vergleich! Kann ich mir gut vorstellen.

Das unbehagliche Gefühl in mir schwoll an und dennoch schaffte ich es nicht, meinen Schritt zu verlangsamen oder die Richtung zu wechseln.
An dem Mann und so wie Du ihn beschreibst, ist erstmal eigentlich nichts Ungewöhnliches oder Schauderhaftes. Ich fragte mich die ganze Zeit: Wieso verspürt der Prota jetzt Unbehagen oder diese Kälte in sich drin? Das kann ja erstmal gut sein, wenn Du diese Fragen aufwirfst, allerdings empfand ich es eher so im Sinne von: Mann, was ist der für ein Weichei, hat Angst vor diesem alt aussehenden Mittdreissiger, der nichts weiter tut, als seine Möbel in den Truck zu laden? Ich hoffe, Du verstehst was ich meine. Wenn von dem Typen irgendwie eine bedrohliche Atmosphäre oder so ausgehen soll, müsstest Du die Stelle mMn anders aufziehen.

Seine Stimme kratzte und klang als würde er höher sprechen als üblich.
Das verstehe ich nicht. Also wie kann der Prota das wissen? Der Mann ist ihm doch völlig unbekannt. Das klingt hier so, als würde der Autor mich direkt ansprechen, nicht der Prota seine Geschichte erzählen.

Ich beschaute seine Waren und stellte fest, dass die Gegenstände auf eigenartige Weise zusammenpassten. Als stammten sie aus einem Haushalt.
Darüber bin ich gestolpert. Ich weiss schon, was Du sagen möchtest, es wirkt aber ein wenig ungelenk auf mich. Vor allem das zusammenpassen. Vielleicht hilft es, wenn Du hier ein wenig kürzt: Ich beschaute seine Waren und vermutete – aufgrund ihres ähnlichen Designs – dass sie alle aus demselben Haushalt stammten. Sowas in die Richtung. Ist wieder nur ein Beispiel :schiel: Dann das Wort beschauen: Das klingt so altertümlich. Ich weiss bis hierhin noch nicht, zu welcher Zeit deine Geschichte spielt, vermute aber – auch aufgrund der Wortwahl – irgendwann um 1920 oder so? Die bisherigen, doch recht knappen Beschreibungen der Welt lassen mich das vermuten.

Mir fiel ein mannshoher Spiegel mit einem schwarzgestrichenen[,] verschnörkelten Holzrahmen auf.
Komma ohne Gewähr. Denke aber, da gehört eines hin ...

Er packte mir den Spiegel in Luftpolsterfolie ein.
Na, dann lag ich wohl falsch mit meiner Vermutung von wegen 1920! Die Luftpolsterfolie wurde erst in den 50er Jahren erfunden. Ich finde deshalb, deine Wortwahl ist teilweise zu altbacken für die Geschichte.

Als ich in meinem kleinen Haus am Stadtrand ankam, stellte ich den eingepackten Spiegel im Wohnzimmer ab und ging in die Küche. Ich schenkte mir ein Glas Rotwein ein, ging zurück ins Wohnzimmer, setzte mich auf die Couch und überlegte, wo ich den Spiegel aufstellen würde. Mein Kater Houdini sprang auf die Couch und legte sich hin. Ich kraulte ihn und wir starrten gemeinsam den eingepackten Spiegel an. Ich beschloss, mich am nächsten Tag um den richtigen Platz für den Spiegel zu kümmern. Es war Freitag und ich musste am nächsten Tag nicht zur Arbeit.
Da sind mir viel zu viele Wortwiederholungen drin. Ich würde den Absatz umschreiben, um diese zu verhindern. Vielleicht auch kürzen, da steckt jetzt nicht wirklich etwas Relevantes oder Interessantes für mich als Leser drin.

Ein heftiges Unwetter war aufgekommen, als ich aufwachte.
War aufgekommen? Wieso nicht einfach: Ein heftiges Unwetter wütete, als ich aufwachte?

Dicke Regentropfen schlugen gegen das Fenster und der Wind wehte ums Haus, was wie ein anhaltender Schrei eines alten Mannes klang.
Vielleicht kannst Du den zweiten Satzteil rauskürzen. Auf mich wirkt der Vergleich eher zum Schmunzeln, aber Du möchtest den Wind ja schrecklich und bedrohlich erscheinen lassen. Auf mich wirkt der Vergleich also leider nicht wie beabsichtigt. Versuche doch, anstelle von wehen ein anderes Wort: heulen, brüllen, tosen ... Da gibt's viel passendes. Das erzielt dann auch ohne Vergleich schon die richtige Wirkung, mMn.

