Der Schnupfenmann
Der Schnupfenmann freute sich wie ein Schneekönig und rieb sich vergnüglich seine mit Bakterien verschleimten Hände. Er hatte es wieder mal geschafft! Es war Winter, und er wurde nicht arbeitslos, denn er hatte jede Menge zu tun. Bei den frostigen Temperaturen schlich er sich nachts an die Menschen heran und kroch in ihre Nasen, was ihm besonderen Spaß machte. Das war immer so aufregend und seine kleine Freunde, die Bakterien, hielten sich mit aller Kraft an den Härchen in der Nase fest und schwangen hin und her, bis sie nach ganz oben gelangten. Der Schnupfenmann rieb sich seine tränenden roten Augen vor Lachen und klatschte in die Hände, so dass weitere Bakterien auf das Bett fielen. Er wartete so lange, bis er ein lautes Niesen hörte. Ja, er hatte wieder gut gearbeitet und war höchst zufrieden. Er hatte in dieser Nacht noch weitere 20 "Kunden" vor sich und musste sich beeilen, damit er sein Arbeitspensum schaffte. Hier war er für heute fertig und brauchte nicht wiederzukommen. Er strengte sich besonders gut an, denn sein Chef, die Cholera, hatte ihm eine Beförderung in Aussicht gestellt. Er konnte dann mit seinem Freund, der Grippe, zusammenarbeiten. Das war schon lange sein Traum! Aber erst musste er kontrollieren, ob seine Arbeit auch erfolgreich war.
Also schlich er sich nach zwei Wochen wieder zu den Menschen und war höchst zufrieden, was er sah. Hustend und schnupfend langen sie in ihren Betten und jede Menge Taschentücher lagen herum. Seiner Beförderung stand also nichts mehr im Wege. Aber was war das? Da waren acht Leute, denen es schon wieder viel besser ging. Er sah auf dem Nachttisch Tabletten, Hustensaft und Nasenspray und wurde ganz blass. "Mist, so schaffe ich die Beförderung nie, ich muss mich mehr anstrengen. Vielleicht kann mir mein Freund, die Grippe, einen Rat geben." Aber dieser konnte ihm auch nicht weiterhelfen und sagte: " Ich weiß auch nicht, was dieses Jahr los ist. Ich schaffe es einfach nicht, dass die Menschen an Grippe erkranken. Sie haben da so eine komische Spritze bekommen, wer weiß, was da drin ist. Auf jeden Fall werden sie nicht krank. Meine Kumpels, die Diphterie und Tetanus können ein Lied davon singen, denn sie haben das gleiche Problem. Von Mumps und Röteln ganz zu schweigen. Nur die Masern hatten noch ein leichteres Spiel.
Der Schnupfenmann bedankte sich geknickt und dachte: "Das wird wohl dieses Jahr nichts mit der Beförderung, aber ich werde mich nicht unterkriegen lassen." Dann kam ihm die rettende Idee und ihm fiel seine Freundin, die Lungenentzündung, ein. Die muss ich unbedingt fragen, die hat immer so tolle Tipps und froh gelaunt ging er am späten Nachmittag seine Freundin besuchen. Diese hörte ihm aufmerksam zu und sagte: "Die Menschen sind manchmal leichtsinnig, entweder sie ziehen sich nicht warm genug an oder laufen mit nassen Haaren herum. Da habe ich leichtes Spiel, versuche es doch mal im Schwimmbad, manche trocknen sich nicht gründlich die Haare." Gesagt, getan, der Schnupfenmann bedankte sich überschwänglich und bald hatte er das Schwimmbad erreicht. Prompt erwischte er drei junge Mädchen, die zu faul waren, sich die Haare zu föhnen. Eine putzte sich bereits ihre Nase. "Ha, das wird ein leichtes Spiel und mein Chef wird mit mir zufrieden sein." Schnell kroch er auf den Kopf des Mädchens und rieb seine schleimigen Hände genüsslich auf der Kopfhaut herum. Diese wehrte sich, was das Zeug hielt, aber es war bereits zu spät. Das Mädchen hatte sich eine Lungenentzündung eingefangen und musste am nächsten Tag zum Arzt.
Morgen hatte der Schnupfenmann einen Termin bei seinem Chef, der ihn außerordentlich lobte, eine Beförderung konnte er ihm aber dieses Jahr noch nicht versprechen, dafür bekam er einen extra Bonus an resistenten Viren und Bakterien, die sich sehen lassen konnten. Der Schnupfenmann war ganz stolz, immerhin war er nun eine halbe Stufe höher gestiegen, das gefiel ihm auch ganz gut, und er konnte sich jetzt in seinem Job so richtig austoben. Die Grippe musste eben ein wenig warten, war vielleicht doch ein wenig zu langweilig für ihn, eben nicht so abwechslungsreich. Aber das brauchte er und hatte schon einen jungen Mann ausgesucht, dem er paar aggressive Viren verpasste. Glücklich lächelten seine tränenden Augen und dachte: "Das wäre für heute wieder mal geschafft, das hat so richtig Spaß gemacht!"