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Der Schlüssel
Ich falle und falle in einen tiefen Schacht hinein. Ich versuche an den Wänden des Schachtes Reibung zu erzeugen, um den Flug zu verlangsamen. Doch er wird nicht langsamer, im Gegenteil. Es ist dunkel in diesem Schacht, und mein Fallen erzeugt ein mächtiges Gepolter. Ich frage mich ruhig, wie lange dieser ungewöhnliche Flug noch dauern mag.
Als ich auf den Boden aufschlage, wache ich nicht wie gewöhnlich auf, sondern befinde mich in einem Raum, der so grell weiß und hell ist, dass ich die Augen zusammenkneifen muss, um überhaupt etwas zu erkennen. Sofort habe ich Druck auf den Ohren, und ein Pfeifen, dass wohl die Stille verursacht. Der Raum ist viereckig und lehr. Das heißt, es stehen keine Gegenstände in ihm, und langsam frage ich mich, was ich hier soll.
Der Fußboden ist weiß, und aus Linoleum. Meine nackten Füße kleben an ihm. Ich beschaue meinen Körper, seltsam, dass er keine Verletzungen davongetragen hat.
Und da fällt mir ein Schlüssel auf den Kopf, prallt ab, und landet klirrend auf dem Linoleum. Verzögert schaue ich auf den Schlüssel, frage mich, was dies wohl zu bedeuten hat. Natürlich hatte ich eine Tür übersehen, die ebenfalls weiß, und deshalb schwer zu erkennen ist. Der Schlüssel musste also in das Schloss, der Tür passen. Ich fragte mich, wohin der Schacht führt, und wohin die Tür führt. Seltsam, dachte ich.
Ich überlege mir, was hinter der Tür ist. Vielleicht, das, wonach ich suche, das Ziel, das es gilt zu erreichen. Vielleicht komme ich in ein Haus. Das Haus steht am Meer, und an dem braunen Holzschreibtisch sitzt ein alter Mann, der ein Buch schreibt. Der Mann ist zufrieden, und eine alte Frau mit kommt herein, und die Teekanne dampft auf dem Tablett. Im Fenster ist das Meer zu sehen, und die Gardienen, die wehen, und das Meer ist dunkelblau, und der Himmel ist glutrot. Die Hände des Mannes haben viel bewegt. Die Augen haben viel gesehen, und die Ohren haben viel gehört. Die Welt ist nicht schlecht in diesem Haus.
Vielleicht ist hinter der Tür eine große Wiese, über die ich rennen kann, und überall blühen die Blumen. In der Mitte steht ein Apfelbaum, der voll roter Äpfel ist. Und wenn ich vor dem Baum stehe, würde ich vielleicht den einen Apfel am Boden liegen sehen. Der Apfel wäre nur ein Griebsch. Und dann würde es vielleicht Äpfel und nicht Schlüssel regnen. Hinter der Tür ist vielleicht jemand, den ich fragen könnte:
„Was hast du getan?“
Als ich mich entschlossen hatte, den Schlüssel aufzuheben, da regnete es auf einmal aus strömen Schlüssel. Es regnete aus Eimern, und es hörte nicht auf. Bevor die Schlüssel bis zum Schloss reichten, wollte ich wenigstens einen ausprobieren. Mir kam der Verdacht, dass es der erste war, der hinabgeregnet kam, aber natürlich konnte ich ihn nicht wiederfinden. Ich probierte einen anderen. Er passte nicht. Und als mir die Schlüssel bis zu den Hüften standen, da hörte es plötzlich auf zu regnen, und es schien wieder die Sonne. Ich war nun aber immer noch in diesem Raum, also musste ich den Schlüssel finden, und so suchte ich und suchte.
Nachdem ich mich freigekämpft hatte, versuche die Tür einzutreten, doch sie bewegt sich nicht ein bisschen. Und plötzlich hallt es von oben:
„Hallo?“
„Ja“, schreie ich in den Schacht.
„Habe keine Angst“, dröhnt es.
Aus Leibeskräften schreie ich: „Die Tür, die Tür.“
Es ist eine weile still und dann: „Die Tür ist offen.“