Wortwiederholungen:

Aber deswegen war ich nicht aufgewacht. Ein Albtraum, den ich mit dem Aufwachen vergessen hatte, riss mich aus dem Schlaf.

Ich stieg aus dem Bett und holte mir ein Glas Wasser in der Küche. Als ich den Wasserhahn aufdrehte, ließ mich ein lauter Donnerschlag zusammenfahren.

Houdini fauchte und knurrte im Wohnzimmer. Ich ging ins Wohnzimmer, schaltete eine kleine Lampe ein und sah den Kater stocksteif mitten im Raum stehen.

In der Ecke stand der Spiegel.
Ist klar, dass der da im Wohnzimmer steht. Dort hatte ihn der Prota ja hingestellt, als er nach Hause kam. Würde den Satz entfernen und den nachfolgenden leicht umbauen, damit klar ist, dass es mit dem Spiegel weitergeht.

Ein Einbruch schloss ich sofort aus, da etwas anderes viel wahrscheinlicher war.
Wieso dann den Einbruch überhaupt erwähnen? ;)

Mein Unterbewusstsein wollte wohl mit dem Auspacken des Spiegels nicht warten.
Ist vielleicht etwas umständlicher, aber ich hätte besser gefunden: Mein Unterbewusstsein hatte wohl mit dem Auspacken des Spiegels nicht warten können. Denn offensichtlich hatte er ihn ja nachts während seines Schlafwandelns ausgepackt und nicht direkt jetzt, als er es erzählt.

Langsam ging ich auf den Spiegel zu, der in dem schummrigen Licht der kleinen Lampe besser als im grauen Tageslicht aussah.
Langsam ist auch nur so ein Füllwort, das bringt nicht viel. Lass ihn doch einfach auf den Spiegel zugehen. Solche Füllsel hast Du an einigen Stellen im Text drin. Die könntest Du rauskürzen, ohne das was verloren geht. Es würde den Text kompakter und eleganter machen. Dann auch die vielen Adjektive, dieser Satz ist ein gutes Beispiel dafür: schummriges Licht, kleine Lampe, graues Tageslicht. Brauchst Du die wirklich alle? Hinterfrage das doch mal. Meist gewinnt ein Text, wenn die Adjektive reduziert werden. Habe ich auch hier im Forum erstmal lernen müssen!

Ich sah mir selbst im Spiegel dabei zu, wie ich auf mich zugelaufen kam.
Mmmh, wieso erwähnst Du das? Das haben Spiegel doch normalerweise so an sich, also das man sich selbst sieht, oder? ;) Das könntest Du mMn getrost streichen.

Ich sah mir selbst im Spiegel dabei zu, wie ich auf mich zugelaufen kam. Mit einer eigenartigen Faszination starrte ich auf mein Spiegelbild. Irgendetwas stimmte nicht. Dies war nicht mein normales Spiegelbild.
Wiederholung Spiegel / Spiegelbild. Was ist denn ein normales Spiegelbild? Ich glaube, Du brauchst da ein treffenderes Wort. Wie wär's mit übliches oder gewohntes?

Nicht, dass ich etwas nüchtern benennen konnte, was mir eigenartig vorkam. Mir schien bloß, dass dort ein winziges unsichtbares Detail vorhanden war, welches dort nicht hingehörte.
Das klingt ungelenk mMn. Kannst Du komplett streichen, es gibt mir als Leser nichts mit.

Plötzlich meinte ich etwas zu entdecken. Oder eher eine Ahnung zu bekommen.
Auch das hier. Würde ich streichen. Die beiden Sätze sagen eigentlich das gleiche aus.

In meinem Kopf spürte ich ein monotones Rauschen wie bei einer Empfangsstörung.
Wie kann man eine Empfangsstörung spüren? Die hört man doch normalerweise, also das monotone Rauschen. Da müsste auch ein treffenderer Vergleich her.

Allerdings konnte ich ihn nirgends finden.
Füllwort. Ich konnte ihn nirgends finden.

