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Der Schatz in Königsarme
Der Schatz in Königsarme
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Es gab vor sehr vielen Jahren sieben Königreiche. Einen König hatte ein jedes, aber reich waren nur sechs. Das siebte Land hieß Königarm und dessen König gefiel es gar nicht, der Herrscher über das einzig arme Land zu sein. Er wohnte mit Sohn und Weib in einem einfachen Backsteinhaus und es grämte ihn, nicht so wie die anderen Könige, in einem Schloss zu Hausen. Einmal im Jahr gab er Minnesängern bei sich Unterkunft, die sich dort für ihre höfischen Auftritte in den Königreichen vorbereiteten und ausruhten. Natürlich übten sie nur und sangen nie so klangvoll wie in den Ballsälen der reichen Schlösser. Trotzdem hörte der König viel von Sagen und Legenden aus den anderen Ländern. Diese jedoch erfüllten ihn immer mehr mit Neid. So ging das viele Jahre.
Als eines Abends ein Minnesänger zu Gast war, erzählte dieser wie üblich von ritterlichen Heldentaten und das angeblich Hexen aus den Wäldern jungen Prinzessinnen schreckliche Flüche auferlegten. Im Lande von Königarm gab es jedoch weder Heldentaten noch Prinzessinnen, auch dies erfüllte wiederum des Königs Gesicht mit Neid. Doch erwähnte der Sangeskünstler noch, dass in jedem Königreich ein wertvoller Schatz versteckt sei, der von einem grausigen Drachen gehütet werde. Ein Drache, der nur im Zweikampf besiegt werden könne. Sofort kam dem König der Gedanke, dass auch in seinem Land Königarm ein solcher Drache lebte. Und am nächsten Tag bereits rief er seine königlichen Ritter zu sich. Es waren sechs stattliche Burschen, die in Lederrüstungen gekleidet dem König zuhörten. Der König sprach: "In unserem Land gibt es einen Schatz, der uns auch zu einem Königreich machen wird. Er ist vermutlich in der Höhle versteckt, in der dieser Drache wohnt." Dabei deutete er auf eines der Holzschilder, die seine Ritter trugen und kündigte an: "Da dieser Drache unser Wappentier ist, möchte ich nicht das ihr ihn tötet, sondern nur vertreibt." Nach weiteren Worten des Königs waren die sechs schliesslich hoch motiviert ihre Aufgabe zu erfüllen. Sie wollten ihr Land Königarm reich machen.
Der erste Ritter war der Tapferste und war sich sicher den Drachen zu bezwingen. Er ging auf die Höhle zu und forderte den Drachen auf zu verschwinden. Der Drache jedoch war erzürnt darüber und spuckte Feuer. Das Holzschild verbrannte zwar, jedoch traf der Tapfere den Drachen an einer Pfote. In grossem Gebrüll warf der Drache, mit seiner anderen Pfote, den tapferen Burschen in hohem Bogen durch die Luft. Als dieser wieder zu sich kam konnte er nicht weiter Kämpfen, berichtete jedoch den anderen von seinem Kampf. So ging das auch mit vier weiteren Rittern. Keiner von ihnen hatte den Drachen vertreiben, sondern nur an anderen Stellen verletzen können.
