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Der Schlafwandler
Warum müssen Tage immer so beginnen? Allein dieses Wort! FRÜHstück! Ich überlegte, ob ich auswandern sollte. Nur wohin?
Ich hasse Leute, die morgens gute Laune haben. Es ist einfach ätzend! Mit zunehmendem Alter, bin grad 14 geworden, werden die Abende länger und das Grauen am Morgen kommt immer früher.
Das morgendliche Klingeln des Weckers baute sich ganz automatisch in meine Träume ein. Wie neulich: Ich zog mir grad so ein Splatter-Video rein. Der Hackebeiltyp kam um die Ecke und plötzlich ein schrilles Klingeln! Er schmiss sein Beil weg und rannte was Zeug hält. Das hat mich ganz schön genervt. Hatte die ganze Zeit schon drauf gewartet, dass das Blut spritzte und dann schmeißt er sein Mörderteil in die Ecke! Sauerei! Ich fand mich verwirrt im Bett wieder. Ein anderes Mal stand ich am 10-Meter-Turm. Zielstrebig stiefelte ich den Turm hoch, nicht ohne mit den Knien zu schlottern. Dort stand ich todesmutig zum Absprung bereit, als der Bademeister durchdringend klingelte. Fast wäre ich in die Tiefe gestürzt. Ich drehte geschockt wieder um und stieg ab.
„ Benjamin! Nun komm! Frühstück ist fertig!“
Gut, sie ist meine Mutter, aber trotzdem: Ich hasse sie in diesen Momenten.
Wenn ich dann irgendwann schlafwandelnd die Treppe herunterschleiche, kommt sie um die Ecke gefegt und trällert mich in säuselndem Legato-Singsang an:
„Guten Morgen! Hab schon den Kakao eingegossen.“
„Uäh“
Nicht nur das. Ein Ei thront in seinem eigenen Behältnis und wartet darauf geköpft zu werden. Jetzt ein Hackebeil! Dazu Croissant, Marmelade, Butter, Mettwurst, Käse. Sie begreift es einfach nicht! So früh am Morgen! Kotz!
„Nun setz dich doch!“ weit aufgerissene, wache Augen suchen ihren Weg zu mir, scheitern jedoch in ihrem Bemühen.
„Noch eben duschen.“
„Ist schon zu spät... der Bus.“
„Ich schaff das schon.“
Dann träume ich weiter. Warmes Wasser berieselt meinen Körper. Ich kippe die halbe Duschgelflasche auf meine Hände und glitsche das Zeug auf meinen Körper. Dann ein starker Duschstrahl: Schaum, aufgemischt mit meinen Händen.
„Benni! Nun mach mal!“
Nun wurde es grad so schön gemütlich.
„Es reicht, du hast schon...!“
„Jaaa!“
Nach einigen Stakkatoeinlagen meiner Mutter: „Genug!“ „Das viele Wasser!“ „Es ist schon spät!“: Ende des Wasserrauschens.
Abtrocknen, anziehen, Haargel sorgsam einbürsten, Blick in den Spiegel, links, rechts.
Ich schlurfe zum Frühstückstisch, nippe am Kakao:
„Iih, der ist ja schon kalt!“
Tür auf, Schultasche über die Schulter.
„Tschüss!“
„Ben, nun nimm doch wenigstens ein Brötchen... !“
„Keine Zeit, der Bus.“
Geiles Erlebnis. Und das jeden Morgen, bis aufs Wochenende. Dann wird ausgepennt. Dann gibt’s gar kein Frühstück.