Ich setzte mich auf das Sofa im Wohnzimmer und versuchte durch den dichten Nebel in meinem Kopf zu blicken. Meine Erinnerungen an letzte Nacht waren undeutlich wie die an einen Traum. Ich starrte in den Spiegel und der Nebel in meinem Kopf wurde immer dichter. Alles in meinem Kopf begann sich zu drehen, als wäre ich in einen Fiebertraum gefallen.
Wortwiederholungen.

Mein Körper setzte sich wie von allein in Bewegung.
Klingt ungelenk. Wie von Geisterhand, wie fremdgesteuert oder sowas in die Richtung fände ich schon wesentlich besser, auch wenn das immer noch ausgelutscht klingt.

Ich ging langsam auf den Spiegel zu und nahm im Vorbeigehen eine leere Blumenvase aus Keramik in die Hand.
Ist es wichtig, dass die Blumenvase aus Keramik gefertigt ist? Das ist Füllmaterial, ich würde sagen weg damit! :)

Ich konnte in dem schwachen Licht keine Gesichtszüge auf dem viel zu schmalen und langen Kopf ausmachen, aber ich war mir sicher, dass dort etwas Schreckliches war.
Nun wird es spannend! Auf diesen Moment fiebere ich als Horror-Leser ja hin. Leider machst Du die Atmosphäre dann etwas kaputt, indem Du solch ein schwaches Verb wie sein in diesem Satz verwendest. Wie wäre es mit
  • dass dort etwas Schreckliches lauerte?
  • dass sich dort etwas Schreckliches verbarg?
  • dass sich dort etwas Schreckliches manifestierte?
  • dass dort eine entstellte Fratze in den Schatten ihre Zähne bleckte?
Was auch immer: Das sind in zehn Sekunden erdachte Vorschläge. Die Stelle muss mMn deutlich effektiver sein.

Die ganze Gestalt schien in die Länge gezogen zu sein. Die Extremitäten waren viel zu dünn und lang und nicht proportional zu dem kleinen Körper. Und hinter dem Etwas entdeckte ich zwei Auswüchse, die mich an ausgefranste dünne Flügel erinnerten.
Das Schrägstellen von Gestalt und Etwas lassen die Kreatur auf mich nicht bedrohlicher wirken ... Das musst Du schon mit deinen sprachlichen Mitteln hinkriegen.

Ich hörte nur noch ein Geräusch, welches wie monotone Schläge auf ein hohles Metallrohr klangen.
Das Geräusch hattest Du vorher schon drin. Es nutzt sich schnell ab. Würde es hier rausnehmen oder anders umschreiben.

Ich spürte etwas anderes auf meinen Ohren.
Noch so ein Streichkandidat.

Ich habe jetzt wirklich viel rumgemeckert. Verstehe das bitte als Hilfestellung. Ich habe das nicht geschrieben, um meine Überlegenheit zu demonstrieren oder deinen Text zu zerreissen. Ganz ehrlich: Viele dieser angemerkten Fehler mache ich selbst auch und ich bin meilenweit entfernt davon, ein Meister im Schreiben zu sein! Wenn Du hier aktiv bleibst/wirst, lernst Du bestimmt schnell dazu. Mir hat das Lesen, Kommentieren und selbst Geschichten einstellen bereits viel gebracht. Gerade fremde Texte lese ich mit ganz anderen Augen, da fallen mir Dinge auf, die mir vorher nie in den Sinn gekommen wären.

Ich mag Horrorgeschichten. Deshalb habe ich deine Geschichte auch gelesen. Und das gerne, trotz meinen vielen Anmerkungen. Leider hapert es noch bei der Umsetzung und auch die Idee erachte ich schon als relativ verbraucht, weshalb mich deine Story in ihrer momentanen Form nicht zu überzeugen vermag. Trotzdem bin ich gespannt, was Du sonst noch für (Horror-)Geschichten auf Lager hast.

Lovecraftsche Grüsse,
DM

 

Hi @DissoziativesMedium!
Der Schwarze Spiegel war einer meiner ersten Ausflüge ins Horrorgenre. Und wie du natürlich richtig erkannt hast, bin ich von Lovecraft inspiriert (das verrät wohl auch mein Avatar :D).
Ich danke dir, dass du dir so viel Zeit genommen und wirklich viel rumgemeckert hast! Damit kann ich verdammt viel anfangen und werde bei der Überarbeitungen deine Tipps zu Rate ziehen und schauen, wie die Story besser funktioniert.
Und seitdem ich Horror schreibe, fällt mir erst so richtig auf, wie schnell man in Klischees fällt. Braucht Horror ja auch ein bisschen, aber auch nicht zu viel. Ich hege die Hoffnung, dass ich die nervigen Klischees bald von mir "abgeschrieben" habe.
Cheers, auf dich!