Der Sechste war der Letzte, aber auch der Gierigste. Der Drache war schon schwer verwundet und da er der Letzte war, musste es also ihm gegönnt sein, Königarm reich zu machen. Als er dann den Drachen am Kopf traf flüchtete dieser prompt in seine Höhle zurück. Der Sechste rief in die dunkle Höhle: "Drache gibt mir den Schatz, den du bewachst!" Plötzlich kam eine Frau in schwarzer Robe an das Ende der Höhle und sprach zum Ritter: "Lasst meinen Drachen in Ruhe! Ich muss ihn immer wieder gesund pflegen, habt ihr Tunichtgute nichts besseres zu tun?" Der gierige Ritter antwortete: "Dann müsst ihr eine Hexe sein, wenn ihr einen Drachen pflegt. Nun, lasst mich reden... Ich bin nur wegen des wertvollen Schatzes gekommen. Zeigt mir den Schatz der mir zusteht, denn ich habe den Drachen besiegt!" Kaum waren diese Worte gefallen sah er den Schatz, doch konnte er ihn nicht mitnehmen, weil er an dessen Schönheit erblindete. Als die verwundeten Fünf den Sechsten zum König geführt hatten fragte der: "Du hast also den Schatz gesehen? Wie sah er aus?" Mit benommener und verträumter Stimme antwortete dieser: "Unglaublich und unbeschreiblich schön!" Und jedes mal, egal was man ihn fragte, wiederholte er nur diese Worte Unglaublich und unbeschreiblich schön!. Der König war überrascht, denn es schien angeblich der wertvollste Schatz der Welt zu sein, doch hatte er ihn immer noch nicht. Und jeder Freiwillige, der zur Höhle ging um den Schatz zu sehen, erblindete an der Schönheit des Schatzes.
So kam es nach ein paar Jahren, dass der König von Königarm schwer erkrankte und seinen bescheidenen Sohn vorzeitig zum amtierenden König benannte. Der neue König überlegte nun wie er seinem kranken Vater helfen könnte, denn für ihn waren Familie und Freunde der wertvollste Besitz. Doch Geld für Heiler aus anderen Länder hatte er nicht. Aber dennoch gab er nicht auf einen Weg zu finden, um seinen Vater zu retten. Da erinnerte er sich daran, dass eine Hexe in der Höhle beim Drachen wohnte. "Wenn die Hexe einen Drachen heilen könne, dann könnte sie bestimmt auch meinem Vater helfen. Manchmal ist er doch selbst der grausigste Drache im Land." dachte er sich und machte sich auf den Weg zur Drachenhöhle.
Man hörte von Draußen nur ein brummendes Schnarchen des Drachen, also ging der junge König behutsam zum Höhleneingang. Ein Ritter war er für wahr nicht, dennoch trug er ein Holzschild auf dem Rücken. Auf einmal kam eine verhüllte Gestalt auf ihn zu geeilt. Es war die Hexe in ihrer schwarzen Robe, die ihm zuflüsterte: "Vorsicht, mein Drache schläft und will nicht gestört werden." Er erwiderte: "Aber ich brauche eure Hilfe, mein Vater ist schwer erkrankt und ich hoffe ihr könnt ihm helfen." Sie nickte ihm zu, holte ein paar Dinge aus der Höhle und ging mit ihm zum Königshaus. Am nächsten Morgen, nach einer Behandlung mit seltsamen Kräutern, fühlte sich der Königsvater schon viel besser. Als die Hexe im frühen Morgengrauen auf dem Weg zurück zur Höhle war ritt der junge König ihr eilend hinterher. "Warte!" rief er ihr nach. Sie drehte sich um und er stieg vom Pferd. "Es war das wertvollste und schönste was du getan hast, lass mich dir dafür danken." Darauf zog sie ihre Kapuze herunter, so das er ihr Gesicht und ihre Haare sah. Sie war unglaublich und unbeschreiblich schön und sagte zu ihm: "Dank dir bin ich erlöst. Du wolltest dich nicht von meiner äußeren Schönheit blenden lassen und hast dadurch den Fluch von mir genommen." "Lass dich umarmen!" sagte der König und mit diesen Worten war der Schatz von Königarm in Königsarme. Er sah das Glück seines Lebens vor sich und fortan erblindete niemand der das zu schätzen wusste, was er hatte.
Man hörte noch viele Jahre durch den Minnesang vom wertevollen Leben in Königarm. Und wer selbst heute seinen Schatz in die Arme nimmt, der fühlt was man damals in Königarm fühlte.
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(c) Benjamin Pfeiffer, 27.09.2001