 

Bonjour Alex,

hallo und herzlich willkommen in der Welt des Horrors!

Mir ging es sehr ähnlich wie meinem Vorkritiker, ohne allerdings über seine lobenswerte Ausdauer zu verfügen. DissoziativesMedium hat ja bereits viele Detailanmerkungen hinterlassen, daher halte ich mich kurz: Auch anhand Deiner Antwort vermute ich, dass es sich um einen ersten Gehversuch handelt, und insofern bist Du hier goldrichtig! :)
Meiner Ansicht nach würde Deine Schreibe gewinnen, wenn du etwas mehr Abstand einnehmen würdest. So ist der Plot einerseits wirklich vorhersehbar gewesen - reizvoll fände ich es, wenn du mehr mit der Handlung ( und damit mit meiner Erwartungshaltung als Leser ;) ) spielen würdest, sei es mit Ironie und/oder unerwarteten Wendungen. Andererseits lautet eine olle, aber gültige Kamelle: "Show, don´t tell." Will sagen: Deine Geschichte würde meines Erachtens gewinnen, wenn der Ich-Erzähler nicht bereits alles einordnen und bewerten würde bzw. Du als Autor den Leser etwas weniger lenken würdest. Um es nicht zu abstrakt werden zu lassen, versuche ich mich mal mit einem Beispiel:

Der Flohmarkt auf dem alten Industriegelände war an diesem grauen Tag im Oktober nur spärlich besucht. Nach den Mienen der Verkäufer zu urteilen, war die Kundschaft den ganzen Tag über größtenteils ausgeblieben.

Der erste Satz ist okay, generell könnte man freilich auch den Erzählstil auflockern, indem man eher beschreibend an die Szene rangeht. Bspw., dass nur ein paar Leute herumlungern, die aber eher gelangweilt wirken als in Kauflaune. Der Ich-Erzähler, der ja wohlmöglich den Trödel schonmal besucht hat, könnte mutmaßen, dass das am deprimierenden Herbstwetter liegen könnte, da sonst mehr los wäre. Einer der Händler, mit dem er sonst schonmal nett geplaudert hat, könnte heute missmutig oder auch nur kurz angebunden sein. Auf diese Weise könntest Du dir Gedanken machen, wie die beschriebene Szene aussieht, was sie an Details ausmachen könnte. Als nettem Nebeneffekt wirfst du dann auch nicht "nicht überdurchschnittlich wohlgesonnene Leser" wie mich aus dem Fluss - Klar, was der zweite Satz sagen will, aber bei mir ploppte sofort die Gegenfrage auf: "Wie glücklich sollen sie denn aus der Wäsche gucken, die armen Flohhändler an diesem offenkundig deprimierenden grauen Oktobertag?" ;)

Das richtige Spiel mit bzw. der Umgang mit Klischees jedenfalls ist sicherlich eine große Hürde, besonders auch bei Horrorgeschichten... aber ich denke, wenn Du dranbleibst, wirst Du sie sicherlich mit der Zeit "abschreiben" können. Hoffentlich findest Du in Diesem doch länger gewordenen Post wenn schon kein Lob, so doch irgendwas, was Dir weiterhilft ;)

 

Moin @Alex Henlein,

und danke, dass du deine Geschichte hier einstellst.
Ich habe sie gerne gelesen, muss den vorherigen Wortkriegern jedoch in vielen ihrer konstruktiven Kritikpunkte beipflichten, besonders bei den Punkten: Wortwiederholungen und "Show, don’t tell".

Da ich selbst noch nicht lange schreibe und auch noch nie eine reine Horrorstory verfasst habe (von kleineren "Tarantinoesken" Gewaltspitzen mal abgesehen), es aber vorhabe, interessiert mich die Arbeit anderer "Anfänger" (bitte nicht falsch verstehen) in diesem Genre sehr.

Gut gefallen hat mir in deiner Kurzgeschichte neben der angenehmen Länge sowie des grundsätzlichen Settings der Aspekt des Schlafwandelns, hier hast du mMn ein wenig Potenzial verschenkt.
Und ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass die Katze gekillt wird ... keine Ahnung, warum.

Auf jeden Fall bin ich auf weitere Storys von dir gespannt,

beste Grüße
Seth

 

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